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Stuttgart
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Kurzberichte
Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 12/2010
Interkulturelle und binationale Ehepaare in Stuttgart
Michael Haußmann
Als Resultat der langen Zuwanderungsgeschichte in Stuttgart beträgt
die Anzahl von erwachsenen Einwohnern mit Migrationshintergrund heute
etwa 180 000. Davon sind 57 Prozent
verheiratet, und zwar keineswegs nur
mit Partnern aus demselben Herkunftsland.
Ein wesentlicher Indikator dafür, inwiefern eine Zuwanderergruppe in die
Gesellschaft aufgenommen wird beziehungsweise wie sie sich selbst integriert, ist die Zahl der „Mischehen“.
Das sind Ehepaare, bei denen einer
der beiden Partner einen anderen Pass
oder Migrationshintergrund besitzt.
282
In diesem Beitrag soll gezeigt werden,
welche Migrantengruppen verstärkt in
die deutsche Bevölkerung eingeheiratet haben beziehungsweise welche
eher unter sich geblieben sind. Eine
solche Analyse ist auf kommunaler
Ebene mit den Ergebnissen der Haushaltegenerierung HHGen möglich1,
bei der Ehepaare, die im gleichen
Haushalt leben, nach der Staatsangehörigkeit und dem Migrationshintergrund identifiziert werden können.
man leicht falsche Schlüsse ziehen:
Zum einen werden Ehen von eingebürgerten Deutschen und Deutschen
ohne Migrationshintergrund als „innerdeutsche“ Ehen und somit nicht
als binationale Ehen gezählt, zum anderen zählen die Ehen zwischen Eingebürgertenund nicht Eingebürgerten
des gleichen Bezugslands als binationale Ehen, obwohl das Bezugsland
und damit auch der Herkunftskulturkreis gleich sind.
der eingebürgerten Türken liegt der
Anteil der Ehen, bei denen beide Partner zwar das gleiche Bezugsland
haben (Türkei), aber unterschiedliche
Pässe besitzen (bis auf wenige Ausnahmen: der eine Partner besitzt den
türkischen, der andere den deutschen
Pass), mit 23 Prozent deutlich über
dem städtischen Durchschnitt von
fünf Prozent. Damit fällt auch der Anteil der binationalen Ehen bei den
(Deutsch-)Türken mit 28 Prozent
deutlich überdurchschnittlich aus,
während die Zahl der interkulturellen
Ehen mit sechs Prozent deutlich unter
dem Durchschnitt zurückbleibt (vgl.
Abbildung 2).
Bei den interkulturellen Ehen wird
statt auf die Staatsangehörigkeit auf
das Geburts- bzw. Bezugsland zurückgegriffen. Deren Anteil liegt in
Stuttgart drei Prozentpunkte unter
dem der binationalen Ehen (vgl. Abbildung 1). Für einzelne Migrantengruppen kann die Differenz allerdings
deutlich höher ausfallen: So zum Beispiel bei den (deutsch-) türkischen Migranten. Aufgrund der hohen Zahl
Möchte man die Mischehen in Bezug
auf die kulturelle Integration untersuchen, kristallisieren sich damit Anzahl
und Anteil der interkulturellen Ehen
als die geeigneteren Indikatoren heraus.
Abbildung 1: Binationale und interkulturelle Ehen insgesamt in Stuttgart am 31.12.2009
Binationale Ehen (21,4%)
Unterschied zwischen interkulturellen und binationalen Ehen
Was man unter dem Oberbegriff
Mischehe versteht, ist nirgends eindeutig normiert. Noch vor etwa hundert Jahren galt eine bayrischpreussische Ehe als Mischehe. Im Zeitalter der Globalisierung hat sich die
Perspektive nun deutlich erweitert,
was vor dem Hintergrund, dass heute
Menschen aus fast allen Staaten der
Welt in Stuttgart leben, kaum verwundert.
21 Prozent aller im gleichen Haushalt
lebenden Stuttgarter Ehepaare führen
eine binationale Ehe, das heißt, die
Ehepartner haben unterschiedliche
Staatsangehörigkeiten. Möchte man
mit dieser Zahl eine Aussage zu allen
Mischehen in Stuttgart machen, kann
Interkulturelle Ehen (18,1%)
1,8
16,3
5,1
76,7
in %
Pass und Bezugsland gleich
Pass unterschiedlich, Bezugsland gleich
Pass und Bezugsland unterschiedlich
Pass gleich, Bezugsland unterschiedlich
Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzberichte
Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 12/2010
Abbildung 2: Binationale und interkulturelle Ehen von (Deutsch-) Türken in Stuttgart am 31.12.2009
Binationale Ehen (27,7%)
Interkulturelle Ehen (6,0%)
1,3
4,7
rellen Ehen um sechs Prozent konnte
den Abwärtstrend bei den Ehen insgesamt aber nicht stoppen, denn die
Zahl der Ehen zwischen Partnern mit
dem gleichen Migrationshintergrund
ist im gleichen Zeitraum um acht Prozent gesunken (vgl. Abbildung 4).
Eine Trendwende ist derzeit nicht zu
erkennen.
