Steuersache Praxisfahrzeug: Wann lohnt sich welche Variante?
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Steuersache Praxisfahrzeug: Wann lohnt sich welche Variante?
P R A X I S S E I T E N l Report © Fotolia Steuersache Praxisfahrzeug: Wann lohnt sich welche Variante? Eine der häufigsten Fragen vieler Selbstständiger an den Steuerberater ist die Frage nach einem Geschäftswagen: Soll ich den Pkw privat anschaffen oder über die Praxis kaufen? Ohne einen Taschenrechner lässt sich die Frage kaum beantworten. . Was Steuerlaien oft nicht wissen: Die Wahl zwischen den beiden Alternativen ist in vielen Fällen gar nicht gegeben. Entscheidend ist, in welchem Verhältnis das Fahrzeug für private und berufliche Zwecke genutzt wird. Wird das Fahrzeug zu weniger als 10 Prozent für die Geschäftstätigkeit genutzt, ist eine Zuordnung zur Praxis nicht möglich. Das Fahrzeug wird zwingend als Privatvermögen behandelt. Ebenso ist ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder laufenden Kosten nicht möglich. Bei einem Privat-Pkw sind alle laufenden und Anschaffungskosten zunächst private Ausgaben. Die Dienstfahrten sind einzeln aufzuschreiben und können dann entweder pauschal mit 30 Cent je gefahrenen Kilometer oder mit dem festgestellten Anteil an den Gesamtkosten des Fahrzeugs abgesetzt werden. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden ebenfalls mit 30 Cent je Entfernungskilometer abgerechnet. Anders sieht es aus bei einer Nutzung des Fahrzeugs von 10 bis 50 Prozent für die Geschäftstätigkeit: Hier besteht ein Wahl- 436 recht. Der Praxisinhaber kann den Pkw dem Privatvermögen zuordnen, dann erfolgt eine Abrechnung der Praxiskilometer mit jeweils 30 Cent. Bei einer Zuordnung zur Praxis werden die Kosten im Verhältnis Praxis/Privat aufgeteilt – hier lohnt es sich, die Varianten auszurechnen. Auch ist es möglich, bei diesem Nutzungsanteil die Vorsteuer für den Pkw geltend zu machen, um die anfangsinvestition zu mindern. Wird ein Fahrzeug zu mehr als 50 Prozent für die Geschäftstätigkei genutzt, so wird das Fahrzeug zwingend der Praxis zugeordnet – es gehört also zum Betriebsvermögen. Das bedeutet: Alle Ausgaben für das Auto (Abschreibung auf den Kaufpreis, Sprit, Versicherung, Reparaturen, Steuern, Parkgebühren, Waschanlage usw.) sind Betriebsausgaben. Im Gegenzug müssen die auf die private Nutzung entfallenden Kosten aber als Betriebseinnahme verbucht werden. Werden mit dem Fahrzeug auch private Fahrten durchgeführt, so werden diese steuerlich berücksichtigt: entweder mit der sogenannten Ein-Prozent-Regelung oder durch Kostenaufteilung mithilfe eines Fahrtenbuchs. De r P ra kt i sche T i e ra rz t 92, He ft 5 ( 20 11 ) Alternativ lässt das Finanzministerium zu diesem Zweck aber auch „formlose Aufzeichnungen über einen repräsentativen zusammenhängenden Zeitraum“ zu. Wer also einmal über drei Monate hinweg die beruflichen Fahrten (mit Anlass und der jeweils zurückgelegten Strecke) und die Gesamtzahl der in diesem Zeitraum gefahrenen Kilometer aufschreibt und dabei auf einen beruflichen Anteil von mehr als 50 Prozent kommt, darf von diesem Zeitpunkt an ohne weitere Nachweise die Ein-Prozent-Regel anwenden – so lange, bis sich die Tätigkeit wesentlich ändert oder bis zu einem Wechsel des Fahrzeugs. Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen bei dieser Berechnung als berufliche Fahrten. Bei wem die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie Familienheimfahrten mehr als 50 Prozent der Jahreskilometerleistung ausmachen, der kann sich jeden Nachweis sparen. Die Finanzämter versprechen, in diesem Fall die überwiegend berufliche Nutzung auch so zu glauben. Statt dieser Methode kann der Geschäftswagen-Nutzer auch ein Fahrtenbuch führen. Wichtig ist bei der Nutzung des Dienstwagens für Privatfahrten, dass für die Besteuerung des geldwerten Vorteils die Entscheidung immer für ein ganzes Kalenderjahr gilt. Sofern die Wahl auf das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches fällt, ist das Fahrtenbuch zeitnah und damit bereits ab Jahresbeginn zu führen. Eine rückwirkende Korrektur ist nicht zulässig. Mit einem Fahrtenbuch lässt sich der private Nutzungsanteil exakt feststellen und dann mit dem entsprechenden Anteil an den Gesamtkosten ansetzen. In einem solchen Fahrtenbuch muss jede Privatfahrt mit dem Kilometerstand, jede Dienstfahrt mit Zeitangaben und dem Kilometerstand am Ende, dem Reiseziel und gegebenenfalls der Fahrtroute sowie dem Reisezweck bzw. dem besuchten Kunden oder Gesprächspartner aufgeführt werden. Das Fahrtenbuch muss fortlaufend geführt, also nach Ende jeder Fahrt mit dem erreichten Gesamtkilometerstand ausgefüllt werden, und zudem eine „ordentliche und damit im Wesentliche auch übersichtliche äußere Form“ aufweisen. Trotz aller oft aufwendig erscheinenden Vorschriften empfiehlt es sich in der Regel, ein Fahrtenbuch zu führen. Zum einen ist der Nachweis der überwiegend beruflichen Nutzung dann hieb- und stichfest. Daneben wird das Fahrtenbuch (und zwar kein nachträglich erfundenes) in dem Fall benötigt, wenn die 50-Prozent-Nutzung nicht erreicht wird. Obendrein kann sich der Selbstständige dann bis zur Steuererklärung Zeit lassen, um zu entscheiden, welche Berechnungsmethode die günstigere ist. Und das jedes Jahr aufs Neue. Wer das Auto nicht überwiegend betrieblich genutzt hat (also die Ein-Prozent-Regel nicht anwenden darf) und auch kein Fahrtenbuch geführt hat, bei dem werden die Kfz-Kosten nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Eine Schätzung des Privatanteils, wie sie vor Jahren einmal erlaubt war, ist schon länger nicht mehr zulässig. Private Nutzung eines Geschäftswagens Welche Anforderungen an ein Fahrtenbuch gelten Die Ein-Prozent-Regelung, auch Pauschalwertmethode genannt, legt fest, dass monatlich ein Prozent des vom Kfz-Hersteller angegebenen Bruttolistenpreises als Privatanteil zu versteuern ist. Als Listenpreis gilt der offizielle Neupreis inkl. Mehrwertsteuer; Rabatte und andere Nachlässe dürfen nicht abgezogen werden. Der Bruttolistenpreis gilt übrigens auch beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs. Mittlerweile gibt es für die Anwendung des Bruttolistenpreises jedoch ein anhängiges Verfahren, das die Berücksichtigung üblicher Rabatte in die Berechnung des Bruttolistenneupreises einbezieht. Hier lohnt es sich, mit dem Steuerberater eine Strategie zu besprechen. Monate, in denen man das Auto nachweislich nicht privat nutzen konnte, werden nicht berücksichtigt. Wer also zum Beispiel einen vollen Kalendermonat ohne Auto verreist, im Krankenhaus oder mit gebrochenem Bein fahrunfähig war, braucht für diesen Monat auch keine Privatnutzung anzusetzen. Allerdings will das Finanzamt dafür Nachweise sehen – zum Beispiel Flugtickets, Bahnfahrkarten oder ärztliche Bescheinigungen. Im Grundsatz sind alle beruflich bedingten Pkw-Kosten Betriebsausgaben – die Kosten für ein ausschließlich beruflich genutztes Fahrzeug können demnach in voller Höhe abgesetzt werden. Das akzeptieren die Finanzämter in der Regel aber allenfalls bei Selbstständigen, die neben dem Dienstwagen noch über ein zweites (gleichwertiges) Auto für Privatfahrten verfügen. Doch sogar in diesem Fall verlangen sie manchmal noch weitergehende Beweise wie zum Beispiel ein Fahrtenbuch. Bei Unternehmern, die mehrere Dienstwagen haben, ist nach der neuesten Rechtslage für jedes Fahrzeug die Ein-Prozent-Regelung anzuwenden – unabhängig weiterer zum Unternehmen gehörender Personen. Betroffen sind unter anderem Einzelunternehmer und Freiberufler für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2009 