Weitere Informationen zum Honda S 800

Transcription

Weitere Informationen zum Honda S 800
ZeitHaus
Automobile Klassiker
Honda S 800 – der erste Japaner in Deutschland 1965-1970
Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies
ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren:
Automobile, die Maßstäbe definierten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei
es technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Der Honda
S 800 gehört zweifellos zu diesem elitären Kreis – dies nicht allein wegen seiner
Hochleistungs-Motorentechnik. 1967 war er vielmehr auch das erste offiziell aus Japan
nach Deutschland importierte Automodell.
Dieses Motorengeräusch ist
unverwechselbar. Als der kleine Honda S 800 vor über 40
Jahren erstmals auf deutschen Straßen aufkreuzte, da
blieben die Passanten stehen:
Sie blickten der SportwagenMiniatur kopfschüttelnd hinterher und mahnten dessen
Fahrer in Gedanken „… schalten!! Mensch – schalte doch endlich hoch!!!“ Doch der dachte üblicherweise nicht daran,
schon bei bürgerlichen Drehzahlen, bei 4.000 oder 5.000/min, den nächsten Gang
einzulegen. Bei diesen Drehzahlen fängt der Spaß mit dem S 800 gerade erst richtig an:
6.000, 7.000, 8.000 – ganz Mutige drehten den Vierzylinder gar bis 9.000/min, ohne an
dessen Grenzen zu stoßen. Auch Honda verkündete offiziell und frohen Mutes: „… bei
forcierter Gangart sind 10.000/min kein Problem.“ Bei derartigen „Drehorgien“ tönt der
japanische Sportmotor wie eine Hornisse im Angriffs-Modus, singt immer höher, schrill,
metallisch – unverwechselbar eben, in der Tonalität eher einem Rennmotorrad ähnlich,
denn einem Automobil.
Diese spezielle S-800Charakteristik
nicht
von
kommt
ungefähr.
Schließlich waren es von
Anfang an Motorräder,
die
Firmengründer
Soichiro
Honda
Wohlstand
verhalfen
und
–
und
zu
Ruhm
das
innerhalb kurzer Zeit. Erst
1945 unter der Bezeichnung Honda Motor Company Ltd. gegründet, entwickelte sich das Unternehmen in den
50er Jahren des vorigen Jahrhunderts zum führenden Motorrad-Produzenten Japans. Bis
zum Ende jenes Jahrzehnts wurde es in Ablösung der deutschen Zweirad-Hersteller gar
zur weltweiten Nummer 1. Nach dem Vorbild von DKW und NSU engagierte sich Honda
auch im Motorsport. Nach Lehrjahren kam 1961 der Durchbruch, als bei der legendären
Tourist Trophy auf der Isle of Man die jeweils ersten fünf Fahrer der Klassen bis 125 ccm
und bis 250 ccm Honda fuhren, darunter ein gewisser Mike Hailwood. Im Folgejahr
holten sich die Honda-Fahrer Jim Redman und Luigi Taveri Weltmeistertitel – und
machten damit sich und ihre Marke unsterblich.
Das erste Honda-Automobil, ein 1963 in zwei Hubraum-Varianten vorgestellter kleiner
Sportwagen namens S 360 und S 500, nahm in den Motor- und KraftübertragungsTechnologien Anleihen bei den Motorrädern des Hauses: Die kleinen AluminiumVierzylinder mit nur 90 bzw. 133 ccm großen „Kleinmotorrad“-Zylindern krönen jeweils
zwei oben liegende Nockenwellen. Die Brennräume sind halbkugelförmig gestaltet, die
Kurbelwelle ist nadelgelagert. Wie bei japanischen Rennmotorrädern üblich speist jeden
Zylinder ein separater Keihin-Vergaser – und wie bei den Honda-Motorrädern
übernehmen links und rechts gekapselte Gliederketten die Kraftübertragung auf die
Hinterräder.
So unkonventionell Motor und Kraftübertragung, so konventionell der Rest des kleinen
Roadsters: Die zweisitzige Karosserie lagert auf einem Kastenrahmen mit Traversen, die
vorderen, einzeln an Querlenkern aufgehängten Räder sind drehstabgefedert. Die
Hinterräder tanzen an Schraubenfedern, wobei die Kettenkästen zugleich die Funktion
von Längsschwingen übernehmen, an denen die Antriebsräder angedockt sind.
