Wetterprognosen nutzen

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Wetterprognosen nutzen
technik
Werden lokale Wettervorhersagen und die bauphysikalischen Eigenschaften von Gebäuden genutzt,
um bedarfsgerecht zu heizen und zu kühlen, senkt dies die Betriebskosten und sorgt für ein gesundes
Raumklima. Der Beitrag erläutert die Technologie.
Wetterprognosen nutzen
Energieeffizienz dank Wettervorhersage-Steuerung – von Markus Werner
Für viele Gebäudebetreiber sind
energetische Maßnahmen an Gebäuden gleichbedeutend mit Investitionen in die Gebäudehülle
(wie Wärmedämmung oder Einsatz neuer Fenster) und in die Anlagentechnik (insbesondere Modernisierung der Heizungsanlage).
Damit verbunden rechnen sie mit
langen Rentabilitätszyklen von teilweise Jahrzehnten. Dabei gibt es
einfache und effiziente Möglichkeiten mit geringen Initialkosten,
um die vorhandene Gebäudeautomation besser zu nutzen und da-
Verkehr in Düsseldorf ausgestattet. Die Kosten für thermische und
elektrische Energie konnten dadurch dauerhaft über 20 % gesenkt
und der thermische Komfort in den
Gebäuden deutlich verbessert
werden.
Amortisationsbeispiel
Ein Gebäude mit WVS energetisch
zu optimieren, amortisiert sich
durch die eingesparten Energiekosten nach acht bis spätestens 24
Monaten. Dies zeigen die bisheri-
gen Projekte. Ein Beispiel: In einem
Projekt ergaben sich jährliche Energiekosten von bislang rund 173.000
€, die mit der WVS beeinflussbar
waren. Die Initialkosten (Investition) betrugen rund 41.000 €. Die
Kosten für Betriebsoptimierungen
betrugen 12.500 € pro Jahr. Die
Preisentwicklung der Energiekos­
ten (anteilig Strom/Erdgas) wurde
auf +5 % jährlich angesetzt. Aus
Potenzialdiagnosen wurde ein voraussichtliches Einsparpotenzial
von 37.000 € ermittelt. Nach 1,8
Jahren hatte sich die Investition
amortisiert.
Wärme und Kälte nach Bedarf
Funktionsweise der Wettervorhersage-Steuerung (WVS): Die Berechnung der
Steuerdaten geschieht zentral in einem Rechenzentrum. Über ein kleines Koppelgerät im Gebäude wird die Verbindung zur Anlagentechnik hergestellt. Dem Nutzer
steht zur Bedienung des Systems ein Online-Portal über einen handelsüblichen
Internetbrowser zu Verfügung.
durch Effizienzgewinne zu erzielen.
Diesen Weg ist der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes
Nordrhein-Westfalen (BLB NRW)
mit der Wettervorhersage-Steuerung (WVS) der Meteoviva GmbH,
Jülich, gegangen. Im Rahmen eines
von der Bundesregierung geförderten Pilotprojekts wurden seit Ende
2007 nach und nach das Finanzzentrum Aachen, der Landesbetrieb Straßen in Gelsenkirchen und
das Ministerium für Bauen und
Markus Werner,
Geschäftsführer Meteoviva
Kontakt zum Autor:
[email protected]
Referenzen der Meteovista
Zu den Kunden gehören unter anderem Banken und Versicherungen,
Logistikunternehmen, Kommunen und Landeseinrichtungen und der
Flughafen Düsseldorf, wo seit Ende des vergangenen Jahrs die Wettervorhersage-Steuerung im Zentralgebäude Ost installiert ist. Bereits in den ersten vier Monaten des Jahres 2012 konnten die Fernwärmekosten für das 9.200 m² große Zentralgebäude Ost klimabereinigt
um 39 % und die absoluten Stromkosten des Gebäudes um 14 % reduziert werden. Bei einem mit dem System ausgerüsteten ICE-Werk
der DB Fahrzeuginstandhaltung in Krefeld gingen die jährlichen
Energiekosten um 41 % zurück.
Konventionelle Regeltechnik arbeitet mit Außentemperatur- und
Raumtemperaturfühlern. Sie erfasst lediglich den Ist-Zustand und
kann auf sich abzeichnende Temperatur- und Wetterveränderungen nicht flexibel genug reagieren.
Wird es draußen kälter, springt die
Heizung sofort an, selbst wenn
Wände nach stundenlangem Sonnenschein noch genügend Wärme
gespeichert haben und nun verzögert an die Räume abgeben. Die
WVS hingegen denkt mit und voraus. Dazu werden die physikalischen Eigenschaften, Informationen zur Nutzungsart, Lüftungsverhalten und Wunschtemperaturen
der Nutzer sowie Wetterdaten in
einem mathematischen Modell
zusammengefasst. Auch die von
Menschen, der Beleuchtung und
Geräten (Computer, Drucker) erzeugte Wärme sowie der Sonneneinfluss durch die nach Himmelsrichtung unterschiedenen Fenster
wird einbezogen. Eine Software
berechnet daraus die Entwicklung
des Raumklimas und den dafür
notwendigen Energieeinsatz.
Mehrmals täglich werden die optimalen Steuerdaten für die Anlagentechnik für die kommenden
Tage per Simulation berechnet und
an ein Steuerungsmodul gesendet,
das mit der Gebäudeleittechnik
verbunden ist.
