Ein Turnier - Grundschulmaterial online

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Ein Turnier
Um sich im Gebrauch der Waffen zu üben, veranstalteten die Ritter Kampfspiele, die
Turniere.
Der Kampfplatz und die Kämpfer
Im Jahre 1200 n. Chr. feierte Herzog Bodo die
Verlobung seiner einzigen Tochter Adelheid mit dem
Grafen Hatto von Hohenstein. Um den Tag zu feiern, lud
er die Ritter seines Landes und der umliegenden Länder
zu einem Turnier ein. Von allen Seiten kamen sie herbei.
Auf einer Wiese war die Kampf bahn abgesteckt. Rings
umher stand das Volk in dichten Reihen. An der Ostseite
hatte der Fürst für die vornehmen Zuschauer, beson-ders
für die Damen, ein Gerüst mit Sitz-plätzen aufrichten
lassen.
Jeder
Ritter
hatte
damals
ein
bestimmtes
Familienzeichen, das auf den Schild aufgemalt war, das
Wappen, z. B, einen Löwen oder einen Baum oder einen
Arm mit einem Schwert. Das Wappen war in bestimmten
Farben gehalten, etwa Weiß-Blau oder Grün-Rot. „Das ist
meine Farbe“, pflegte der Ritter zu sagen.
Für den Herzog kämpften drei Ritter. Sie trugen nicht
ihre eigenen Farben, sondern die des Herzogs, Gelb-Rot,
auf ihren Schilden. Auch die Rosshaare der Helmbüsche
waren so gefärbt. Die drei Ritter waren jener Graf Hatto,
ein schlanker, kraftvoller Mann von mittlerer Größe, der
berühmteste Kämpfer seiner Zeit, dann der riesenhafte
Ochsenstirn, so benannt, weil er ein unglaublich starker
Mann und ein Dickkopf obendrein war, und schließlich
Gero der Kurze. An diesem war alles zierlich; aber er
besaß trotzdem großen Mut und war der beste Reiter.
Vor der Kampfbahn standen die Zelte der Ritter. Am
Eingang hatte jeder seinen Schild aufgehängt. Wer mit
einem Ritter kämpfen wollte, ritt heran und berührte den
Schild mit seiner Lanze. Je nachdem er mit stumpfen
oder mit scharfen Waffen streiten wollte, stieß er mit dem
Schaft oder mit der Spitze seiner Lanze daran.
Die leichteren Kämpfe
Fanfarenstöße verkündeten die Ankunft des Herzogs. Er nahm auf der Zuschauerbühne
Platz ; um ihn saßen die vornehmsten Herren mit ihren Damen. Zuerst forderte ein Ritter den
„Kurzen“ zu einem unblutigen Gang heraus. Sie bestiegen ihre Rosse, nahmen den Schild in
die linke Hand und legten die Lanzen unter der rechten Achsel ein. Diese trugen statt des
Eisens einen Holzknopf an ihrer Spitze. Eine Trompete schmetterte, in wildem Galopp
stürmten die Ritter aufeinander los. In der Mitte der Bahn prallten sie zusammen. Beide
hatten gut gezielt. Der Gegner. traf genau auf Geros Brust, die durch den Schild geschützt
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war. Gero jedoch richtete seinen Stoß auf den Helm des anderen. Dieser Angriff war
schwieriger, hatte dafür aber eine viel stärkere Wirkung. Der Gegner taumelte zurück, griff
mit den Händen ins Leere und rollte rückwärts vom Pferd. Groben Schaden hatte er nicht
davongetragen, aber er hinkte doch bedenklich, als ihn seine Diener wegführten. Sein Ross
mitsamt der Rüstung war dem Sieger verfallen.
Ein anderer Ritter forderte Ochsenstirn heraus. Er war ihm an Größe ungefähr gleich. Beide
ritten schwere, dabei aber bewegliche Tiere, etwa wie die heutigen Brauerpferde. Der Boden
dröhnte, als die Riesen aufein-ander losstürmten. Krachend trafen die Lanzen gleichzeitig die
Brust der Gegner und zerbarsten wie dünne Stäbe. Beide Ritter blieben im Sattel, der Kampf
war unentschieden, sie gingen in Freundschaft auseinander.
