Korruption kann nur vor Ort wirksam bekämpft werden

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Korruption kann nur vor Ort wirksam bekämpft werden
Psychologie aktuell: EU-Mitgliedschaft für Kroatien fraglich: Korruption kann nur vor Ort wirksam bekämpft werden
22-10-12
EU-Mitgliedschaft für Kroatien fraglich: Korruption kann nur vor Ort wirksam bekämpft werden
Bundestagspräsident Norbert Lammert und Kollegen fordern, Kroatien vorerst nicht in die EU
aufzunehmen. Die Rechtssituation des Balkanstaates entspricht nicht dem EU-Standard.
Korruption dominiert die Gesellschaft. Diese Einschätzung belegen Privatdozent Dr. Angelos
Giannakopoulos (Universität Konstanz) und Kollegen in einer Studie. Die
Politikwissenschaftler sehen Kroatien in der rechtsstaatlichen Entwicklung noch weit hinter
Bulgarien und Rumänien.
Den hohen Standard an Korruption in Kroatien führen die Wissenschaftler auf verschiedenste
Faktoren zurück, u.a.:
• Während des Jugoslawienkrieges 1991 bis 1995 entwickelten sich Kriminalität und
Kriegsgewinnlertum mit langfristig funktionsfähigen Folgestrukturen als quasi staatstragende
Elemente.
• Nach dem Krieg entstand eine rechtsproblematische Gemengelage: Verbrechen und
Korruption der Kriegszeit wurden nur ausnahmsweise verfolgt, das kulturelle Erbe des
Sozialismus und neu entstehende Umverteilungsmaßnahmen verstärkten die Fragwürdigkeit
von Recht und Gesetz. Die autoritäre Klientelpolitik des Regimes unter Franjo Tudjman führte
zu systematischen Regelwidrigkeiten innerhalb der gesamten Ökonomie des Landes.
• Seit 2006 steht die allgegenwärtige Korruption im Land im öffentlichen Fokus und beherrscht
die publizistisch-empörte Diskussion. Diese unterscheidet zwischen geringfügiger, alltäglicher
und "grandioser" Korruption, d.h. akzeptiert erstere und kritisiert letztere.
• Die weitgehend vormoderne Gesellschaftsstruktur in Kroatien orientiert sich an Familien,
Gruppen, Sektoren in Netzwerken - und nicht an Regeln. Übertritt die eigene Gruppe eine
Regel, ist dies eher eine lässliche Sünde; das gleiche Delikt in einer fremden Struktur gilt als
Verbrechen.
Giannakopoulos und Kollegegen beobachten: "Viele Akteure in Kroatien gehen davon aus, dass die
EU grundsätzlich in der Lage ist, den Kampf gegen die Korruption günstig zu beeinflussen.
Demgegenüber bestehen v.a. bei Politikern Bedenken; sie betonen, dass Korruption nur in Kroatien
selbst wirksam bekämpft werden kann."
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A. Giannakopoulos, K. Maras, D. Tänzer: Perceptions of Corruption and their Relevance to
Anti-corruption Measures - Research Findings of the EU-Project ´Crime and Culture´. In: Thomas
Kliche, Stephanie Thiel (Hrsg.) Korruption - Forschungsstand, Prävention, Probleme. Pabst, 540
Seiten, ISBN 978-3-89967-691-4
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