Interkulturelle Ehen nach dem
Bezugsland
23,0
Unter allen 19 555 im gleichen Haushalt lebenden interkulturellen Ehen in
Stuttgart finden sich 15 984 (81,7 %)
Ehepaare, von denen ein Partner keinen Migrationshintergrund besitzt.
Die übrigen 18,3 Prozent sind Ehen
zwischen Migranten mit unterschiedlichem Bezugsland.
71,0
in %
Pass und Bezugsland gleich
Pass unterschiedlich, Bezugsland gleich
Pass und Bezugsland unterschiedlich
Pass gleich, Bezugsland unterschiedlich
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Entwicklung der interkulturellen
Ehen
Mit einem steigenden Migrantenanteil ist die Wahrscheinlichkeit, dass interkulturelle Ehen zustande kommen,
kontinuierlich gestiegen. Heute leben
18,2 Prozent aller Stuttgarter Ehepaare in einer solchen Gemeinschaft.
Wie zu vermuten, ist dieser Anteil in
den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, im Jahr 1999 betrug er
noch 15,8 Prozent (vgl. Abbildung 3).
Die Zunahme der Zahl der interkultu-
Abbildung 3: Anteil von interkulturellen Ehen in Stuttgart von 1999 bis 2009
Betrachtet man nur die interkulturellen Ehen von Deutschen ohne Migrationshintergrund, so fällt auf, dass
Männer deutlich häufiger beteiligt
sind als Frauen (8750 zu 7234 Ehepartner). Bei der Partnerwahl stehen
sowohl bei den deutschen Frauen als
auch bei den deutschen Männern Migranten beziehungsweise Migrantinnen aus Polen, dem ehemaligen
Jugoslawien, aus Österreich und der
ehemaligen Tschechoslowakei ganz
oben. Bei den Frauen sind italienische
und türkische Männer beliebter, bei
den Männern Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Thailand
(vgl. Tabelle 1).
%
19
18
17
16
0
1999
2000
2001
2002
2003
Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Untersucht man die häufigsten Bezugslandkombinationen, liegt das
Länderpaar Deutschland-Polen vorn,
gefolgt von Deutschland-ehemaliges
Jugoslawien. Die häufigste interkulturelle Ehe zwischen Partnern, die beide
einen Migrationshintergrund vorweisen, ist die zwischen Männern und
Frauen aus den Bezugsländern Italien
und dem ehemaligen Jugoslawien. Erwartungsgemäß herrscht in den Kombinationen Deutschland-Thailand sowie Deutschland-Philippinen ein deutlicher Überschuss der deutschen Männer,während die Verbindung Deutschland-Tunesien sowie Deutschland-Marokko eher von deutschen Frauen eingegangen wird (vgl. Tabelle 2).
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Abbildung 4: Entwicklung von interkulturellen und anderen Ehen in Stuttgart 1999 bis 2009
In welchem Maße heiraten die
Migranten in die Bevölkerung
ohne Migrationshintergrund ein?
1999 = 100
110
Ehepartner haben unterschiedlichen
Migrationshintergrund
105
100
Ehepartner haben keinen oder den gleichen
Migrationshintergrund
95
Alle Ehen
90
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
In der Hitliste der 25 häufigsten Bezugsländer der Stuttgarter Ehepartner
in interkulturellen Ehen sind es vor
allem Personen mit thailändischem,
österreichischem, schweizerischem
und philippinischem Migrationshintergrund, die gemessen an allen Ehepaaren der gleiche Gruppe am
häufigsten in die deutsche Gesellschaft einheiraten. Auf der anderen
Seiten bleiben türkische, portugiesische und griechische Migranten, was
das Hochzeitsverhalten angeht, eher
unter sich (vgl. Tabelle 3). Die Ergebnisse des Mikrozensus lassen auch auf
der Bundesebene erkennen, dass die
türkischen Migranten in Bezug auf
das Einheiraten eine Sonderstellung
einnehmen. Im Gegensatz zu anderen
schon lange ansässigen Migranten-
Tabelle 1: Häufige Bezugsländer der Ehepartner in interkulturellen Ehen unter Beteiligung von Deutschen ohne Migrationshintergrund
am 31.12.2009
284
Deutsche Männer sind verheiratet mit Frauen aus ...
Deutsche Frauen sind verheiratet mit Männern aus ...
Bezugsland
Anzahl
Bezugsland
Polen
1 046
Polen
Anzahl
962
ehem. Jugoslawien
949
Italien
824
ehem. Sowjetunion
634
ehem. Jugoslawien
740
Österreich
555
Österreich
599
ehem. Tschechoslowakei
505
ehem. Tschechoslowakei
449
Italien
425
Türkei
383
Frankreich
412
Griechenland
271
Rumänien
377
USA
254
Spanien
240
Frankreich
238
USA
232
Rumänien
215
Thailand
230
Großbritannien
142
Griechenland
225
ehem. Sowjetunion
140
Schweiz
200
Schweiz
140
Ungarn
186
Spanien
130
Brasilien
185
Ungarn
110
Türkei
180
Ägypten
96
Philippinen
165
Niederlande
79
China
142
Tunesien
72
Großbritannien
131
Algerien
63
Japan
112
Iran
62
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Kurzberichte
gruppen ist auch in der zweiten Generation der (Deutsch-)Türken nur
eine geringe Tendenz zur Einheirat in
die deutsche Bevölkerung ablesbar.
