Mein 6-monatiges Praktikum in Usbekistan

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Mein 6-monatiges Praktikum in Usbekistan
Mein 6-monatiges Praktikum in Usbekistan
Zu Anfangs wusste ich überhaupt nichts über Usbekistan – ich hatte nur irgendwann einmal
von den Städten Samarkand und Buchara gehört, von denen ich allerdings nicht wusste, in
welchem Land sie liegen. Auch ist es ein Nachbarland Afghanistans und musste somit
zwangsläufig eher unsicher und gefährlich sein. Nachdem dann aber eine Kommilitonin mich
zu ihrer Familie nach Samarkand eingeladen hatte, dachte ich, es wäre eine gute Gelegenheit,
das Land und die Kultur kennenzulernen. Ich war also im Herbst 2009 das erste Mal im
Urlaub in Usbekistan und bin damals drei Wochen durch das Land gereist. Obwohl ich alleine
und nur mit dem Reiseführer lonely planet unterwegs war und weder Russisch, noch
Usbekisch konnte, war es überhaupt kein Problem zurechtzukommen. Obwohl nur wenige
Touristen das Land besuchen, konnte ich immer ohne Probleme per Bus oder Bahn von A
nach B kommen oder ein Hostel finden. Und im Notfall machte ich mich mit Händen und
Füßen verständlich.
Mir-i Arab Medresse in Buchara 1
Wenn man noch zu Hause ist, liest man ja über die Diktatur im Land und wie bei einem
Massaker in Andijon Hunderte Demonstranten von der Armee erschossen wurden. Als
Tourist vor Ort fallen einem dann aber höchstens nur die Massen an Polizei in der Hauptstadt
auf. Nervig ist zudem, dass jeder Tag genauestens dokumentiert werden muss, es muss also
für jede Übernachtung in einem Hotel eine offizielle Registrierung vorliegen und jede
Übernacht-Fahrt muss mit Ticket nachgewiesen werden können. Ansonsten kann es bei der
Ausreise am Flughafen zu Problemen kommen.
Mir hat damals das Land aber trotzdem ganz gut gefallen, weil es ein bisschen einen Mix aus
persischer-orientaler und russischer Kultur darstellt und überhaupt nicht so in das Klischee
einer muslimischen Diktatur im hintersten Eck der Welt passt. Die Kultur ist zwar muslimisch
geprägt, aber es gibt genauso auch Clubs und Bars, was ich zuerst gar nicht erwartet hatte.
Somit gibt es auch eigentlich überhaupt keine Anpassungsprobleme und man kann sich so
verhalten, wie hier auch. Besonders in der Hauptstadt Taschkent bemerkt man noch den
großen Einfluss der russischen Kultur. Die meisten Russen leben in der Hauptstadt, es wird
größtenteils Russisch gesprochen und die Stadt sieht wie eine typische russische Metropole
aus. Die anderen Städte ähneln eher iranischen Städten, wobei dann hauptsächlich auch
usbekisch gesprochen wird. Zu meiner Verwunderung ist Deutsch auch ziemlich weit
verbreitet – besonders bei der älteren Bevölkerung. Insgesamt hat Deutschland auch einen
sehr guten Ruf und viele kennen das Land aus ihrer Militärzeit in der DDR. Groß vorbereiten
musste ich mich dann für den Aufenthalt eigentlich nicht – Vieles war mir ja aus vorherigen
Reisen nach Usbekistan oder den Iran schon bekannt und wusste ich aus dem Studium. Nur ist
der Komfort nicht ganz so wie bei uns (Waschmaschine, durchgehend Strom, Wasser, Gas,
…)
Dieses Mal wollte ich allerdings nach Usbekistan, um Russisch zu lernen und nebenbei
natürlich noch die Kultur und die Lebensweise vor Ort kennenzulernen, von der man als
normaler Tourist ja eher weniger mitbekommt. Ich studiere Politik im Hauptfach und
Orientalistik und Slavistik im Nebenfach – somit war Usbekistan die ideale Wahl, da ich über
das Praktikum alle drei Fächer miteinander verbinden konnte. Ich hatte gehört, dass man
ziemlich günstig, für 5 Euro pro Stunde, privat Russischunterricht bekommen kann und
wollte eigentlich 6 Monate einen Sprachkurs machen. Da man sich dort aber nicht an der Uni
einschreiben kann und man für einen rein privaten Sprachkurs nicht beurlaubt wird, suchte ich
mir ein Praktikum und wollte den Kurs nebenbei machen.
Leider gibt es nicht allzu viele Praktika in Usbekistan: die parteinahen Stiftungen, das
Goethe-Institut, den DAAD, die Robert-Bosch Stiftung, die Botschaft, die GIZ und den dvv
international – im Grunde die Bereiche Politik, Deutschlehrer, Slavistik und Orientalistik. Ich
hab mich auf den Internetseiten informiert und einfach bei den jeweiligen Büros direkt
beworben und mich schließlich für den Deutschen Volkshochschulverband entschieden, da
ich die Projekte sehr interessant fand. Hauptsächlich geht es dort natürlich um die Grund- und
Weiterbildung von Erwachsenen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen, wie Arbeitslose,
Flüchtlinge, Gefangene und Behinderte und zielt auf die Verbesserung der Lebenssituation
der Betroffenen ab. Dazu werden Kooperationen mit Colleges eingegangen und verschiedene
Kurse, z.B. zum Maler, Elektriker, Friseur oder Schneider angeboten.
Ich wollte auf der einen Seite einen Einblick in den Bereich der Entwicklungshilfe erhalten,
auf der anderen Seite möglichst viel von der Kultur mitbekommen und die Sprache lernen.
