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15. November 2012
Selten besser, nicht mal im Schwarzwald
Das Landesblasmusikorchester gibt ein Benefizkonzert in Löffingen / Der Erlös
wird für den Kauf des Konzertflügels verwendet.
Meister ihres Faches: Das Landesblasmusikorchester beim Auftritt in Löffingen.
Foto: Bernhard Kleine
LÖFFINGEN. Konzertante Blasmusik vom Feinsten, dafür steht das Landesblasorchester,
kurz LBO. Am Samstag spielte das LBO in der Festhalle Löffingen ein Benefizkonzert für
den Löffinger Konzertflügel. Eine fast schlafwandlerische Sicherheit in der Präzision der
Töne, Zusammenspiel und Einsätze makellos, und dabei spielen die einzelnen Abteilungen
teilweise bis zu vier und fünf unterschiedliche Rhythmen.
Vor allem das Divertimento von Leonard Gershwin und Marco Polo, La Ruta de la Seda
(Die Seidenstrasse) von Luis Serrano Alarcón waren mit rhythmischen Schwierigkeiten
vollgestopft, die den Musikern große Eigenständigkeit abfordern, dabei gelingt es den
beiden Dirigenten Andreas Kraft (als Gastdirigent) und Isabelle Ruf-Weber, die
widerstrebenden Elemente zusammenzuhalten.
Begonnen hat der Abend mit dem Albinoni zugeschriebenen Adagio in G-moll. Ein
Ensemble mit Trompeten, Posaunen, Hörnern und Tuba spielte dirigiert von Andreas Kraft
dieses getragene Stück.
Das volle Orchester ließ danach die Burlesque op. 42 des zeitgenössischen Russen Georgi
Salnikov erklingen, ein Stück, in dem russische Folklore erkennbar zu sein scheint, ohne
dass einzelne Melodien ausgemacht werden können. Das Hauptwerk vor der Pause war
anschließend das Divertimento von Bernstein. Sehr leichtfüßig dirigierte Andreas Kraft
dieses Stück. Sieben Sätze lang verweigert sich Bernstein dem herkömmlichen
Verständnis von Blasmusik, indem er Rhythmen vorschreibt, die zwar einfach zu sein
scheinen, sich aber dem Mitmarschieren total verweigern, und jede Blaskapelle ins
Stolpern bringen. Das ist sozusagen ein pazifistischer Gegenentwurf zur Marschmusik
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früherer Zeiten. Mit dem achten Satz allerdings, der Hymne auf das Boston SymphonieOrchester, schließt sich Bernstein aber dem Mainstream wieder an. Wie sehr der Dirigent
der Selbständigkeit seiner Musiker traute, zeigte sich daran, dass er in diesem Satz den
Stab nur noch im Kreis schwang, um das Orchester auf Trab zu halten. Kraft dirigierte
anschließend noch Blue Shades des US-amerikanischen Komponisten Frank Ticheli
(geboren 1958); es ist dem Jazz verhaftet, auch wenn charakteristische Elemente des
Blues fehlen.
Anklänge von Jazz
Die Anklänge an den Jazz werden bei dem Klarinetten-Solo zum Ende des Stückes
offensichtlich. Das Publikum verabschiedete den Gastdirigenten Andreas Kraft, Professor
für Posaune in Würzburg und Mitglied des Bayreuther Festspielorchesters, mit herzlichem
Beifall.
Isabelle Ruf-Weber, die seit 2004 Dirigentin des LBO ist, begleitete nach der Pause die
Zuhörer und das Orchester auf der Seidenstraße nach China. Der spanische Komponist
Luis Serrano Alarcón vereinigt in diesem Werk Klangwelten mit traditionellen
Instrumenten aus der Türkei und Vorderasien, Armenien oder China: Im Schlagzeug
werden Davul, Darbuka, Riqq oder die Kriegstromme Taiko eingesetzt; beim dramatischen
Höhepunkt im vierten Satz setzt der Komponist Klangschalen aus Tibet ein. Aus der
Türkei und Nordafrika stammt der Duduk, bei dem wie bei der Oboe der Ton durch ein
Doppelblatt erzeugt wird; der Ton ist sehr quäkend, wie bei mittelalterlichen
Blasinstrumenten aus unserem Raum. Weitere Blasinstrumente, die Alarcón verwendet,
sind die Shvi, flöten-ähnlich, die wie der einer Klarinetten vergleichbare Duduk aus
Armenien stammt, und die Mundorgel-ähnliche, chinesische Hulusi mit ihrem weichen
Klang. Die Einlagen mit diesen Blasinstrumenten sind Ruhepole in einem Flächenbrand
von Melodien und Rhythmen. Die Reiseerlebnisse, die Marco Polo dem Mitgefangenen
Rusticello da Pisa nach seiner Rückkehr nach Genua erzählt hat und die dieser
aufgeschrieben hat, waren mitgeprägt durch Kampf und Tod oder die Gefangennahme
durch das Mongolenheer. Diesen kämpferischen Hintergrund übersetzt Alarcón in Musik,
mit kontrastierenden Rhythmen oder aufrüttelnden Schlagzeugpartien, die zum Beispiel
die Ankunft der Mongolen ankündigen. Die bombastische Ankunft in Peking ist der finale
Höhepunkt dieser musikalischen Reise.
Im minutenlangen Schlussbeifall wurden die Leistungen aller Musiker, die im LBO nur zu
wenigen jährlichen Proben und zu den Konzerten zusammenkommen, vom Publikum
gebührend gewürdigt. Rudolf Gwinner und Bürgermeister Brugger überreichten den
Dirigenten und dem Orchestervorstand stellvertretend für alle Musiker Blumen. Nach
diesem Benefizkonzert sei es ziemlich sicher, dass der gewünschte Konzertflügel
demnächst abgezahlt werden kann, so Brugger.
Es sei schade, dass nicht mehr Zuhörer gekommen seien, denn – und das meint der
Kritiker – nach schöner gespielter Blasmusik muss man auch im Hochschwarzwald lange
suchen.
Autor: Bernhard Kleine
15.11.2012 06:43