Fast ein Viertel der uninationalen Ehen
von türkischen Migranten besteht
zwischen Partnern, von denen eine(r)
erst nach der Heirat nach Deutschland
zugezogen ist2.
Fazit
Stuttgart ist eine Stadt, in der viele
Kulturen zusammenkommen. Dass
viele der Migranten in der Mitte der
Gesellschaft angekommen sind, zeigt
nicht zuletzt der beachtliche Anteil
von interkulturellen Ehen. Deren steigende Zahl kann als Indikator dafür
stehen, dass die gesellschaftliche Integration und damit die Verwurzelung
von immer mehr Migranten gelungen
ist. Für die Stadtgesellschaft dürfte die
steigende Zahl der Mischehen positiv
zu werten sein: In vielen dieser Ehen
wird die Bereitschaft, Alltägliches und
Selbstverständliches infrage zu stellen,
eher gefordert als in Ehen zwischen
Partnern des gleichen Kulturkreises.
Nur mit Toleranz und der Bereitschaft,
neues hinzuzulernen, sind solche
Ehen überhaupt möglich. Gleichzeitig
bieten sich für die Kinder solcher
Paare erweiterte Chancen, auf natürliche Art und Weise interkulturelle
Kompetenzen zu entwickeln, die im
Zeitalter der Globalisierung zunehmend gefragt sind.
Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 12/2010
Tabelle 2: Die häufigsten Bezugslandkombinationen von interkulturellen Ehepaaren in Stuttgart
am 31.12.2009
Kombination von Bezugsländern
Anzahl
Verhältnis Männer:Frauen
Deutschland-Polen
2 008
52:48
Deutschland-ehem. Jugoslawien
1 689
56:44
Deutschland-Italien
1 249
34:66
Deutschland-Österreich
1 154
48:52
Deutschland-ehem. Tschechoslowakei
954
53:47
Deutschland-ehem. Sowjetunion
774
82:18
Deutschland-Frankreich
650
63:37
Deutschland-Rumänien
592
64:36
Deutschland-Türkei
563
32:68
Deutschland-Griechenland
496
45:55
Deutschland-USA
486
48:52
Deutschland-Spanien
370
65:35
Deutschland-Schweiz
340
59:41
Deutschland-Ungarn
296
63:37
Deutschland-Großbritannien
273
48:52
Deutschland-Thailand
239
96:4
Deutschland-Brasilien
222
83:17
Deutschland-Niederlande
190
58:42
Deutschland-Philippinen
172
96:4
Deutschland-China
162
88:12
Italien-ehem. Jugoslawien
153
77:23
Deutschland-Japan
127
88:12
Deutschland-Portugal
108
54:46
Deutschland-Iran
104
40:60
Deutschland-Tunesien
90
20:80
Polen-ehem. Tschechoslowakei
85
55:45
Deutschland-Marokko
85
28:72
Deutschland-Mexiko
85
69:31
Deutschland-Bulgarien
82
74:26
Türkei-ehem. Jugoslawien
74
69:31
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Tabelle 3: Partner in interkulturellen Ehen in Stuttgart am 31.12.2009 nach dem Bezugsland des Ehepartners
Partner in interkulturellen Ehen
Bezugsland
Ehepartner mit Bezugsland ...
Anzahl
%
Deutschland
anderes
%
Thailand
Österreich
84,0
76,4
7,7
15,0
1 409
82,6
67,7
Schweiz
418
79,5
64,6
14,8
Philippinen
209
72,8
59,9
12,9
ehem. Tschechoslowakei
286
263
1 243
73,6
56,5
17,1
Niederlande
270
79,9
56,2
23,7
Großbritannien
405
79,9
53,8
26,0
Frankreich
891
73,3
53,5
19,8
Brasilien
304
71,4
52,1
19,2
USA
664
62,2
45,5
16,7
Ungarn
426
57,7
40,1
17,6
Spanien
549
58,1
39,2
18,9
Japan
156
47,0
38,3
8,7
Polen
2 613
47,1
36,2
10,9
Ägypten
151
50,5
35,5
15,1
China
233
30,5
21,2
9,3
Italien
1 887
29,2
19,3
9,9
Iran
162
28,7
18,4
10,3
Rumänien
915
21,0
13,6
7,4
ehem. Sowjetunion
1 218
14,5
9,2
5,3
ehem. Jugoslawien
2 445
13,1
9,1
4,1
Griechenland
924
13,7
7,4
6,4
Portugal
216
11,5
5,8
5,8
Türkei
948
6,0
3,6
2,4
Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
1 Lindemann, Utz: Wie erhält man aus dem Einwohnerregister Haushalte? Das Haushaltegenerierungsverfahren HHGen, in: Statistik und Informationsmanagement 9/2001.
2 Schroedter, Julia.: Binationale Ehen in Deutschland, in: Wirtschaft und Statistik 4/2006.