Nebenbahn-Neuling
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Nebenbahn-Neuling
Die Baureihe 64 als H0-Modell von Roco Nebenbahn-Neuling Wohl jeder hat auf seiner Anlage zumindest ein kleines Stückchen Nebenbahn. Folglich kann die neueste Maschine der Modelleisenbahnen GmbH – im Folgenden traditionell Roco genannt – auf praktisch allen H0-Anlagen eingesetzt werden. Was die Nebenbahnfreunde erwarten können, hat Martin Knaden getestet. S ie war noch vor der großen Umstrukturierung des Herstellers geplant, diese universell einsetzbare Baureihe 64. Die damalige Firma Roco wollte jedoch das Projekt dem Vernehmen nach mit möglichst geringen Formkosten realisieren. Die heutige Firma legt hingegen Wert auf eine möglichst hohe Vorbildtreue, weshalb alle Epochen- und Bahnverwaltungsvarianten ihre jeweils charakteristischen Bauartunterschiede zeigen (werden). Den Anfang macht die DB-Lok 64 297 in der Ausführung der Epoche IIIb. Schon auf den ersten Blick begeistert die Fülle von Details an beiden Kesselseiten: Stück für Stück wurde eine vollständige Verrohrung aus Einzelteilen zusammengesetzt. An den Domventilen 20 zeigen die winzigen Handräder jeweils freistehende Speichen. Beachtenswert auch der Deckel des Speisedoms: Weder Fuge noch Spalt verraten hier, dass dieser Deckel abnehmbar ist. Flansche und Ventile wissen auch bei der Betrachtung durch eine Lupe zu überzeugen. Insbesondere der hintere Dampfentnahmestutzen auf dem Kesselscheitel versammelt eine vorbildgerecht große Anzahl von Leitungen. Auch am Dynamo findet man die notwendigen Zu- und Ableitungen; selbst das Rohr für die elektrischen Leitungen wurde dargestellt. Der Deckel des Oberflächenvorwärmers zeigt auf der linken Seite eine detaillierte Struktur, die allerdings eher für DRG- und DR-Maschinen typisch ist. Die Front der Lok zeigt das klassische „Gesicht“ einer Einheitstenderlok: Kurze Umlaufstummel umgeben die Pumpen, der Rauchkammertritt wird von feinen Streben getragen und die seitlichen Leitern wirken ebenfalls – im Rahmen der technischen Machbarkeit – filigran. Die geschweißten Wasserkästen haben ringsum keinerlei Rundung; 64 297 hatte tatsächlich kein gebogenes Blech an den senkrechten Außenkanten. Auf den typischen Wulst um das Loch in Höhe der Schwingen wurde am Modell allerdings zu Unrecht verzichtet. Das Führerhaus lässt wiederum keinerlei Details vermissen. Feine Nieten zieren Seitenwand und Fensterbereich. Freistehende Kunststoff-Griffstangen neben den Fensterschirmen und Drahtgriffstangen im Türbereich sind gleichmaßen fein ausgeführt. Lediglich die waagerechte Griffstange in der Mulde unterhalb der Fenster ist angraviert. Der Kohlenkasten ist seitlich und hinten ebenfalls mit freistehenden Griffstangen versehen. Angesetzt sind auch die rückwärtigen Leitern und der Tritt. In die Form der oberen Lampe ist sogar der darunterliegende Halter integriert. Das Fahrwerk gefällt durch seine filigrane Steuerung und die nicht minder feinen Speichen der Metallräder. InsbeMIBA-Miniaturbahnen 9/2006 MIBA-TEST Abgesehen von den Zurüstteilen der Front (Kolbenstangenschutzrohre und Haltestangen) liegen dem Modell auch geätzte Lokschilder in jeweils dreifacher (!) Ausführung bei. Einen vollständigen Satz Betriebsnummern mit der Artikelnummer 64 297/3 gibts unter www.mk-schilderversand.de … Links: Nach erfolgreichem Einsatz erfährt 64 297 die notwendige Pflege in ihrem Heimat-Bw. Aschaffenburg beheimatete 45 Jahre lang diese erfolgreiche Tenderlokomotiven. Jetzt – Mitte der 60er-Jahre – ist aber bereits absehbar, dass sich diese Zeit langsam dem Ende zuneigt. sondere an den Kunststoffteilen überzeugen die Details. Lediglich am Kreuzkopf hätten die Schrauben