beginnen. Ein Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Es muss die Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben (BFH-Urteil vom 9. November 2005, BStBl II 2006, S. 408). Das Fahrtenbuch muss mindestens folgende Angaben enthalten: Datum und Kilometerstand zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblich/beruflich veranlassten Fahrt, Reiseziel, Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner. Wird ein Umweg gefahren, ist dieser aufzuzeichnen. Auf einzelne dieser Angaben kann verzichtet werden, soweit wegen der besonderen Umstände im Einzelfall die betriebliche/berufliche Veranlassung der Fahrten und der Umfang der Privatfahrten ausreichend dargelegt sind und Überprüfungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigt werden. ,, Die Qual der Wahl: Ein-Prozent-Regelung oder lieber doch ein Fahrtenbuch? Während der Selbstständige bis zum Steuerjahr 2005 zwischen Fahrtenbuch und Ein-Prozent-Regel frei wählen konnte, erlauben die Finanzämter seit dem 1. Januar 2006 die Anwendung der EinProzent-Regel nur noch, wenn das Auto zu mehr als 50 Prozent beruflich genutzt wird. Und diesen Nutzungsanteil will das Finanzamt „glaubhaft“ gemacht haben. Zwar verlangt es dazu noch kein Fahrtenbuch, aber doch „geeignete Unterlagen“. Das können laut einem Schreiben vom Bundesfinanzministerium vom Juli 2006 sein: – Eintragungen in Terminkalender – die Abrechnung gefahrener Kilometer gegenüber Auftraggebern – Reisekostenaufstellungen – andere Abrechnungsunterlagen De r P ra kt ische Tie rarzt 92, He ft 5 ( 201 1 ) 437 PRAXISSEITEN l ,, Report Ein Wechsel zu eigenen Gunsten ist lange möglich Wer einen Firmenwagen auch privat nutzt, kann sogar noch nach Abgabe seiner Steuererklärung vom Fahrtenbuch zur Ein-ProzentRegelung oder umgekehrt wechseln. So lautet ein Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Az. 5 K 2268/06). Ein Selbstständiger hatte gegenüber dem Finanzamt zunächst erklärt, dass er ein Fahrtenbuch führt. Nachdem er seinen Steuerbescheid unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ erhalten hatte, ermittelte der Betriebsprüfer für den Dienstwagen einen höheren Privatnutzungsanteil. Mit der Ein-Prozent-Pauschalierung wäre die Besteuerung für den Geschäftsmann also geringer gewesen. Der Geschäftsmann wechselte daraufhin die Besteuerungsmethode. Zu seinen Gunsten entschied auch das Finanzgericht und stellte fest, dass „unbefristete Wahlrechte bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden können“. Da in dem vorliegenden Fall innerhalb einer Monatsfrist Einspruch eingelegt wurde, durfte sich der Geschäftsmann anders entscheiden. Eine lose Zettelsammlung reicht nicht aus In einem anderen Fall notierte der Fahrer seine Fahrten auf losen Zetteln. Für jeden Tag wurde ein neuer Zettel verwendet mit Eine Beispielrechnung Ein Tierarzt kauft am 1. Januar 2011 ein Fahrzeug für 35000 Euro netto. Für seine Praxis fährt er jährlich 20000 Kilometer, privat 5000 Kilometer. Der Bruttolistenneupreis liegt bei 40000 Euro, die jährlichen Kosten betragen netto 5450 Euro. Abgeschrieben wird linear auf 6 Jahre (AfA für Kfz), jährlich also etwa 4200 Euro. Hin- und Rückfahrten zwischen Wohnung und Praxis wurden nicht berücksichtigt. Praxisfahrzeug: Kostenaufstellung Kosten netto Steuern 300 Euro Versicherung 500 Euro Reparaturen etc. 300 Euro Kraftstoff (bei einem Verbrauch von 10 l/100 km und einem durchschnittlichen Kraftstoffpreis von 1,50 Euro) 3750 Euro Aufwendungen für Abschreibung 4202 Euro (gerundet) Kosten gesamt 9052 Euro Vorsicht bei der Nutzung von Programmen zur Tabellenkalkulation Ein elektronisches Fahrtenbuch wird zum Nachweis privater Fahrten nur dann anerkannt, wenn nachträgliche Veränderungen an den aufgezeichneten steuerlich relevanten Daten ausgeschlossen sind. So hat das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 