Vom Bourbaki-Panorama zum IMAX-Filmtheater
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Vom Bourbaki-Panorama zum IMAX-Filmtheater
Vom Bourbaki-Panorama zum IMAX-Filmtheater Von Fredy Rey, Buchrain, und Peter Hauri, Luzern Wer die Stadt Luzern einmal mit einer besonderen Optik betrachtet, erkennt in zahlreichen Bauten mit bewegtem Innenleben eine reiche Tradition für beson dere Leistungen in Information, Unterhaltung und Kultur, sei es, um den gehobenen Ansprüchen eines internationalen Tourismus gerecht zu werden oder um den Luzernerinnen und Luzernern - oft auch den Innerschweizern - fortschrittlich und zeitgemäss zu erscheinen oder Gästen und Einheimischen sogar ein Quäntchen mehr zu bieten, als es der Zeitgeist jeweils gerade erfordert. So ist es kein Zufall, dass in Luzern das weltweit älteste Norm-Panorama steht. Luzern lei Daguerres Diarama in Paris stet sich immer wieder ganz Besonderes. In neuster Zeit hat mit dem IMAX-Filmtheater eine weitere tech nische Errungenschaft Fuss gefasst, und sicher darf in diesem Zusammenhang das neu erstellte Kultur- und Kongresszentrum als «Jahrhundertbau>; für Kultur und Unterhaltung nicht ausser Acht gelassen werden. Luzerner Kino-Tradition , In Luzern dürfte der erste Kinematograph an der Mes- Vom Diorama zum Panorama se von 1897 vorgeführt worden sein, wo er auch in den folgenden Jahren regelmässig zu Gast war. In sei Das Bedürfnis nach plastischen und sogar lebendig ner «Geschichte der Luzerner Kinos» hat Felix Bucher wirkenden Bildern für Information und Unterhaltung die Kinotradition in Luzern seit ihren Anfängen mit regte schon anfangs des letzten Jahrhunderts zu vielen der Errichtung des Erfindungen an. In den 20er Jahren des 19. Jahrhun Gebrüder Morandini detailreich nachgezeichnet. Die «Kinematograph Federal» der derts konnten die wohlhabenden Bürger von Paris in Kinounternehmer in Luzern verschafften dem neuen dem von Jacques Daguerre erfundenen Diorama riesi Medium einen bedeutenden Platz im Unterhaltungsan ge transparente Gemälde betrachten, die durch ein gebot der Stadt, den es bis heute nicht verloren hat, ausgeklügeltes Beleuchtungssystem wie der Vergleich der Besucherzahlen mit anderen mit unzähligen Jalousien, Blenden und Farbfiltern über so viel Leben Schweizer Städten zeigt. Das zunehmend schnellere und Tiefe verfügten, dass sie kaum mehr als Gemälde Tempo der technischen Entwicklung im Laufe des erkennbar waren. Im Anschluss an die Pariser Welt Jahrhunderts erforderte von den Unternehmern immer ausstellung von 1879 erlebten dann Panoramen mit wieder grosse Investitionen, die ab und zu auch jen ihren monumentalen Rundgemälden eine eigentliche seits ihrer finanziellen Möglichkeiten lagen, Blütezeit, aus welcher heute nur wenige Exemplare besonders nach dem allgemeinen Rückgang der Besu bestehen und bestaunt werden können, so auch das cherzahlen seit der Einführung des Fernsehens und ganz Panorama in Luzern. Das Bourbaki-Panorama ist das einem zunehmend veränderten Freizeitverhalten des älteste weltweit existierende Norm-Panorama. Sein Publikums. Nachdem im Ausland, zuerst vor allem in Rundbild von Edouard Castres zeigt den Grenzüber Amerika eigentliche Freizeittempel mit mehreren, oft tritt der französischen Ostarmee unter General Bour mit unterschiedlicher Technik ausgerüsteten Kino baki am sälen, Bars, Restaurants und Einkaufsläden entstan Ende des deutsch-französischen Krieges 1870/71 und die Internierung durch die