Fire Risk Management durch Fernerkundung?

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Fire Risk Management durch Fernerkundung?
Fire Risk Management durch Fernerkundung?
Stefan WAGENKNECHT und Sebastian KROPP
Zusammenfassung
Verheerende Brände führen jedes Jahr zu Schäden in immenser Höhe und stellen nicht nur
einen Verlust für Land- und Forstwirtschaft dar sondern auch eine Gefahr für das menschliche Leben, insbesondere dort, wo Siedlungen direkt an dichte, trockene und somit leicht
entflammbare Vegetation grenzen. Ein Hauptinteresse des Fire Risk Managements besteht
darin, Gebiete mit hohem Gefährdungspotenzial zu identifizieren. Dafür wird ein detailliertes, leicht reproduzierbares und aktuelles Kartenwerk, aus dem die Vegetationsdichte abgeleitet werden kann, benötigt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Abschätzung des Potenzials verschiedener Fernerkundungsdatensätze und Klassifikationsverfahren für die Klassifikation der Vegetation in definierten Brandgefährdungsklassen.
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Motivation und Zielsetzungen
Jedes Jahr verursachen insbesondere in den Sommermonaten zahlreiche Flächenbrände
weltweit riesige Schäden an Wald-, Busch- und auch Siedlungsflächen. Es ist wichtig, sich
der potenziellen Gefahr bewusst zu sein und notwendige Vorsorge- und Notfallmaßnahmen
zu entwickeln. Infolge der anhaltenden Bedrohung durch Brände und der nicht zu unterschätzenden ökonomischen Relevanz hat sich in den Vereinigten Staaten, Australien, Spanien und anderen Ländern das Arbeitsfeld des so genannten Fire Risk Managements herausgebildet. Das Fire Risk Management beschäftigt sich mit der Einschätzung der Feuergefahr für Menschen, Einrichtungen und die Natur sowie der Entwicklung und Bereitstellung
von Maßnahmen zur Feuerüberwachung und -bekämpfung (FIRE RISK MANAGEMENT
2006).
Die Entstehung, die Ausbreitung und das Verhalten von Bränden werden in verschiedensten Forschungsprojekten weltweit untersucht (Risk-EOS, RISICO, INFOREST, GOFC/
GOLD-Fire etc.). Die Schwerpunkte der Untersuchungen liegen vorwiegend im regionalen
oder globalen Maßstab und beschäftigen sich mit den Phasen der Vorhersage, der Brandvermeidung, des Krisenmanagements und des Monitorings sowie der nachträglichen Auswertung und Schadensfeststellung. Aufgrund der hohen potenziellen Gefährdung und des
hohen wirtschaftlichen und ökologischen Verlustes im Falle eines Brandes sind Wälder und
Forsten häufiger Untersuchungsgegenstand.
Im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen steht die Frage, ob und inwieweit eine genaue
Vegetationsklassifizierung mittels verschiedener Verfahren und Fernerkundungsbilddaten
einen entscheidenden Beitrag für das Fire Risk Management leisten kann. Die gegenständlichen Analysen fokussieren auf fernerkundlich orientierte Aspekte und stellen somit nur
einen Baustein zur Gefahrenabschätzung dar. Erst die Einbindung in komplexere Strukturen erlaubt letztlich die effiziente Entscheidungsunterstützung im Krisen- oder Katastrophenfall.
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Für die Untersuchungen wurden zwei Testgebiete, City Canyons im San Diego County
(Kalifornien), ausgewählt. Hohe Bevölkerungsdichte, trockenes Klima und das direkte Angrenzen der Siedlungsflächen an extrem geneigtes Gelände (City Canyons) kennzeichnen
das enorme Gefährdungspotenzial dieser Gebiete. Verschiedene Vegetationsindizes und
Klassifikationsansätze werden auf drei hoch auflösende Datensätze angewendet. Die Ergebnisse werden mit Hilfe einer vor Ort erhobenen Referenzkarte sowohl einzeln bewertet
als auch miteinander verglichen. Die Analysen und Evaluierungen münden schließlich in
dem Ziel, Empfehlungen auszusprechen, welche Bilddaten und Klassifizierungsalgorithmen für eine erfolgreiche Vegetationsklassifizierung bzw. die Bestimmung von Gefährdungsklassen für den operationellen Einsatz geeignet sind.
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Datengrundlagen
Die analogen CIR-Bilder wurden im Juli 2000 aufgenommen und nach der Befliegung gescannt. Die geometrische Auflösung der CIR-Daten beträgt 0,6 m und die radiometrische
Auflösung 8-Bit.
