Trenitalia Cargo hält am Einzelwagen fest

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Trenitalia Cargo hält am Einzelwagen fest
Transport + Logistik Interview
Trenitalia Cargo hält am
Einzelwagen fest
n
B a h
Der
Chef von
Trenitalia Cargo, Mario
Castaldo, im Interview über die
Zukunft des Einzelwagenverkehrs und über die Strategie im
internationalen Schienengüterverkehr in Zusammenarbeit mit TX Logistik.
n k t
e r p u
w
h
S C
Welche Folgen hatte die Wirtschaftskrise
für den Schienengüterverkehr?
Mario Castaldo: Sie hat negative Auswir-
kungen auf die gesamte Transportwelt gehabt und den Bahnsektor besonders getroffen. Es hat zwar kaum Einschnitte bei den
Personalressourcen gegeben, aber im Gegensatz zum Jahr 2008 hat die gesamte
Gruppe der Ferrovie dello Stato einen Rückgang des Transportvolumens um 24 Prozent
registriert. Die anderen historisch gewachsenen europäischen Bahngesellschaften
haben ähnliche Verluste erfahren.
Warum ist der Schienengütertransport so
stark eingebrochen?
Der Transport auf der Schiene weist eine
unvermeidbare größere Unflexibilität im
Vergleich zum Transport auf der Straße auf.
Der Produktionseinbruch insbesondere in
den Sektoren der Metallindustrie, wo die
Produktion um 44 Prozent zurückgefahren
wurde, oder in der Autoindustrie mit minus
33 Prozent haben zudem zu einer verschärften Konkurrenzsituation geführt. Der
Wettbewerb auf der Straße hat, als Effekt
der Krise, die Preise entscheidend gesenkt.
Im Kombinierten Verkehr (KV) ist Trenitalia
Cargo ein entscheidendes Bindeglied.
Konnten Sie daraus keine Vorteile ziehen?
Nur bedingt. Italien hat aufgrund seiner
geografischen Beschaffenheit und aufgrund der Verteilung der Industrien über
das gesamte Territorium im Laufe der
Jahre beachtliche Produktionskosten ertragen müssen. Im Bereich des Einzelwaggonverkehrs haben sich dann noch spezielle Besonderheiten aufgetan: ein oft be28 31-32/2010 VerkehrsRundschau
scheidenes Volumen der transportierten
Ware und eine starke Fragementierung auf
dem gesamten Territorium.
Es gibt Gerüchte, Trenitalia Cargo wolle
sich aus dem Einzelwagenverkehr zurückziehen ...
Diesen Gerüchten muss ich widersprechen.
Trenitalia ist derzeit dabei, dieses Segment
neu zu organisieren, um es der Marktnachfrage anzupassen. Die neue Angebotsstruktur sieht ein reduziertes Netzwerk vor. Wir
planen den Übergang zu einem Basissystem, das mit den internationalen Transits
verbunden ist. Ergänzend dazu ist ein Netz
mit zusätzlichen Streckenabschnitten vorgesehen, die mit den Hauptindustriegebieten des Landes verbunden sind.
Welche Rolle spielt in Ihrer Strategie die
deutsche TX Logistik, an der Trenitalia
Cargo 51 Prozent der Anteile hält?
Die TX Logistik hat vor wenigen Wochen
die Lizenz erhalten, auch auf italienischem
Territorium operieren zu können, um das
Netzwerk der internationalen Verbindungen in Zusammenarbeit mit uns weiter
zu optimieren. Das soll auch die Positionierung der zu den Ferrovie dello Stato
zählenden Unternehmen auf der NordSüd-Achse festigen. TX Logistik bietet
bereits Bahntransportleistungen in
Deutschland, Schweden, Dänemark, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden,
Norwegen und Ungarn an.
Das heißt, eine stärkere Einbindung von TX
Logistik ist geplant?
TX Logistik ist für uns ein wichtiger strategischer Partner. Möglichkeiten einer
stärkeren Einbindung werden derzeit geprüft. Wir müssen uns immer weiter internationalisieren. Und wir möchten das realisieren, indem wir die Instrumente nutzen, die wir bereits besitzen.
Was hat Trenitalia Cargo weiter vor?
Wir unternehmen derzeit eine geschäftliche Neuorganisation, um die Betriebskosten zu reduzieren und auf dem Markt
wettbewerbsfähig zu sein. Dabei werden
Handelsvereinbarungen zwischen Trenitalia und den regionalen Bahnunternehmen geprüft. Letztere könnten die Feeder
für die Kurzstreckenverbindungen sein.
