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FACHINFO: Behindertengerechte (Um-)Gestaltung von Wohnraum Welche Fördermöglichkeiten gibt es? 1. Auflage 2006 Jürgen Greß Fachanwalt für Verwaltungsrecht Rechtsanwälte Hoffmann & Greß Fürstenrieder Straße 281 81377 München Telefon: Telefax: (089) 76 73 60 70 (089) 76 73 60 88 [email protected] www.hoffmann-gress.de Hoffmann & Greß | Rechtsanwälte Seite 2 Behindertengerechte (Um-)Gestaltung von Wohnraum - Übersicht über mögliche Leistungen der Sozialversicherungen und staatliche Fördermöglichkeiten für Umbaumaßnahmen - Typische Fragestellung: Unser Sohn (16 Jahre) ist mehrfachbehindert und pflegebedürftig. Sein gesundheitlicher Zustand hat sich in letzter Zeit verschlechtert, so dass er jetzt auf den Rollstuhl angewiesen ist. Wir möchten die Pflegesituation bei uns zu Hause verbessern und unsere Wohnung rollstuhlgerecht umbauen. Insbesondere wollen wir die Türen verbreitern und das Bad umbauen. Können wir mit staatlichen Zuschüssen rechnen? Antwort: Für eine behindertengerechte bzw. barrierefreie (Um-)Gestaltung von Wohnraum stehen verschiedene Leistungen der Sozialversicherungen und staatliche Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Welche Stelle für Ihre konkreten Umbaumaßnahmen Zuschüsse gewährt, hängt jedoch immer von individuellen Voraussetzungen ab und muss im Einzelfall geprüft werden. Bei Mietwohnungen könnte auch mit dem Wohnungseigentümer über einen behindertengerechten Umbau der Wohnung oder des Treppenhauses gesprochen werden. Seit dem Jahre 2001 muss der Vermieter nach dem Mietrecht (§ 554 a BGB) einem behindertengerechten Umbau grundsätzlich zustimmen, sofern sich der Mieter verpflichtet, beim Auszug den Umbau rückgängig zu machen. Bei Fragen zur technischen und baulichen Ausstattung behindertengerechten Wohnraums sollten Sie sich an die örtlich zuständigen Bauämter und die Bayerische Architektenkammer wenden. Beachten Sie unbedingt, dass Anträge auf Förderung regelmäßig vor Beginn einer Maßnahme gestellt werden müssen und mit dem Umbau erst dann begonnen werden sollte, wenn alle Zusagen über Fördermittel schriftlich vorliegen. In Ihrem Fall könnten für Zuschüsse zu den geplanten Umbaumaßnahmen die folgenden Stellen in Betracht kommen: behindertengerechten 1. Pflegekasse - Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes Pflegebedürftige Menschen haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder eine selbständigere Lebensführung ermöglichen. Die Pflegekassen übernehmen aber auch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes von pflegebedürftigen Menschen. Hoffmann & Greß | Rechtsanwälte Seite 3 Die Kosten einer Maßnahme zur Wohnungsanpassung können nach § 40 Abs. 4 SGB XI von der Pflegekasse mit einem Betrag in Höhe von maximal € 2.557 bezuschusst werden. Bezuschusst werden sowohl Maßnahmen an gemietetem Wohnraum als auch an Wohneigentum des Versicherten. Zu beachten haben Sie, dass als eine Maßnahme die Gesamtheit aller zum Zeitpunkt der Antragstellung notwendigen Veränderungen der Wohnung gilt. Alle Veränderungen Ihrer Wohnung, die aktuell erforderlich sind, gelten als eine Maßnahme. So handelt es sich bei den von Ihnen geplanten verschiedenen Umbauarbeiten insgesamt um eine Maßnahme. Erst wenn sich die Pflegesituation Ihres Sohnes ändern sollte und weitere Wohnumfeldverbesserungen erforderlich werden, würde eine weitere förderfähige Maßnahme vorliegen, so dass sie einen weiteren Zuschuss bis zu einem Betrag von € 2.557 in Anspruch nehmen könnten. Bezuschusst werden sowohl Maßnahmen an gemietetem Wohnraum oder am Eigentum des Versicherten. Bei der Bemessung des Zuschusses sind als Kosten der Maßnahme die Aufwendungen für die Vorbereitung, Materialkosten, der Arbeitslohn und ggf. Gebühren (Bauanträge, Genehmigungen) zu berücksichtigen. Ihr Sohn müsste als Eigenanteil 10 v.H. der Kosten der Maßnahme tragen, jedoch höchstens 50 v.H. seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Rente, Verdienst, Leistungen vom Arbeitsamt etc.). Einnahmen weiterer Angehöriger im gleichen Haushalt werden nicht angerechnet. Besitzt ihr Sohn keine eigenen Einnahmen, entfällt damit sein Eigenanteil. Voraussetzung für den Zuschuss ist, dass durch die geplanten Umbauten im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht, erheblich erleichtert oder die möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Dabei kann es sich z.B. um bauliche Maßnahmen handeln, wie Türverbreiterungen, festinstallierte Rampen, Treppenlifter, oder einen Badumbau. Aber auch der Ein- oder Umbau von Mobiliar kann als Maßnahme gefördert werden. Ein Zuschuss wird schließlich auch dann gewährt, wenn ein Umzug als Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes betrachtet werden kann. Allgemeine Erhaltungs-, Renovierungs- oder Modernisierungsarbeiten werden jedoch nicht bezuschusst. Erforderlich ist die Stellung eines entsprechenden Antrages bei Ihrer Pflegekasse. Eine ärztliche Verordnung ist nicht erforderlich. Der Medizinische Dienst der Pflegekasse prüft dann im Auftrag der Pflegekasse Ihren Antrag. 