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1. Einleitung
Washington D. C. im Jahr 2054. An Gebäudefassaden zeigen riesige Screens Werbung für „Precrime“, eine Abteilung der Polizei,
die Morde verhindern soll, bevor sie passieren. In Einkaufszentren werden Besucher persönlich von dreidimensionalen Werbebotschaften angesprochen, während in Zeitungen aktuelle
„Breaking News“ als animierte Video-Schlagzeilen auftauchen. In
automatisch gesteuerten Autos unterhalten sich die Fahrer über
Bildtelefone mit Freunden und Kollegen. Audiovisuelle Daten
sind auf kleinen Glasspeichermedien gesichert und lassen sich als
holografische Projektion abspielen, gesteuert durch riesige UserInterfaces mit Touchscreens.
Diese kurzen Auszüge aus Minority Report1 (2002, Steven Spielberg) können exemplarisch für das Thema dieser Arbeit herangezogen werden: Die Darstellung von Medien im Science-FictionFilm, die sich auch als futurische Medien2 bezeichnen lassen. Mediale Darstellungen können auftreten als klassische Medien wie die
Bücher in Fahrenheit 451 (1966, François Truffaut) oder die ‚Zeitung von morgen‘ in Back to the Future II (1989, Robert Zemeckis).
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Sämtliche Filmtitel sind in der jeweiligen Originalsprache angegeben und durch Kursivierung hervorgehoben. Bei der ersten Nennung eines Filmtitels ist in Klammern zusätzlich das Jahr der Erstveröffentlichung sowie der/die Regisseur(e)/in genannt. Ausführlichere filmografische Angaben zu den Schwerpunktfilmen sind in
der Filmografie (7.2) verzeichnet.
Ich übernehme den Begriff „futurisch“ bzw. „futurisches Medium“ von Weber (2008; 2014) als Bezeichnung für ein fiktives zukünftiges Medium – wie es im Science-Fiction-Film auftritt – im
weiteren Sinne, weniger als Wunschmedium im engeren Sinne, wie
es Weber versteht (Weber 2008: 13; 2014: 427). Der Terminus ist
von dem Ausdruck „futuristisch“ abzugrenzen, der stärker an die
Kunstbewegung des Futurismus gebunden ist und somit bereits
mit einer bestimmten Ästhetik verbunden wird. Alternativ ließe
sich auch von „Science-Fiction-Medien“ oder „Zukunftsmedien“
sprechen (vgl. 4.1.1).
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1. Einleitung
Reale Medientechniken können fiktional weiterentwickelt werden,
wie die riesigen Werbescreens in Children of Men (2006, Alfonso
Cuarón) oder der Computer in 2001: A Space Odyssey (1968, Stanley Kubrick). Zukünftige – futurische – Medien umfassen auch
dreidimensionale holografische Abbildungen wie in Total Recall
(1990, Paul Verhoeven) oder die Zeitreise-Kameras in Déjà Vu
(2006, Tony Scott). Schließlich lassen sich auch Virtuelle Realitäten wie in The Matrix (1999, Andy und Larry Wachowski) oder das
Holodeck in verschiedenen Filmen und Serienfolgen aus Star Trek
als Medien auffassen.
Mediale Repräsentationen spielen im Science-Fiction-Film
eine besondere Rolle, da sie meist eine mediale Form und Entwicklung zeigen, die es so nicht gibt. Die filmische Science Fiction reagiert auf gesellschaftliche Diskurse über Medien, indem
sie reale Medientechniken fiktional in die Zukunft verlängert oder
gänzlich neue mediale Phänomene erfindet. Dabei liefern solche
Medien häufig Informationen für den Zuschauer, wie die jeweilige zukünftige Welt beschaffen ist: die Form der Medien kann
Aufschluss geben über den technischen Fortschritt, Inhalte dieser
Medien beschreiben den sozialen und politischen Zustand der
Gesellschaft. Entsprechend häufig lässt sich die Einbindung futurischer Medien zu Beginn der Filme beobachten.
Mit dieser Arbeit soll ein möglicher Zugang zum Thema der
Mediendarstellung im Science-Fiction-Film vorgestellt werden.
