Korruption - Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule
Transcription
Korruption - Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule
polis aktuell Nr. 1 Korruption oo Was ist Korruption? oo Formen von Korruption oo Korruption in Österreich und international oo Der Kampf gegen Korruption oo Unterrichtsbeispiele 2013 p o l i s aktuell „Macht ist immer korrumpierend, und keinem Menschen und keiner Gruppe darf man zu viel davon und auf lange Zeit anvertrauen.“ Aldous Huxley Liebe Leserinnen, liebe Leser! Das erste polis aktuell des Jahres 2013 widmet sich mit dem Stichwort Korruption einem Thema, das derzeit in aller Munde ist und Politik, Medien und Stammtisch gleichermaßen beschäftigt. Die neuen gesetzlichen Regelungen des „Transparenzpakets“, die mit 1.1.2013 in Kraft treten, nehmen wir daher zum Anlass, das Thema für den Unterricht aufzubereiten. Wir bedanken uns herzlich bei Lukas Achathaler, Sherin Gharib, Sonja Haagen, Anna Ailsa Loitsch und Magdalena Reinberg-Leibel vom Österreichischen Büro von Transparency International, die diese Ausgabe für Sie gestaltet haben. Das Heft bietet zunächst eine Definition des Begriffs und stellt dar, welche Formen von Korruption es gibt sowie welche politischen und gesellschaftlichen Folgen Korruption nach sich zieht. Kurz wird der Blick auf die internationale Situation gelenkt, besonderes Augenmerk danach jedoch auf die Situation in Österreich gelegt: zum einen werden die neuen gesetzlichen Regelungen kurz dargestellt, zum anderen die wichtigsten Akteure im Kampf gegen Korruption vorgestellt. Wie immer finden Sie Vorschläge für die Umsetzung des Themas im Unterricht, unter anderem ein Beispiel aus der unmittelbaren Lebenswelt der SchülerInnen: Welche Geschenke dürfen Lehrkräfte annehmen bzw. ab wann fällt die Annahme eines solchen Geschenks in den Bereich der Korruption? Wir wünschen Ihnen spannende und interessante Unterrichtseinheiten und freuen uns wie immer über Ihr Feedback zum Heft. Patricia Hladschik für das Team von Zentrum polis [email protected] 1 Was ist Korruption? Über das Thema „Korruption“ wird in der österreichischen Medienlandschaft oft und breit berichtet. Es scheint ein omnipräsentes Thema zu sein. Was aber genau ist Korruption? Handelt es sich dabei um „nur“ ein Kavaliersdelikt oder doch um eine kriminelle und daher strafbare Handlung? Zunächst einmal kann gesagt werden, dass Korruption (lat. corrumpere: verderben, vernichten) alle Dimensionen einer Gesellschaft betrifft und in jedem Staat, in jedem politischen System und in jeder sozialen Schicht vorzufinden ist. Aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen ist es schwierig, Korruption klar zu definieren – eine sehr verbreitete und geläufige Definition lautet, dass Korruption der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil ist.* Es sind immer mindestens zwei oder mehrere Personen an einer korrupten Tat beteiligt, es findet also ein Tauschgeschäft statt („Eine Hand wäscht die andere.“). Korruption ist somit ein Delikt der Doppeltäterschaft, denn alle Betei* Definition von Transparency International (TI) 2 www.politik-ler ne n . a t 2013 Nr. 1 K o r r up tion ligten werden zu Tätern/Täterinnen. Deshalb anzunehmen, dass allen Beteiligten nur Vorteile entstehen und niemand dadurch zu Schaden kommt, ist falsch und verdeckt, dass Korruption immer zu Lasten Dritter geht und ein beträchtlicher Schaden entstehen kann. Es ist kein opferloses Delikt – wenn etwa öffentliche Gelder durch Korruption versickern, sind wir alle Geschädigte! Eine korrupte Tauschbeziehung verschafft den Beteiligten Vorteile durch die unrechtmäßige Aneignung von Geld, Leistungen usw., führt jedoch auch zu einer gegenseitigen Abhängigkeit: entweder durch ihr Wissen um einen ungebührlichen Vorteilsgewinn, durch einen selbst erhaltenen ungebührlichen Vorteil (oder wegen beidem) oder wegen des Vollzugs bzw. der Mittäterschaft an der Straftat selbst. Um einer Strafe zu entgehen, setzen korrupte Menschen daher untereinander stark auf Verschwiegenheit und Geheimhaltung der Straftat. Es kann auch dazu kommen, dass sich korrupte Menschen in einer sogenannten Korruptionsspirale wieder- finden. Das heißt, die „Verschwörungsgemeinschaft“ ist durch wechselseitiges Geben und Nehmen bereits zu so engem Bande verstrickt, dass die unter den Beteiligten aufgeladene gegenseitige „Bring-Schuld“ es nicht mehr notwendig macht, sich weiterhin gegenseitige Geschenke für einen Vorteilserhalt zu machen. Ist dieser Status erreicht, so werden die Beteiligten mitunter untereinander erpressbar. Tipp Link Das Politiklexikon für junge Leute bietet einen einfachen Einstieg in die Welt der Politik – mit kompakten Definitionen wichtiger Begriffe wie Korruption, Parteienfinanzierung oder Lobbyismus. www.politik-lexikon.at/lobby-lobbyismus/ www.politik-lexikon.at/korruption/ www.politik-lexikon.at/parteienfinanzierung/ 2 Formen von Korruption Korruption ist facettenreich, sie hat viele Formen der Ausgestaltung, zum Beispiel: Günstlingswirtschaft Freunderlwirtschaft VorteilsgeberIn Patronage •• Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils (materiell oder immateriell), •• auf den der Empfänger/die Empfängerin keinen Anspruch hat. Beispiel für den öffentlichen Dienst Korruption Bestechung Folgende Tatbestandsmerkmale sind charakteristisch für das Delikt der Bestechung: VorteilsnehmerIn Klientelismus Schmiergeldwesen Durchführung einer bestimmten Diensthandlung, die rechtswidrig ist, durch einen Amtsträger/eine Amtsträgerin als Gegenleistung für eine (erbrachte oder noch nicht erbrachte) materielle oder immaterielle Leistung. Beispiel für den geschäftlichen Verkehr/Wirtschaft Bestechung und Bestechlichkeit Bestechung ist eine Form der Korruption. Eine Vielzahl von Delikten, also unrechtmäßigen Handlungsweisen im öffentlichen Dienst wie auch im geschäftlichen (privaten) Verkehr, zählt dazu. Ein Angestellter/eine Angestellte eines geschäftlichen