Über ein geschütztes Online-Portal
lassen sich für jede Zone eines Gebäudes individuelle Klimaprofile
erstellen, Raumtemperaturen aufrufen und der Energieverbrauch
ablesen. Das gibt die Möglichkeit,
den Betrieb der Anlagen fernzusteuern und zu überwachen. Mit
Hilfe der Monitoringfunktion lassen sich zudem Fehler im Anlagenbetrieb aufzeigen, die ohne den
kontinuierlichen Abgleich von
Prog­nose und Messung nicht erkannt werden können. Die aus der
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12/2012 cci Zeitung
technik
Ankopplung 1: Analoge Kopplung ohne Regelung
Ankopplung 2: Analoge Kopplung mit Regelung
Ankopplung 3: Digitale Kopplung mit Bus
Die Art der Ankopplung der Wettervorhersage-Steuerung richtet sich nach der vorhandenen IT-Infrastruktur. Das WVS-Konzept kann mit jeder vorhandenen MSR-Technik kommunizieren
auch dem Hilfsstromverbrauch
(Ventilatoren, Pumpen) Rechnung
getragen. Beispiel Kühlung:
1. Aktivieren des Sonnenschutzes
2. Aktivieren der wassergeführten
Deckenkühlung
3. Aktivieren der Kühlung über Erhöhung der Luftmenge der Lüftungsanlage
Steuerung durch patentiertes Verfahren: In das Rechenverfahren fließen Informationen über das Gebäude, seine Nutzung, das Wunschklima und die Energiepreise
ein. Aus diesen werden dann Steuerdaten für die Anlagentechnik und Klimaprog­
nosen für die Überwachung erzeugt.
­ erechnung abgeleitete Prognose
B
stellt dabei die Vergleichsreferenz
für einen technisch korrekten Betrieb der Anlagentechnik dar. Sämtliche Räume lassen sich auf diese
Weise bedarfsgerecht heizen und
kühlen.
weitergegeben und gemessene
Zustände der Anlagentechnik aufgezeichnet werden. Die Technik
setzt somit keinen großen Materialaufwand voraus, sondern nutzt
die vorhandene Anlagentechnik.
WVS setzt Prioritäten
Wenig Materialaufwand
Das System ist in jeder Bestands­
immobilie mit minimalem Aufwand nachrüstbar und im Betrieb
– beispielsweise für die Wartung
der Gebäudetechnik – jederzeit zuoder abschaltbar. Gesteuert werden alle Abläufe über ein Rechenzentrum in Köln. Der Betreiber benötigt vor Ort lediglich das Steuerungsmodul, über die Daten empfangen und an die Gebäudetechnik
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Je komplexer eine Gebäudetechnik
ist, desto mehr kann das WVS-System seine Leistungsfähigkeit ausspielen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Priorisierung der Ansteuerung der Heiz- und Kühlkreise
nach Kostengesichtspunkten. Das
bedeutet, dass die im Betrieb preiswerteren Komponenten vor den
teureren Komponenten aktiviert
werden, nach der Devise „Passiv
vor Wasser vor Luft“. Dabei wird
Eine konventionelle Regelungstechnik kann grundsätzlich nicht
so passgenau agieren, weil sie nur
auf aktuelle Messwerte reagiert,
nicht aber den künftigen Bedarf an
Wärme/Kälte/Außenluft kennt.
Die WVS bringt nicht nur für eine
thermisch träge Fußbodenheizung
und Bauteilaktivierung Vorteile,
sondern ist auch für die Energieeinsparung in raumlufttechni-
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schen Anlagen geeignet. Denn hier
wird Wärme und Kälte unter Einsatz teurer elektrischer Hilfsenergie für Ventilatorantriebe über Luft
transportiert. In klassisch vollkli-
Bei einer konventionelle Regelung läuft die Raumtemperatur dem Wetter hinterher
(Alle Abb. Meteoviva)
matisierten Gebäuden sind das
mehr als zwei Drittel der KlimaEnergiekosten.
heben. Hier arbeitet Meteoviva an
einer Plug&Play-Version für Einund Zweifamilienhäuser.
Marktpotenzial
Lizenznehmer
Das Marktpotenzial für eine Betriebsoptimierung mit WVS ist
hoch. Allein im Nichtwohnungsbau könnten bundesweit jährlich
1,2 Mrd. € an Energiekosten eingespart werden, wenn die Heizleistung lediglich um 10 % gedrosselt
würde. Die bisherigen Ergebnisse
zeigen, dass dieser Wert realistisch
ist und sich in vollklimatisierten
Gewerbeobjekten sogar um den
Faktor 3 bis 4 erhöht. In Wohngebäuden könnte die WVS ein Marktpotenzial von jährlich 3,5 Mrd. €
Die Projekte setzt die 2001 gegründete Meteoviva selbst oder über
Lizenznehmer um. Als Projektierer
vertreibt, implementiert und betreut ein Lizenznehmer die WVS in
Eigenregie bei seinen Kunden vor
Ort, während Meteoviva den Betrieb von Rechenzentren, die Produktentwicklung und die Ausbildung der Lizenznehmer sicherstellt. Um das europaweite Netzwerk von Lizenznehmern auszubauen, hat Meteoviva unlängst
eine eigene Akademie gegründet.
cci Zeitung 12/2012

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