2. Gesetzliche Krankenkassen Wohnungsanpassung - Hilfsmittel für eine behindertengerechte Die gesetzlichen Krankenkassen gewähren Hilfsmittel, um eine körperliche Einschränkung auszugleichen. Voraussetzung ist die Verordnung (Rezept) durch den behandelnden Arzt. Diese ärztliche Verordnung wird bei der Krankenkasse eingereicht und dient als Grundlage für die Genehmigung. Sobald das Hilfsmittel bewilligt ist, wird es dem Versicherten über ein Sanitätshaus geliefert. Hoffmann & Greß | Rechtsanwälte Seite 4 Zu den von den Krankenkassen gewährten Hilfsmitteln zählen auch Hilfsmittel für eine behindertengerechte Wohnungsanpassung. In Betracht kommen besonders Hilfen für Bad und WC wie Badewannenlift, Duschbrett, Duschdrehsitz oder WC-Erhöhung und sonstige Alltagshilfen. Hilfsmittel, die als tägliche Gebrauchsgegenstände angesehen werden, werden jedoch nicht übernommen. Keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände sind Geräte, die speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert sind und nur von Menschen mit Behinderung eingesetzt werden. Zu den Leistungen der Krankenkasse gehören die Beschaffung, die Anpassung, die Einübung in den Gebrauch und die Reparatur des Hilfsmittels. Seit 2004 gilt eine Zuzahlungsregelung, meist pro Hilfsmittel zwischen 5 und 10 Euro. Unter Umständen kann zweifelhaft sein, ob es sich bei dem beantragen Hilfsmittel um ein von der Pflegekasse zu tragendes Pflegehilfsmittel oder ein Hilfsmittel der Krankenkasse handelt. Dieser Zuständigkeitsstreit ist für den Versicherten jedoch unbeachtlich, da in jedem Fall die Krankenkasse insgesamt zuständig ist. 3. Bayerisches Wohnungsbauprogramm Der Freistaat Bayern stellt für die behindertengerechte Anpassung von Wohnraum Mittel aus dem Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Besitzer von Eigentumswohnungen bzw. Eigenheimen und auch Vermieter können für bauliche Maßnahmen zur Anpassung von Wohnraum für schwer behinderte oder schwer kranke Menschen, die durch Art und Grad der Behinderung notwendig werden, ein leistungsfreies Darlehen von maximal € 5.000 (zins- und tilgungsfrei, im Ergebnis einen Zuschuss) erhalten. Regelmäßig wird eine Eigenleistung von 25 % der Gesamtkosten gefordert. Die Fördermittel sind beim zuständigen Amt für Wohnungsbauförderung zu beantragen. Auf Mittel des sozialen Wohnungsbaues besteht kein Rechtsanspruch. Die Zuschüsse werden nach der sozialen Dringlichkeit gewährt. Chancen bestehen ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50, da dann die soziale Dringlichkeit angenommen wird. Darüber hinaus muss das Gesamteinkommen aller zum Haushalt rechnenden Personen innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen liegen. Die Bestimmung der Einkommensgrenzen ist sehr aufwendig und kompliziert und soll daher im folgenden nur beispielhaft skizziert werden. Die jährliche Einkommensgrenze beträgt für einen Einpersonenhaushalt (Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100) € 21.900, bei einem Vierpersonenhaushalt (davon 2 Kinder und ein Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100) € 46.220. Das maßgebliche Familieneinkommen ergibt sich im wesentlichen aus den jährlichen Bruttoeinkünften abzüglich eines pauschalen Abschlages von 30 % für Einkommenssteuer und Sozialabgaben. Für Schwerbehinderte werden zusätzliche Freibeträge bis zu € 4.500 gewährt. Hoffmann & Greß | Rechtsanwälte Seite 5 Nähere Auskünfte, insbesondere auch zur Einkommensberechnung, erteilen die Ämter für Wohnungsbauförderung der Gemeinden oder Landkreise oder sind im Internet unter www.wohnen.bayern.de abrufbar. 