Betriebs erhält einen ungebührlichen Vorteil, der seine/ ihre Stellung im geschäftlichen Wettbewerb verbessert. Dieser unlautere Wettbewerb führt dazu, dass andere MitbewerberInnen benachteiligt werden und so das Nachsehen haben. Als Gegenleistung für die unlautere Bevorzugung dieser Person wird von der anderen „gewährenden“ Person eine Gegenleistung eingefordert, z.B. eine gewerbliche Leistung. w w w. p o l i t i k- ler nen.at 3 p o l i s aktuell Beispiele für das Gesundheitswesen •• Ein Patient/eine Patientin muss operiert werden. Der Arzt/die Ärztin bietet an, dass er oder sie gegen „Sonderzahlungen“ schneller einen Termin bekommt. •• Eine Firma verspricht einem Arzt/einer Ärztin einen bestimmten Bonus, wenn ihr Medikament verschrieben wird. Diese Medikamente sind jedoch teurer als das vergleichbare Medikament einer anderen Firma. Hier hat Korruption eine direkte Auswirkung auf die Patienten und Patientinnen, da sie mehr zahlen müssen für ein Produkt, das billiger zu bekommen wäre. Bestechlichkeit ist die passive Form der Bestechung, also die Annahme des Vorteils. Schmiergeldwesen Schmiergeldwesen und Bestechung bzw. Bestechlichkeit sind eng miteinander verbunden. Als Schmiergeld wird in der Regel der Vorteil bezeichnet, der aus der Bestechung/ Bestechlichkeit resultiert. Günstlings- und Freunderlwirtschaft Damit ist gemeint, dass eine (einflussreiche) Person einer ihr nahestehenden Person („Günstling“) einen persönlichen Vorteil verschafft. Die „Günstlinge“ entspringen oft der Familie und dem Freundeskreis. Der Begriff Freunderlwirtschaft ist vor allem in Österreich weit verbreitet. Klientelismus/Patronage Darunter versteht man die gezielte Begünstigung und Förderung von Menschen durch einflussreiche Personen, aber nicht wegen deren Leistungen, sondern wegen Wohlverhaltens der begünstigten Personen. Es geht hier um die missbräuchliche Zuteilung von einflussreichen Positionen an diese Personen (Ämterpatronage …). Patronage bedeutet, dass ein Machthaber/eine Machthaberin oder ein Amtsträger/eine Amtsträgerin öffentliche Ressourcen an AnhängerInnen, diese können z.B. aus dem Freundeskreis stammen oder Verwandte sein, verteilt. Patrone/ Patroninnen können Individuen, aber auch Organisationen sein. Patronage unterminiert das Vertrauen in politische Systeme. 4 www.politik-ler ne n . a t Methodentipp Diskutieren Sie mit Ihren SchülerInnen, welche Formen von Korruption ihnen bekannt sind und welche Fälle von Korruption sie aus den Medien kennen. Lassen Sie die SchülerInnen Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendungen analysieren: •• Welche Formen der Korruption finden sich in welchen Medien? •• Gibt es Unterschiede in der Darstellung? •• Welche Bevölkerungsgruppen werden mit dem Phänomen der Korruption in Verbindung gebracht? Lobbyismus Hierbei handelt es sich um eine spezifische Form der Interessenvertretung in Wirtschaft und Politik: Lobbyismus ist ein (ständiger) Versuch, den politischen Entscheidungsprozess zu beeinflussen. Lobbyisten und Lobbyistinnen versuchen, verschiedene wirtschaftliche, gesellschaftliche oder kulturelle Interessen zu vertreten. Es geht also um die gezielte Einflussnahme auf Entscheidungen, was in Korruption münden kann – die Grenze ist meist schwer zu ermitteln. Doch wenn mit Geld oder Erpressung versucht wird, bestimmte Ziele zu erreichen, ist die Grenze zur Korruption klar überschritten. 2013 Nr. 1 K o r r up tion 3 Korruption in Österreich „Eine Vettern- oder Freunderlwirtschaft ist in Österreich bedauerlicherweise Realität. Dies hängt in erster Linie mit der Kleinheit des Landes zusammen, in dem die einflussreichen Personen aus Politik und Wirtschaft einander sehr gut kennen und dieses Netzwerk leider nicht nur im Positiven, sondern auch im Negativen zu ihrem Vorteil nutzen.“ Franz Fiedler Korruption ist ein Phänomen, das jeden Staat und jedes politische System betrifft – so auch Österreich. Auch hier gibt es immer wieder Fälle von Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Korruption wird nicht immer als solche wahrgenommen und man kann in korrupte Handlungen verwickelt sein, ohne es zu erkennen. Damit leichter eine klare Grenze gezogen werden kann, muss die Aufmerksamkeit für das Thema gestärkt werden. Daher gibt es in vielen Firmen und Organisationen einen Verhaltenskodex, damit Beschäftigte wissen, ab wann eine Handlung als korrupt gilt. Und selbstverständlich braucht jedes Land klare Gesetze, die Korruption verhindern. Allerdings stehen nicht alle ethisch und moralisch abzulehnenden Handlungsweisen, die unter Korruption fallen, gesetzlich unter Strafe. Daher sind bestimmte Formen auch für Antikorruptionseinrichtungen nur schwer greifbar. Methodentipp Die Gesetze sind eines der Instrumente im Kampf gegen Korruption. Antikorruptionseinrichtungen müssen aber abseits davon auch ethische und moralische Normen etablieren, um Korruption wirksam zu bekämpfen. Diskutieren Sie mit den SchülerInnen die Frage, ob und wie durch gesellschaftliche Bewusstseinsbildung ein Selbstverständnis geschaffen werden kann, sodass diese Normen auch ohne Strafandrohung eingehalten werden. Diskutieren Sie dazu einerseits Korruptionsdelikte, die das Gesetz kennt (z.B. Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und -annahme oder Geldwäscherei im Strafgesetzbuch) und andererseits ethisch und moralisch als korrupt zu bezeichnende Tätigkeiten (z.B. gewisse Ausprägungen des Lobbying). Ende Juni 2012 wurde in Österreich das so genannte „Transparenzpaket“ verabschiedet. Mit 1.1.2013 sind dadurch neue Regeln in Kraft getreten, die zum Ziel haben, Korruption zu verhindern. Hier einige Beispiele (vollständige Gesetzestexte unter www.ris.bka.gv.at): Parteiengesetz Informationen über die Ein- und Ausgaben der Parteien sind dem Rechnungshof zu übermitteln und zu veröffentlichen. Es ist verboten, besonders viel Geld an Parteien zu spenden, um zu verhindern, dass SpenderInnen versuchen, die Partei dadurch zu beeinflussen. Ab einem bestimmten Betrag muss offengelegt werden, wer wie viel gespendet hat. Werden diese Bestimmungen nicht eingehalten, wird die betroffene Partei mit Geldbußen bestraft. Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz Parlamentsabgeordnete müssen bekannt geben, womit sie abseits der Parlamentsarbeit Geld verdienen. Auch leitende ehrenamtliche Tätigkeiten müssen gemeldet und veröffentlicht werden. So soll Machtmissbrauch verhindert werden. Korruptionsstrafrecht Eine „Anfütterung“, also die Möglichkeit, durch regelmäßige Geschenke und Zuwendungen AmtsträgerInnen zu beeinflussen, damit diese in ihren Beschlüssen bestimmte Interessen berücksichtigen, soll unterbunden werden. Wenn AmtsträgerInnen einen nicht gebührenden Vorteil annehmen, können sie strafrechtlich verfolgt werden. Lobbying- und InteressenvertretungsTransparenzgesetz Das neue LobbyistInnen-Gesetz soll die Interessenvertretung transparent machen. LobbyistInnen müssen eingetragen sein und einem Verhaltenskodex folgen. Zudem dürfen sie keine Provision erhalten. w w w. p o l i t i k- ler nen.at 5 p o l i s aktuell Diese Maßnahmen sollen bestimmte Vorgänge transparenter machen. Transparenz bedeutet „Durchsichtigkeit“, sprich, Entscheidungen bzw. Vorgänge sollen für alle Menschen zugänglich und nachvollziehbar sein, wodurch Kontrolle leichter möglich ist und somit auch Korruption leichter aufgedeckt und eliminiert werden kann. 3.1 Ö sterreichische A k teure im K ampf gegen K orruption Es gibt in Österreich einige Institutionen, die versuchen, gegen Korruption vorzugehen. Wichtig ist, dass jeder und jede Einzelne weiß, dass Korruption gefährlich und schädigend ist, und man eben nicht „eh mitmachen muss“. Korruption kann verhindert werden. Wer eine korrupte Handlung miterlebt, sollte diese an dafür zuständige Stellen melden. Wichtige Akteure, die sich mit Korruptionsbekämpfung auseinandersetzen, sind: Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Die seit September 2011 in der neuen Form bestehende Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, offiziell die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, stellt die Speerspitze der Justiz im Bereich der Korruptionsbekämpfung dar. Zuständig ist sie unter anderem für Korruption, Amtsdelikte sowie für Wirtschaftsstrafsachen als auch Finanzdelikte, bei denen die Schadenshöhe fünf Millionen Euro übersteigt. Wirtschaftsstrafsachen sind besonders komplexe Angelegenheiten, bei denen die Gefahr der Vertuschung der Straftat von Seiten der TäterInnen sehr groß ist. Für eine wirksame Verfolgung und erfolgreiche Aufklärung durch die Justiz sind entsprechend viele, vor allem finanzielle, Ressourcen notwendig. Ermittlungsverfahren können sich über Jahre erstrecken, weil sich während des Verfahrens immer wieder Hindernisse, etwa langwierige Prozesse um Kontenöffnungen, auftun. Die WKStA ist gegenüber der Justizministerin bzw. dem Justizminister nicht weisungsfrei, was nicht ganz unproblematisch ist. Zwar sind die Weisungen streng geregelt, doch bereits die Möglichkeit, Weisungen an die Behörde zu erteilen, könnte den Anschein der politischen Einflussnahme wecken. www.justiz.gv.at/internet/html/default/wksta 6 www.politik-ler ne n . a t Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) Das BAK ist beim österreichischen Bundesministerium für Inneres (BM.I) angesiedelt und arbeitet als Ermittlungsbehörde eng mit der WKStA als Anklagebehörde zusammen. Zu seinen Aufgaben zählen die Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung von Korruption. Das Amt ermittelt bei Verdacht auf einen strafrechtlichen Tatbestand, der in seine Zuständigkeiten fällt, wie etwa Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und -annahme. In Verfahren des BAK wird auch gegen beteiligte AußentäterInnen – also Personen, die nicht etwa beim Bund, bei den Ländern oder bei Gemeinden angestellt sind – ermittelt. Zu den Kernkompetenzen des BAK zählen des Weiteren auch die europäische und internationale Zusammenarbeit und die Amtshilfe. So ist das BAK unter anderem Ansprechpartner für das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und Interpol. Es tritt als Kompetenzzentrum im Bereich der Korruptionsbekämpfung auf und trägt der Komplexität des Phänomens Rechnung, indem es einen holistischen Ansatz verfolgt, der sich aus vier Säulen zusammensetzt: Prävention, Bildung, kriminalpolizeiliche Ermittlungen und internationale Kooperation. www.bak.gv.at/ Parlament (Untersuchungsausschuss) Im Zusammenhang mit Korruption stellen die Untersuchungsausschüsse des Parlaments ein wichtiges Instrument zur politischen Kontrolle der Regierung dar. Diese können vom Nationalrat mittels Mehrheitsbeschluss eingesetzt werden – es handelt sich demnach also nicht um ein Minderheitenrecht – und sie sind, auch wenn es manchmal den Anschein macht, keine Gerichte. Vielmehr soll etwa die politische Verantwortlichkeit in einer Angelegenheit geklärt werden. In der Vergangenheit wurde in U-Ausschüssen beispielsweise der Bau des Wiener AKH, die Lucona-Affäre oder die Eurofighterbeschaffung behandelt. Zuletzt sorgte der Ende 2012 abgeschlossene Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen für großes Aufsehen, wodurch einmal mehr auf Korruption als ein auch in Österreich stark präsentes Problem aufmerksam gemacht wurde. Obwohl die vor den Ausschuss geladenen Personen unter Auskunfts- und Wahrheitspflicht stehen und sogar eine Zwangsvorführung möglich ist, sind sie keine Zeugen/ Zeuginnen im eigentliche Sinne, sondern Auskunftspersonen. Gerichte und Behörden können aber bei der Beweisfindung Unterstützung leisten. Der Ausschuss 2013 Nr. 1 K o r r up tion selbst kann auch niemanden zur Rechenschaft ziehen, dieses Recht kommt nur dem Nationalrat zu. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Anklagebehörden wie etwa die WKStA aufgrund von sich im U-Ausschuss erhärteten Verdachtslagen aktiv werden und ein Ermittlungsverfahren gegen die betreffenden Personen einleiten (bzw. ausweiten, wenn parallel zur Ausschussarbeit bereits ein Ermittlungsverfahren im Gange ist). Die öffentlichkeitswirksame Arbeit der U-Ausschüsse trägt wesentlich zur Problembewusstseinsbildung der Bevölkerung zum Thema Korruption bei. In manchen Korruptionsverfahren gelangen so Informationen an die Öffentlichkeit, die sonst für die Bevölkerung unzugänglich wären (weil sie z.B. versteckt in Ermittlungsakten der WKStA lagern). www.parlament.gv.at/PERK/KONTR/POL/4U_AUS SCHUESSE/index.shtml Rechnungshof Auch der Rechnungshof leistet in seiner Funktion als Kontrollorgan einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung und Prävention von Korruption. Die Kernaufgabe des Rechnungshofs ist die Prüfung der finanziellen Gebarung von Bund, Ländern und manchen Gemeinden sowie unter anderem Staatsbetrieben und staatsnahen Unternehmen mit einer Mindestbeteiligung der öffentlichen Hand von 50 %. Gemäß Bundes-Verfassungsgesetz untersteht der Rechnungshof unmittelbar dem Nationalrat, wird aber funktionell beispielsweise zu einem Organ der Landtage, wenn er die Gebarung der Länder prüft. In seiner Arbeit ist der Rechnungshof aber unabhängig und nicht weisungsgebunden. Seine Prüfungstätigkeit zielt auf die Kontrolle der Richtigkeit, Rechtmäßigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel ab. Er kann im Nachhinein jederzeit prüfen und wenn sich im Rahmen des Prüfverfahrens der Verdacht einer Straftat erhärtet, ist der Rechnungshof verpflichtet, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. Werden im Zuge einer Untersuchung durch den Rechnungshof Fehler und Missstände aufgedeckt, so werden in weiterer Folge auch Empfehlungen für Maßnahmen zur künftigen Vermeidung solcher formuliert. Das Finanzkontrollorgan wird hier in seiner zweiten Kernaufgabe neben der Prüfung aktiv, nämlich der Beratung. Durch die Veröffentlichung der Prüfberichte wird aber vor allem Transparenz geschaffen und es werden Einblicke in mitunter enorm komplexe Angelegenheiten gewährt. Die geschaffene Transparenz ist im Hinblick auf Korrup- tion einerseits ein abschreckendes Signal an mögliche zukünftige TäterInnen und andererseits ein wichtiges Signal für die Gesetzgebung, um in bestimmten Bereichen nachzubessern. www.rechnungshof.gv.at Transparency International – Austrian Chapter Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC) ist Teil der weltumspannenden Nichtregierungsorganisation Transparency International. Die Bewegung setzt sich aktiv im Kampf gegen Korruption in allen Bereichen der Gesellschaft ein (Politik, Gesundheitswesen, Wirtschaft …) und setzt auf ein Mehr an Transparenz, z.B. Offenlegung von Vorgängen im Geschäftsverkehr oder der Parteienfinanzierung. Transparency International nimmt als politisch unabhängige Organisation sozusagen die Rolle eines Watchdog („Aufpasser“) ein. Missstände im österreichischen Integritätssystem werden von TI-AC aufgezeigt und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Lücken ausgearbeitet und eingefordert. Entsprechende Forderungen zur Verbesserung der Situation in Österreich werden an Gesetzgebung, Politik und Verwaltung weitergeleitet. Ein großes Anliegen von Transparency International ist ein umfassender Schutz von HinweisgeberInnen, so genannten Whistleblowern, in Korruptionsverfahren, der noch weiter als die derzeitige KronzeugInnenregelung gehen soll. TI-AC handelt selbst keine juristischen Fälle ab, für diese sind die jeweiligen Staatsanwaltschaften zuständig. www.ti-austria.at http://facebook.com/TIAustria Methodentipp Diskutieren Sie mit den SchülerInnen die Rolle von Whistleblowern. •• Sind diese als „Vernaderer“ zu sehen oder leisten sie einen wichtigen Beitrag als HinweisgeberInnen im Kampf gegen Korruption? •• Wie wäre die Bereitschaft der SchülerInnen, als HinweisgeberInnen auf korrupte Machenschaften aufmerksam zu machen und warum wäre diese in bestimmten Situationen vorhanden oder nicht? w w w. p o l i t i k- ler nen.at 7 p o l i s aktuell 4 Korruption auf internationaler Ebene “In our globalised, highly interconnected world, corruption represents one of our greatest challenges. There is no country or territory untouched by this threat, which erodes democratic institutions and undermines the rule of law.” Yury Fedotov Weltweiter Index zur Korruptionswahrnehmung 2012 Quelle: http://cpi.transparency.org/cpi2012/results/ (zuletzt aktualisiert am 12.12.2012). In rot eingefärbten Ländern (niedrige Punktezahl) wird Korruption als stark präsent wahrgenommen, in gelb eingefärbten Ländern (hohe Punktezahl) hingegen als sehr schwach. Da Korruption üblicherweise im Verborgenen stattfindet, stützt sich der Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) darauf, wie sehr bestimmte Personengruppen Korruption in einem Land wahrnehmen – es geht also nicht um konkrete Fälle, sondern um die allgemeine Wahrnehmung. 8 abschneidet, obwohl die Korruption de facto nicht gestiegen ist, sie jedoch viel stärker wahrgenommen wird. Was uns diese Rankings jedoch klar zeigen, ist das ungefähre Verhältnis, in welchem die Länder zueinander stehen. Besonders auffällig ist, dass Länder mit entwickelter Demokratie, in denen Pressefreiheit, politischer Wettbewerb und ein guter Bildungsstandard herrschen, weniger korrupt sind. Österreich nimmt mit einer Bewertung von 69 Punkten Rang 25 im direkten Ländervergleich ein. Somalia wurde mit 8 Punkten als das korrupteste Land ausgewiesen und belegt Rang 174. Dänemark liegt ex aequo mit Finnland und Neuseeland auf dem ersten Platz im Antikorruptionsranking. 