als PDF - Katharina von der Leyen

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als PDF - Katharina von der Leyen
[46] SPAZIERGANG
In der Politik
kämpft sie für
gute Schulen
und flexiblere
Elternzeit.
In ihrer Familie
sorgt sie für
rote Backen und
Wärme. Vor anderthalb Jahren
bekam Familienministerin
Ursula von der
Leyen zum
achten Mal
Zuwachs:
Labrador Milou
Fotos: odile hain
Text: katharina von der leyen
Alphafrau
Das Leben ist kein langer, ruhiger Fluss, aber dafür aufregend und voller Abenteuer:
Ursula und Heiko von der Leyen auf ihrem Spaziergang mit Labradorhündin Milou
SPAZIERGANG
M
ilou ist eine meisterin des chaos. Sie findet es
am schönsten, wenn ihr Rudel um sie herum ist. Je
lauter, desto besser. Milou, geborene Jule-Justine aus
dem Burghaus, ist die anderthalbjährige blonde Labradorhündin in der Familie von der Leyen. Ihre Chefs sind Ursula,
die Familienministerin, und Heiko, ein Medizinprofessor. Sie weiß
genau, dass die beiden das Sagen im Rudel haben. Ein Blick, eine
Handbewegung, ein Wort – und Milou tut, was sie tun soll. Sie ist
perfekt erzogen, kommt auf unserem Spaziergang am Kanal entlang
sofort zurück, wenn sie ihren Namen hört. Das liebt die Hündin am
meisten: mitten im Gewusel der Großfamilie zu sein.
Ursula von der Leyen erzieht nicht nur Milou, sondern auch
sieben Kinder zwischen fünf und neunzehn. Sie hat einen Job, für
den ein 24-Stunden-Tag eigentlich nicht ausreicht. Und einen Mann,
der an drei Tagen pro Woche in München arbeitet, während sie sich
in ihrem Büro in Berlin befindet. Dabei sieht sie aus, als käme sie
gerade vom Film-Set und hätte noch keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Kein Wunder, dass sich viele fragen: Wie macht die Frau
das bloß? Dass sie nicht nur bewundert wird, sondern auch beneidet. Und dass sie drüber steht, obwohl manche ihre „armen Kinder“
bemitleiden, die angeblich keine richtige Familie erleben. Wer allerdings die Kinder beobachtet, wie sie gerade neben ihren Eltern auf
dem schmalen Sandweg spazieren, auf sie einreden und mit ihnen
lachen, erkennt sofort: Die muss niemand bemitleiden. Sie sind
vergnügt und frei. Sie zeigen Fremden gegenüber Zurückhaltung,
aber keine Schüchternheit, und im Umgang mit ihren Eltern scheint
es immer Raum für Verhandlungen zu geben. Es wird gelacht und
gequietscht, gleichzeitig hören sie ruhig zu, wenn andere reden.
Nette Kinder. Und gleich so viele davon.
Milou
hat im Unterholz etwas Spannendes
entdeckt. Zwei der Mädchen schauen zu, wie sie aufgeregt gräbt und
schnüffelt. Vor allem die fünf Töchter – Sophie, Donata, Viktoria,
Johanna und Grazia – mussten ihre Eltern lange weich kochen, bis
endlich ein Hund angeschafft wurde. Auch in der eigenen Familie ist
Ursula von der Leyen eben nicht so lieb und sanft, wie man anfangs
dachte, als sie ihren Job als Ministerin antrat. „Als Kind hatte ich
immer Ponys und Pferde, mit denen kenne ich mich aus“, erzählt sie.
„Aber die bleiben, anders als ein Hund, ja im Stall. Ich hatte Sorge,
dass Milou ein unberechenbarer Hund wird, weil es bei den vielen
Kindern so wenig Ordnung und Struktur gibt.“
Da ist es wieder, dieses Gefühl von Verwirrung, wenn sie über
fehlende Ordnung und Struktur in ihrer Familie spricht. Diese
Familie ist beispielhaft organisiert – so, wie es nur wenige schaffen.
