„Rückenschmerzen hatte ich im Büro und nicht in der Pflege.“

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„Rückenschmerzen hatte ich im Büro und nicht in der Pflege.“
„Rückenschmerzen hatte ich im Büro und nicht in der Pflege.“ Anja Müller, 43 Jahre. Ausbildung zur Altenpflegerin in unserer Kurzzeitpflege Revitalis. Frage: In welchem Lehrjahr bist Du? A. Müller: „Ich bin im dritten Ausbildungsjahr, und im Mai nächsten Jahres mache ich mein Examen.“ Frage: Warum hast Du Dich für die Altenpflege entschieden? A. Müller: „ Zur Altenpflege kam ich durch die Nachbarschaftshilfe –vorher hatte ich als Bürokauffrau gearbeitet. Die Arbeit mit älteren Menschen hat mir so gut gefallen, dass ich einen Schwesternhelferkurs besucht habe und ein vierwöchiges Praktikum bei Revitalis machte. Nach dem Praktikum wurde ich von Revitalis als Altenpflegehelferin übernommen. Das war 2008, 2010 habe ich mich dann um einen Ausbildungsplatz beworben.“ Frage: War es schwer für Dich, einen Ausbildungsplatz zu finden? A. Müller: „Nein, das war nicht problematisch‐ musste aber im Vorfeld gut besprochen werden. Die Schule absolviere ich bei der Bremer Heimstiftung in Bremen‐ Nord. Und bei den Paritätischen Pflegediensten kann ich in der Kurzzeitpflege weiterarbeiten.“ 1 Frage: Was ist für Dich das Besondere an einer Kurzzeitpflege? Was ist hier anders? A. Müller: „Man hat immer wieder mit neuen Gästen zu tun, erlebt verschiedene Persönlichkeiten und Krankheiten. Jeder ist individuell, und man muss sich immer wieder neu auf die Gäste einstellen.“ Frage: Wie sieht Dein Arbeitsalltag hier aus? A. Müller: „Das hängt davon ab, ob ich Früh‐ oder Spätdienst habe. Die Arbeit beginnt immer mit einer Übergabe, damit man weiß, wer neu aufgenommen wurde und wie der Gesundheitszustand der Gäste ist. Im Verlauf des Dienstes helfen wir dann bei der Körperpflege, mobilisieren die Gäste, stellen und verabreichen die Medikamente, messen die Vitalwerte, tauschen Verbände aus. Wichtig ist auch die Hilfestellung bei den Mahlzeiten, manche Gäste essen im Gemeinschaftsraum und andere in ihrem Zimmer. Außerdem sind die Ärzte oft auf der Station, da muss man helfen und Auskunft geben. Auch mit den Angehörigen sind wir viel im Gespräch. Wenn Neuaufnahmen kommen, ist viel zu tun. Die Gäste müssen uns und die Station kennenlernen, und wir müssen einige Daten erheben.“ Frage: Wie kommst Du mit den körperlichen Anforderungen dieses Berufes zurecht? A. Müller: „Klar ist der Beruf anstrengend. Aber wir erhalten in der Ausbildung wichtige Tipps zur rückengerechten Arbeit. Wir arbeiten zum Beispiel nach kinästhetischen Grundsätzen. Als ich früher im Büro gearbeitet habe, hatte ich Rückenschmerzen. Heute nicht.“ Frage: Und die Dokumentationsarbeit? A. Müller: „Die Dokumentation nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Alles, was rund um den Gast passiert, muss festgehalten werden. Wir machen ja auch Pflegeplanungen, dafür brauchen wir diese Regelmäßigkeit. Sonst kann man keine Veränderungen oder Verläufe erkennen. 2 Allerdings würde ich mir wünschen, dass der MDK nicht solche strengen Vorgaben machen würde und wir Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die Gäste hätten. Denn was nützt eine gute Dokumentation, wenn viel Zeit dabei verloren geht und der Gast, während ich dokumentiere, alleine in seinem Zimmer sitzt? Ich würde mir wünschen, dass der Aufwand für die Dokumentation in Zukunft weniger Zeit in Anspruch nimmt.