Graf Hatto stand müßig vor seinem Zelt. An ihn wagte sich niemand heran. Im Volke hieß
er „der Kreuzfahrer“ ; er hatte nämlich einen Kreuz-zug abendländischer Ritter mitgemacht,
durch den das Grab Christi in Jerusalem aus den Händen der Mohammedaner befreit
worden war. Wegen seines Hochmutes war er unbeliebt. Die Leute erzählten sich heimlich,
dass er Bruno, den einzigen Sohn des Herzogs Bodo, auf jenem Zuge erschlagen hätte.
Jedenfalls war Bruno nicht zurückgekehrt. Man wusste auch, dass zwischen den beiden
Männern tödliche Feindschaft geherrscht hatte.
Endlich meldete sich ein Gegner. Für Hatto stand viel auf dem Spiele. Aber er strafte
seinen Ruhm nicht Lügen: Er fing die Lanze des Gegners mit seinem Schild auf und ließ sie
abgleiten, traf ihn selbst aber unter der rechten Schulter und warf ihn aus dem Sattel.
Noch fünf andere Ritter maßen sich mit unseren dreien. Von ihnen brachen zwei ehrenvoll
die Lanzen, die übrigen unterlagen. Nun trat eine lange Pause ein. Der Herzog ließ die
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Trompeten blasen, die Herolde riefen laut zu neuen Taten auf. Aber alles blieb stumm. Der
Fürst wurde missgestimmt, das Volk murrte : Kaum zehn Kämpfe, das war doch kein Fest!
Der schwarze Ritter
Da erschien ein Ritter in schwarzer Rüstung mit geschlossenem Visier (Helmklappe). Ohne
zu zaudern, stieß er mit der scharfen Spitze seiner Lanze an alle drei Schilde. Das
bedeutete: „Kampf auf Leben und Tod.“ Die Leute schrieen wild durcheinander. „Der
Vermessene!“ riefen die meisten. „Der Unselige, der Unglückliche!“ seufzten die Damen,
denen seine stolze Haltung gefiel. Die Männer bewunderten die Sicherheit, mit der er sein
Pferd, einen edlen Araber, lenkte. Sein Schild trug kein Wappen.
Zuerst trat ihm der behände Gero entgegen. Wie der andere zielte auch der schwarze
Ritter auf des Gegners Brust. Im letzten Augenblick jedoch hob er seine Lanze hoch und
rammte dessen Helm. Auf diesen Stoß war Gero nicht gefasst. Er wurde vom Pferd
geschleudert und blieb bewusstlos liegen.
Nun schwang sich Ochsenstirn auf sein Ross. Bedächtig trabte der schwere Belgier;
schnell wie ein Pfeil flog der arabische Schimmel heran. Die Lanzen zersplitterten, beide
Ritter behaupteten sich im Sattel. Sogleich griffen sie zur Hiebwaffe. Der „Schwarze“ zückte
ein schmales Schwert, Ochsenstirn einen „,Morgenstern“, eine Eisenkugel, die mit spitzen
Zacken versehen war und auf einem ziemlich langen Schaft saß. Mancher Hieb traf
Ochsenstirns Haupt. Aber der feste Helm schützte ihn. Er selbst konnte jedoch seinen
Streitkolben nicht anbringen; denn dank der Wendigkeit des Pferdes und der eigenen
Reitkunst wich der „Schwarze“ immer aus.
Als dieser einmal gerade in Reichweite der Keule war, hob sich Ochsenstirn steil in den
Bügeln und holte zu einem vernichtenden Schlag aus. Der schwarze Ritter hielt still, wie
gebannt. Das Volk schrie angstvoll auf. War er müde? Konnte sein Ross nicht mehr weiter?
Plötzlich jedoch machte der Araber einen gewaltigen Satz nach vorn. Ochsenstirns
gewaltiger Hieb traf ins Leere. Diesen Augenblick nutzte der „Schwarze“ aus und stieß
seinem Gegner das Schwert in die Seite.