Zu perfekt, um nicht zu zweifeln: Darf eine Frau mit so vielen
Kindern so erfolgreich im Beruf sein? Ist sie vielleicht zu streng?
Ursula und Heiko von der Leyen gehen langsam nebeneinander her,
reden leise miteinander, verstehen sich mit Blicken. Die Kinder
rennen vorweg oder bleiben zurück, um etwas zu erkunden. Milou
springt gut gelaunt zwischen beiden Grüppchen hin und her – ein
helles Bündel geballter Energie. Zucht, Ordnung oder Hierarchie
sind nicht die Worte, die einem einfallen, wenn man dieser Familie
zusieht. Sie wohnen in einem Haus außerhalb von Hannover, in
Nachbarschaft eines Gefängnisses und einer psychiatrischen Anstalt.
Das einzig Ungewöhnliche sind die beiden schwarz-weißen Zwergziegen in dem Paddock und das ergraute Pony im Vorgarten.
Ursula
von der Leyen ist die Tochter des
ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht,
Ärztin und seit November 2005 Familienministerin. Sie wird
Röschen genannt, was man beim besten Willen nicht wahrhaben
möchte, aber eine Uschi ist Ursula von der Leyen noch weniger.
Als Politikerin ist sie umstritten – mal zu modern, mal zu
unmodern, zu konservativ, zu laut, zu leise, zu vorbildhaft, zu wenig
schwach. Aber unumstritten die bestaussehendste Politikerin im
Kabinett. Sie teilt mit, ohne mit der Wimper zu zucken, dass sie 47
ist: Unsereins hätte bei dem Pensum deutlich tiefere Falten oder wenigstens Ringe unter den Augen – ein Grund mehr, sie zu beneiden.
Als Milou ihre Nase witternd in die Luft hält, bleibt auch
Ursula von der Leyen einen Moment am Wasser stehen. Zumindest
für ihre gestählte Figur gibt es einen guten Grund: Sie joggt regelmäßig mit Milou. „Wir haben sehr genau danach ausgesucht: Welche
Hunderasse liebt die Herde – denn wir sind eher eine Herde als eine
Hierarchie. Und welcher Hund fühlt sich besonders wohl, wenn es
laut und wuselig ist“, sagt sie. „Und dieser Hund hat wirklich einen
traumhaften Charakter.“ Alle zusammen waren auch sonntags in
der Hundeschule. „Das hat uns allen viel gebracht“, meint Vater
Heiko. „Wir haben extrem viel gelernt, auch als Familie“, stimmt
seine Frau zu. „Alle Kinder benutzen jetzt die gleichen Worte, es
macht gar nichts aus, dass die Chefs oft weg sind.“
Mit bestimmter Stimme ruft Ursula von der Leyen Milou
zurück, weil sie sich zu weit entfernt hat. Die Familienministerin hat
die Aufgaben in „ihrer Herde“ genau geregelt. Unter der Woche,
wenn sie in Berlin und ihr Mann in München ist, kümmert sich eine
Tagesmutter um den Nachwuchs, manchmal springt ihr Vater ein,
die Nachbarn helfen – ein Netzwerk wie in vielen Familien. So oft es
geht, übernimmt ihr Mann Heiko die Erziehung von Hund und
Kindern, beide verfolgen die gleichen Regeln, ohne einander in den
Rücken zu fallen. Tatsache ist aber auch, dass Ursula von der Leyen
ein ungeheures Kraftpotenzial und große Disziplin hat – das sieht
man schon an der Frisur, die immer hält, selbst bei Wind und politischen Auseinandersetzungen. Wer hinter die Kulissen schaut, wird
überrascht von der Wärme und Normalität, die sie in ihre Familie
bringt. Sie fährt nachts von Berlin nach Hause, um mit ihren Kindern frühstücken zu können. Oder holt ihre Kinder von der Schule
ab, nur damit die Mitschüler sehen: Sie ist wie andere Mütter auch.
