Mietrecht
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Mietrecht Lfd.-Nr. MietR 02/05/2010 Haftet der Vermieter auch dann für eine Flächenabweichung, wenn er in den Mietvertrag keine Wohnungsgröße eingetragen hat ? ( eigener ) Leitsatz : Vorvertragliche Angaben zur Wohnungsgröße können den Vermieter binden; weicht die tatsächliche Fläche mehr als 10 % ab, haftet der Vermieter auf Rückzahlung überzahlter Mieten. BGH, Urt. v. 23.06.2010 - VIII ZR 256/09 Der Fall : Die von dem Vermieter beauftragte Immobilienmaklerin hatte in der Annonce eine Wohnungsgröße von „ca. 76 qm“ angegeben. Vor Abschluss des Mietvertrages wurde der Mieterin eine Grundrissskizze sowie eine detaillierte Wohnflächenberechnung übergeben, in der die Gesamtgröße der Wohnung mit 76,45 qm ausgewiesen wurde. Im Mietvertrag selbst war weder die Angabe einer Wohnungsgröße vorgesehen noch wurde der Mietvertrag diesbezüglich ergänzt. Die Mieterin stellte während des Mietverhältnisses fest, dass die Wohnung tatsächlich nur 53,25 qm groß ist. Sie verlangte von dem Vermieter die Rückzahlung der für die Flächendifferenz gezahlten Miete. Die von der Mieterin erhobene Zahlungsklage wurde vom LG Mannheim als Berufungsinstanz abgewiesen. Die Lösung : Der BGH hat der von der Mieterin gegen dieses Urteil eingelegten Revision stattgegeben. Den Geschehnissen bis zur Unterzeichnung des Mietvertrages sei nicht zu entnehmen, dass die Parteien sich bezüglich der Wohnungsgröße nicht hätten binden wollen. Allein das Fehlen einer Flächenangabe in dem hierzu auch keine Angaben vorsehenden Mietvertrag bedeute nicht, dass sich der Vermieter an den unzutreffenden vorvertraglichen Angaben nicht festhalten lassen müsse. Denn die Gesamtumstände ließen darauf schließen, dass die Parteien den Mietvertrag in der beiderseitigen, der anderen Partei auch erkennbaren Vorstellung abgeschlossen haben, dass die Wohnung die zuvor angegebene Größe aufweise. Dies begründe eine konkludent abgeschlossene Vereinbarung dieser Wohnungsgröße. Weiche die Seite 1 von 4 Mietrecht tatsächlich vorhandene Fläche hiervon um mehr als 10 % ab, so beeinträchtige dies erheblich den vereinbarten Wohngebrauch und führe deshalb gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer entsprechenden Mietzinsminderung. Hinweise : Die Entscheidung betrifft einen absoluten Ausnahmefall, da in den gängigen Mietverträgen Angaben zur Wohnfläche vorgesehen und eingetragen sein dürften. Das Urteil liegt aber auf der Linie der bisher zu den Folgen von Flächenabweichungen ergangenen Entscheidungen des BGH : - Ist die tatsächliche Fläche 10 % niedriger als die vereinbarte Wohnfläche, kann der Mieter nach § 536 BGB mindern ( BGH, Urt. v. 24.03.2004 - VIII ZR 295/03 - ; Urt. v. 28.10.2009 - VIII ZR 164/08 - ). - Übersteigt die in einem Mieterhöhungsverlangen angegebene und der Berechnung zugrunde gelegte Wohnfläche die tatsächliche Wohnfläche, so kann der Mieter unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereichung die Rückzahlung der in der Folgezeit aufgrund der fehlerhaften Berechnung überzahlten Miete verlangen, wenn die Abweichung der tatsächlichen von der angegebenen Wohnfläche mehr als 10 % beträgt ( BGH, Urt. v. 07.07.2004 – VIII ZR 192/03 - ). - Auch wenn die Wohnfläche in dem Mietvertrag mit dem Zusatz „ca.