TRENTINO WINTERZAUBER PUR
Transcription
TRENTINO WINTERZAUBER PUR
ITALIEN TRENTINO WINTERZAUBER PUR Viel schöner kann ein Wintertag eigentlich nicht sein. Der Himmel ist blau, der Schnee glitzert, über Nacht hat es geschneit, und eine unberührte Berglandschaft wartet darauf, erkundet zu werden. Mit Schneeschuhen unterwegs im Trentiner Val di Sole Joachim Chwaszcza (Bilder und Text) Das Val di Sole macht seinem Namen alle Ehre. So schön leuchtend kann nur ein südlicher Winterhimmel strahlen. Und auch der Schnee glitzert hier anders. Es ist mein erster Schneeschuhtag in diesem südlichen, schon gänzlich italienischen Alpental am Fuße des Parco Nazionale dello Stevio, dem Nationalpark Stilfserjoch. Hier, auf der südlichen Seite des Nationalparks, ist bereits italienisches Sprachgebiet. Es gibt Cappuccino statt Kaffee, die Pasta ist hausgemacht, 34| ärztliches journal reise & medizin 11|2015 statt Hüttenspeck gibt es Lardo, und der klare Schnaps heißt eben Grappa. Aber genau deswegen bin ich gekommen, denn wer ursprüngliches und echtes italienisches Winterleben sucht, ist hier am richtigen Platz. Schneeschuhwandern kann man im Winter überall. Stimmt. Aber mein Hotel im Val di Sole bietet nicht nur komfortables Trentiner Ambiente und traditionelle Bergkost, sondern eben auch stille und einsame Schneeschuhtouren im Ange- sicht der großen Namen: Adamello, Cevedale, Brenta – das sind die klangvollen und berühmten Bergzüge der südlichen Alpen – das Granit-Kontrastprogramm zu den östlicher gelegenen Schwestern, den Dolomiten. Auch das Val di Sole kann mit weiten, offenen Sonnenhängen und mit lichten Lärchenwäldern aufwarten, markanten Spitzen, italienischen Bergdörfern und mit einer winterlichen Bergwelt. Insider und Bergfexe kennen diese Region nur zu gut. Im Sommer locken Kletter- steige und Wandergebiete, im Winter berühmte, auf wenige Orte konzentrierte Skigebiete. Und zu all dem in bestem Kontrast der ruhige Nationalpark. Wer hier schon einmal im Sommer unterwegs war, weiß, dass die Trentiner Hütten und Berge immer für eine positive Überraschung gut sind. Stiller, ruhiger, manchmal spartanischer als auf der Nordseite, dafür aber authentischer und eben immer sympathisch und zum Wohlfühlen. Sowas will ich im Winter erleben. Nicht den großen Zwischen Lärchenwäldern und hohen Gipfeln – das Val di Sole garantiert genussvolle Schnee schuhtage, die südliche Lage verspricht wie der Name viel Sonne. 11|2015 ärztliches journal reise & medizin |35 ITALIEN Die südlichen Hänge des Val di Sole geben fantas tische Blicke auf die großen Namen der südlichen Trentiner Alpen wie Brenta und Adamello frei. Skirummel oder den Stau auf der Autobahn, sondern eine entspannte und entschleunigte Winterreise, bei der die Seele ankommen kann. REDUZIERTE AUSRÜSTUNG, VIEL ERLEBNIS Aktive Winterruhe ist angesagt. Dafür sind das Schneeschuhwandern und der Stilfserjoch-Nationalpark wie gemacht. Mit knirschenden Schritten im harschen 36| ärztliches journal reise & medizin 11|2015 Schnee. Es ist fast zu idyllisch, manchmal wie auf einer Kitschpostkarte. Ein großer Vorteil des Schneeschuhwanderns ist, dass man wirklich nicht viel benötigt. Ordentliche Winterstiefel oder Kanadaboots, atmungsaktive, wintertaugliche Wanderkleidung und die Lust, sich im Winterwetter draußen zu bewegen – das genügt und kostet nicht viel. Und oftmals wird die komplette Ausrüs tung in Hotels oder bei Veranstaltern gestellt. Der Lohn beim Schneeschuhwandern hingegen ist üppig. Viel klare und kalte Luft wird meine Stadtlunge freipusten, die Wangen werden abends mit dem Rotwein um die Wette glühen, und rundum müde und zufrieden werde ich nach