Blut im Stuhl abklären - Proktologische Praxis Freiburg

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Blut im Stuhl abklären - Proktologische Praxis Freiburg
FORTBILDUNG
Blut im Stuhl abklären
Von der Analfissur bis zum
Kolonkarzinom
B. Strittmatter, E.-M. Stang
Pro Jahr entdecken in Deutschland 13
Millionen Menschen beim Stuhlgang
Blut. Meistens steckt dahinter ein vergleichsweise harmloses Problem. Allerdings wird das Thema oft tabuisiert
und beim Arztbesuch nicht angesprochen. Nach einer Bevölkerungsstudie
aus Minnesota konsultieren nur 14 %
der Personen, denen Blut im Stuhl aufgefallen war, einen Arzt. Deshalb sollte
der Arzt immer aktiv die Frage nach Blut
im Stuhl stellen.
Leitsymptom: peranale Blutung
Das Leitsymptom der unteren gastrointestinalen Blutung (UGIB) ist die
peranale Blutung. Diese hat eine große
Bandbreite und kann sich sehr unterschiedlich manifestieren. Sie reicht von
der harmlos blutenden Analfissur bis zur
lebensbedrohlichen arteriellen Blutung.
In der Praxis ist die frische hellrote Blutung am häufigsten und hat in der Regel
ihren Ursprung im Anorektum. Die Hämatochezie hingegen, bei der Stuhl mit
Blut vermischt ist, stammt vorwiegend
aus dem Kolon, kann aber auch, wenn
sie massiv ist, aus dem oberen Gastro46
Der Allgemeinarzt 18/2013
Mauritius
Eine peranale Blutung ist ein häufiges Ereignis. In den meisten Fällen
steckt eine anorektale Erkrankung
dahinter, die der Hausarzt diagnostizieren und oft auch behandeln
kann. Lässt sich die Blutungsquelle
nicht klären oder ist der Patient über
50, sollte eine Koloskopie veranlast
werden. Und bei schweren Blutungen kann sogar eine notfallmäßige
Einweisung notwendig sein.
intestinaltrakt kommen. Bei der
Meläna ist der
Stuhl teerfarben
und ist ein Hinweis
für eine Blutung im oberen
Gastrointestinaltrakt oder bei Kindern
und Jugendlichen aus einem Meckel-Divertikel. Circa 85 % der peranalen Blutungen haben ihren Ursprung im Kolon
und Anorektum, bis 5 % im Dünndarm
und 11 % im oberen Gastrointestinaltrakt. Die Inzidenz der unteren gastrointestinalen Blutung beträgt 20 – 27 pro
100 000 und Jahr und steigt im Vergleich
zum 20. bis zum 90. Lebensjahr um den
Faktor 200 an.
Ursachen der
peranalen Blutung
Die Problematik bei der
Diagnostik der akuten
intestinalen Blutung
liegt in der Identifizierung der Blutungsquelle, was trotz modernster Verfahren in bis zu 10 % der
Fälle nicht gelingt. In der hausärztlichen
Praxis haben 90 % der Patienten mit peranaler Blutung eine anorektale Erkranwww.allgemeinarzt-online.de
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kung wie Hämorrhoiden (Abb.1) oder
Analfissur. Nur in 10 % der Fälle stammt
das Blut aus Divertikeln, Neoplasien
oder einer Kolitis (Abb. 2). Blutungen
aus Angiodysplasien können heftig sein,
kommen aber eher selten vor (Abb. 3).
am Papier oder Koagel sichtbar), und
wann es blutet (spontan oder bei bzw.
nach der Defäkation) kann die Situation
eingeschätzt werden. Auch sollte immer
nach der Ernährung am Vortag wie rote Beete gefragt werden, da diese eine
Hämatochezie vortäuschen können.
Diese Fragen können die Blutungsquelle
eingrenzen und rasch zwischen einer
proktologischen Erkrankung und einer
Blutung aus dem Kolon differenzieren.
Bedeutung der Blutungsanamnese
Zuerst muss die Dringlichkeit des weitern Vorgehens bestimmt werden (Übersicht 1). Diese kann mit einer gezielten
Blutungsanamnese rasch geklärt werden. Durch Fragen, wie es blutet (hellrot, tropfend, spritzend oder nur Blut
Wenn es durch die Blutung zum Stuhldrang und zu Tenesmen kommt und der
Dringlichkeit der Situation bei
peranaler Blutung einschätzen
Handelt es sich um eine anhaltende
Blutung?
Abbildungen: Strittmatter
Blutungsanamnese
Abb. 1: Proktoskopisches Bild einer blutenden
Hämorrhoide, eher selten sichtbar
• wie? (am Papier, tropfend, spritzend, hell)
• Koagel?
• wann? (spontan, bei oder nach der
Defäkation)
• seit wann? wie stark?
• wie oft? Stuhldrang? Tenesmen?
• Kreislaufparameter
→ digitale Untersuchung
Prokto-, Rektoskopie
Übersicht 1
Abb. 2: Kolitis mit Blutung in der Koloskopie
Patient dunkles Blut mit Stuhl vermischt
absetzt, muss rasch gehandelt und der
Patient zur weiteren Abklärung stationär eingewiesen werden. Die Kreislaufparameter sind in der Anfangsphase
der Blutung wenig aussagekräftig, nur
bei stärkeren oder länger anhaltenden
Blutungen geben sie Hinweise auf die
Dringlichkeit des Geschehens.
Primärdiagnostik in der Praxis
Nach der Anamnese sind digitale Untersuchung und Prokto-/Rektoskopie
Abb. 3: Angiodysplasie in der Koloskopie
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Bei einer peranalen Blutung
sollte auch immer nach der
Ernährung am Vortag (z. B.
rote Beete?) gefragt werden.
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die ersten Maßnahmen, die auch vom
Hausarzt durchgeführt werden können.
Mit diesen Untersuchungen erkennt
man, ob das Blut von einer anorektalen
Erkrankung stammt oder aus dem Kolon
kommt, und wie dringlich das weitere
Vorgehen ist.
Wann ist die Koloskopie erforderlich?
Wenn eine adäquate Blutungsquelle
z. B. aus Hämorrhoiden oder Fissur gefunden wurde und die Blutung nach der
Therapie sistiert, ist bei sonst gesunden
Patienten unter 40 Jahren keine weitere
Bei singulärer Blutung unbekannter Ursache ist ab 50 Jahren die
Koloskopie, unter 50 Jahren eine
Sigmoidoskopie indiziert.
Diagnostik erforderlich. Nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) (Übersicht 2) sollte
bei einer Hämatochezie bei Patienten
über 50 Jahre eine Koloskopie durchgeführt werden, auch wenn eine anorektale Erkrankung vorhanden ist. Bei einer
singulären peranalen Blutung sollte eine
Koloskopie bei Patienten über 50 Jahren
und zumindest eine Sigmoidoskopie bei
Patienten unter 50 Jahren erfolgen Bei
rezidivierender Blutung ist unabhängig
Empfehlungen der Deutschen
Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) zur Abklärung der
peranalen Blutung
• Hämatochezie
Kolokopie bei Patienten > 50 Jahre
keine Koloskopie bei gesunden Patienten ≤ 40 Jahre, wenn nach rektaldigitaler Untersuchung und Rekto/
Sigmoidoskopie eine adäquate Blutungsquelle (Hämorrhoiden/Fissuren)
gefunden wurde
• singuläre rektale Blutung
Koloskopie bei Patienten > 50 Jahre
Sigmoidoskopie bei Pat. < 50 Jahre
• wiederholte Blutungen
Koloskopie in jedem Alter
Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei der
unteren gastrointestinalen
Blutung
Digitale Untersuchung
Proktoskopie
Rektoskopie