Zunächst werden dazu die nötigen Vorüberlegungen getroffen,
indem theoretische Abhandlungen zum Begriff des Mediums
sowie die Möglichkeiten der Einschreibung von Medien in den
Film diskutiert und anschließend auf den Science-Fiction-Film
übertragen werden. Im zweiten Teil untersuche ich in exemplarischen Filmanalysen die Filme Fahrenheit 451, Minority Report,
Equilibrium (2006, James McTeigue), Children of Men und Starship
Troopers (1997, Paul Verhoeven) in Hinblick auf mediale Darstellungen. Bei dieser Analyse konzentriere ich mich vor allem auf
Massenmedien, welche in allen untersuchten Filmen eine zentrale
Rolle spielen, die jedoch jeweils mit unterschiedlichen Funktionen inszeniert werden. Ziel ist es dabei, verschiedene Formen und
Funktionen massenmedialer Darstellungen im Science-FictionFilm aufzuzeigen, und wie diese Medien die im Film dargestellte
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1. Einleitung
Welt und Gesellschaft in verschiedener Weise prägen: In Minority
Report verkünden utopische Medien das Ideal einer Menschheit
ohne Verbrechen, während die Filme Fahrenheit 451 und Equilibrium zeigen, wie ein totalitärer Staat über Screens und Fernsehgeräte seine Macht manifestiert. In Children of Men verweisen die
Medien und ihre Inhalte auf eine Gesellschaft, die kurz vor dem
Kollaps steht. Starship Troopers schließlich zeigt, wie über die Darstellung zukünftiger Medien eine besondere Form der Medienreflexion möglich ist.
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4. Medien im Science-Fiction-Film
Die Darstellung von Medien im Science-Fiction-Film knüpft
an mediale Einschreibungen in Filmen im Allgemeinen an, ihr
kommt jedoch durch die in der Zukunft liegenden Welt eine besondere Dimension zu. Im Folgenden sollen zunächst theoretische Überlegungen zum Begriff des Mediums aufgestellt werden,
um so zu überlegen, wie sich futurische Phänomene überhaupt
als Medium bezeichnen lassen. Anschließend werden Überlegungen zur medialen Repräsentation im Film auf den speziellen Fall
der Science-Fiction-Filme übertragen und diskutiert. Eine übergeordnete Rolle spielen dabei Theorien zur Unsichtbarkeit von
Medien einerseits und die Auseinandersetzung mit dem Begriff
der Störung und Dysfunktion andererseits.
4.1 Zum Begriff des Mediums
Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Mediums“ bildet eine zentrale Grundlage der Medientheorie. Die
historische Entwicklung des Terminus, seine Verwendung bei
Theoretikern verschiedener Disziplinen und die große Bedeutungsvielfalt machen deutlich, dass sich kein einheitlicher, prägnanter Medienbegriff bestimmen lässt. Bereits für aktuelle Medien lassen sich verschiedene Ansätze gegenüberstellen, sie überhaupt als Medium fassen (oder nicht fassen) zu können.
Eine neue Dimension der Problematik kommt den futurischen Medien im Science-Fiction-Film zu, da es sich um Phänomene handelt, die es so in der Realität nicht gibt. Die Kernfrage
dabei ist: Welche futurischen Phänomene, die im Science-FictionFilm auftreten, lassen sich überhaupt als Medium bezeichnen?
Da es keine einheitliche Definition von „Medium“ gibt, lässt sie
sich auch nicht ohne weiteres auf futurische ‚Medien‘ übertragen.
Während es somit schwer bis unmöglich ist, einen umfassenden
und geeigneten Medienbegriff für solche Science-Fiction-Medien
zu formulieren, erscheint ein solches Vorhaben außerdem unsinnig: das bloße Einordnen von futurischen Phänomenen als
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4. Medien im Science-Fiction-Film
Medium oder Nicht-Medium liefert keine Erkenntnisse. Statt
dessen erscheint es hilfreich, diese futurischen Medien in ihrem
filmischen Kontext zu analysieren, und so Gemeinsamkeiten und
Unterschiede in der filmischen Darstellung von Science-FictionMedien aufzuzeigen.