Wasserratte Milou hat Glück. Das Haus der von der Leyens liegt in
der Nähe eines Kanals. Mit dem Gassigehen wechseln sich alle ab.
An einer flachen Uferstelle rennen die Kinder die Böschung hinauf
und hinunter, Milou begeistert hinterher. Stöcke fliegen in den Kanal, und Egmont, der achtjährige, jüngste Sohn, fast hinterher. Vater
Heiko schaut besorgt auf das Treiben, denn Egmont kann nicht gut
schwimmen – zum Glück bleibt er trocken. Dafür werden die Eltern
nass, weil Milou sich neben ihnen das Wasser aus dem Fell schüttelt
– um gleich wieder in den Kanal zu springen.
Acht Wochen
war Milou,
als sie als kleiner, dicker Welpe im Juni 2005 ins Haus kam. Bei der
Auswahl hat das Ehepaar genau darauf geachtet, dass der Hund aus
einer guten Zucht kommt. „Die Kinderstube ist entscheidend“, meint
Ursula von der Leyen. Und das ist auch das Credo ihrer Politik: Wie
kaum eine Familienpolitikerin vor ihr kämpft sie um flexible Kinderbetreuung, gute Schulen, eine familienfreundliche Arbeitswelt. In
anderen Ländern ist das längst Normalität – wie in Kalifornien, wo
sie eine Zeit lang mit fünf ihrer kleinen Kinder lebte. Damals genoss
sie die Selbstverständlichkeit, mit der Mütter Beruf und Familie
verbinden können. Das wünscht sie sich auch für Deutschland.
An einer Baumgruppe bleiben Heiko und Ursula von der Leyen
stehen und schauen Milou zu, die ihre Nase in ein Loch im Boden
steckt. „Was ich wirklich unterschätzt hatte: So ein junger Hund ist
anfangs ja wie ein Säugling“, erzählt die Ministerin. „Ich weiß gar
nicht, wie das Leute machen, die berufstätig sind und keine Kinder
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„Und dann
schmiss
auch noch
Schröder hin.
Das war
nicht nett.“
haben, die mithelfen“, sagt Ursula von der Leyen. „Und dann schmiss
auch noch Schröder hin, mitten in den Ferien. Das war nicht nett.“
Bundestagswahl war im September, und im November fing Ursula
von der Leyen in Berlin an. Und das mit einem Welpen zu Hause! Es
stellte sich als hilfreich heraus, sieben Kinder zu haben: So konnte
nachts immer einer bei Milou schlafen. Egmont macht das heute
noch, er legt sich in das Körbchen zu dem warmen Hund im kalten
Flur und schläft wieder ein.
Inzwischen sind wir wieder am Haus der Familie angekommen,
bleiben noch einmal am Zaun stehen und schauen auf die Ziegen
im Garten. Das Leben bei Familie von der Leyen spielt sich zu einem
Großteil draußen ab. Da ist Milou immer dabei, begleitet die
Mädchen zum Ausreiten und macht sich nützlich beim Versorgen
der Ponys, indem sie das verschüttete Kraftfutter auffrisst.
Als alle wieder zu Hause sind, liegt die Hündin glücklich unter
dem Tisch, auf dem Kaffeebecher, Kuchen auf Holzbrettchen
und Kakaotassen stehen: Sehnsuchtsvoll schaut sie hinauf. Aber sie
würde im Leben nicht betteln. Dafür ist sie zu gut erzogen. Die
Wände sind bis unter die Decke mit Malereien der Kinder tapeziert,
komplette selbst gemalte Fußballfelder liegen einander an den
Wänden gegenüber. Egmont ist jetzt der einzige Junge im Haus, sein
ältester Bruder ist gerade ausgezogen. „Ich sehe es schon kommen“,
meint die Familienministerin, „wenn keine Kinder mehr im Haus
sind, haben wir immer noch Milou.“
Keine Sorge: Milou ist ein Labrador – sie wird auch allein für
jede Menge Trubel sorgen.