4. Sozialamt - Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung Die Sozialämter können im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe sogenannte Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht, gewähren (§ 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 SGB IX). Die Hilfe soll dem behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben in einer von ihm gewählten Wohnform ermöglichen. Die Hilfen zur Erhaltung einer Wohnung beinhalten wie die vorstehenden Fördermöglichkeiten die behindertengerechte Umgestaltung einer bei Eintritt der Behinderung vorhandenen Wohnung, aber auch die Anpassung einer behindertengerechten Wohnung an die sich entsprechend der Entwicklung der Behinderung verändernden neuen Anforderungen an das Wohnumfeld, wie z.B. die spätere Verbesserung der Zugangsmöglichkeit zur Wohnung etwa durch eine Rampe, Hebebühne oder Treppenlift. Finanziert werden kann jedoch auch die Beschaffung geeigneter Einrichtungsgegenstände wie etwa die Ausstattung mit einer behindertengerechten Küche oder anderen behindertengerechten Möbeln (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX). Die Leistungen des SGB XII sind jedoch nachrangig, d.h. erst wenn kein anderer Kostenträger zuständig ist oder die Mittel nicht ausreichen, können Leistungen beantragt werden. Die staatlichen Förderprogramme zur Schaffung behindertengerechten Wohnraumes sowie die möglichen Leistungen der Sozialversicherungen müssen ausgeschöpft sein. Darüber hinaus sind die Leistungen in hohem Maße einkommens- und vermögensabhängig. Es dürfte daher in der Praxis schwierig werden, von den Sozialämtern Zuschüsse zu einem behindertengerechten Wohnungsumbau zu erhalten. 5. Leistungen des Rentenversicherungsträgers, der Agentur für Arbeit oder des Integrationsamtes Für schwerbehinderte Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig sind, stehen zur beruflichen Rehabilitation Leistungen des Rentenversicherungsträgers, der Agentur für Arbeit oder des Integrationsamtes zur Verfügung. Im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben sind auch Zuschüsse zur Beschaffung von behinderungsgerechtem Wohnraum, zur Anpassung von Wohnraum und seiner Ausstattung an die behinderungsbedingten Bedürfnisse und zum Umzug in eine behinderungsgerechte oder in eine erheblich verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene Wohnung möglich (gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX). Voraussetzung ist jedoch, dass die Maßnahme unmittelbar mit der Teilhabe am Arbeitsleben zusammenhängt. Die Integrationsämter bieten die folgende Förderung an: Hoffmann & Greß | Rechtsanwälte Seite 6 Die Integrationsämter können schwerbehinderten Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig sind, aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (§ 22 SchwbAV) im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben Leistungen gewähren. Als Leistungen kommen Zuschüsse oder Darlehen in Frage, deren Höhe sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt. Insbesondere für behinderungsbedingte Mehraufwendungen können Zuschüsse gewährt werden. Die folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein: • • • • • Der schwerbehinderte Mensch hat keine behinderungsgerechte Wohnung Der schwerbehinderte Mensch kann in keine behinderungsgerechte Mietwohnung vermittelt werden Es gelten die Regelungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes Die vorhandene, nicht behinderungsgerechte Wohnung muss behinderungsgerecht umgestaltet werden. Beim Umzug in eine andere Wohnung muss diese erheblich günstiger zum Arbeitsplatz liegen oder behinderungsgerecht sein. Im Übrigen werden die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus vorgesehenen Darlehen bei behinderungsbedingten zusätzlichen Baumaßnahmen auf die Leistungen des Integrationsamtes angerechnet In der Praxis werden vom Integrationsamt Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nur sehr zurückhaltend gewährt. Als förderungsfähige Maßnahmen werden unter Umständen erst Umbaumaßnahmen ab der Haustüre (zur Erleichterung des Aufsuchens des Arbeitsplatzes) übernommen. Darüber hinaus verweigern die Integrationsämter Leistungen unter Berufung auf das Aufstockungsverbot. Denn vorrangig kommt eine Wohnungshilfe im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch einen Rehabilitationsträger in Betracht (§ 33 Abs. 8 Nr. 6 SGB IX), die dann vom Integrationsamt nicht weiter aufgestockt werden kann. Solange Ihr Sohn jedoch (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufstätig ist, dürften diese Fördermöglichkeiten ausscheiden.