Um jedoch überhaupt einen Zugang zu medialen Phänomenen des Science-Fiction-Films herzustellen, lassen sich verschiedene Abgrenzungen bzw. Definitionen von „Medien“, wie sie in
der Medienwissenschaft verschiedentlich getroffen wurden, als
Grundlage diskutieren, um mögliche futurische Medien definieren zu können.
4.1.1 Neue Medien – Futurische Medien
In einer groben, zeitlich-logischen Annährung ließen sich futurische Medien zunächst einmal in einer Begriffskette Klassische Medien – Neue Medien – Futurische Medien verorten. Der Begriff ‚futurische Medien‘ ist in seiner Bestimmung jedoch etwas eindeutiger
als der in der Medienwissenschaft häufig kritisch reflektierte Begriff der Neuen Medien – dies mag zunächst paradox erscheinen,
da (wie zuvor herausgestellt) gerade die futurischen Medien nicht
klar zu benennen sind. Allerdings lässt sich feststellen, dass die
Angaben, was explizit unter „Neuen Medien“ zu verstehen ist,
sehr wandelbar sind, während die futurischen Medien zunächst
einmal alle fiktiven zukünftigen Medien umfassen.
Beispielhaft lässt sich dies an Boeckmanns Aufsatz „Was ist
neu an den neuen Medien?“93 aus den frühen 1990er Jahren aufzeigen. Boeckmann zählt als Neue Medien auf: „Kabelfernsehen,
Satellitenfernsehen, Videotext, Bildschirmtext, Breitbandkommunikation, Bildtelefon, Videorekorder, Bildplatte, zuweilen auch
Personal Computer, Videospiele und Geräte der Bürokommunikation wie Fernkopierer“94. Hier zeigt sich, dass eine genaue Bestimmung des Begriffs Neue Medien durchaus schwierig und vor
allem zeitgenössisch beeinflusst ist: Der Computer (als „Personal
93 Boeckmann 1991.
94 Ebd.: 173.
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4. Medien im Science-Fiction-Film
Computer“) geht in dieser Aufzählung eher verloren, während
er bei Rusch et al.95 zu den vier ‚großen‘ Neuen Medien (Kino,
Radio, Fernsehen, Computer) gezählt wird. Zudem nennt Boeckmann mediale Formen wie das Satellitenfernsehen oder den Videotext, welche für sich genommen keine Medien sind, sondern
sich eher als Teil des Mediensystems Fernsehen bestimmen lassen
(Boeckmann erwähnt allerdings selbst zuvor, dass es sich bei den
erwähnten Dingen gar nicht immer um Medien handeln muss96).
Die Bildplatte – eine Art digitale Schallplatte oder Vorläufer der
Laserdisc, auf der sich geringe Mengen audiovisueller Inhalte
begrenzt speichern ließen – hat sich weder als Begriff noch als
Technik durchgesetzt. Auch Faulstich nennt 1994 noch die „Neuen Medien“ (als Einzelmedium!), nutzt den Begriff 2005 jedoch
nicht mehr (s. folgender Abschnitt). In der Summe zeigt sich, dass
der Begriff der Neuen Medien weniger konkrete Medien meint,
sondern vielmehr als Schlagwort der 1980er und 1990er Jahre die
Entwicklungsprozesse von Personal Computern, MultimediaAnwendungen und Digitalisierungsprozessen zu fassen versucht.
Futurische Medien hingegen sind, im Sinne Webers, Wunschmedien, also Medien, die es (noch) nicht gibt, „die man sich vielleicht vorstellen kann, vielleicht wünscht oder deren Entstehung
man vielleicht fürchtet“97, so dass der Begriff alle fiktiven Medien
umfasst. Ironischerweise kommt auch Boeckmann in Bezug auf
die (damaligen) Neuen Medien zu einer (gleichsam überzogenen)
Befürchtung: „Die weitere Entwicklung der Neuen Medien wird
noch manche Überraschung […] für uns bereithalten, aber dass
niemand sie aufhalten wird, ist gewiß“98. Die futurischen Medien im Science-Fiction-Film können so oft zu einer fiktiven Weiterentwicklung der Idee hinter den Neuen Medien werden, die
zum Teil selbst nur als Wunschvorstellungen formuliert sind. Die
Hoffnungen und auch Ängste, welche mit den Vorstellungen von
Neuen Medien verknüpft sind und waren, werden – unabhängig von der Frage, wie realistisch solche Vorstellungen sind – als
952007.
