Sushi vor Shetland
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Sushi vor Shetland
REISEN 103 10. Juni 2007 GETROFFEN Computerspezialist ANDY ZÜST fand in Kanada das grosse Glück Kapitän Heiko Volz, Steuermann und Matrosen der Hanse Explorer, ein Sonnenbad auf dem Achterdeck: Arbeit für die einen, Erholung für die anderen Andy Züst war nicht mehr zufrieden mit seinem Leben als Computerspezialist. Seine kleine Firma laugte ihn aus, und er ist überzeugt: «Am Ende wäre der Herzinfarkt gestanden. Oder die Scheidung. Oder beides.» So entschied sich der 49-Jährige vor sieben Jahren, sein Glück in Kanada zu versuchen. In der Abgeschiedenheit von British Columbia kaufte er sich zusammen mit seiner Frau Lisa ein Motel mit Campingplatz. Ein Glücksgriff, wie er selber sagt. Von seinem neuen Zuhause aus hat er täglich Aussicht auf den Shuswap Lake. Drei Motelzimmer, drei Chalets und zehn Abstellplätze für Motorhomes sowie einen Campingplatz besitzen die Züsts. Stolz präsentieren sie die Bilder ihres kanadischen Heims auf ihrer Homepage www.viewpointmotel.bc.ca. Die Gäste reisen meist mit dem Campingwagen – Amerikaner nennen sie Recreational Vehicle – vom Trans Canada Highway an und geniessen die Natur vor Ort. Reiten, wandern, angeln, alles ist möglich am Salmon Arm des Shuswap-Sees. Eine Aufgabe, fernab von Stress und Hektik, hat sich der aus Niederglatt ZH stammende Züst gewünscht – und er hat sie gefunden. Der Ring of Brodgar auf der Orkney-Insel Mainland: Steinkreis auf dem Grabhübel mit bis zu fünf Meter hohen Standing Stones Papageientaucher, die Hanse Explorer umschifft Klippen, das philippinische Küchenpersonal serviert Sushi: Ein exklusives Vergnügen Sushi vor Shetland Nach ein paar Anstandsbissen witzelte Kapitän Volz: «Hat das Schlauchboot mal ein Loch, bringen wir es in Zukunft in die Küche zum Reparieren.» «Hanse Explorer an Hanse Explorer», funkt Esther Bruns ans Mutterschiff. Ihre Passagiere auf dem Schlauchboot vor der Insel Noss haben genug davon, den Seevögeln als Zielscheibe zu dienen. Ausserdem macht die Gischt, die über die Bordwand spritzt, klamm und kalt. Gekonnt manövriert die Steuerfrau das Boot durch die Wellentäler zur Jacht, wo uns ein kräftiger, ukrainischer Matrose an Bord hilft. Bevor die Passagiere die Lounge betreten, ziehen sie aus Respekt vor dem Spannteppich die Schuhe aus. Auf dem Weg zur Kabine meldet sich Kapitän Heiko Volz über Lautsprecher: «Hallo liebe Gäste, wir nehmen unseren nördlichen Kurs wieder auf. In vier Stunden ankern wir an der Nordseite der Insel Unst.» Das gibt uns Gelegenheit, endlich etwas auszuspannen. Längere Pausen bot die Reise bis dato nicht. Denn wir misstrauten der stabilen Schönwetter- lage und unternahmen Ausflüge im Akkord. Die Shetländer bestätigten unsere Zweifel am Wetter. Nach einer Wanderung durch eine Moorlandschaft nahe dem Hauptort Lerwick beschied uns ein sommersprossiger Insulaner bei einem Pint Bitter im Pub: «Letztes Jahr hatten wir hier um diese Zeit einen Schneesturm.» Erholung also ist angesagt: Wie wäre es mit einem Kinofilm von der Bordvideothek in der grosszügig mit Doppelbett, Badezimmer und Minibar ausgestatteten Kajüte? Oder ein Sonnenbad auf den Liegestühlen auf dem Achterdeck? Exklusives Vergnügen verspricht ein Saunagang, bei dem man schwitzend durch die Bullaugen übers Meer blickt. Die Hanse Explorer umrundet die nördlichste Spitze Grossbritanniens, kurz darauf rammen die Matrosen bei der Position 60° 49.2 Nord und 0° 51.8 West den Anker tief in den Grund. Robben spielen mit der Brandung Sanft schaukelt das Schiff im Fjord Burra Firth vor dem Naturschutzgebiet Hermaness. Im Salon hat die Hostess unter strenger Aufsicht von Esther Bruns orientalisch gedeckt, das sechsköpfige philippinische Küchenpersonal tischt Sushi auf: Garnelen, Thun- fisch, Lachs, Gemüse – kunstvoll eingewickelt in Reis und Seetang. Das japanische Mahl gibt uns Energie, Hermaness auf Wanderwegen zu erkunden. Auf Schafweiden erreichen