einem köstlichen Abendessen ins weiche Daunenbett sinken. Mein Ziel ist das Hotel »Chalet Alpenrose« in Cogolo di Pejo, mit dem Zug bequem ab München über Trient und der schnucke- ligen Malé-Bahn zu erreichen. Ein Telefonat am Tag vorher mit der Wirtin Martina garantiert den Transfer vom Bahnhof zum Hotel. Abseits gelegen, direkt an der kleinen Zubringerstraße zum Nationalpark, ein traditionelles Trentiner Bauernhaus, das stilvoll und mit viel Liebe zum Detail zum heimeligen Quartier umgebaut wurde. Lärchenholzgetäfelte Stuben, stilvolle Zimmer, modernes Wellnessangebot und eine perfekte Lage – also alles da. Auf dem Weg zum Hotel erzählt Martina auch ihre Geschichte. Mit 18 war das junge Mädel aus Norddeutschland mit ihren Eltern in Brixen zum Urlaub, lernte dort beim Stadtfest Tiziano, den jungen Burschen aus Pejo kennen, und folgte ihm ein Jahr später ins Val di Sole, um zu heiraten. Seitdem sind die beiden hier, die Kinder erwachsen, und auch das Chalet ist mit den Jahren gereift. Das passt irgendwie ins Programm. ITALIEN SICHER TOUREN UND GENIESSEN Schneeschuhwandern im hochalpinen Gelände ist kein Spaziergang. Was so unbekümmert und friedlich aussehen mag, ist ebenso den Witterungsbedingungen unterworfen wie das Skitourengehen. Schließlich ist man in der freien Wildbahn und nicht auf der Piste. Deswegen bin ich mit einer organisierten Gruppe unterwegs. Karl, der Bergführer für diese Tage, kennt sich aus. Er war schon oft hier unterwegs und weiß ganz genau, wo man wann zu welcher Zeit sein muss, um das beste Licht, den besten Sonnenplatz zum Rasten und den schönsten Blick auf die umliegende Gipfelwelt hat. In der Ausschreibung stand immerhin »Genusstouren« – und so soll’s auch sein. Genuss bedeutet eben auch abgestimmte Touren und vor allem Sicherheit. Nach dem Abendessen erklärt Karl das LVSGerät, das Lawinensuchgerät, mit dem man nicht Lawinen sucht, sondern im Ernstfall Verschüttete besser und vor allem schneller orten und somit auch retten kann. Ohne LVS geht überhaupt nichts, manifestiert Karl im sanften bayrischen Dialekt, und macht im Anschluss klar, dass zu dem Sicherheitspaket auch eine Lawinensonde und eine kleine Lawinenschaufel gehören. »Vorführung und Einführungstraining morgen früh vor Sonnenaufgang!«, feixt Karl und beruhigt die ihn verstört anblickenden Winterwanderer mit einem »Schmarrn! Des mach’ ma doch am Vormittag, bevor wir losgehen.« Nach einem sauberen Trentiner Abendessen mit Pasta und Cervo (Hirsch), einem Arrosto (Braten) und einer Apfeltarte, kräftig rotem Teroldego (Wein), einem klaren Grappa und einem Espresso meint Karl, das werden wir morgen schon hinbekommen. Auch unterwegs am Berg gibt es immer wieder die Möglichkeit einer ent spannten Pause – wie auf der Alm bei einer Brotzeit. Der erste Abend, die Einführung, das Eis ist gebrochen, und ich weiß, dass ich die richtige Wahl getroffen habe. Am nächsten Morgen setzt Karl seine Ankündigung in die Tat um, und wir suchen im Pulverschnee am Startpunkt an der Malga (Alm) di Cellentino die vergrabenen LVS-Geräte. Umschalten von Senden auf Empfangen, Orten des Verschütteten, Ausgraben des LVS-Geräts. Jeder weiß jetzt, wie es geht – theoretisch. Und dann steigen wir los. Knietiefer Pulverschnee staubt auf, der Tannenwald schweigt, und zwischen seinen Spitzen blitzen die senkrechten Felswände vor. Die Sonne strahlt über den Kamm und bricht sich tausendfach glitzernd ihren Weg durch die Äste. Es ist eine Alpensymphonie der einsamen Schönheit. Keiner spricht, jeder schneeschuhwandert still vor sich hin. Der Atem ist sichtbar, steigt in kleinen Wolken auf. Es beginnen die ersten Steigungen, die Atemwolken