96 Boeckmann 1991: 173.
97 2008: 13.
98 Boeckmann 1991: 179.
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4. Medien im Science-Fiction-Film
futurisches Medium im Science-Fiction-Film konkretisiert und
diegetisch materialisiert.
Die filmische Repräsentation fiktiver zukünftiger Medien hat
somit ihren Ursprung in der realen technischen Entwicklung von
(Neuen) Medien einerseits und ist andererseits der Ausdruck
von Wunschkonstellationen, wie sie auch Hartmut Winkler beschreibt, nämlich „daß die Dynamik der Medienentwicklung in
bestimmten Wunschstrukturen ihre Ursache hat und daß die Mediengeschichte beschreibbare Sets impliziter Utopien verfolgt“99.
Futurische Medien werden so zur konkreten Ausdrucksform
solcher Wunschstrukturen und impliziter Utopien. Sie sind damit nicht nur eine mögliche Darstellung von prognostizierten,
gewünschten oder befürchteten Medienentwicklungen, sondern
werden ihrerseits zum Vorbild und Ausgangspunkt für Wunschkonstellationen und Konzepte realer Medien.
Jens Schröter100 macht dies am Beispiel der Forschung zur Virtuellen Realität (VR) deutlich – eine Technik, die sich im ScienceFiction-Film häufig als futurisches Medium findet und gleichzeitig auch in der Realität ein ‚chronisches Wunschmedium‘ ist, da
es immer wieder Versuche gibt, Virtuelle Realitäten technisch zu
konzipieren, bisher jedoch keine zufriedenstellenden Lösungen
entwickelt wurden bzw. sich nicht durchsetzen konnten101. Schröter erwähnt, dass um 1990 das „ultimate goal“ der VR-Forschung
das Holodeck102 aus der Serie Star Trek – The Next Generation ist.
99 Winkler 1997: 13.
1002004.
101 Aktuell ist mit der VR-Brille Oculus Rift eine neue Variante der
VR-Technologie auf dem Markt erhältlich. Die Datenbrille google
glass hingegen ist keine Form der VR, sondern eine Umsetzung
der Augmented Reality (erweiterte Realität), d. h. der digitalen Erweiterung der empirischen Realität (im Gegensatz zur vollständig
Virtuellen Realität bei Oculus Rift).
102 2004: 221. Das Holodeck ist eine Form der vollkommenen Virtuellen Realität, die in den Filmen und Serien bei Star Trek gezeigt
wird. Schröter erläutert das Holodeck als „Raum an Bord der
Raumschiffe und Raumstationen, in welchem eine begehbare, audiovisuell absolut ‚realistische‘, haptisch berührbare und olfakto44
4. Medien im Science-Fiction-Film
In einer Befragung der Besucher eines VR-Projektes wurde nach
deren Quelle des Vorwissens gefragt, bei der knapp die Hälfte
aller Personen angaben, das Wissen über VR durch das Fernsehen
zu haben.103 Der Großteil der Befragten beschrieb das Gefühl der
VR außerdem so, als befände man sich in einem Film104 – an diesem Beispiel zeigt sich, wie sehr reale Medienentwicklungen und
Mediendarstellungen im Science-Fiction-Film (bzw. -Serien) zusammenhängen: Die Testpersonen des VR-Projektes fühlten sich
nicht etwa wie in einer alternativen Realität (wie es der Begriff der
VR eigentlich impliziert), sondern vielmehr wie in einem Film, da
sie VRs lediglich aus Film und Fernsehen kannten.