Dem stehen die Fernverkehre gegenüber,
die von einem europäischen Unternehmen
wie Trenitalia erfüllt werden.
Auf welcher Achse sehen Sie die größten
Entwicklungsmöglichkeiten?
Die Nord-Süd-Achse ist sicherlich die, wo
wir die besten Möglichkeiten haben, aber
auch die stärkste Konkurrenz im KV. In
diesem Gebiet spielen sich mehr als 60 Prozent des Imports aus europäischen Ländern
nach Italien und etwa 55 Prozent des italienischen Exports ab. Trenitalia hat dort
einen Anteil von 27,2 Prozent. Doch auch
auf der Ost- und Westachse gibt es hohe
Entwicklungsmöglichkeiten (Anteil Trenitalia im Jahr 2008 auf der Ostachse: 14,2
Prozent, auf der Westachse: 10,2 Prozent).
Bringen Sie für diese Entwicklungen die
nötigen Voraussetzungen mit?
Trenitalia hat die Zertifizierung für Frankreich erhalten. Wegen des Vorstoßes in
Richtung Osteuropa ist gerade erst in Zusammenarbeit mit Italia Logistica und
Polrail ein neuer Dienst ins Leben gerufen
worden. Er heißt Marco Polo Express und
ist darauf ausgerichtet, direkte Verbindungen in beide Richtungen zwischen
dem Güterverkehrszentrum von Portogruaro und dem von Brest zu schaffen, von
wo aus die Waren dann zu anderen Zielen
Osteuropas transportiert werden.
Ist bei Trenitalia wie bei anderen Staatsbahnen eine Privatisierung im Gespräch?
Es gibt überhaupt keine Überlegungen bezüglich einer Privatisierung des Sektors
Cargo, der weiterhin ein Bereich von Trenitalia bleiben wird. Wir haben uns zwar im
Jahr 2009 einem Umsatzrückgang um 25
Prozent gegenübergesehen, aber wir wollen die zukünftigen Möglichkeiten eines
Marktes ergreifen, der langsam zaghafte
Signale einer Erholung zeigt. Endlich.❙❚■
Nadine Jansen, freie Journalistin
Interview Transport + Logistik
V i ta
Mario Castaldo
Castaldo (56) hat Jura studiert und sein Examen mit Auszeichnung an der Universität von
Neapel, seinem Geburtsort, bestanden. Bereits
seit 1979 ist er für die staatliche Eisenbahn in
Italien, der Ferrovie dello Stato (FS), tätig. Er
hat dort seitdem verschiedene Positionen im
Passagier- und Frachtbereich bekleidet. So war
er Leiter der Abteilung für Chemical Business,
Direktor Logistik des Gebietes Nord-West und
geschäftsführender Direktor von Serfer, Cargo
Chemical und FS Logistica. Seit April 2008 ist
er geschäftsführender Direktor von Trenitalia
Cargo. Castaldo ist verheiratet und hat drei
Kinder. nj
„TX Logistik ist für
uns ein wichtiger
strategischer Partner“
Mario Castaldo,
Geschäftsführender Direktor von Trenitalia Cargo
T r e n i ta l i a C a r g o
Trrenitalia Cargo
Mario Castaldo, Chef der
italienischen Gütereisenbahn
Trenitalia Cargo
Auch Trenitalia Cargo hat 2009 stark unter der
Wirtschaftskrise gelitten. Der Umsatz brach im
Vergleich zu 2008 um 25 Prozent von 777 Millionen Euro auf 553 Millionen Euro ein. Die Verkehrsleistung verringerte sich von 24 auf 17,3
Milliarden Tonnenkilometer. Die Zahl der Mitarbeiter hat das Unternehmen ebenfalls reduziert,
und zwar von 8500 auf 8000. Trenitalia Cargo
verfügt über etwa 700 Elektroloks, 92 Dieselloks
und 30.000 Waggons, davon etwa 9000 Waggons für den Kombinierten Verkehr. Das Unternehmen hält 51 Prozent an der TX Logistik,
einer der größten deutschen Privatbahnen.
2009 hatte Trenitalia Cargo für Unruhe gesorgt,
nachdem Gerüchte laut wurden, das Unternehmen wolle den kompletten Einzelwagenverkehr einstellen. nj/cd
VerkehrsRundschau 31-32/2010 29

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