4.1 I nstrumente zur K orruptionsbekämpfung Der Nachteil von Wahrnehmungsrankings ist, dass sie eine begrenzte Aussagekraft haben – wenn beispielsweise in einem Land viele Korruptionsfälle aufgedeckt werden, worüber in den Medien berichtet wird, kann es geschehen, dass das Land im darauffolgenden Jahr schlechter In Politik und Wissenschaft gilt Korruption als einer der Hauptfaktoren für erfolglose politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Auch für die Entwicklungszusammenarbeit bedeutet Korruption ein großes Problem. Zahlreiche nationale und regionale wie auch internatio- www.politik-ler ne n . a t 2013 Nr. 1 K o r r up tion nale Instrumente sagen daher der Korruption den Kampf an. So verpflichten einige dieser Instrumente ihre Mitgliedstaaten dazu, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption zu ergreifen. Wichtige Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung für den europäischen Raum: International Anti-Corruption Academy (IACA) Die IACA, eine junge Organisation mit Sitz in Laxenburg bei Wien, trägt u.a. durch Bildungsarbeit, Forschung und praktisches Training zur internationalen Korruptionsbekämpfung bei. www.iaca.int/ Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) OLAF untersucht Fälle von Korruption und Betrug auf Ebene der EU. Werden innerhalb der EU-Organe oder Einrichtungen der EU Fälle von Korruption oder andere kriminelle Machenschaften wahrgenommen, so schaltet sich OLAF ein und bekämpft diese korrupten Akte, etwa mittels einer eigens dafür entwickelten Betrugsbekämpfungsstrategie. http://ec.europa.eu/anti_fraud/index_de.htm Europarat und dessen Suborganisation (GRECO) Bei GRECO (Group of States against corruption) handelt es sich um einen Staatenbund von 47 Ländern (Stand: Dezember 2012), die gemeinsam der Korruption den Kampf ansagen. www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/default_en.asp Institutionen und Mittel zur Korruptionsbekämpfung auf internationaler Ebene: UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) Die UNCAC (United Nations Convention against Corruption) gilt als das derzeit umfassendste Vertragswerk im Kampf gegen Korruption. www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/ Internationale Finanzierungsorganisationen, wie der IWF oder die Weltbank, haben zur Bekämpfung der Korruption eigene Maßnahmen etabliert. www.imf.org/ www.worldbank.org/ Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Die OECD, die mehrere Mitgliedstaaten umfasst, setzt sich für den Kampf gegen die Korruption ein. www.oecd.org/ Transparency International (TI) Die politisch unabhängige Bewegung Transparency International, die weltweit vernetzt ist, sagt der Korruption auf internationaler Ebene den Kampf an. www.transparency.org 9. Dezember: Internationaler Anti-Korruptions-Tag: Sag NEIN zur Korruption Anlässlich der Unterzeichnung der UN-Konvention gegen Korruption wurde der 9. Dezember zum weltweiten Anti-Korruptions-Tag erklärt. Ziel ist es, auf die Gefahren von Korruption aufmerksam zu machen und eine Sensibilität für das Thema zu schaffen. Methodentipp Österreichischer Anti-Korruptions-Tag Lassen Sie die SchülerInnen recherchieren: Fachleute aus dem gesamten öffentlichen Dienst, staatsnaher Betriebe und Institutionen sowie namhafte WissenschafterInnen setzen sich im Rahmen der Anti-Korruptions-Tage gemeinsam mit den aktuellsten Aspekten und Herausforderungen in der Korruptionsbekämpfung auseinander. •• Ist Österreich der UN-Konvention gegen Korruption beigetreten? •• Welche Inhalte hat dieser Vertrag? •• Welche Staaten haben ihn nicht unterzeichnet bzw. ratifiziert? Antikorruptionsmaßnahmen seitens der Vereinten Nationen, etwa durch das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) www.unodc.org/ Der 7. Österreichische Anti-Korruptions-Tag findet 2013 am 14. und 15. Mai statt. www.bak.gv.at/cms/BAK_dt/anti_korr_tag/start.aspx w w w. p o l i t i k- ler nen.at 9 p o l i s aktuell 5 Korruption und ihre Folgen “The cost of corruption is measured not just in the billions of dollars of squandered or stolen Government resources, but most poignantly in the absence of the hospitals, schools, clean water, roads and bridges that might have been built with that money and would have certainly changed the fortunes of families and communities.” Ban Ki-moon Korruption führt zu massiven monetären Auswirkungen. Nicht selten geht es hierbei um Summen, die in unbegreiflicher Höhe rangieren. So hat etwa die Weltbank im Jahr 2004 die Summe der Bestechungsgelder weltweit auf 1000 Mrd. US-Dollar pro Jahr geschätzt. Korruption hat jedoch noch weitere Auswirkungen, unter anderem auf die unmittelbare Umgebung eines Menschen und auch auf den Menschen selbst. Moral und Ethik werden korrumpiert, Institutionen und politische Entscheidungen werden untergraben bzw. beeinflusst und das Vertrauen zu verschiedenen Systemen wird dadurch getrübt. Konsequenzen von Korruption sind: •• Umverteilung nach oben •• Verlust von Kapital/Umleitung von Ressourcen •• Hemmung der Gesamtwirtschaft •• Verzerrung des Wettbewerbs •• Untergrabung demokratischer Prozesse •• Verzerrung des freien Marktes durch Gefährdung der Preisstabilität •• Verlust von Ethik und Moral •• Organisierte Kriminalität •• Rechtliche Konsequenzen •• Vertrauensverlust in Autoritäten/Verlust der Legitimität von Regierungen •• Kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt •• Hemmung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eines Landes •• Ausbleiben von ausländischen Investitionen bzw. Investoren und Investorinnen •• Scheitern von Staaten (Entwicklungsländer, aber auch andere Länder sind davon betroffen) •• Schadensformen sind sowohl materieller* als auch immaterieller** Natur * Anm.: Dazu zählen ungebührliche Formen von Bereicherung, Wettbewerbsvorteil, Gewinnvermehrung, Erzielen von Nebeneinkünften u.a. ** Anm.: Dazu zählen Streben nach Macht und Einfluss, Schutz gegen behördliche Eingriffe, ungebührliche Karrierevorteile, ungebührlicher vorzeitiger Kenntnisgewinn über (andere) unternehmerische Vorhaben (verbesserter Informationsstand) u.a. 10 www.politik-ler ne n . a t 2013 Nr. 1 K o r r up tion Quellenangaben Jerabek, Robert/Marek, Eva: Korruption und Amtsmissbrauch. Grundlagen, Definitionen und Beispiele zu den §§ 302, 304 bis 307c, 310 und 311 StGB sowie weitere praxisrelevante Tatbestände im Korruptionsbereich. Wien, 2013 Rauch, Hans-Jörg: Korruptionsstrafrecht: Vorteilsannahme und Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Wien, 2012 Stockhammer, Andreas Marco: Politische Korruption in Österreich. Dipl.