verdichten sich. Zur Waldesstille gesellt sich der lauter werdende Atemrhythmus der Gruppe. Keiner ist wirklich geübt im Steigen, die Stöcke sichern so manchen vor dem Sturz ins kalte Weiß. Aber mit jedem Schritt wird es eindeutig besser. Der erste steile Anstieg ist nach einer guten halben Stunde geschafft, Karl lässt uns pausieren. Die Teeflaschen dampfen, die ersten Müsliriegel werden geopfert, umrahmt von den Gipfeln der Punta San Matteo und der Corno dei Tre Signori 11|2015 ärztliches journal reise & medizin |39 ITALIEN Bergführer geben nicht nur den Weg vor, sie zeigen ihren Kunden auch, wie man Karten liest oder mögliche Gefahrenstellen richtig einschätzt. scheinen sie ganz besonders zu schmecken. So wandern wir von Alm zu Alm, Karl spurt unermüdlich den knietiefen Weg frei, und so kommen wir auch ans Ziel, an die Malga Paludei (2350 Meter). Mittagspause im Puderschnee, bevor wir uns auf den Heimweg machen. Einsam ziehen wir unsere Spuren rund um den Lago di Pian Palù, genießen das Panorama. Und je näher wir ans Ende kommen, desto mehr kreisen unsere Gedanken um die Sauna, das Essen und den Abend. Pünktlich um 16 Uhr sind wir wieder im Chalet. Martina überrascht uns mit kleinen Pizzette, Apfelstrudel, Cappuccino und Prosecco. Während die kleinen Happen den ersten Hunger stillen, macht Karl uns den Mund wässrig: »Morgen gibt es Sonne satt!« Der Blick ins Programm für den nächsten Tag ist vielversprechend: »Tagesziel Malga Verdignana, 2076 Meter. Ab dem Hotel wandern, zuerst auf einer Forststraße und dann durch dichten Hochwald hinauf zur Malga Verdignana. Der Ausblick auf die ›großen‹ Berge wie Cevedale, Palon de la Mare und Monte Vioz ist perfekt! Und es gibt eine geöffnete Jausenstation!« Irgendwie passt alles zusammen im Sonnental. Aber jetzt erst Sauna, dann ein Plausch mit Martina und später zum »Trentiner Gourmetabend« … Es sind ja schließlich Genusstage! INFO ALLGEMEINES Das Val di Sole liegt nordwestlich von Trient und bildet zusammen mit dem Nonstal ein eigenes Talsystem. Hauptort des Val di Sole ist Malé (Freienthurn), der auch Endstation der von Trient kommenden Nonstal bahn ist. Bei Cogolo di Pejo gabelt sich das Tal noch einmal und endet auf der einen Seite am Tonale-Pass, mit dem anderen Talende am Fuße des Nationalparks Stilferjoch, umrahmt von den Gipfeln des Ce vedale (3769 m), des Vioz (3645 m) und des Palòn de la Mare (3703 m). 40| ärztliches journal reise & medizin 11|2015 ANREISE Mit dem Auto über die Brenner autobahn A22 und die E45, mit der Bahn (»Europa Spezial«-Ticket ab 39 EUR) bis Trient und weiter mit der Nonstalbahn nach Malé. Auch die neuen Busverbindungen, wie z.B. mit FlixBus, verbinden München mit Trient (ab 17 EUR). SCHNEESCHUHWANDERN Die Hänge und Seitentäler wie das Rabbi-Tal und vor allem die gen Süden ausgerichteten Hänge eignen sich für sonnenverwöhnte Schneeschuhtouren. Leihausrüs tung und Stöcke (allerdings ohne LVS-Gerät) sind oft direkt von den Hotels erhältlich. UNTERKUNFT Chalet Alpenrose. Via Malga mare, Cogolo di Pejo (TN), www.chaletalpenrose.it. Außen Bergbauernhof, innen gepflegte Gemütlichkeit im 3-Sterne- Superior-Hotel. 10 individuell eingerichtete DZ und EZ, Sauna im neuen Hotelanbau. Für gute Küche sorgt der Chef persönlich. VERANSTALTER Der DAV Summit Club bietet mit »Schneeschuhtouren im sonnigen Trentino zwischen Ortler und Brenta« 6-tägige, geführte Genusswande rungen im Val di Sole in Cogolo di Pejo im »Chalet Alpenrose« an (inkl. Shuttle vom Bahnhof zum Hotel). Termine: ab 27.12.2015 bis Mitte März 2016 ab 880 EUR (Tel. 089/ 64240194, www.dav-summit-club.de). AUSKÜNFTE www.visittrentino.it www.stelviopark.bz