Die digitale Zeilenkamera ADS40 erfasst die Geländeoberfläche mit drei panchromatischen
und vier multispektralen Sensoren. Das multispektrale ADS40-Luftbild wurde unmittelbar
nach schweren Bränden im Untersuchungsgebiet im November 2003 aufgenommen und
den Behörden für die Schadenskartierung zur Verfügung gestellt. Die Originaldaten wurden hierfür modifiziert: Die ursprüngliche radiometrische Auflösung wurde von 12-Bit auf
8-Bit reduziert. Weiterhin besitzt der Datensatz nur Informationen von zwei spektralen
Wellenbändern (Rot, Nahes Infrarot). Trotz der hohen geometrischen Auflösung von 0,5 m
sind aus der Sicht der Fernerkundung die beschriebenen Modifikationen äußerst nachteilig.
Das QuickBird-Satellitenbild hat eine räumliche Auflösung von 0,61 m im panchromatischen und 2,44 m im multispektralen Bereich. Die radiometrische Auflösung der Aufnahme von Juni 2004 liegt bei 11-Bit.
Eine Referenzkarte wurde mit Hilfe von Vor-Ort-Besichtigungen im Zeitraum zwischen
Ende November und Anfang Dezember 2004 unter fachkundiger Einweisung durch Mitarbeiter des Fire Departments von San Diego erstellt. Als Grundlage für die Untersuchungen
vor Ort und den anschließenden Digitalisierungsprozess diente der ADS40-Bilddatensatz,
da er zu diesem Zeitpunkt den aktuellsten Datensatz darstellte. Die Vegetationstypen wurden den zuvor definierten Brandgefährdungsklassen zugeordnet:
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Gefahrenklasse I: keine Gefahr, Feuerausbreitung ist nicht möglich, beinhaltet feuerresistente Objekte wie z.B. Wasserflächen, Erdboden ohne Bewuchs, Straßen, Gehwege
aber auch spezielle nur sehr schwer brennbare Vegetationstypen wie das Ice Plant oder
Rasenflächen.
Gefahrenklasse II: geringe Gefahr, das Feuer bewegt sich zwar schnell fort, brennt
jedoch nicht sehr heiß, geringe Flammenhöhe, Vegetation mit wenig Biomasse wie
z.B. Grasflächen, auch kleine Gebiete der Gefahrenklasse III können begrenzt vorkommen.
Gefahrenklasse III: mittlere Gefahr, mittlere Flammenhöhe (bis 5 m), niedriger Bewuchs (< 1,60 m) z.B. Strauchwerk mit teilweise hohem Gehölzanteil, auftreten vereinzelter Bäume.
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Gefahrenklasse IV: hohe Gefahr, schnelle Feuerausbreitung mit hohen Temperaturen,
Buschwerk und Bäume mittlerer Höhe (1,50 m bis 3,50 m), Kronendach der Vegetation weist eine geringe bis mittlere Dichte auf.
Gefahrenklasse V: extrem hohe Gefahr, sehr schnelle Feuerausbreitung, sehr hohe
Temperaturen und Flammen (bis zu 20 m), geschlossenes Kronendach mit hoher Vegetationsdichte z.B. hoch gewachsene Sträucher und große Bäume.
Methodik und Ergebnisse
Für die drei Datensätze wurden die Indizes Simple Ratio (SR), Normalised Difference Vegetation Index (NDVI), Green Normalised Difference Vegetation Index (GNDVI) und Soil
Adjusted Vegetation Index (SAVI) mit Hilfe des Model Makers in Erdas Imagine berechnet
sowie anschließend interpretiert und verglichen. Als Unterscheidungskriterium wurde die
Trennbarkeit in die fünf verschiedenen Gefährdungsklassen herangezogen. Der relativ einfach strukturierte und seit vielen Jahren bewährte NDVI brachte die besten Ergebnisse bei
der Unterscheidung der Gefahrenklassen hervor und bestätigt ähnliche Untersuchungen mit
anderen Datensätzen (GABBAN et al. 2006A, GABBAN et al. 2006B). Insbesondere die beiden höchsten Gefahrenklassen IV und V ließen sich durch die Anwendung des NDVIIndixes sehr gut voneinander abgrenzen. Die Festlegung der Schwellwerte, die eine Abgrenzung der Klassen erlauben, basiert auf Vergleichen mit ausgewählten Beispielen der
Referenzkarte. Die Klassentrennbarkeit erwies sich als schwierig, da eine Generalisierung
des Unterscheidungsprozesses, d.h. eine Festsetzung von gültigen Schwellwerten für alle
drei Datensätze, nicht möglich war. Als Ursachen können unterschiedliche Aufnahmezeitpunkte der Bilddaten und die Verwendung unterschiedlicher Sensorsysteme angesehen
werden. Außerdem ist nach dem Scannen der CIR-Daten die Korrelation der ursprünglichen Reflexionswerte in den digitalen Werten der einzelnen Wellenlängenbereiche nicht
mehr gegeben, was zu Verfälschung der berechneten Vegetationsindizes führt (TARNAVSKY 2003).