-Arb. Wien, 2011 Wenk, Rene: Korruption im öffentlichen Bereich: Die Herausforderung der Umsetzung (straf)rechtlicher Maßnahmen im Lichte internationaler Vorgaben. Linz, 2012 International Association of Penal Law: Landesgruppe Österreich (AIDP): Internationale Bekämpfung der Korruption: Vortrag und Diskussion am 21. November 2003 im Bundesministerium für Justiz in Wien. Wien, 2004 Was ist Korruption? Definition von Korruption: www.ti-austria.at > Korruption > Was ist Korruption* Unbewusstes korruptes Handeln (OnlineKurier vom 25.9.2012): http://kurier.at/politik/ nachlese-franz-fiedler-im-kurier-chat/812.633 Formen von Korruption Zitat Freunderlwirtschaft (Online-Kurier vom 25.9.2012): http://kurier.at/politik/nachlese-franz-fiedler-im-kurierchat/812.633 BAK Wenk, Rene (2011): Korruptionsbekämpfung in Österreich – Entwicklungen seit dem GRECO-Bericht. In: Achathaler/ Hofmann/Pázmándy (Hrsg.): Korruptionsbekämpfung als globale Herausforderung. Beiträge aus Praxis und Wissenschaft, S. 37–56, Wiesbaden: VS Verlag BAK Jahresbericht 2011: www.bak.gv.at/cms/BAK_dt/service/downloads/files/ Jahresberichte/BAK_Jahresbericht_2011.pdf BAK – Vorstellung, Aufgaben, Korruptionsprävention: www.bak.gv.at/cms/BAK_dt/vorstellung/ www.bak.gv.at/cms/BAK_dt/vorstellung/aufgaben/ www.bak.gv.at/cms/BAK_dt/kor_praev/ Rechnungshof Rechnungshof – Korruptionsbekämpfung: www.rechnungshof.gv.at/internationales/korruptions bekaempfung.html Rechnungshof – Nutzen, Wirkungen: www.rechnungshof.gv.at/ueber-den-rh/auftrag-undziele/nutzen.html www.rechnungshof.gv.at/ueber-den-rh/auftrag-undziele/wirkungen.html U-Ausschuss Parlament – Klärung von Korruptionsvorwürfen: www.parlament.gv.at/PERK/KONTR/POL/UAAKTUELL/ index.shtml Parlament – Untersuchungsausschüsse: www.parlament.gv.at/PERK/FAQ/UNTERS/ WKStA WKStA – Zuständigkeiten: www.justiz.gv.at/internet/html/default/2c94848525f84 a6301321fda9b5c5410.de.html WKStA – Presseinformationen: www.justiz.gv.at/internet/file/8ab4a8a422985de30122a 929678c6355.de.0/presseinformation.pdf Interview mit Walter Geyer vom 29.9.2012: http://kurier.at/politik/die-unbestechlichen-vom-donau kanal/822.478 Korruption auf internationaler Ebene Zitat: www.actagainstcorruption.org/actagainstcorruption/en/about-the-campaign/message-from-mr-yuryfedotov-executive-director-of-unodc-on-2012-anticorruption-day.html http://cpi.transparency.org/cpi2012/results/ http://ec.europa.eu/anti_fraud/index_de.htm www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/default_en.asp www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/ www.imf.org/external/index.htm www.worldbank.org/ www.oecd.org/ Sonstige www.transparency.org/ www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/ NOR12101456/NOR12101456.pdf https://www.kommunalnet.at/news/artikel/article/dasneue-korruptionsstrafrecht-fuenf-beispiele.html?cHash= d522b1b90415a7e2d51cdbf6d1993fbc * Für alle Webseiten: Zugriff 12/2012 w w w. p o l i t i k- ler nen.at 11 p o l i s aktuell 6 Aufgaben für den Schulunterricht 6.1 H andle ich korrupt oder nicht ? Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Korrupt zu handeln, heißt, kriminell zu handeln und eine Straftat zu begehen. Aber: • Wo genau fängt Korruption an? • Wann wird eine menschliche Handlung zu einem korrupten Akt? • Wie würdest du in den hier dargestellten, konkreten Fällen handeln? Fall 1: Ich bin Angestellter in der Einkaufsabteilung einer Gärtnerei. Zu meinem Aufgabengebiet gehört der Ankauf von Blumen verschiedenster Art. Die Geschäftsführerin N erteilt mir die Weisung, nur Rosen aus österreichischem Bestand anzukaufen. Der holländische Rosenzüchter K tritt mit mir in Kontakt und nennt mir ein Angebot, das die Preise der heimischen Rosen-LieferantInnen um eine beachtliche Summe unterbietet. Als ich das Angebot ablehne, bietet mir K 4000 Euro für den Fall, dass wir doch noch ins Geschäft kommen. Ich denke mir: Na gut, was soll’s! Ich verdiene mir etwas Geld dazu und dem Unternehmen entsteht auch kein Schaden, da es die Waren billiger einkaufen kann. Fall 2: Ich bin Kriminalbeamtin und mit dem Gastwirt T gut befreundet (bin Stammgast bei ihm). Gastwirt T hat mir schon oft im Vertrauen von kriminellen Vorgängen und Machenschaften erzählt, die ihm bei seinen Gästen zu Ohren gekommen seien. Auf Grund der gewachsenen Freundschaft und um mich meinerseits erkenntlich zu zeigen, setze ich T darüber in Kenntnis, dass am nächsten Tag für seine Gaststätte eine polizeiliche Kontrollrazzia vorgesehen ist. Fall 3: Ich bin Juwelier im Ruhestand und möchte meiner Heimatgemeinde, von der ich die Ehrenbürgerschaft erhalten habe, etwas zurückgeben. Meinen Dank über die mir verliehene Auszeichnung möchte ich dadurch zum Ausdruck bringen, dass ich der Bürgermeisterin der Gemeinde für die Ausstattung der ortsansässigen Schule einen stattlichen finanziellen Betrag übergebe. Die Entscheidung über die Verwendung des Geldes soll der hiesige Elternverein treffen, dieser entscheidet sich für die Anschaffung neuer PC-Geräte. Fall 4: Ich bin Bauamtsleiterin und werde samt meiner Familie von einem örtlichen Bauträger zu einem Fußballspiel in die VIP-Lounge eingeladen. Der Bauträger zielt darauf ab, die guten Kontakte zur Gemeinde zu pflegen und sich mein Wohlwollen als beruflich-kompetente Bedienstete auch für die Zukunft zu sichern. Auflösungen Ad 1.) Begehe ich damit eine korrupte Tat oder nicht? Auflösung: JA. Als AngestellteR bin ich BediensteteR eines Unternehmens und deshalb bin ich taugliches Tatsubjekt. Die Annahme des Geldbetrags von 4000 € (Vorteil) stellt für mich eine pflichtwidrige Handlung dar, nämlich den Verstoß gegen die ausdrückliche Weisung von Geschäftsführerin N. Somit begehe ich eine korrupte Tat und bin zu bestrafen. Ad 2.) Habe ich mich durch diese Mitteilung strafbar gemacht – obwohl ich am nächsten Tag selbst nicht an der Razzia beteiligt bin? Auflösung: JA. Zwar bin ich selbst an der konkreten Amtshandlung der Razzia am nächsten Tag nicht beteiligt, dennoch bin ich kraft meiner dienstlichen Stellung funktionell zuständig. Die Bekanntgabe eines solchen Termins fällt in meinen Kompetenzbereich. Objektiv habe ich somit Missbrauch der Amtsgewalt begangen (Verrat). 