4. Februar 2010 entschieden (Az. 5 K 5046/07 E,U). Demnach muss das Fahrtenbuch geeignet sein, die Fahrten fortlaufend und lückenlos belegen zu können. Manipulationsmöglichkeiten am Fahrtenbuch müssen ausgeschlossen sein. Entspricht das Fahrtenbuch den formalen und materiellen Anforderungen nicht ausreichend, findet die Ein-Prozent-Pauschale Anwendung. Auch ein Fahrtenbuch, geführt über das Tabellenkalkulationsprogramm MS-Excel, entspricht nach Ansicht der Richter am Bundesfinanzhof nicht den formalen Anforderungen. Die ExcelDateien eines Selbstständigen enthielten für jede Fahrt Angaben zu Wochentag, Datum sowie Anlass der Geschäftsfahrt, die jeweils zurückgelegte Strecke und den Kilometerstand am Ende der Fahrt. Hier entschieden die Richter, dass mit einem solchen Programm kein zeitnaher und lückenloser Charakter der Angaben mit hinreichender Zuverlässigkeit erbracht werden kann. Eintragungen könnten jederzeit ohne größeren Aufwand ergänzt, gestrichen und umformuliert werden (Az. VI R 64/04). Ein mit dem Programm MS-Excel geführtes Fahrtenbuch ist somit laut BFH nicht ordnungsgemäß. Das exakte Aufschreiben der einzelnen Fahrten lohnt sich in jedem Fall Rechnung nach der Ein-Prozent-Regelung: Ein Prozent vom Bruttolistenpreis sind 400 Euro monatlich, also 4800 Euro jährlich. Die jährliche Betriebsausgabe liegt bei 9052 Euro, davon werden 4800 Euro abgezogen, verbleiben also 4252 Euro. Die steuerlich geltende Summe der Ausgaben (für 6 Jahre) und daraus resultierend anteilig für Senkung der Einkommensteuer (& Gewerbesteuer) beträgt 25512 Euro. Rechnung nach der Fahrtenbuchregelung: Der private Anteil (5000 von 25000 Kilometern) liegt bei 20 Prozent. Bei den Gesamtkosten von 9052 Euro ergibt sich daraus ein zu versteuernder Privatanteil von rund 1810 Euro, verbleiben also 7242 Euro. Die steuerlich geltende Summe der Ausgaben (für 6 Jahre) und daraus resultierend anteilig für Senkung der Einkommensteuer (& Gewerbesteuer) beträgt 43452 Euro – eine wesentlich günstigere Rechnung für den Praxisinhaber. 438 den Abfahrts- und Ankunftszeiten, dem Datum, der Nennung des angefahrenen Ortes und der Auflistung der gefahrenen (geschäftlichen und privaten) Kilometer. Die Aufzeichnung erfolgte zeitnah. Das genügte dem Finanzamt aber nicht – und auch nicht dem Bundesfinanzhof. Nach Ansicht der BFH-Richter ist dem Wortlaut „Fahrtenbuch“ bereits zu entnehmen, dass die Angaben in gebundener, mindestens aber in einer in sich geschlossenen Form festzuhalten sind. Lose Aufzeichnungen können daher nie die Anforderungen an ein Fahrtenbuch erfüllen. In einem späteren Urteil vom 10. April 2008 (Aktenzeichen: VI R 38/06) hat der Bundesfinanzhof seine strikten Anforderungen etwas gelockert. So sollen kleinere Mängel nicht mehr zur Verwerfung des gesamten Fahrtenbuches führen, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Praxistipp: Bei geringen Privatfahrten ist die Führung eines Fahrtenbuches lukrativer und bei vielen Privatfahrten „fährt“ man mit der Pauschalwertmethode (Ein-Prozent-Methode) besser. Es lohnt sich, während des Jahres ein Fahrtenbuch zu führen und erst nach dem Jahr im Hinblick auf die Abgabe der Steuererklärung zu entscheiden, was sich mehr auszahlt: Fahrtenbuch-Methode oder Pauschalwertmethode. Der Unterschied kann beträchtlich sein. Das Ausmaß der Privatnutzung und der Bruttoanschaffungspreis sind die wichtigsten Parameter für die vorzunehmende Vergleichsrechnung. Sofern der Praxisinhaber einen weiteren (privaten) Pkw besitzt, bietet sich eine ausschließliche Nutzung des Praxisfahrzeugs an. Antje Todt André Strunz, ECOVIS Grieger Mallison Steuerberater Hannover Weitere aktuelle Informationen finden Sie auch auf der FirmenWebsite des Co-Autors unter www.ecovis.com/hannover De r P ra kt i sche T i e ra rz t 92, Hef t 5 ( 201 1 )