FACHINFO: Behindertengerechte (Um

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FACHINFO: Behindertengerechte (Um
FACHINFO:
Behindertengerechte
(Um-)Gestaltung von Wohnraum
Welche Fördermöglichkeiten gibt es?
1. Auflage 2006
Jürgen Greß
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rechtsanwälte Hoffmann & Greß
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Behindertengerechte (Um-)Gestaltung von Wohnraum
- Übersicht über mögliche Leistungen der Sozialversicherungen und staatliche
Fördermöglichkeiten für Umbaumaßnahmen -
Typische Fragestellung:
Unser Sohn (16 Jahre) ist mehrfachbehindert und pflegebedürftig. Sein gesundheitlicher
Zustand hat sich in letzter Zeit verschlechtert, so dass er jetzt auf den Rollstuhl angewiesen
ist. Wir möchten die Pflegesituation bei uns zu Hause verbessern und unsere Wohnung
rollstuhlgerecht umbauen. Insbesondere wollen wir die Türen verbreitern und das Bad
umbauen. Können wir mit staatlichen Zuschüssen rechnen?
Antwort:
Für eine behindertengerechte bzw. barrierefreie (Um-)Gestaltung von Wohnraum stehen
verschiedene Leistungen der Sozialversicherungen und staatliche Fördermöglichkeiten zur
Verfügung. Welche Stelle für Ihre konkreten Umbaumaßnahmen Zuschüsse gewährt, hängt
jedoch immer von individuellen Voraussetzungen ab und muss im Einzelfall geprüft werden.
Bei Mietwohnungen könnte auch mit dem Wohnungseigentümer über einen
behindertengerechten Umbau der Wohnung oder des Treppenhauses gesprochen werden.
Seit dem Jahre 2001 muss der Vermieter nach dem Mietrecht (§ 554 a BGB) einem
behindertengerechten Umbau grundsätzlich zustimmen, sofern sich der Mieter verpflichtet,
beim Auszug den Umbau rückgängig zu machen.
Bei Fragen zur technischen und baulichen Ausstattung behindertengerechten Wohnraums
sollten Sie sich an die örtlich zuständigen Bauämter und die Bayerische Architektenkammer
wenden.
Beachten Sie unbedingt, dass Anträge auf Förderung regelmäßig vor Beginn einer
Maßnahme gestellt werden müssen und mit dem Umbau erst dann begonnen werden sollte,
wenn alle Zusagen über Fördermittel schriftlich vorliegen.
In Ihrem Fall könnten für Zuschüsse zu den geplanten
Umbaumaßnahmen die folgenden Stellen in Betracht kommen:
behindertengerechten
1. Pflegekasse - Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes
Pflegebedürftige Menschen haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur
Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen
beitragen oder eine selbständigere Lebensführung ermöglichen. Die Pflegekassen
übernehmen aber auch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes
von pflegebedürftigen Menschen.
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Die Kosten einer Maßnahme zur Wohnungsanpassung können nach § 40 Abs. 4 SGB XI von
der Pflegekasse mit einem Betrag in Höhe von maximal € 2.557 bezuschusst werden.
Bezuschusst werden sowohl Maßnahmen an gemietetem Wohnraum als auch an
Wohneigentum des Versicherten.
Zu beachten haben Sie, dass als eine Maßnahme die Gesamtheit aller zum Zeitpunkt der
Antragstellung notwendigen Veränderungen der Wohnung gilt. Alle Veränderungen Ihrer
Wohnung, die aktuell erforderlich sind, gelten als eine Maßnahme. So handelt es sich bei
den von Ihnen geplanten verschiedenen Umbauarbeiten insgesamt um eine Maßnahme.
Erst wenn sich die Pflegesituation Ihres Sohnes ändern sollte und weitere
Wohnumfeldverbesserungen erforderlich werden, würde eine weitere förderfähige
Maßnahme vorliegen, so dass sie einen weiteren Zuschuss bis zu einem Betrag von € 2.557
in Anspruch nehmen könnten.
Bezuschusst werden sowohl Maßnahmen an gemietetem Wohnraum oder am Eigentum des
Versicherten. Bei der Bemessung des Zuschusses sind als Kosten der Maßnahme die
Aufwendungen für die Vorbereitung, Materialkosten, der Arbeitslohn und ggf. Gebühren
(Bauanträge, Genehmigungen) zu berücksichtigen.
Ihr Sohn müsste als Eigenanteil 10 v.H. der Kosten der Maßnahme tragen, jedoch höchstens
50 v.H. seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Rente, Verdienst,
Leistungen vom Arbeitsamt etc.). Einnahmen weiterer Angehöriger im gleichen Haushalt
werden nicht angerechnet. Besitzt ihr Sohn keine eigenen Einnahmen, entfällt damit sein
Eigenanteil.