Die erreichten Genauigkeiten lagen für die ADS40-Daten bei 63 % und für die QuickbirdDaten bei 61 %. Die Klassen IV und V konnten mit einer guten Genauigkeit und die Klassen I und II mit einer mittleren Genauigkeit bestimmt werden. Schwieriger stellte sich die
Abgrenzung der Gefahrenklasse III dar. Die Ursache hierfür ist vor allem das Vorkommen
unterschiedlicher Vegetationstypen in dieser Klasse. Gebiete der Klasse III enthalten teilweise Vegetationsbestandteile der Klassen II und IV. Dies hat eine inhomogene Strukturierung zur Folge. Ebenso spielt der phänologische Zustand der Vegetation zum Aufnahmezeitpunkt eine wichtige Rolle.
Sieben verschiedene Klassifikationsansätze wurden im Rahmen der Untersuchungen auf
alle drei Datensätze angewendet. Die Analyse erlaubt somit ein differenziertes Bild über
die Eignung der Datensätze und Verfahren zur Bestimmung der Brandgefährdungsklassen.
Drei Verfahren können aufgrund überdurchschnittlicher Genauigkeiten für die Anwendung
besonders empfohlen werden: die unüberwachte, die segmentbasierte sowie die regelbasierte Klassifikation mit Gesamtgenauigkeiten von 62 %, 62 % sowie 58 % (vgl. Tab. 1). Unter
dem Aspekt eines besonders für den operationellen Einsatz geeigneten, leicht reproduzierbaren Algorithmus’ wird die Anwendung der unüberwachten Klassifikation befürwortet.
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Tabelle 1:
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Gesamtgenauigkeiten für alle angewandten Klassifikationsverfahren und
Datensätze
Die Gesamtgenauigkeit symbolisiert die Genauigkeit aller Klassen. Sie beschreibt das Verhältnis aus der Summe der richtig klassifizierten Pixel in der Hauptdiagonalen der Fehlermatrix und der Summe aller zu überprüfenden Pixel. Die Fehlermatrix vergleicht Klasse für
Klasse die Klassifikationsergebnisse mit den Referenzdaten. Um die Klassifikationsgenauigkeiten der einzelnen Brandgefährdungsklassen zu untersuchen, werden zusätzlich die
Hersteller- und Benutzergenauigkeit betrachtet. Tabelle 2 zeigt die ermittelten Werte für
die einzelnen Gefahrenklassen sowie die Durchschnittswerte in Abhängigkeit des jeweiligen Datensatzes. Im Gegensatz zur Gesamtgenauigkeit schwanken die Werte über einen
sehr großen Bereich. Dies zeugt von einer stark unterschiedlichen Klassifikationsgüte innerhalb der fünf Brandgefährdungsklassen.
Tabelle 2:
Hersteller- und Benutzergenauigkeiten
Die erhaltenen Ergebnisse sind nicht vollends zufrieden stellend. Eine Abschätzung des
Fehlers in der Referenzkarte ist kaum möglich (BIGING & CONGALTON 1989). Als Ursachen für Fehler können u.a. die verwendeten Datenquellen, Verwechslungen und Generalisierungen während der Vor-Ort-Begehungen und der Digitalisierung angesehen werden. Es
konnte festgestellt werden, dass die Mängel sich besonders auf jene Gefahrenklassen auswirken, die nicht in großen homogenen Gebieten vorkommen, insbesondere betrifft dies die
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Gefahrenklassen III und IV. Als zusätzlicher Kritikpunkt sei die ungleichmäßige Anzahl
von Referenzpixeln pro Gefahrenklasse genannt.
Zur weiteren Genauigkeitssteigerung wurden bei erneuten Vor-Ort-Begehungen für eine
zweite Referenzkarte nur diejenigen Objekte aufgenommen, bei denen eine Zuweisung zu
einer Gefahrenklasse auch 100-prozentig sicher war. Gleichzeitig wurde auf eine annähernd gleiche Pixelanzahl pro Klasse geachtet. In Tabelle 3 sind die Gesamtgenauigkeiten
in Abhängigkeit von Datensatz und Klassifikationsverfahren dargestellt. Die Werte in den
Klammern entsprechen den jeweiligen Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Berechnungen in Prozent. Vor allem die regelbasierte Klassifikation zeigte ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Klassifikationsgüte. Auch bei den Hersteller- und Benutzergenauigkeiten konnte eine Verbesserung von durchschnittlich 16 % nachgewiesen werden.