Glücklicherweise hat dazu meine Arbeit auch genau gepasst. Meine Hauptaufgabe war die
Korrektur und teilweise Übersetzung des „Soziokulturellen Almanachs Usbekistans“, eine
Veröffentlichung, in der ca. 30 Autoren – Studenten und Dozenten, Wissenschaftler und
Journalisten – über die Kultur und Geschichte Usbekistans, seine Sitten und Bräuche oder
einfach nur für den Autor wichtige Themen, berichten. Ein schöner Aspekt des Praktikums
war, dass ich auf der einen Seite eine riesige Mammutaufgabe hatte, die vom Umfang her bis
zum Schluss gereicht hat und die ich auch in Ruhe und selbstständig bearbeiten konnte, und
auf der anderen Seite immer wieder kleinere Aufgaben bekommen habe, sodass es mir nie
langweilig wurde. Ich musste also nicht jeden Tag, sechs Monate lang nur Texte lesen und
korrigieren, sondern half auch bei der Organisation und der Durchführung von Workshops
sowie bei der Produktion eines kurzen Filmes mit.
Die Arbeit hat immer sehr viel Spaß gemacht und besonders mit den Kollegen habe ich mich
sehr gut verstanden, auch wenn in der Arbeit größtenteils nur Russisch gesprochen wurde. Zu
Anfangs kannte ich ja niemanden in Taschkent und so waren meine Kollegen die ersten
Ansprechpartner, mit denen ich dann am Wochenende auch regelmäßig Sport gemacht hab.
Mit der Zeit kannte ich dann so gut wie alle Deutschen in Taschkent und viele Freunde von
Arbeitskollegen, sodass man immer jemanden finden konnte, um etwas zu unternehmen.
Groß vorbereiten musste ich mich dann für den Aufenthalt eigentlich nicht – Vieles war mir ja
aus vorherigen Reisen nach Usbekistan oder den Iran schon bekannt und wusste ich aus dem
Studium. Auch wohnte ich während der ganzen Zeit bei einer usbekischen Familie am
Stadtrand Taschkents in einem typischen usbekischen Viertel. Ich wollte unbedingt in einer
Familie leben, um das richtige usbekische Leben kennenzulernen. Da die Familie aber nur
Russisch und Usbekisch konnte, war es zu Beginn sehr schwer, sich miteinander zu
verständigen und da das Haus weit weg vom Zentrum lag und ich schwer mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln in die Stadt fahren konnte, war ich zu Anfangs eher ein wenig allein und
isoliert – ich kannte ja auch noch nicht so viele Leute, mit denen ich etwas unternehmen hätte
können.
Mein Wohnort in Taschkent 1
Es war also Anfangs etwas langweilig, später war es dann aber eine echt schöne Zeit. Ich
hatte genauso meine Freunde, wie hier auch und konnte immer etwas unternehmen. Zudem ist
alles sehr günstig. So hat beispielsweise ein Tag Skifahren mit Busfahrt und Ausleihen der
Ausrüstung nur 25 Euro gekostet. Für einen Tennisplatz zahlt man nur 5 Euro die Stunde und
in die Oper geht’s für 3 Euro – im Grunde gibt es in Taschkent alles, was es hier auch gibt,
nur sehr viel günstiger. Und wenn man längere Zeit dort ist und offiziell registriert ist, kann
man für ca. 100 Euro bei einer Familie wohnen.
Der Aufenthalt hat mir wirklich sehr gut gefallen und gerne wäre ich auch noch länger
geblieben. Auch wurden meine Erwartungen erfüllt – ich konnte mich in der Sprache
verbessern, hab die Kultur des Landes wirklich gut kennengelernt und wurde mit der
Arbeitsweise und dem Aufgabenbereich einer Entwicklungshilfeorganisation vertraut. Dazu
hat der Aufenthalt auch wirklich Spaß gemacht und ich habe gute Freunde gewonnen.
Skifahren in Beldersay 1
Noch ein paar Tipps zum Schluss:
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Mit irgendeinem Backpacker-Reiseführer ist man eigentlich ganz gut beraten
(Unterkünfte, Reiseverbindungen, Essen)
Zugverbindungen am Besten über http://rasp.yandex.ru/ checken
Das Essen ist dort anders, also auf Magen-Darm-Probleme einstellen. Es wird mit sehr
viel Öl gekocht und die Gerichte sind einfach anders. Es hat also nicht zwangsläufig mit
mangelnder Hygiene zu tun
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Alle genannten Organisationen bieten eigentlich ständig Praktika an. Das Goethe-Institut
kann ca. 3 Unterkünfte bei Mitarbeitern vermitteln, bei der Konrad-Adenauer Stiftung
kann man im Haus wohnen. Man kann sich aber auch günstig Häuser mieten
Geld auf dem Schwarzmarkt wechseln ist natürlich verboten, ich kenn aber keinen, der es
nicht macht. Es gibt ca. 35% mehr Geld. Um genauso viel ist das Flugticket in einem
Reisebüro vor Ort billiger
Geld am Besten auch bar mitnehmen. Vor Ort kann man nicht immer Geld abheben und
wenn dann eh nur Dollar.
SIM-Karten Anbieter sind U-cell, beeline, MTS. Ich hatte eine von beeline. Es gab nie
Probleme damit und man kann sie sich ohne Registrierung und Pass kaufen. Für eine sms
zahlt man ca. 1 Cent, ich hab also in dem halben Jahr höchstens 10 Euro verbraucht
Auch ohne Usbekisch/Russisch/Persisch kann man mit Englisch gut zurecht kommen
Es reicht ein deutscher Muttersprachler zu sein und schon kann man an den Unis in
Taschkent als Deutschlehrer arbeiten (à DAAD, Robert-Bosch, …). Man braucht sich
wirklich nicht zu scheuen und ist wahrscheinlich eh überqualifiziert.

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