Voraussetzung für den Zuschuss ist, dass durch die geplanten Umbauten im Einzelfall die
häusliche Pflege ermöglicht, erheblich erleichtert oder die möglichst selbständige
Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Dabei kann es sich z.B. um
bauliche Maßnahmen handeln, wie Türverbreiterungen, festinstallierte Rampen,
Treppenlifter, oder einen Badumbau. Aber auch der Ein- oder Umbau von Mobiliar kann als
Maßnahme gefördert werden. Ein Zuschuss wird schließlich auch dann gewährt, wenn ein
Umzug als Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes betrachtet werden kann.
Allgemeine Erhaltungs-, Renovierungs- oder Modernisierungsarbeiten werden jedoch nicht
bezuschusst.
Erforderlich ist die Stellung eines entsprechenden Antrages bei Ihrer Pflegekasse. Eine
ärztliche Verordnung ist nicht erforderlich. Der Medizinische Dienst der Pflegekasse prüft
dann im Auftrag der Pflegekasse Ihren Antrag.
2. Gesetzliche Krankenkassen
Wohnungsanpassung
-
Hilfsmittel
für
eine
behindertengerechte
Die gesetzlichen Krankenkassen gewähren Hilfsmittel, um eine körperliche Einschränkung
auszugleichen. Voraussetzung ist die Verordnung (Rezept) durch den behandelnden Arzt.
Diese ärztliche Verordnung wird bei der Krankenkasse eingereicht und dient als Grundlage
für die Genehmigung. Sobald das Hilfsmittel bewilligt ist, wird es dem Versicherten über ein
Sanitätshaus geliefert.
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Zu den von den Krankenkassen gewährten Hilfsmitteln zählen auch Hilfsmittel für eine
behindertengerechte Wohnungsanpassung. In Betracht kommen besonders Hilfen für Bad
und WC wie Badewannenlift, Duschbrett, Duschdrehsitz oder WC-Erhöhung und sonstige
Alltagshilfen.
Hilfsmittel, die als tägliche Gebrauchsgegenstände angesehen werden, werden jedoch nicht
übernommen. Keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände sind Geräte, die speziell für die
Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert sind und nur von Menschen mit Behinderung
eingesetzt werden.
Zu den Leistungen der Krankenkasse gehören die Beschaffung, die Anpassung, die
Einübung in den Gebrauch und die Reparatur des Hilfsmittels. Seit 2004 gilt eine
Zuzahlungsregelung, meist pro Hilfsmittel zwischen 5 und 10 Euro.
Unter Umständen kann zweifelhaft sein, ob es sich bei dem beantragen Hilfsmittel um ein
von der Pflegekasse zu tragendes Pflegehilfsmittel oder ein Hilfsmittel der Krankenkasse
handelt. Dieser Zuständigkeitsstreit ist für den Versicherten jedoch unbeachtlich, da in jedem
Fall die Krankenkasse insgesamt zuständig ist.
3. Bayerisches Wohnungsbauprogramm
Der Freistaat Bayern stellt für die behindertengerechte Anpassung von Wohnraum Mittel aus
dem Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung.
Besitzer von Eigentumswohnungen bzw. Eigenheimen und auch Vermieter können für
bauliche Maßnahmen zur Anpassung von Wohnraum für schwer behinderte oder schwer
kranke Menschen, die durch Art und Grad der Behinderung notwendig werden, ein
leistungsfreies Darlehen von maximal € 5.000 (zins- und tilgungsfrei, im Ergebnis einen
Zuschuss) erhalten. Regelmäßig wird eine Eigenleistung von 25 % der Gesamtkosten
gefordert.
Die Fördermittel sind beim zuständigen Amt für Wohnungsbauförderung zu beantragen. Auf
Mittel des sozialen Wohnungsbaues besteht kein Rechtsanspruch. Die Zuschüsse werden
nach der sozialen Dringlichkeit gewährt. Chancen bestehen ab einem Grad der Behinderung
von mindestens 50, da dann die soziale Dringlichkeit angenommen wird.
Darüber hinaus muss das Gesamteinkommen aller zum Haushalt rechnenden Personen
innerhalb
bestimmter
Einkommensgrenzen
liegen.
Die
Bestimmung
der
Einkommensgrenzen ist sehr aufwendig und kompliziert und soll daher im folgenden nur
beispielhaft skizziert werden.
Die jährliche Einkommensgrenze beträgt für einen Einpersonenhaushalt (Schwerbehinderter
mit einem Grad der Behinderung von 100) € 21.900, bei einem Vierpersonenhaushalt
(davon 2 Kinder und ein Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100) €
46.220.
Das maßgebliche Familieneinkommen ergibt sich im wesentlichen aus den jährlichen
Bruttoeinkünften abzüglich eines pauschalen Abschlages von 30 % für Einkommenssteuer
und Sozialabgaben. Für Schwerbehinderte werden zusätzliche Freibeträge bis zu € 4.500
gewährt.