Schweizer den, wuchs der Investitionsbedarf auch hierzulande Armee. Das Rundbild wurde 1881 für die Landesaus nochmals gewaltig. In der Ära Egger entstanden auch stellung in Genf gemalt, kam 1889 nach Luzern und in Luzern mit dem Umbau des «Capito!» und später wurde 1926 und 1949 gekürzt. Es misst heute 116 m dem im Umfang und rund 1200 m2 bemalte Fläche. Seit Kinos. Ein weiteres Grossprojekt ausländischer Inve «Broadway» in Kriens die ersten Multiplex 1.5.1996 werden Restaurierungsarbeiten vorgenom storen steht in Emmoobrücke kurz vor der Realisie men. Die voraussichtliche Neueröffnung ist auf Herbst rung. Die Auswirkungen dieses Projekts auf das 1999 vorgesehen. Luzerner Kinogewerbe sind nur schwer abzuschätzen. 92 Bourbaki-Panorama (alte Aufnahme) IMAX-Filmtheater im Verkehrshaus der Schweiz, Luzern Grossformat-Filmtheater: IMAX im Verkehrshaus sollte die Begrenzung der Leinwand nicht mehr wahr Keine Konkurrenz für die Luzerner Kinos, sondern Blickfeldes befindet. Das Ziel, dem Betrachter die Illu eher eine Bereicherung des Angebotes bedeutete dage sion zu vermitteln, er befinde sich mitten drin im kleiner zu halten als im Kino üblich. Der Betrachter nehmen, weil sie sich ausserhalb oder am Rand seines gen die Einrichtung des ersten Grossformat-Filmthea Geschehen, wurde auf diese Weise erreicht und durch ters der Schweiz durch das Verkehrshaus am 1. Juli eine rundum im Raum angeordnete mehrkanalige 1996. Hier hielt mit dem IMAX-Filmtheater ein audio Tonanlage zusätzlich unterstützt und verstärkt. visuelles Medium Einzug, das seinen Siegeszug seit den 70er-Jahren von Nordamerika aus angetreten hatte. Die Geschichte der Firma IMAX (-+ Akronym für Die technische Umsetzung dieser Ideen war aller dings nicht einfach. Bereits der erste, an der EXPO '70 in Osaka vorgestellte IMAX-Projektor verblüffte «Image Maximization») beginnt mit Multileinwand selbst die Fachleute, und seither wurde das System filmen an der Weltausstellung EXPO '67 in Montreal. weiterentwickelt und verbessert und um spezielle For Diese Grossprojektionen bildeten eine der Hauptat men der Projektion erweitert: Schon 1973 kam mit traktionen der Ausstellung und wurden von der dem «OMNIMAX» das Kuppelkino mit 180o-Bild Öffentlichkeit und den Medien bejubelt. Die Initianten ausleuchtung auf den Markt, und seit Mitte der 80er gründeten eine Firma mit dem nicht unbescheidenen Jahre wurde an der Nutzbarmachung der längst Ziel, anstelle des Multileinwandsystemes das tech bekannten Stereoskopie mit polarisiertem Licht für die nisch und qualitativ perfekte Filmaufnahme- und Pro Grossbildprojektion gearbeitet. Zur Aufführung ka jektionssystem, basierend auf einem einzigen Projek men die ersten IMAX-3D-Filme 1986 im Kanadischen tor, zu bauen. Pavillon an der EXPO in Vancouver, aber erst heute Der Weg zum brillanten und perfekt scharfen kann die 3D-Technologie langsam im Markt Fuss fas Grossformat-Film musste über das Aufnahmeformat sen, was unter anderem mit den enormen Schwierig selbst führen: je' grösser das Bildfeld, desto besser die keiten und Kosten bei der Filmproduktion und Projek Bildqualität. IMAX griff auf den bekannten 70-mm tion zusammenhängt. Film zurück, der allerdings quer durch den Projektor Aus diesen Gründen hat das Verkehrshaus das läuft, sodass das Negativ zehnmal mehr Fläche hat als klassische IMAX-Format gewählt, gleichzeitig aber beim klassischen 35-mm-Kino-Format. Dieses Bild die baulichen Randbedingungen sichergestellt, damit wurde nun auf eine Leinwand proijziert, die um ein die Anlagen später auf 3D erweitert werden können. Mehrfaches grösser ist als die grössten existierenden Die Leinwand ist 19 m hoch und 25 m breit und nur Kinoleinwände. leicht gebogen. Der Projektor arbeitet mit einer Die enorme Auflösung und der Detailreichtum der Xenon-Lichtbogenlampe mit 15 000 Watt Leistung Bilder ermöglichten es, die Distanz zum Betrachter viel und belichtet 24 Bilder resp. 1,77 m Film pro Sekunde. 