1 Montag Die Namen des Löwenzahns Die Namen
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1 Montag Die Namen des Löwenzahns Die Namen
August 2013 *evangelisch-‐reformierte Gemeinde Schaffhausen* <Gedanken zum Tag> *Pospisek Ljiljana 1 Montag Die Namen des Löwenzahns Die Namen für den Löwenzahn gehören zu den beliebten <Testwörtern> für die schweizerdeutsche Dialektvielfalt. Ich selbst nenne den Löwenzahn <Schwiibluama>>. Und Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer? Wie nennen Sie den <Löwenzahn>? Buggele? Chrottepösche? Sunnewirbel? Ramschfädere oder Bettseicher? Es gab im Jahr 2008 eine grosse Umfrage in der Deutschschweiz. Die Umfrage ergab, dass es 150 verschiedene Namen für den Löwenzahn gibt. 17 Benennungen für den Löwenzahn sind am häufigsten. Gerade am Beispiel der Chrottepösche zeigt sich, dass der Wortschatz in den Schweizerdialekten durchaus nicht am Verarmen ist. Aber wie kann es sein, dass die eine und dieselbe Pflanze so viele verschiedene Bezeichnungen hat? Warum Chrottepösche? Ramschfädere, Tätsche, Weifäcke, Griggele, Furzele? Man könnte doch meinen, dass eine Pflanze, und hier ein Unkraut, doch eine Berühmtheit in unseren Dialekten darstellt Ich meine, dieses Unkraut, welches nun wirklich sehr lästig werden kann für den Gärtner oder die Gärtnerin. Denn, wenn die Hundeblume einmal ihre Früchte mit dem Wind gehen lassen hat, dann ist im Nu der ganze Garten und die Gärten der Nachbarn, das Kaiserreich des Löwenzahns. Und Sie wissen wie schwer es ist einen Hälistock, eine Hundeblume, Butterblume mit der Wurzel auszureissen. Und wenn der Löwenzahn zur Pusteblume wurde, kann man es gleich sein lassen. Dann ist es schon zu spät. Dienstag Chrottepösche Die Namen für den Löwenzahn gehören zu den beliebten <Testwörtern> für die schweizerdeutsche Dialektvielfalt. Die Pflanzennamen überhaupt sind ein beliebtes und von alters her beackertes Feld der Wortkunde. In den althochdeutschen Glossaren sind rund 7 500 Einträge nachgewiesen. In einer St.Galler Handschrift aus dem 9. Jahrhundert ist zum Beispiel der Name Buggele zu finden. Allerdings wird der Name hier nicht für den Löwenzahn, sondern für Wermut gebraucht. Das kommt oft vor, dass die Zuordnung eines Namens zur Sache sich im Verlaufe der Zeit ändert. Als Name für den Löwenzahn wird August 2013 *evangelisch-‐reformierte Gemeinde Schaffhausen* <Gedanken zum Tag> *Pospisek Ljiljana 2 Buggele vereinzelt in St.Gallen und Umgebung verwendet aber am dichtesten zwischen dem Zürichsee und dem Rhein. Chrottepösche ist eine andere Bezeichnung und vor allem in den Kantonen Aargau und Zürich verbreitet. Wobei man sich schon fragen muss, was denn der Löwenzahn mit einer Kröte zu tun hat. Ob es der flache Busch/Bösche ist, der wie eine Kröte auf dem Boden kauert, oder ob das wuchernde Unkraut abschätzig mit der ungeliebten oder unheimlichen Kröte verglichen wird. Das lässt sich nur vermuten. Als Kinder haben wir uns die Nase gelb gerieben mit Löwenzahn. Manchmal freiwillig und manchmal wurde man von den anderen Kindern gepackt und eingerieben. Erst später las ich dann, dass es den Aberglauben gibt, wenn man sich mit Löwenzahn einreibt und sich etwas wünscht, dann erfülle sich der Wunsch auch. Mittwoch Tüfelschrut & Pfaffechopf Die Namen für den Löwenzahn gehören zu den beliebten <Testwörtern> für die schweizerdeutsche Dialektvielfalt. Die Vielfalt der verschiedenen Benennungen für den Löwenzahn lässt sich dadurch erklären, dass der Löwenzahn sehr auffällig ist (durch sein strotzendes Gelb) und, weil er menschliche Lebens-und Erfahrungsbereiche direkt berührt. Nicht nur, dass der Löwenzahn ein Unkraut ist, sondern er ist auch ein wunderbares Spielzeug für Kinder. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit? Erinnern Sie sich an die Kinderspiele von damals, draussen in der Natur, im Feld? Die Kinder formen aus den Blütenschäften Ringe, Brillen und Ketten. Deswegen auch die Bezeichnung Chettibluama. Aber die Chettiblueme kann man auch als Musikinstrument verwenden. Und dann heisst der Löwenzahn Pääpeli, Furzere oder Pfurri. Mir scheint, dass ein Teil der verschiedenen Bezeichnungen, Kindererfindungen sind, aus der Fantasie der Kinder stammen. Und weiter, kann der Löwenzahn sowohl für eine schöne Pflanze stehen: Liechtli, Sunnewirbel als auch für Geringschätzung stehen als eine minderwertige Futterpflanze: Söibluama, Schnäggachrut, Chüechrut, Moorebluem und Chüngelichrut. Der Löwenzahn