Während der S 360
nicht
in
Serienferti-
gung ging, wurde der
S 500 mit 531 ccm bis
1964 in kleinen Stückzahlen
verkauft.
dessen
Erst
Nachfolger
S 600, nun sowohl als
Mini-Roadster, als auch
als Mini-Coupé lieferbar,
kam
auf
nennenswerte
zahl:
Knapp
eine
Stücküber
13.000 Exemplare fanden – überwiegend auf
dem japanischen Markt
– Käufer. Darunter war
auch ein Porsche-Mittelsmann, der den Westentaschen-Sportler nach Deutschland
verschiffte, damit er bei Porsche in Stuttgart seziert werden konnte. Erkenntnisse aus
diesem Unterfangen mögen in die Weiterentwicklung des 911-Sechszylinders geflossen
sein, insbesondere das Drehvermögen des Motors betreffend. Ein damals maßgeblicher
Porsche-Entwicklungsingenieur erinnert sich jedenfalls noch heute mit respektvoll
hochgezogenen Augenbrauen an den Vierzylinder des kleinen Japaners – und mit
Amüsement an dessen eigenwillige Kraftübertragung durch Ketten.
Dass diese Art des Kraftflusses bei Automobilen nicht der Weisheit letzter Schluss sein
könne, erkannten indessen auch die Honda-Ingenieure: Ihr Ende 1965 anlässlich der
Tokio Motor Show präsentierter S 800 sieht dem S 600 zwar äußerlich zum Verwechseln
ähnlich. Sein Vierganggetriebe ist jedoch via Kardanwelle mit einem konventionellen
Differenzial an der nun starren, aber gleichfalls schraubengefederten Hinterachse
verbunden – die Ketten-Mechanik entfiel. Damit schien der modifizierte Honda-Erstling
den Tokioter Exportmanagern gerüstet, um als erster Honda ab 1967 auch ganz offiziell
nach Deutschland exportiert zu werden. Ins Mutterland des Automobils gelangte der
S 800 über eine eigens in Hamburg gegründete Vertriebsfirma. Der Japaner konkurrierte
lediglich kurzfristig mit einem deutschen Automobil vergleichbarer Größe – und ähnlich
Revolutionärem unter der Motorhaube: nämlich mit dem 1964 eingeführten und bis Juli
1967 gebauten NSU Wankel-Spider. Verkauft wurde der NSU allerdings noch bis Ende
1968.
Alle
anderen
Honda
Konkurrenten
des
gleichfalls
über
kamen
Importeure zum deutschen Käufer –
aus England das Duo Austin-Healey
Sprite/MG Midget sowie der Triumph
Spitfire, aus Italien der Fiat 850
Spider.
Diesen
gemeinsam,
dass
Zweisitzern
sie
von
ist
schon
damals in die Jahre gekommenen
Stoßstangenmotoren
werden.
Deshalb
beschleunigt
entwickeln
sie
entweder deutlich weniger Leistung
als der Honda (Fiat mit 49 PS), oder
aber sie müssen einen guten halben
Liter mehr Hubraum bereit halten, um
dem S 800 Paroli bieten zu können. So
quetscht der S 800 aus nur 791 ccm
Volumen stolze 67 PS, dies nicht etwa
bei 7.500 oder 7.600/min, sondern
bei exakt 7.570/min – Literleistung:
knapp 85 PS. Die Engländer wiederum schöpfen ihre 75 PS (Spitfire Mk.III) bzw. 65 PS
(Sprite Mk.IV) aus jeweils knapp 1,3 Liter Hubraum.
Hightech kontra Klassik – so
hieß denn auch der Wettbewerb unter den kleinen
Sportwagen jener Ära. Bei
diesem Ringen siegte der
Hightech-Honda stets in den
Tests faszinierter Fachjournalisten – die Briten-Klassiker
setzten sich hingegen an der
Front der offensichtlich bodenständigeren
Roadster-
Käufer durch. In rund fünf Jahren trauten sich weltweit nur gut 11.500 Wagemutige an
den Honda S 800. Im Gegensatz dazu animierten von Anfang der 60er Jahre bis Ende der
70er Jahre nicht weniger als rund 240.000 Spitfire bzw. knapp 280.000 kleine MG und
Austin-Healey „Männer (und manchmal auch Frauen), die Pfeife rauchen“ – wie ein
geflügeltes Wort der damaligen Zeit hartgesottene Sportwagenfahrer beschreibt.
Reduziert auf die relativ kurze S-800-Bauzeit übertraf beispielsweise der Triumph die
Produktionszahl des Honda um etwa das Sechsfache.
Das – in Europa – anfangs sehr
dünne
Honda-Servicenetz war
sicherlich
ein
Grund
Kaufzurückhaltung.
für
die
Womöglich
herrschte aber auch Misstrauen
einer Motoren-Technik gegenüber, die in den 60er Jahren des
vorigen Jahrhunderts vielen allzu
exotisch und nicht von dieser
Welt schien. Zweifel an der Haltbarkeit eines Triebwerks, dessen
roter Bereich auf dem bis 11.000
Touren
zählenden
Drehzahl-
messer erst bei 8.500/min beginnt, waren unter Zeitgenossen
die Regel. Wer den Kauf dennoch
wagte, den beglückte der kleine Japaner mit einer Zuverlässigkeit und Robustheit, die
Leid gewohnten Enthusiasten britischer Mobilität völlig fremd war.