93 Nicht weniger imposant sind die Daten der Tonanlage, die mit 6 CD-Kanälen und 22 000 Watt Gesamtlei stung für ein hervorragendes klangliches Erlebnis auf jedem der 400 Sitzplätze sorgt. Für den von den Architekten Hugo Flory und Sepp Zurfluh konzipierten Rundbau wurden 17,5 Mio. Franken investiert. Der Anteil an Donationen und Sponsoren betrug knapp 10%. Dank dem grossen Publikumserfolg - in den ersten 2 Betriebsjahren wur den 1 Mio. Tickets verkauft - konnte schon im ersten Jahr nebst Finanzierung und Amortisation ein Zustupf für das übrige Verkehrshaus erwirtschaftet werden. Mit Blick auf die reichhaltige Bibliothek von über 100 Filmen und den 3 bis 4 neuen Filmen pro Jahr dürfte der Besucherstrom aus der ganzen Schweiz und dem angrenzenden Ausland auch weiterhin anhalten. Grossformat-Filmtheater sind heute ein Industrie zweig, der innerhalb der Kinowelt ein Eigenleben führt und seinen eigenen künstlerischen und ökonomischen Gesetzen folgt. Während die Kinobranche sich voll ständig aus den Einnahmen aus dem Billettverkauf IMAX-Innenaufnahme mit Publikum und Leinwand und Nebengeschäften wie Merchandising und Food finanziert, ist dies beim Grossformat nicht möglich. Museum wie dem Verkehrshaus der Schweiz ange Einerseits sind die Kosten für die Filmproduktion und schlossen sind. In diesem Umfeld soll auch nicht vor den Betrieb der Filmtheater sehr hoch, auf der anderen rangig ein Kinopublikum angesprochen werden, son Seite stehen weltweit kaum 200 Leinwände zur Verfü dern ein breites Familienpublikum, das im weitesten gung, um die Produktionskosten wieder einzuspielen. Sinne interessiert ist an Kultur, Technik, Geographie, Der Kommerzialisierung sind damit Grenzen gesetzt, Natur und Forschung - an den Wundern der Welt und und es ist kein Zufall, des Universums ganz allgemein. dass die meisten dieser Filmtheater einem Freizeitpark, einer grösseren kultu Für das Verkehrshaus ist das IMAX-Filmtheater rellen oder wissenschaftlichen Institution oder einem eine attraktive thematische Erweiterung und ein her vorragendes Kommunikationsinstrument. Das Medi um ist in der Lage, uns in fremde Welten zu versetzen und uns an Orte zu bringen, die sonst unerreichbar bleiben müssten: IMAX-Kameras wurden in den Welt raum gebracht und zum Wrack der Titanic, sie haben Vulkanausbrüche aus nächster Nähe mitverfolgt und sind bis ins Auge des Hurrikans vorgestossen. Mit den für das Format typischen langen Sequenzen und Ein stellungen lässt es uns Zeit zu schauen und zu betrach ten, in die fremden Welten einzutauchen und an ihnen teilzuhaben. Damit haben wir den Kreis unserer Betrachtung geschlossen. Wie weiter oben gezeigt wurde, deckt sich dies in hohem Mass mit der Zielsetzung und dem Anspruch der Grosspanoramen des letzten Jahrhun derts. Dort, und nicht beim Unterhaltungskino des 20. Jahrhunderts, liegen denn auch die kulturellen Wurzeln des Mediums IMAX und der Grossformat IMAX -Schnittzeichnung, Filmformatvergleich 94 Filmtheater.