Zukünftige Mediendarstellungen im Film werden also zum
Ziel der realen Medienforschung und -entwicklung und sind
ebenso der Maßstab für die Nutzer, die ihre Erwartungshaltung
an filmischer Science Fiction aufbauen.105 Dass ein Science-Fiction-Film reale Medienentwicklungen vorwegnehmen kann, zeigt
auch das Beispiel der Tablet-Computer aus 2001: A Space Odyssey,
risch sowie gustatorisch erfahrbare Simulatio[n] erschaffen werden
[kann]“ (2004: 224). An dem Beispiel des Holodecks lassen sich
so interessante Überlegungen zur Möglichkeit eines ‚perfekten Mediums‘ diskutieren, das sich bisweilen von der wahrgenommenen
Realität nicht mehr unterscheidet und damit als Medium auch nicht
mehr erkennbar ist.
103Ebd.
104 „[B]eing inside a movie“, zit. n. ebd.: 223.
105 Als ein in dieser Hinsicht ‚gescheitertes‘ Beispiel lässt sich die Omnipräsenz des Faxgerätes in Back to the Future II (0:32:25) anführen.
Obwohl extrem überspitzt dargestellt, zeigt sich in dieser Szene die
zeitgenössische Extrapolation einer ‚Faxgeräte-Gesellschaft‘, bevor
E-Mail und andere Internetentwicklungen das Faxgerät obsolet haben werden lassen. Die Szene kann somit, trotz oder gerade aufgrund der satirischen Überformung, auch als Verweis darauf gelesen werden, wie in der zeitgenössischen Produktion die zukünftige
Entwicklung imaginiert wurde, und sie steht durchaus im Sinne der
zeitgenössisch als „neu“ wahrgenommenen Medien wie das Faxgerät bzw. der „Fernkopierer“ bei Boeckmann (1991: 173).
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4. Medien im Science-Fiction-Film
in denen die Besatzung des Raumschiffs Discovery einen Fernsehbericht über ihre Mission auf solchen Tablet-Computern verfolgen (s. Abb. 1106). Technik und Medialität dieser Science-FictionMedien erinnern stark an heutige Tablet-Computer, deren gesamte Oberfläche aus einem Multi-Touch-Screen besteht.107
Weber sieht solche Verbindungen zwischen realer Medienentwicklung und der Mediendarstellung im Science-Fiction-Film
hingegen kritisch: 106 Sämtliche Abbildungen sind, sofern nicht anders angegeben,
Screenshots aus den in der Bildunterschrift angegebenen Filmen (in
Klammern der Timecode der entsprechenden Stelle des Films). Da
häufig Versionsunterschiede bei Timecode-Angaben festzustellen
sind, ist die jeweils verwendete DVD-Version der Filme in der Filmografie angegeben. Alle Timecode-Angaben beziehen sich, sowohl
als Quelle für die Screenshots als auch für Stellen des Films, auf die
im Text verwiesen sind, auf diese jeweilige Version. Für das Layout
wurden sämtliche Screenshots in ein einheitliches Seitenverhältnis
(16:9) eingepasst, so dass bei abweichenden Bildformaten des Originalfilms (z. B. 2,35:1 oder 4:3) Teile des Bildes fehlen, die jedoch für
die Belege der Sachverhalte zu vernachlässigen sind. Die TimecodeAngaben im Fließtext sind jeweils auf Fünf-Sekunden-Intervalle gerundet, da – anders als bei den Screenshots – weniger auf genaue
Stellen im Film verwiesen wird, sondern das Auffinden der jeweiligen Szene erleichtert werden soll.
107 Im Prozess um die Patentrechte solcher Tablet-Computer zwischen
den Computerherstellern Apple und Samsung führten letztere diese
Filmszene als Beweismittel an, dass solche Tablet-Computer schon
weit vor der Konzipierung des iPad von Apple (zumindest fiktiv)
entwickelt wurden. Apple hatte zuvor Samsung vorgeworfen, ihrerseits Technik und Design von den Apple-Produkten iPad und iPhone kopiert zu haben. In der Berichterstattung titelte beispielsweise die
Süddeutsche Zeitung: „Stanley Kubrick als Kronzeuge“, in Anspielung
auf die von Samsung eingebrachte Filmszene aus 2001: A Space Odyssey (s. Süddeutsche Zeitung vom 25.08.2011: 23); vgl. auch „Als Stanley
Kubrick das iPad erfand“, s. http://www.sueddeutsche.de/digital/
patentstreit-zwischen-samsung-und-apple-als-stanley-kubrick-dasipad-erfand-1.1134513 (08.11.2014).