wir eine abrupt abbrechende, zerklüftete Klippenlandschaft. Tief unten spielen die Robben mit der Brandung, darüber haben zehntausende Basstölpel ihre Nistplätze aus Guano und Seegras gebaut. In den Graspolstern am Klippenrand nisten die drolligen Papageitaucher. Wegen ihrer markanten Zeichnung und des bunten Schnabels gelten sie als die Clowns der Meere. Zwei Tage später ankert die Hanse Explorer vor der Fischer- REISE-INFOS ZU DEN SHETLAND- UND ORKNEY-INSELN Hanse Explorer: Das Ausbildungsschiff mit maximal 12 Passagieren läuft von Juni bis September Spitzbergen, Island, Grönland und Kanada an. Es folgen USA-Ostküste, Karibik, Costa Rica und Südamerika, von Dezember bis März 08 die Antarktis (www.harren-partner.de). Preise: 9 Nächte kosten ab/bis Hafen 5350 Franken pro Person, Antarktis-Expedition (18 Nächte) 18 390 Franken. Inbegriffen: Unterkunft in der Doppelkabine, Vollpension, Getränke und sämtliche Ausflüge per Zodiac. Buchen: Oceanstar, Tel 044 466 68 88, www.oceanstar.ch 100 km Hermaness SHETTLAND INSELN Lerwick Unst Noss NORDSEE ORKNEY INSELN Mainland Hoy Wick Kirkwall SCAPA FLOW SCHOTTLAND SoZ Binda FORTSETZUNG VON SEITE 103 Shetland- und Orkney-Inseln: Beste Reisezeit von Mai bis September. Brutzeit der Vögel: Mai bis Juni. www.visitorkney.com, www.visitshetland.com Anreise: British Airways/Loganair täglich von Zürich via London und Aberdeen/Edinburgh nach Kirkwall (Orkney) und Lerwick/ Sumburg (Shetland). Retourticket ab 1050 Fr., www.britishairways.com. Im Sommer Atlantik Airways von London nach Lerwick. Retourticket ab 440 Franken, www.flyshetland.com. Reiseveranstalter: Falcontravel, Tel 044 295 55 11, www.falcontravel.ch stadt Stromness auf den OrkneyInseln, die statt wilder Klippen sanfte Hügelzüge bieten. Auf den Orkneys findet sich Britanniens grösste Konzentration an prähistorischen Relikten. Auf der Insel Mainland stehen urtümliche Grabhügel in der Nachbarschaft von bis zu fünf Meter hohen Standing Stones – gigantischen Hinkelsteinen. Riesig ist auch der Ring of Brodgar, ein Steinkreis von ungefähr 100 Meter Durchmesser. Faszinierend das aus Bruchsteinen und Schieferplatten gebaute Labyrinth der Steinzeitsiedlung Skara Brae. Es wurde erst 1870 nach einem Sturm entdeckt. Der Wind hatte eine Düne abgetragen und die Mauern, steinerne Bettgestelle und archaische Regale frei gefegt. Auf der Schlussetappe der Hanse Explorer zurück zur schottischen Küste überraschen die Orkneys doch noch mit einer spektakulären Szenerie. Die Insel Hoy bricht an ihrer Westküste in einer gewaltigen, 300 Meter hohen Mauer ins Meer ab. Kurz vor dem Old Man of Hoy, einem mächtigen Sandsteinfelsen im Meer, fahren wir ein weiteres Mal mit dem Schlauchboot aus. Während der Reise über die spiegelglatte See vermissen wir Gekrächze und Kot-Bombardement. Offenbar sind die höchsten, senkrechten Klippen Grossbritanniens selbst den akrobatischen Klippenvögeln zu steil. Ganz einfach ist ihm der Neustart in seinem View Point Motel zwischen Calgary und Vancouver jedoch nicht gefallen. Seine Schweizer Mentalität sei ihm zuweilen im Weg gestanden, sagt er. «Hier in Kanada muss man alles mit viel Ruhe angehen», erklärt der Naturfreak gelassen. Die Uhren ticken eben langsamer am Shuswap Lake. Missen möchte er seine neue Heimat aber nicht mehr. Eine Rückkehr in die Schweiz kann sich Züst nicht vorstellen, obwohl er seinen Schweizer Pass behalten hat. Der Pass mit dem weissen Kreuz ist ihm ein Stück Heimat in der Ferne. Wenn es Winter wird am Shuswap Lake, wechseln die Züsts die Seite und schlüpfen in die Rolle der Gäste. Dann schliessen sie ihr View Point Motel und gehen mit ihrem Wohnwagen auf Tour. Züst gefällt es, vier Monate lang ein Vagabundendasein zu führen. Die Reise gen Süden dient auch der Verbesserung der eigenen Dienstleistung: «Wenn wir auf anderen Motorhome-Parks stehen, sehen wir uns natürlich genau an, wie und was die Kollegen machen und was für unsere Gäste interessant sein AXEL SCHEIBE könnte.»