ausgeprägter kommen müssen; die typischen Löcher fehlen ganz. Die Lackierung zeigt im schwarzen Bereich ein sehr homogenes Seidenmatt. Die roten Teile des Fahrwerks lassen hingegen Farbnuancen zwischen Kunststoff- und Metallteilen – Letztere sind etwas dunkler – erkennen. Die Bedruckung erfolgte hinsichtlich der Schilder in Silber, die Angaben zu Bremse und Vorräten sind weiß. Auffällig ist der fehlende Rand am DBKeks: Hier liegt jedoch kein Versäumnis vor, denn am Vorbild war dieser Rand (s. S. 19) nicht blankgeschliffen und wurde folglich am Modell nicht gedruckt. Der schwarze Aufdruck, der den Grund der Schilder darstellt, hat aber die korrekte Größe! Wer die Schilder nicht nur gedruckt sehen möchte, kann die beiliegenden Ätzschilder aufkleben. Leider ist Roco hier ein Lapsus passiert: Die Betriebsnummer ist nur dreimal vorhanden, auf einer Seite muss es daher beim gedruckten Nummernschild bleiben. Während die silbernen Aufdrucke unter der Lupe konturenscharf gelesen werden können, zeigen die weißen Anschriften (letzte HU: 21.6.65) ein leichtes Raster. MIBA-Miniaturbahnen 9/2006 Die Front der 64 ist mit vielen separat angesteckten Teilen hervorragend gelungen. Die Bügel über den Lampen bestehen aus Draht. Eine wahre Augenweide sind die beiden Kesselseiten der 64. Sämtliche Aggregate, Leitungen und Stangen wurden separat angesetzt. Lediglich die dünnen Schmierleitungen sind in der Form graviert. Die aufgedruckte Beschriftung (unten) orientiert sich strikt am Vorbild: Wie Fotos zeigen, hatte der „Keks“ von 64 297 eine schwarz gemalte Umrandung, sodass diese beim Bedrucken richtigerweise weggelassen wurde. 21 Die Räder zeigen neben filigranen Speichen auch gut dargestellte Zentrierbohrungen. Während das Gestänge durchweg aus gestanzten Blechteilen besteht (an unserem Muster war tatsächlich die rechte Kuppelstange mit den Schmiergefäßen nach unten montiert!), sind die meisten Teile der Steuerung aus Kunststoff. Rechts der Blick auf den Kohlenkasten. Technik Zur Demontage müssen zunächst die Griffstangen abgenommen werden. Die Befestigungsschraube wurde unter dem pefekt sitzenden Deckel des Speisedoms versteckt. Links: Im Rahmen bietet eine Aussparung der Vorlaufachse mehr Platz zum Ausschwenken. Im Bereich des Stehkessels ist die Schnittstelle untergebracht. Der Decoderraum wurde im Kohlenkasten vorgesehen. Die Beleuchtung erfolgt über gelbe Leuchtdioden. 22 Vor das Besichtigen der Innereien hat der Konstrukteur gewisse Hürden gesetzt: Als Erstes müssen die senkrechten Griffstangen am Führerhaus ausgehängt werden. Die einzige Gehäusebefestigungsschraube liegt im Speisedom, dessen Deckel mit perfekter Passung keinerlei Spalt erkennen lässt. Nun kann der obere Teil von Kessel und Führerhaus abgehoben werden, wobei der Kohlenkastenaufsatz sich nur mit Mühe zwischen den Fensterschirmen durchzwängt. (Tipp zur Montage: beim Wiederaufsetzen zunächst die Rauchkammer in Position drücken, dann erst das Führerhaus.) Ist diese Prozedur bewältigt, wird die Schnittstelle zugänglich. Ein Decoder kann im Kohlenkasten versteckt werden. Der schmale Motor liegt im Kessel. Er wird von einem Metallgewicht gehalten. Sollte hier eine Getriebeschmierung notwendig werden, kann der Motor mit dem Ballastgewicht zusammen herausgenommen werden. Das gutabgestufte Getriebe verhilft dem Modell zu ausgewogenen Laufeigenschaften. Die beiden Haftreifen auf den hinteren Kuppelrädern sorgen für mehr als ausreichende Traktion. Der Nebenbahndienst ist damit problemlos zu bewältigen. Bis auf die Haftreifenachsen tragen alle Räder zur Stromabnahme bei. Die Treibachse hat zudem etwas Höhenspiel; ein Federungseffekt erfolgt über die Stromabnahmebleche, die