12 www.politik-ler ne n . a t Ad 3.) Führt meine Geldspende zu ungebührlichen Vorteilen? Auflösung: NEIN. Ich kann das Geld ruhig überreichen. Deshalb, weil Vorteile für gemeinnützige Zwecke (zu diesen Zwecken zählt auch die Schulbildung/Erziehung), auf deren Verwendung der/die AmtsträgerIn keinen bestimmenden Einfluss ausübt, keine ungebührlichen Vorteile sind. Die Vorteilszuwendung ist dann grundsätzlich zulässig, wenn die Bürgermeisterin auf die Verwendung des Geldes keinen bestimmenden Einfluss ausübt. Ad 4.) Kann ich strafrechtlich belangt werden, wenn ich der Einladung folge? Auflösung: JA. Denn der Bezug zur amtlichen Tätigkeit und der Tatvorsatz können deutlich hergestellt werden. In diesem konkreten Fall befinden sich beide, sowohl die Eingeladene als auch der Einladende, unmittelbar im Korruptionsstrafrecht (Vorteilsannahme und Vorteilszuwendung zur Beeinflussung). 2013 Nr. 1 K o r r up tion 6.2 A nalyse eines Z eitungsartikels anhand eines F ragenkatalogs Geschenke an Lehrer fallen unter Korruption Landesschulräte und Elternvertreter warnen vor übertriebenen Geschenken bei der Zeugnisverteilung Blumen reichen offensichtlich nicht aus: Teure Geschenke wie Schmuck, Turnschuhe oder ein Kaffeeservice von Eltern für die Lehrer ihrer Kinder sind zum Schulschluss keine Seltenheit mehr. Das Geld dafür wird kollektiv eingesammelt, am letzten Schultag bei der Zeugnisverteilung wird das Geschenk überreicht. Wie das Magazin „Datum“ berichtet, handelt es sich dabei um Korruption. Nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz ist Lehrern die Annahme von Geschenken verboten. Geschenke über 100 Euro unzulässig „An und für sich sind Geschenke an Lehrer eine nette Geste. Aber ich würde mich als Lehrer hüten, unverhältnismäßig große Geschenke anzunehmen“, sagt Karl Maier, Landesschulrat in Kärnten. Sein Kollege aus der Steiermark, Wolfgang Erlitz, ergänzt: „In der Praxis wird der Gesetzestext so ausgelegt, dass Geschenke über 100 Euro unzulässig sind.“ Hermann Helm, Landesschulrat in Niederösterreich, rät den Lehrern, Geschenke generell nicht anzunehmen: „Das schönste Geschenk für einen Lehrer sollte sein, wenn die Kinder die Sekundarstufe erreichen. Alles andere sollte man ablehnen.“ Fragen ••Warum kann es unter Korruption fallen, LehrerInnen zu beschenken? Wann ist Korruption gegeben? ••Inwieweit ist die Annahme von Geschenken durch LehrerInnen erlaubt? ••Um welche Form der Korruption könnte es sich hier handeln? ••In welchen Bereich fällt diese Form der Korruption? ••Wer ist VorteilnehmerIn und wer VorteilgeberIn? ••Ab wann ist es LehrerInnen nicht erlaubt, Geschenke anzunehmen? ••Wie sollte gehandelt werden, sowohl von LehrerInnen- als auch von SchülerInnenseite? „Übermotivierte Eltern“ Dass Geschenke für die Lehrer zum Problem werden können, haben auch die Elternvertreter bereits erkannt. Andreas Ehlers, Pressesprecher des Österreichischen Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, warnt vor übertriebenen Geschenken: „Es gibt in dieser Hinsicht sehr viele übermotivierte Eltern, aber teure Geschenke bringen Lehrer und Eltern gleichermaßen in Verlegenheit. Es gibt Familien, die jeden Cent umdrehen müssen.“ Um Schwierigkeiten zu vermeiden, rät Ehlers, die Geschenkideen mit der Schuldirektion abzusprechen, das Einverständnis aller Eltern einzuholen und erst dann abzukassieren. (red, derStandard.at, 27.6.2012) Quelle: Online Standard vom 27.6.2012 http://derstandard.at/1339639113487/SchulschlussGeschenke-an-Lehrer-fallen-unter-Korruption Tipp Weitere Ar t ikel für eine Analyse Danke für die Blumen: www.datum.at/artikel/danke-fuer-die-blumen/ Lehrergeschenke: Pralinen ja, Wellness nein: www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/klagenfurt/2771141/lehrergeschenke-pralinen-ja-wellnessnein.story Gesetzeslage (Bundesrecht) Geschenkannahme § 41. (1) Dem Lehrer ist es untersagt, im Hinblick auf seine amtliche Stellung für sich oder einen Dritten ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen. (2) Orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten von geringem Wert gelten nicht als Geschenk im Sinne des Abs. 1. (3) Ehrengeschenke darf der Lehrer entgegennehmen. Er hat seine Dienstbehörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Untersagt die Dienstbehörde innerhalb eines Monates die Annahme, so ist das Ehrengeschenk zurückzugeben. www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/ NOR12101456/NOR12101456.pdf w w w. p o l i t i k- ler nen.at 13 p o l i s aktuell 6.3 U nterrichtsimpulse Quiz ••Welche Formen von Korruption kennst du? ••Was ist Schmiergeld? ••Nenne ein Beispiel für Bestechung! ••Was ist „Günstlings-/Freunderlwirtschaft“? ••Versuche den Begriff „Lobbyismus“ zu erklären! ••Nenne ein Beispiel für Patronage! ••Welche Instrumente der Korruptionsbekämpfung kennst du? ••Was ist Korruption? Umfrage Die SchülerInnen führen im Verwandtenkreis (drei Personen) eine Umfrage zum Thema Korruption durch: ••Was bedeutet für dich Korruption? ••Bist du einmal mit Korruption in Kontakt gekommen? ••Wurde dir Geld angeboten? ••Wurde von dir erwartet, Schmiergeld zu leisten? ••Was bedeutet für dich „Freunderlwirtschaft“? ••Bist du bereits mit „Freunderlwirtschaft“ in Kontakt gekommen? Welche Erfahrungen hast du gemacht? ••Wie sollen deiner Meinung nach Leute im Falle von Korruption reagieren? ••Kennst du öffentliche Institutionen, an die du dich im Falle von Korruption wenden