“ Frage: Bei der Krankenhausentlassung und der Verlegung zu uns gibt es immer mal wieder Probleme. Hast Du eine Idee? A. Müller: „Diese Situation finde ich oft anstrengend. Warum ist es im Krankenhaus nicht möglich, den Patienten für drei Tage die Medikation mit Verordnungsplan und eventuell benötigte Vorlagen mitzugeben? Wir müssen dann sehr aufwändig den Arzt kontaktieren, damit er die Dinge rezeptiert. Und die Sachen müssen dann ja auch noch zu uns gelangen. Das ist vor allem am Freitag ein Problem.“ Frage: Hast Du das Gefühl, dass Du Dein Wissen aus der Schule hier bei uns gut einbringen kannst? A. Müller: „Ja, das Team ist offen für Neues und unterstützt mich, wenn ich Dinge neu ausprobieren möchte oder zum ersten Mal mache. Das ist sehr gut.“ Frage: Fällt Dir etwas ein, was unsere Gäste immer wieder besonders brauchen? A. Müller: „Viele ältere Menschen, die zu uns kommen um sich zu erholen, sind sehr einsam. Ihre Partner und Freunde sind mittlerweile verstorben oder sind in einem Pflegeheim. Oft haben unsere Gäste keine Kinder oder keinen guten Kontakt zu ihnen. Wir als Pflegekräfte sind dann für die Zeit die einzigen Bezugspersonen und müssen dann sehr einfühlsam sein und die richtigen Schritte einleiten: Wie soll es z.B. nach der Kurzzeitpflege weitergehen, muss eine Pflege für zu Hause organisiert werden und so weiter.“ 3 Frage: Was magst Du besonders an Deiner Ausbildung? Was ist nicht so gut? A. Müller: „Ich fand es gut, dass wir im 2. Ausbildungsjahr in vielen verschiedenen Einrichtungen unterwegs waren. Dadurch habe ich einen guten Überblick bekommen, in welchen Bereichen man später arbeiten kann. Ich habe vorher nicht gewusst, dass es so viele verschiedene Bereiche gibt. Besonders interessiert hat mich die Arbeit mit psychisch kranken Menschen. Nicht so gut finde ich, dass man in der Schule sehr viel zur Biographiearbeit lernt, die ich auch sehr wichtig finde. In der Praxis kann man das so umfangreich aber gar nicht umsetzen.“ Frage: Weißt Du schon, wo Du später einmal arbeiten möchtest? A. Müller: „Erst mal möchte ich hier bei Revitalis bleiben. Ich interessiere mich aber auch für gerontopsychiatrische Einrichtungen oder eine Tagespflege für Menschen mit Demenz.“ Frage: Welche Fähigkeiten und Talente sind für Deinen Beruf aus Deiner Sicht besonders wichtig? A. Müller: „Ganz sicher braucht man Empathie. Außerdem sollte man keine Scheu vor dem Umgang mit Menschen haben, da man ihnen in diesem Beruf körperlich sehr nah kommt. Die Bereitschaft zum Schichtdienst ist ebenfalls wichtig.“ Frage: Wie beurteilen Deine Familie und Deine Freunde Deine Berufswahl? A. Müller: „Mein Umfeld hat es toll gefunden, dass ich nochmal was Neues erlerne und unterstützen mich dabei.“ Frage: „Wenn Du Dir etwas wünschen könntest – wie würdest Du den Beruf der Altenpflegerin verändern? A. Müller: „Weniger Dokumentation wäre mir wichtig. Außerdem sollten die Pflegeeinrichtungen mehr Geld erhalten, damit sie mehr Personal einstellen können. So bleibt mehr Zeit für die Gäste.“ 4 

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