Koloskopie
ÖGD

Angiographie

Enteroskopie/Kapsel
Szintigraphie
!
sichert und bei 20 % die Blutung gleichzeitig interventionell zum Stillstand
gebracht werden. Divertikelblutungen
kommen in 80 % spontan zum Stillstand,
die meisten Patienten sind älter als 45
Jahre und haben keine Divertikulitis.
Bei 25 % kommt es zu Rezidivblutungen. Nur in seltenen Fällen sind weitere
diagnostische Schritte zur Lokalisation
der Blutung wie Angiographie und Szintigraphie notwendig. Wenn die Blutungsquelle nicht lokalisierbar ist und eine
kreislaufwirksame Blutung nicht zum
Stillstand kommt, ist eine Notfalloperation erforderlich. Dies sind vorwiegend
Blutungen bei Kolitis ,Angiodysplasie
und Divertikeln (Übersicht 3).
Zusammenfassung
Op.
Übersicht 3
vom Alter immer eine Koloskopie erforderlich. Chronische Blutungen bleiben
klinisch häufig okkult und werden oft zufällig im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen (Hämokkulttest) oder
bei einer Blutbildbestimmung (Anämie)
detektiert.
Risiko für ein Kolonkarzinom
Mit dem Alter nimmt das Risiko für ein
Kolonkarzinom zu und dessen Wahrscheinlichkeit steigt bei einer rektalen
Blutung laut Stallmach bei über 60-jährigen auf 7 % an. Weitere Alarmsymptome für das Vorliegen eines kolorektalen Karzinoms sind Veränderungen
der Stuhlgewohnheiten, Gewichtsverlust und die Anämie und erfordern eine Abklärung durch Koloskopie. Auch
bei positiver Familienanamnese ist das
Darmkrebsrisiko deutlich erhöht. Es
steigt auf das Fünffache, wenn mehrere
Verwandte ersten Grades an Darmkrebs
erkrankten oder wenn Darmkrebs in der
Familie vor dem 50. bis 60. Lebensjahr
aufgetreten ist. Deshalb sollte bei diesen Risikogruppen bei Auftreten einer
peranalen Blutung immer die komplette
Koloskopie erfolgen.
Die peranale Blutung ist häufig und
stammt vorwiegend von einer anorektalen Erkrankung, die der Hausarzt durch
Rekto- und Proktoskopie diagnostizieren
und oft gleichzeitig effektiv therapieren
kann. Aber hinter einer vermeintlich
harmlosen Hämorrhoidalblutung kann
auch mal ein kolorektales Karzinom stecken. Deshalb ist in der täglichen Praxis
die Abklärung der Blutungsursache und
die Veranlassung einer Koloskopie von
entscheidender Bedeutung. Die starke
peranale Blutung kann eine vitale Bedrohung sein und stellt den Arzt im Notfalldienst vor eine große Herausforderung,
da der Patient sofort im Krankenhaus
versorgt werden muss. Hier bestimmt die
Intensität der Blutung die Dringlichkeit
des Vorgehens. Durch interventionelle
Maßnahmen bei der Koloskopie sind die
meisten Blutungen beherrschbar, so dass
Notfalloperationen nur in Ausnahmefällen notwendig sind.
▪
Literatur beim Verfasser
Interessenkonflikte: keine deklariert
Dr. Bernhard Strittmatter
Praxisklinik 2000, Koloproktologie
79110 Freiburg i. Br.
Vorgehen in der Klinik
Übersicht 2
48
In der Klinik kann durch Notfallkoloskopie in 80 % der Fälle die Diagnose geDer Allgemeinarzt 18/2013
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