Tabelle 3:
Gesamtgenauigkeiten bei Verwendung speziell ausgewählter Referenzflächen
Weiterhin wurde die Anzahl der Gefährdungsklassen von 5 auf 3 reduziert. Die deutlich
verbesserten Ergebnisse können jedoch nicht als Genauigkeitssteigerung im direkten Sinne
interpretiert werden. Dennoch zeigen beide Ansätze ein hohes Potenzial zur Steigerung der
Ergebnisqualität mit maximalen Klassifikationsgüten von 85 %. Die Genauigkeitswerte im
Bereich von 70 bis 80 % sind angesichts vergleichbarer Untersuchungen als sehr gut einzuschätzen. Detaillierte Genauigkeitsuntersuchungen findet man in KROPP (2006).
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Zusammenfassung
Vor allem die segmentbasierte und die regelbasierte Klassifikation zeigen im Vergleich der
verschiedenen Ansätze Gestaltungsspielraum für weitere Genauigkeitssteigerungen. Das
Potenzial dieser zwei Klassifikationsmethoden für künftige Nachforschungen ist noch nicht
ausgeschöpft. So kann die Kombination bzw. Verknüpfung der Spektraldaten mit zusätzlichen Informationen (z.B. aus einem digitalen Geländemodell oder einer thematischen Karte) dazu beitragen, die Gefahrenklassen noch detaillierter abzugrenzen und die Klassifikationsgüte somit weiter zu verbessern. Da sich kein Datensatz oder Klassifikationsverfahren
aufgrund besonders hoher Klassifikationsgüte eindeutig auszeichnet, gestaltet sich das Formulieren einer abschließenden Empfehlung schwierig. Wenn möglich, sollte bereits bei der
Aufnahme auf die Minimierung von Schatteneffekten geachtet werden. Darüber hinaus ist
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die zeitliche Verfügbarkeit der Datensätze und nicht zuletzt der Kostenfaktor zu berücksichtigen. Für den operationellen Einsatz wird, vor allem für jene Fälle, in denen der gesamte Prozess der Klassifikation so elementar wie nur möglich gehalten werden soll, die
unüberwachte Klassifikation empfohlen. Die vorgestellten fernerkundlichen Untersuchungen dürfen nicht losgelöst von anderen Faktoren der Brandvermeidung und -bekämpfung
betrachtet werden. Nur die Integration in ein komplexes Katastrophenmanagementsystem
erlaubt die umfassende und effiziente Nutzung der viel versprechenden Ergebnisse.
Literatur
BIGING, G. & CONGALTON, R.G. (1989): Advances in forest inventory using advanced digital imagery. – In: Proceedings of Global Natural Research Monitoring and Assessments:
Preparing for the 21st Century, Venice, Italy, Vol. 3: pp. 1241-1249.
FIRE RISK MANAGEMENT (2006), Fire Risk Management, Inc., Bath, ME 04503, USA.
http://www.fireriskmgt.com.
GABBAN, A., SAN-MIGUEL-AYANZ, J., BARBOSA P. & LIBERTÀ, G. (2006a): Analysis of
NOAA-AVHRR NDVI inter-annual variability for forest fire risk estimation. International Journal of Remote Sensing, Vol. 27, No. 8, pp. 1725-1732.
GABBAN, A., SAN-MIGUEL-AYANZ, J. & VIEGAS, D.X. (2006b): On the suitability of the
use of NOAA-AVHRR NDVI data for forest fire risk assessment. International Journal
of Remote Sensing, Vol. 27, No. 22, pp. 50995-5102.
KROPP, S. (2006): Möglichkeiten der Vegetationsklassifizierung als Beitrag zum Fire Risk
Management in den San Diego City Canyons mit Hilfe von Fernerkundungsdaten. Diplomarbeit, Technische Universität Dresden.
TARNAVSKY, E.V. (2003): Spatial and radiometric fidelity of high resolution airborne multispectral imagery in the context of land-cover change analyses, Master Thesis at the
Department of Geography, San Diego State University, USA.
Danksagung
Für die fachliche Betreuung der Forschungsarbeiten und die Datenbereitstellung danken
wir Dr. Douglas Stow sowie Lloyd Coulter vom Department of Geography der San Diego
State University sowie Dr. Marco Neubert vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (Dresden) für seine wertvollen Hinweise zu segmentbasierten Klassifikationsverfahren.