von oben auf den Spurkränzen schleifen. Die Normschächte werden über eine in die Unterseite der Pufferträger eingelassene Kulisse geführt. Dünne StreMIBA-Miniaturbahnen 9/2006 Der Motor ist an einem Gewichtsblock festgeschraubt, der seinerseits mit zwei Schrauben auf dem Hauptrahmen befestigt ist. Der Antrieb wirkt über das Getriebe auf die hintere Kuppelachse. In Höhe der Wasserkastenunterkante liegt die Verteilerplatine auf dem Rahmen. ben zwischen den Bahnräumern halten die Schächte in der Höhe. Da die Bahnräumer allerdings nur gesteckt sind, könnten bei höheren Belastungen diese Halter aus den Pufferträgern rutschen oder sogar brechen. Die Beleuchtung erfolgt mit gelben LEDs, ein Farbeindruck, der den elektrischen Glühbirnen einer 64 nicht sonderlich entspricht. Da die LED für die Lampen auf dem vorderen Pufferträger sehr weit nach vorn gerückt ist, ist die Lichtausbeute hier kaum schwächer als bei den anderen Lampen. Über einen kleinen Brückenstecker auf der Verteilerplatine kann die Stromversorgung des optionalen Rauchgenerators bei Decoderbetrieb von der Lichtfunktion auf die Funktion F1 umgeklemmt werden. Messwerte BR 64 von Roco Lokgewicht: 200 g Haftreifen: 2 Messergebnisse Zugkraft Ebene: 30 ‰ Steigung: 140 g 138 g Geschwindigkeiten (Lokleerfahrt) Vmax: 130,5 km/h bei 12,0 V VVorbild: 90 km/h bei 8,0 V Vmin: ca. 4,5 km/h bei 1,0 V NEM zulässig: 126 km/h bei 12,0 V Auslauf aus Vmax: aus VVorbild: 255 mm 140 mm Stromaufnahme Leerfahrt: Volllast: Lichtaustritt: 130 mA 420 mA ab 30 km/h bei 3,0 V Schwungscheibe Anzahl: Durchmesser: Länge: unverbindliche Preisempfehlung: MIBA-Miniaturbahnen 9/2006 1 12,9 mm 8,8 mm € 194,– Die Kurzkupplungsschächte werden in der Höhe lediglich von Stegen zwischen den Bahnräumern gehalten. Ob diese filigranen Kunststoffteile auf Dauer den Belastungen (z.B. im rauen Rangierdienst) gewachsen sind, bleibt abzuwarten. Fotos: MK Fazit Roco ist mit dieser 64 ein großer Wurf gelungen. Ihre universelle Einsetzbarkeit als weitverbreitete Nebenbahnlok auf praktisch allen Anlagen, die überreiche Detaillierung des Aufbaus und die ausgezeichneten Fahreigenschaften werden die Freunde dieser Baureihe zu überzeugen wissen. Die hier vorgestellte DB-Version ist dabei nur der Anfang: Beschriftungsvarianten für DRG und DR werden ebenso folgen wie die Formvarianten mit genieteten Wasserkästen bzw. anderen Lampen und Pumpen. Die etwas umständliche Demontage ist verschmerzbar, muss doch ein Decodereinbau nur einmal und eine Motorschmierung nur selten erfolgen. Lediglich die Halterungen der Kupplungsschächte sollten baldmöglichst in stabilem Metall gefertigt werden, damit das Modell auch im täglichen Betriebseinsatz voll überzeugen kann. MK Maßtabelle Baureihe 64 in H0 von Roco Vorbild 1:87 Modell 12 400 11 200 142,52 128,73 142,6 127,8 Höhenmaße über SO Schlotoberkante: Kesselmitte: 4 165 2 700 47,87 31,03 48,0 31,1 Puffermaße Pufferhöhe über SO: Pufferlänge: Puffermittenabstand: 1 025 650 1 750 11,78 7,47 20,11 11,8 7,4 20,1 Breitenmaße Breite Lokkasten: Zylindermittenabstand: 3 050 2 080 35,05 23,90 35,4 28,5 Achsstände Gesamtachsstand: Vorlaufachse zu Kuppelachse 1: Kuppelachse 1 zu Kuppelachse 2: Kuppelachse 2 zu Kuppelachse 3: Kuppelachse 3 zu Nachlaufachse: 9 000 2 700 1 800 1 800 2 700 103,44 31,03 20,68 20,68 31,03 103,4 31,0 20,7 20,7 31,0 Raddurchmesser Laufräder: Treib- und Kuppelräder: 850 1 500 9,77 17,24 9,8 17,3 Speichenzahl Laufräder: Treib- und Kuppelräder: 9 16 Längenmaße Länge über Puffer: Länge über Pufferträger: Radsatzmaße entsprechend NEM Radsatzinnenmaß: Spurkranzhöhe: Spurkranzbreite: Radbreite: – – – – – – NEM,RP25 14,3+0,1 1,2max 0,7-0,9 2,8min 9 16 14,3 1,1 0,8 2,9 23