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Nähere Auskünfte, insbesondere auch zur Einkommensberechnung, erteilen die Ämter für
Wohnungsbauförderung der Gemeinden oder Landkreise oder sind im Internet unter
www.wohnen.bayern.de abrufbar.
4. Sozialamt - Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung
Die Sozialämter können im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe sogenannte
Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen
der behinderten Menschen entspricht, gewähren (§ 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs.
2 SGB IX). Die Hilfe soll dem behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben in einer
von ihm gewählten Wohnform ermöglichen.
Die Hilfen zur Erhaltung einer Wohnung beinhalten wie die vorstehenden
Fördermöglichkeiten die behindertengerechte Umgestaltung einer bei Eintritt der
Behinderung vorhandenen Wohnung, aber auch die Anpassung einer behindertengerechten
Wohnung an die sich entsprechend der Entwicklung der Behinderung verändernden neuen
Anforderungen an das Wohnumfeld, wie z.B. die spätere Verbesserung der
Zugangsmöglichkeit zur Wohnung etwa durch eine Rampe, Hebebühne oder Treppenlift.
Finanziert werden kann jedoch auch die Beschaffung geeigneter Einrichtungsgegenstände
wie etwa die Ausstattung mit einer behindertengerechten Küche oder anderen
behindertengerechten Möbeln (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX).
Die Leistungen des SGB XII sind jedoch nachrangig, d.h. erst wenn kein anderer
Kostenträger zuständig ist oder die Mittel nicht ausreichen, können Leistungen beantragt
werden. Die staatlichen Förderprogramme zur Schaffung behindertengerechten
Wohnraumes sowie die möglichen Leistungen der Sozialversicherungen müssen
ausgeschöpft sein. Darüber hinaus sind die Leistungen in hohem Maße einkommens- und
vermögensabhängig.
Es dürfte daher in der Praxis schwierig werden, von den Sozialämtern Zuschüsse zu einem
behindertengerechten Wohnungsumbau zu erhalten.
5. Leistungen des Rentenversicherungsträgers, der Agentur für Arbeit oder des
Integrationsamtes
Für schwerbehinderte Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig sind,
stehen zur beruflichen Rehabilitation Leistungen des Rentenversicherungsträgers, der
Agentur für Arbeit oder des Integrationsamtes zur Verfügung.
Im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben sind auch Zuschüsse zur Beschaffung
von behinderungsgerechtem Wohnraum, zur Anpassung von Wohnraum und seiner
Ausstattung an die behinderungsbedingten Bedürfnisse und zum Umzug in eine
behinderungsgerechte oder in eine erheblich verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene
Wohnung möglich (gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX). Voraussetzung ist jedoch, dass
die Maßnahme unmittelbar mit der Teilhabe am Arbeitsleben zusammenhängt.
Die Integrationsämter bieten die folgende Förderung an:
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Die Integrationsämter können schwerbehinderten Menschen, die auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt berufstätig sind, aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (§ 22 SchwbAV) im Rahmen
der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Leistungen gewähren.
Als Leistungen kommen Zuschüsse oder Darlehen in Frage, deren Höhe sich nach den
Umständen des Einzelfalls bestimmt. Insbesondere für behinderungsbedingte
Mehraufwendungen können Zuschüsse gewährt werden.
Die folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
•
•
•
•
•
Der schwerbehinderte Mensch hat keine behinderungsgerechte Wohnung
Der schwerbehinderte Mensch kann in keine behinderungsgerechte Mietwohnung
vermittelt werden
Es gelten die Regelungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes
Die vorhandene, nicht behinderungsgerechte Wohnung muss behinderungsgerecht
umgestaltet werden.
Beim Umzug in eine andere Wohnung muss diese erheblich günstiger zum
Arbeitsplatz liegen oder behinderungsgerecht sein.
Im Übrigen werden die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus vorgesehenen Darlehen bei
behinderungsbedingten zusätzlichen Baumaßnahmen auf die Leistungen des
Integrationsamtes angerechnet
In der Praxis werden vom Integrationsamt Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfen im
Arbeitsleben nur sehr zurückhaltend gewährt.
Als förderungsfähige Maßnahmen werden unter Umständen erst Umbaumaßnahmen ab der
Haustüre (zur Erleichterung des Aufsuchens des Arbeitsplatzes) übernommen.
Darüber hinaus verweigern die Integrationsämter Leistungen unter Berufung auf das
Aufstockungsverbot. Denn vorrangig kommt eine Wohnungshilfe im Rahmen der Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben durch einen Rehabilitationsträger in Betracht (§ 33 Abs. 8 Nr. 6
SGB IX), die dann vom Integrationsamt nicht weiter aufgestockt werden kann.
Solange Ihr Sohn jedoch (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig ist,
dürften diese Fördermöglichkeiten ausscheiden.