Kaum war der sterbende Kämpfer vom Platz getragen, da sprengte wutschnaubend Graf
Hatto heran. Beide Krieger verschmähten die Lanzen. Die Schwerter klirrten und prasselten
wie Hagelschlag. Die Funken stoben. Es war schwer zu sagen, wer der Bessere war. Der
schwarze Ritter war aber durch die vorhergehenden Kämpfe etwas ermattet. Sein Pferd
wurde langsam. Es war unrecht, ihn in diesem Zustand anzugreifen. Das Volk war
ungehalten, als Hatto nicht nachließ. Die Männer johlten und pfiffen ; die Buben warfen mit
Steinen nach Hattos Pferd.
Dieser aber dachte nicht daran, seinen Vorteil aufzugeben. Eben war des „Schwarzen“
Ross gestolpert. Nur mit Mühe hatte er es in die Höhe gerissen. Jetzt stand das brave Tier,
schaumbedeckt und zitternd. Diese Schwäche des Gegners benutzte Hatto. Er umritt ihn und
stürmte mit geschwungenem Schwert von hinten gegen ihn an. Den Zuschauern stockte der
Atem. Der Schwarze schien verloren.
Da geschah etwas ganz Außerordentliches. Im Gefolge des Herzogs befand sich sein
Hofnarr Gecko. Er hatte ein Gewand an, das aus lauter bunten Lappen zusammengeflickt
war. Den Kopf zierte eine Kappe mit kleinen Schellen. In der Hand trug er einen Stab. An
dessen Spitze schaukelten luftgefüllte Schweinsblasen. Zum Überfluss hatte er in jede
einzelne noch eine Handvoll trockener Erbsen eingebunden. Wie es kam, wusste keiner zu
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sagen. Genug, er stand plötzlich vor Hattos Pferd und klatschte mit seiner merkwürdigen
Waffe auf den Boden. Bei dem knallenden Schlag scheute das Tier. Es stieg steil hoch und
warf den Reiter ab. Lauter Jubel dankte dem klugen Narren. Hatto hatte seinen rechten Arm
gebrochen und die Schulter verrenkt. Er musste den Kampf aufgeben.
Das Siegesfest
Jetzt ließ der Herzog den“ Schwarzen“ vor sich rufen und forderte ihn auf, seinen Helm
abzunehmen. Wer war der Unbekannte?
Des Herzogs verschollener Sohn! Er hatte nicht bloß um die Ehre, sondern auch um sein
Erbe gekämpft. Überglücklich küsste ihn der Vater auf Augen und Wangen. Dann lud er alle
Anwesenden zu froher Feier ein.
Für die Vornehmen waren in
einem Zelt lange Tafeln aufgestellt.
Das Volk schmauste im Freien.
Zehn Köche brieten um die Wette
Schweine und Enten und Hühner.
Außerdem gab es ein erlesenes
Schaustück : Auf einem hohen
Gestell drehte sich ein Bratspieß,
lang
und
dick
wie
eine
Wagendeichsel. An dem stak ein
ganzer Ochse. In seinem Bauch
barg er ein Schwein, das
seinerseits eine fette Gans in sich
trug. Darunter flackerte ein lustiges
Feuer. Drei Küchenjungen drehten
den Spieß und gossen Fett über
den
Braten.
Aus
einem
Springbrunnen spendeten zwei
Röhren weißen und roten Wein.
Jeder konnte schöpfen, soviel er
Lust hatte.
Der besiegte Graf Hatto wollte
sich heimlich davonschleichen.
Bruno, der Zurückgekehrte, aber
rief: „Haltet ihn fest! Er hat mich
verraten und an die Ungläubigen
als Sklaven verkauft.“ Als das Volk
das hörte, wollte es Hatto in
Stücke reißen. Aber der Herzog
ließ Milde walten. Er verbannte den Verräter mit Schimpf aus dem Lande. Niemand war
froher als Adelheid, seine bisherige Braut. Sie hatte den hochfahrenden Menschen nie
gemocht. Nun durfte sie ihr Herz einem Kampfgenossen ihres Bruders schenken, dem sie
schon vor langer Zeit Liebe und Treue geschworen hatte. Noch zwei Tage dauerte das Fest.
Dann kehrten die Ritter auf ihre heimatlichen Burgen zurück.
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