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4. Medien im Science-Fiction-Film
Abb. 1: Damals Science Fiction, heute Realität: Der TabletComputer aus 2001: A Space Odyssey (a, 1:00:16 und b, 0:57:16).
[Es] muss davor gewarnt werden, aus der Mediendarstellung im Film auf real existierende Medien
zu schließen. Gerade im Fall von futurischen Medien lässt sich […] ein konkreter Zusammenhang
zwischen dargestelltem Medium und tatsächlichem
medialen Dispositiv nicht hinreichend aufzeigen.
Allenfalls ist eine Analogie von Wünschen auszumachen, die aber über den konkreten Stand der
Technik weit hinausweist.108
Für Weber sind die Darstellungen futurischer Medien weder die
Illustration medientheoretischer Postulate noch die Repräsentation realer Medienentwicklungen.109 Ich widerspreche Weber
in dieser Hinsicht jedoch, da beide Sachverhalte zur filmischen
Darstellung futurischer Medien mindestens beitragen: Die weiter
oben genannten Beispiele haben gezeigt, wie sehr die Darstellung
von Medien im Science-Fiction-Film mit realen Mediendiskursen verknüpft ist und sich so eine Wechselbeziehung ergibt. Mag
Webers Aussage für einige mediale Darstellungen in ScienceFiction-Filmen der 1980er und 1990er Jahre noch zutreffen, so
zeigen gerade die in dieser Arbeit vorgestellten neueren Beispiele Children of Men und, stärker noch, Minority Report, wie solche
futurischen Medien im neuesten Science-Fiction-Film (seit 2000)
reale Entwicklungen aufgreifen und in die Zukunft verlängern.
108 Weber 2008: 65, FN 1.
109 Ebd.: 65f.
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4. Medien im Science-Fiction-Film
Beispielhaft seien hier die personalisierte Werbung in Minority
Report genannt oder die Videologs in Avatar und Sunshine (2007,
Danny Boyle) – mediale Phänomene, die deutliche Bezüge zu
zeitgenössischen Entwicklungen des Internets herstellen.110 Auch
Schröter macht dies für die Repräsentation des Computers im
Film deutlich: „Die Geschichten von Science-Fiction-Erzählungen, Filmen und Fernsehsendungen über den Computer kann
sehr genau mit der tatsächlichen Entwicklung der Computer korreliert werden“.111
Eine weitere Abgrenzung muss noch getroffen werden: Während Weber sich mit „Futurischen Medien im Kino“112 beschäftigt, konzentriere ich mich grundsätzlich auf Medien im ScienceFiction-Film. Dies können also auch klassische Medien sein
bzw. Medien, die nicht futurisch sind. Umgekehrt ließen sich bei
Webers Thema auch Medien außerhalb des Science-Fiction-Films
anführen, sofern sie futurisch sind.113 Es ist nicht immer eindeutig festzustellen, ob Medien nun wirklich futurisch oder klassisch
erscheinen, die Grenzen sind fließend (die Problematik zeigt sich
bei der von mir vorgenommen Benennung der untersuchten Medien in Kap. 4.1.3).
110 Auf der anderen Seite imitieren reale Medienentwicklungen den
Science-Fiction-Film, so gibt es beispielsweise eine App für TabletComputer, welche die grafische Benutzeroberfläche LCARS aus
den Filmen und Serien des Star Trek-Kosmos nachbildet, vgl. dazu
den Artikel in Wired (Paul 2011).
111 Schröter 2004: 12.
1122008.
113 Diese Ansicht ist jedoch wiederum problematisch, da futurische
Medien im Sinne dieser Arbeit ein Science-Fiction-Element sind
und damit jeden Film zumindest in dieser Hinsicht auch zu einem
Science-Fiction-Film machen. Hier sei erneut auf das Beispiel des
Multi-Touch-Table als futurisches Medium im James-Bond-Film
Quantum of Solace verwiesen (vgl. Kapitel 3.2).
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