“ versehen ist, bleibt es bei der Toleranzgrenze von 10 % ( BGH, Urt. v. 24.03.2004 - VIII ZR 133/03 - ; Urt. v. 08.07.2009 - VIII ZR 218/08 - ; BGH, Urt. v. 10.03.2010, - VIII ZR 144/09 - ). - Auch bei einem vermieteten Einfamilienhaus mit Garten stellt eine Wohnflächenabweichung einen zur Minderung berechtigenden Mangel dar, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % nach unten abweicht. Eine Anhebung dieses Grenzwerts wegen der mitvermieteten Gartenfläche kommt nicht in Betracht ( BGH, Urt. v. 28.10.2009 – VIII ZR 164/08 - ). - Übersteigt die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche, so ist einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters die vertraglich vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, wenn die Flächen- Seite 2 von 4 Mietrecht überschreitung nicht mehr als 10 % beträgt ( BGH, Urt. v. 23.05.2007 – VIII ZR 138/06 ). - Vorrangig richtet sich die Ermittlung der Wohnfläche nach dem Mietvertrag, nachrangig nach den Vorschriften zu Wohnflächenermittlung : für bis zum 31.12.2003 abgeschlossene Mietverträge nach §§ 42 ff. II. BV; für ab dem 01.01.2004 abgeschlossene Mietverträge nach WoFlV ( BGH, Urt. v. 23.05.2007 - VIII ZR 231/06 - ; Urt. v. 21.10.2009 - VIII ZR 244/08 - ). Sind hiernach für die Flächenermittlungen die Bestimmungen der II. Berechnungsverordnung maßgeblich, können Grundflächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und gedeckten Freisitzen unabhängig von ihrer Lage, Ausrichtung und Nutzbarkeit bis zur Hälfte angerechnet werden ( BGH, Urt. v. 22.04.2009 – VIII ZR 86/08 - ). - Waren sich die Parteien darüber einig, dass auch die Räume im Untergeschoss zu Wohnzwecken zur Verfügung stehen, dann haben sie auch Einigkeit darüber erzielt, dass diese Fläche im Souterrain zur Wohnfläche gehört. Entscheidend für eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Umfang der Wohnfläche ist eine Einigung darüber, auf welche Flächen sich der beabsichtigte Nutzungszweck erstrecken soll, und nicht die Frage, ob der geplanten ( und verwirklichten ) Nutzung ( öffentlich ) -rechtliche Gründe entgegenstehen ( BGH, Beschl. v. 29.09.2009 – VIII ZR 242/08 - ). - Die Wohnflächenangabe im Mietvertrag für die auf Wunsch des Mieters vor Vertragsabschluss umgebaute Wohnung ist nicht eine unverbindliche Objektbeschreibung. Der wunschgemäße Umbau steht einem Mangel der Mietsache bei mehr als 10 % geringerer als der vereinbarten Wohnfläche nicht entgegen ( BGH, Urt v. 28.09.2005 – VIII ZR 101/04 ). - Entsprach es bei Abschluss des Mietvertrages der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien, dass in der mit einer bestimmten Quadratmeterzahl angegebenen Wohnfläche die Dachterrasse der vermieteten Penthousewohnung zu einem nicht näher bestimmten, nicht unerheblichen Anteil enthalten ist, so kann der Mieter nicht im Nachhinein geltend machen, die vereinbarte Wohnfläche sei um mehr als 10% unterschritten, weil die Terrassenfläche nach gesetzlichen Bestimmungen nur mit einem Bruchteil von weniger als der Hälfte - des gesetzlichen Maximalwerts - als Wohnfläche anzurechnen sei ( BGH, Urt. v. 22.06.2006 – VIII ZR 219/04 ). Seite 3 von 4 Mietrecht - Auch bei der Miete von Geschäftsräumen stellt eine Mietfläche, die um mehr als 10 % unter der im Mietvertrag vereinbarten Fläche liegt, einen nicht unerheblichen Mangel dar ( BGH, Urt. v. 04.05.2005 – XII ZR 254/01 - ). - Haben die Parteien eine bestimmte Wohnfläche als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart, sind die Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind ( hier: ausgebautes Dachgeschoss ), bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung als Wohnraum anzurechnen sind ( BGH, Urt. v. 16.09.2009 – VIII ZR 275/08 - ; Vfg. v. 07.06.2006 - VIII ZR 150/05 - ). - Das Galeriegeschoss einer Maisonettewohnung kann aufgrund der vertraglich getroffenen Vereinbarungen auch dann als Wohnfläche anzurechnen sein, wenn seine Räume bauordnungsrechtlich zu niedrig sind ( BGH, Urt. v. 16.12.2009 - VIII ZR 39/09 - ). RA Bernhard C. Koch, JH, Köln Seite 4 von 4