kann aber auch für Teuflisches stehen: Tüfelschrut oder für die bessere Seite: Pfaffechopf. Und wenn man Löwenzahn als Salat zubereitet, dann spricht man von Franzosesalat oder gar Zigünersalat. August 2013 *evangelisch-‐reformierte Gemeinde Schaffhausen* <Gedanken zum Tag> *Pospisek Ljiljana 3 Donnerstag Etwas Grammatik Die deutsche Sprache ist eine schwere Sprache. Gerade der Gebrauch des Artikels kann vielen Fremdsprachlern Mühe bereiten. Der bestimmte Artikel, also, der die das, steht als Begleiter oft vor einem Nomen, auch wenn wir auf das Nomen gar nicht hinweisen wollen. Ich werde jetzt nochmals die gleiche Passage ohne den Artikel zu verwenden wiederholen: Deutsche Sprache ist schwere Sprache. Gerade Gebrauch des Artikels kann vielen Fremdsprachlern Mühe bereiten. Bestimmte Artikel, also, der die das, steht als Begleiter vor Nomen, auch wenn wir auf Nomen gar nicht hinweisen wollen. Sie hören also, dass es sich hierbei eher um ein gebrochenes Deutsch handelt. Warum ich Ihnen das erzähle? Nun, neulich fiel mir auf, als mein 10jähriger Sohn mich fragte: „Mama, hätt de Gott alles uf de Welt gmacht?“ Mein Sohn fragte also, ob der Gott alles auf der Welt gemacht hätte. Da müsste man die Gegenfrage stellen: Welcher Gott denn? Offenbar gibt es mehrere Götter? Der Gott oder der oder der? Es ist so, dass im Deutschen <Gott> ohne Artikel gebraucht wird. Und wer es trotzdem tut, der liegt grammatikalisch falsch! Freitag Traurigsein „Melancholie ist etwas anderes als Depression. Während Depression es einem unmöglich macht, sich etwas auszudenken oder auch nur über etwas nachzudenken, erlaubt die Melancholie, auch nicht unbedingt ein angenehmer Zustand, reflexiv zu sein und in Form gewisser Basteleien, die man im Kopf anstellt, versuchsweise Sachen zu entwickeln, von denen man vorher nichts geahnt hat1.“ Im obigen Zitat wird die Melancholie von der Depression unterschieden. Die Depression lähmt unser Denken und unsere Vorstellungskraft, hingegen ermöglicht uns der Zustand der Melancholie auf Dinge zu kommen, sich Sachen auszudenken, welche ohne ihre Präsenz nicht 1 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-18700596.html 12.03.2001 Interview mit W.G.Sebald. August 2013 *evangelisch-‐reformierte Gemeinde Schaffhausen* <Gedanken zum Tag> *Pospisek Ljiljana 4 sichtbar geworden wären. Eine Art zeitgenössischer Experte in Sachen Melancholie war der Schriftsteller W.G. Sebald. Wir erfahren in seinem Zitat ebenfalls, dass die Melancholie Reflexion begünstigt und eine Bastelei aus dieser und mit dieser ermöglicht. * Sind Sie auch manchmal melancholisch? War bei Ihnen Morelli zu Besuch? Haben Sie manchmal den Moralischen? Oder kennen Sie den Ausdruck: Mudrig? Bisch hüt wieder <mudrig>? Ich denke es ist etwas vom Schwersten seine Gefühle einordnen zu können, unseren Stimmungen einen Namen geben. Gerade auch wenn es um die <Traurigkeit> geht. Was ist denn Traurigkeit? Wie unterscheidet sie sich von der Trauer? Worüber ist der Mensch traurig aber wonach trauert er? Was ist Melancholie? Ist Melancholie ein schlechtes oder ein gutes Gefühl? Wie äussert sie sich in unserem alltäglichen Leben? Welche Formen kann sie annehmen? Kann sie auch ins Extrem kippen? Wenn das eintritt, ist sie dann noch als Melancholie zu bezeichnen? Gibt es gar eine süsse, bittere Melancholie? Müssen wir uns schämen, wenn wir manchmal grundlos traurig sind? Dürfen wir zu unserer Traurigkeit stehen? Wie gehen wir persönlich, jeder einzelne von uns mit der Traurigkeit um? Dürfen wir die Traurigkeit überhaupt zulassen? Kann es sein, dass die Melancholie auch etwas Fruchtbares hervorbringen kann? Kann der Mensch aus seiner Melancholie Kreativität, gar Kunst schöpfen? Diese vielen Fragen sind nach wie vor aktuell. Es scheint gar mehr denn je aktuell zu sein, da wir, um das Modewort zu gebrauchen, in einer <Spassgesellschaft> leben. Immerzu müssen wir uns selbst beglücken mittels der zahlreichen Angebote, welche uns in den Erstweltländern angeboten werden, wobei wir fast zugeschüttet werden damit. Und wenn wir traurig sind, hält man uns gerne vor, dass wir bedenken müssen, dass es anderen Menschen viel schlechter geht. Wobei wir Klagen und Traurigkeit nicht verwechseln sollten. In vielerlei Hinsicht lässt sich unsere Gesellschaft wenig Zeit für Traurigkeit. Dies betrifft auch den Umgang mit dem Tod und Zeit zu haben den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten; zu verinnerlichen.