Noch heute wirkt ein
gut
restaurierter
regelmäßig
und
gewarteter
S 800, wie es das rote
ZeitHaus-Coupé ist, überraschend alltagstauglich –
lediglich das Einsteigen in
das Fahrzeug erfordert
etwas Gelenkigkeit. Doch
sitzt man erst einmal drin
im knapp dimensionierten, nur 3.335 Millimeter langen und 1.400 Millimeter breiten Gehäuse, fühlt man sich
bemerkenswert bequem untergebracht. Die Schalenform der kleinen Sessel, der
Kardantunnel und die Türchen fixieren die beiden Insassen unverrückbar. Das hübsche
Sportlenkrad mit Holzkranz lässt sich mit etwas angewinkelten Armen prima ergreifen
und der extrem kurze Mittelschalthebel liegt perfekt zur rechten Hand.
Wer bei 85 PS Literleistung
zickiges Gebaren des Motors
beim
Startversuch
erwartet,
der wird schon beim Drehen
des Zündschlüssels überrascht:
Ohne Umschweife zündet das
Triebwerk dank
elektrischer
Benzinpumpe und verfällt augenblicklich in einen fast makellosen Leerlauf. Ein wenig
Spiel mit dem Gaspedal, bis
sich
die
vier
Keihin-Seiki-
Vergaser sortiert haben, erhöht die Vorfreude. Schon im
Stand
und
bei
1.000,
2.000/min bietet der Hochleistungsmotor eine faszinierende Geräuschkulisse, ganz ähnlich der eines hochkarätigen Motorrads. Natürlich darf man in Sachen Elastizität dieses Motors keine
Wunder erwarten: Unterhalb 4.000/min tut sich relativ wenig, doch immerhin zieht er
sauber und ohne Verschlucken aus dem Drehzahlkeller, um ab etwa 5.000/min
erstaunlichen Schub zu entwickeln.
Es erfordert zunächst Überwindung, um die Nadel des Drehzahlmessers bis 7.000/min
wandern zu lassen. Und man traut sich erst nach einiger S-800-Praxis, den grünen
Bereich bis 8.500/min auszuloten – oder gar den Hersteller beim Wort zu nehmen und
die dreifach nadelgelagerte Kurbelwelle auch einmal 9.000 oder gar 10.000 Mal pro
Minute rotieren zu lassen. Doch erst dann, wenn enthemmt, vermag man die Qualitäten
dieser
kleinen
„Drehorgel“
völlig
auszukosten:
dieses
faszinierende,
dem
hochfrequenten Singen heutiger Rennmotoren durchaus ähnliche Geräusch – und die
entsetzten Minen mancher Passanten, die dich aufzufordern scheinen: „… schalten!!!
Mensch – schalte doch endlich hoch!!!“
Hersteller: Honda Motor Co. Ltd. / Baujahr 1970
Meilenstein Honda S 800
Warum Meilenstein?
Der kleine Honda-Sportler war
1967 das erste offiziell nach
Deutschland
Automobil
exportierte
eines
japanischen
Herstellers – und damit Vorhut
der
japanischen
Offensive
in
Europa.
ExportAuch
motortechnisch verkörpert der
S 800 einen Meilenstein: Rund 85 PS Literleistung und ein Drehvermögen von bis zu
10.000/min waren in den 60ern noch reinrassigen Rennmotoren vorbehalten – und
Motorrädern.
Wann entstanden?
Als Nachfolger des äußerlich gleichartigen, im Hubraum noch zierlicheren und seit 1964
gebauten Honda S 600 gab der S 800 in Japan Ende 1965 sein Debüt. Er wurde von
Anfang 1966 bis 1970 produziert. In dieser Zeit entstanden 11.523 S 800 Coupés und
Roadster.
Wie erfolgreich?
Das erste Automobil des größten Motorrad-Produzenten der Welt war mit 13.084
(S 600) bzw. 11.523 (S 800) Exemplaren ein eher bescheidener Verkaufserfolg. Zum
Vergleich: Konkurrent Triumph verkaufte zwischen 1966 und 1970 gegenüber dem
S 800 knapp sechsmal so viele Spitfire.
Welche Wirkung?
In Deutschland prägte der S 800 als Erster das eher sportliche Image seines Herstellers. Wegen ihrer MotorenHochtechnologie waren die Modelle S 600/S 800
beliebte Studienobjekte europäischer Motorenbauer:
Auch Porsche orderte Mitte der 60er Jahre einen S 600
direkt in Japan.
Welche Daten?
Reihen-Vierzylinder mit zwei oben liegenden Nockenwellen und nadelgelagerter Kurbelwelle, 791 ccm, 49
KW/67 PS, hinten Starrachse mit Schraubenfedern, vorn
Einzelradaufhängung mit Drehstabfederung; Höchstgeschwindigkeit 160 km/h; damaliger Neupreis (Coupé und Roadster): 7.750 DM.
Weitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de
oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected]
Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Anzeigen- oder Prospekt-Motiven handelt es sich um
zeitgenössische Dokumente