kannst? Rollenspiele mit Situationsanalyse Die SchülerInnen teilen sich in Gruppen und stellen je einen Fall von Korruption schauspielerisch in der Klasse dar. Das Fallbeispiel kann frei gewählt sein. Die Aufgabe der MitschülerInnen ist es nun zu erraten, welche Form von Korruption hier vorliegt. Sie sollen konkret begründen, warum bzw. wie sie zu ihrem Urteil kommen. Folgende Fragen können als Grundlage für die Analyse dienen: ••Wo konkret zeichnen sich in der dargestellten Szene die Merkmale von Korruption ab? ••Wer ist VorteilsnehmerIn und wer VorteilsgeberIn? ••Gibt es einen Leidtragenden, ein Opfer? ••Hätte in der Situation auch anders gehandelt werden können – und warum/warum nicht? ••Wie würdest du dich in so einer Situation verhalten? Alternativ: Die SchülerInnen stellen Korruption in einer Zeichnung dar. 14 www.politik-ler ne n . a t Medienanalyse Die SchülerInnen analysieren die Zeitungen der vergangenen Woche: ••In welchen Zeitungsartikeln wird Korruption thematisiert? ••Wie oft wurde in dieser Woche das Thema Korruption behandelt? Zwei der Korruptionsmeldungen sollen anhand folgender Fragen analysiert werden: ••Worum geht es im konkreten Fall? Was genau wurde thematisiert? ••Wo findet der Akt statt? ••Wer ist betroffen? Wer ist VorteilsnehmerIn und wer VorteilgeberIn? ••Was sind die Vorteile? ••Warum kann hier von Korruption gesprochen werden? ••Welche Form der Korruption findet statt? ••In welchem Bereich erfolgt Korruption? ••Warum hat die Person so gehandelt? ••Wie hätte anders reagiert werden können? ••Gibt es Akteure, die sich mit diesem Tatbestand befassen? Alternativ könnten die SchülerInnen auch TV-Nachrichten untersuchen. Eurobarometer-Analyse Die SchülerInnen analysieren die EurobarometerBefragung zum Thema „Einstellung der EuropäerInnen gegenüber Korruption“: ••Was bedeuten die Zahlen? ••Wie wird laut Eurobarometer Korruption in Österreich wahrgenommen? ••Welche Unterschiede zu anderen europäischen Ländern lassen sich erkennen? ••Wie ist der EU-Durchschnitt? http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ ebs_325_de.pdf Textanalyse Harry Potter Die SchülerInnen analysieren Kapitel 9 aus „Harry Potter und der Orden des Phönix“. Inhalt: Harry Potter muss vor Gericht. Nach der Verhandlung sieht er wie Lucius Malfoy, Vater seines Erzfeindes Draco Malfoy, mit dem Minister Cornelius Fudge redet. Die Münzen, die in Lucius Malfoys Taschen klimpern, sind dabei nicht zu überhören ... Quelle: Rowling, Joanne K.: Harry Potter und der Orden des Phönix. Kapitel 9. Hamburg: Carlsen, 2003. ••In welcher Form kommt Korruption in diesem Text vor? 2013 Nr. 1 K o r r up tion 7 Links und Materialientipps Bücher Jerabek, Robert/Marek, Eva: Korruption und Amtsmissbrauch. Grundlagen, Definitionen und Beispiele zu den §§ 302, 304 bis 307c, 310 und 311 StGB sowie weitere praxisrelevante Tatbestände im Korruptionsbereich. Wien: Manz, 2013. 138 Seiten. ISBN 978-3-214-03872-4 Achathaler, Lukas/Hofmann, Domenica/Pázmándy, Matthias (Hrsg.): Korruptionsbekämpfung als globale Herausforderung. Wiesbaden: VS Springer, 2011. 243 Seiten. ISBN 978-3-531-18019-9 Sickinger, Hubert: Politikfinanzierung in Österreich. Wien: Czernin, 2009. 528 Seiten. ISBN: 978-3-7076-0233-3 Edelbacher, Maximilian/Felsenreich, Christian/Kriechbaum, Karl: Der korrupte Mensch: Ein psychologisch-kriminalistischer Blick in menschliche Abgründe. Goldegg: Berlin, 2012. 416 Seiten. ISBN 978-3-902-72978-1 Kontrolle zahlt sich aus. Der Rechnungshof erklärt für Kinder und Junggebliebene. Wien: Rechnungshof, 2011. Comic. 68 Seiten. www.rechnungshof.gv.at/home/250-jahr-feier/ blaetterbuch/blaetterbuch-comic.html Kontrolle zahlt sich aus. Flipbook zur Ausstellung anlässlich des 250-jährigen Jubiläums des Rechnungshofs 2011. www.rechnungshof.gv.at/home/250-jahr-feier.html Die VERANTWORTUNG liegt bei mir. Verhaltenskodex zur Korruptionsprävention. Wien: Bundeskanzleramt, 2012. 26 Seiten. Download in deutscher und englischer Sprache sowie als barrierefreie Version: www.bka.gv.at/site/6485/default.aspx Filme für den Einsatz im Unterricht Die Firma. USA, 1993. 148 Min. Mitch McDeere (Tom Cruise) will als Anwalt durchstarten und bekommt von einer Firma ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. Überhäuft mit Geld und Geschenken, manövriert er sich in eine Situation, aus der er sich kaum mehr befreien kann. Der Film basiert auf dem Roman „Die Firma“ (engl. "The firm") von John Grisham (1991). Syriana. USA, 2005. 128 Min. Die Gier nach Öl, Geld, Macht und die Folgen davon werden in verschiedenen Handlungssträngen dargestellt. Der Film mit George Clooney, Matt Damon u.a. basiert auf dem Buch "See No Evil" von Robert Baer (2002). Thank you for smoking. USA, 2005. 92 Min. Nick Naylor (Aaron Eckhart) arbeitet in der Tabakindustrie als Lobbyist und als Pressesprecher eines Forschungszentrums. Der Film zeigt, wie Lobbyismus funktioniert und mit welchen Mitteln vorgegangen wird, um Ziele zu erreichen. Der Film basiert auf dem Roman "Thank you for smoking" von Christopher Buckley (1994). w w w. p o l i t i k- ler nen.at 15 ➽ ➥➹➼➾➬ ➻ ➽ ➹ polis aktuell Nr. 1 2013 23. April bis 9. Mai 2013 Aktionstage Politische Bildung beteiligen und mitgestalten www.aktionstage.politische-bildung.at P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien, GZ 03Z035275M polis aktuell: Korruption, Nr. 1/2013 Herausgeber: Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule, Helferstorferstraße 5, 1010 Wien T 01/42 77-274 44, [email protected], www.politik-lernen.at AutorInnen dieser Ausgabe: Lukas Achathaler, Sherin Gharib, Sonja Haagen, Anna Ailsa Loitsch, Magdalena Reinberg-Leibel (alle: Transparency International Austria) Titelbild: fotolia.com (Calado), Fotos im Kern: fotolia.com (fotivo, fuzzbones, Composer, Alexander Raths, Calado) Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur – Abteilung I/6. Projektträger: Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte – Forschungsverein