Job-Center WHV - Rechtsanwalt Kroll

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Job-Center WHV - Rechtsanwalt Kroll
LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-BREMEN
L 7 AS 124/05 ER
S 45 AS 172/05 ER (Sozialgericht Oldenburg)
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
_______ _______,
__________ ____, _____ _____________,
Antragsteller und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kroll pp.,
Haarenfeld 52c, 26129 Oldenburg,
gegen
Job-Center Wilhelmshaven, vertreten durch den Geschäftsführer,
Schillerstraße 43 - 49, 26382 Wilhelmshaven,
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am
31. August 2005 in Celle
durch die Richter Scheider - Vorsitzender -, Bender und die Richterin Beyer
beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes
Oldenburg vom 17. Mai 2005 - S 45 AS 172/05 ER – wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, dass nicht die tatsächlichen
Kosten für Heizung zu übernehmen sind.
Die Antragsgegnerin hat auch die außergerichtlichen
Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu
erstatten.
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GRÜNDE
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende –
(SGB II) zu gewähren, wobei streitig ist, in welcher Höhe Leistungen für die Unterkunft zu
berücksichtigen sind.
Der 1955 geborene Antragsteller bezog bis zum 27. März 2004 Arbeitslosengeld in Höhe
von wöchentlich 189,56 € (monatlich 821,43 €). Vom 18. September bis 31. Dezember
2004 war er als Schlosser erwerbstätig. Er bewohnt seit 01. Oktober 2003 eine ca.
1945 bezugsfertig gewordene Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 66,33 m 2 . Die
Höhe der Kaltmiete beträgt 363,01 €, die Nebenkosten 62,97 € (insgesamt 425,98 €;
Mietvertrag vom 07. Juli 2003). Die Abschlagzahlung für die Erdgaslieferung durch die
GEW Wilhelmshaven GmbH beträgt monatlich 61,-- €.
Mit Bescheid vom 30. November 2004/Widerspruchsbescheid vom 07. April 2005 (W
46/05) wurden dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar bis 30. April 2005 in Höhe von monatlich 821,98 €
gewährt. Dabei wurde eine Regelleistung von 345,-- €, Kosten für Unterkunft in Höhe von
425,98 € und Kosten für Heizung von 51,-- € zugrunde gelegt. Mit Schreiben vom 08.
Dezember 2004 forderte die gem. § 65 a SGB II für die erstmalige Bewilligung zuständige
Agentur für Arbeit Wilhelmshaven den Antragsteller auf, bis zum 30. April 2005 die
Unterkunftskosten durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere
Weise auf einen Betrag zu senken, der die Miethöchstgrenze von 258,-- € monatlich nicht
überschreite.
Mit Bescheid vom 22. März 2005/Widerspruchsbescheid vom 08. April 2005 (W 524/05)
bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit ab 01. Mai bis 30.
September 2005 nur noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von
645,-- € und legte dabei Unterkunftskosten von 258,-- € und
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Heizkosten von 51,-- € zugrunde. Hiergegen hat der Antragsteller am 20. April
2005 Klage vor dem Sozialgericht Oldenburg – S 45 AS 216/05 – erhoben.
Bereits am 07. April 2005 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Leistungen
zur Sicherung seines Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung
der tatsächlichen Unterkunftskosten (425,98 €) für den Zeitraum bis zumindest
30. Juni 2005 zu bewilligen. Er hat vorgetragen, dass seine Bemühungen, günstigeren Wohnraum anzumieten, bisher erfolglos geblieben seien. Die Antragsgegnerin hat eine Aufstellung über Mietkosten überreicht, die sie der örtlichen Presse
entnommen hat. Das SG Oldenburg hat mit Beschluss vom 17. Mai 2005, auf den
Bezug genommen wird, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung bis zum 30.
Juni 2005 zu übernehmen.
Gegen den Beschluss hat die Antragsgegnerin am 02. Juni 2005 Beschwerde
eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Sie trägt vor, der Antragsteller habe
keine Bemühungen nachgewiesen, die Mietkosten zu senken, obwohl Möglichkeiten im Schreiben vom 08. Dezember 2004 erläutert worden seien. Daher
könnten die nicht angemessenen Kosten für eine weitere Zeit nicht übernommen
werden, da eine regelmäßige Übernahme von 6 Monaten nicht der gesetzlichen
Regelung des § 22 SGB II entspräche. Im Übrigen sei ein Anordnungsgrund nicht
belegt.
Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichtes Oldenburg vom 17. Mai 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte
Bezug genommen. Neben der Prozessakte hat die den Antragsteller betreffende
Leistungsakte der Antragsgegnerin vorgelegen.
I I.
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht
begründet.
Das SG hat den Antrag auf Bewilligung vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 86 b
Abs. 2 SGG zu Recht als Regelungsanordnung für zulässig angesehen und dem
Antrag entsprochen.
Der Tenor des erstinstanzlichen Beschlusses war indes gemäß § 138 SGG dahin
zu berichtigen, dass die Antragsgegnerin nicht die tatsächlichen Heizkosten zu
übernehmen hat. Der Antragsteller hat die Übernahme der tatsächlichen Heizkosten nicht beantragt. Dass die Antragsgegnerin von der Vorauszahlung für die
Erdgaslieferung von 61,-- € einen Betrag von 51,-- € als angemessene Heizkosten seit Januar 2005 angesetzt hat, war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand dieses
Verfahrens, so dass es sich bei der Verpflichtung um eine offenbare Unrichtigkeit
handelt, die durch das Rechtsmittelgericht (BSG, Urteil vom 14. Februar 1978
- 7/12 RAr 73/76 -, SozR 1500, § 138 Nr. 3) zu berichtigen war.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der
Anordnungsanspruch – die Rechtsposition deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der
begehrten vorläufigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4
SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Diese Voraussetzungen sind
erfüllt.
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Der Antragsteller hat einen Anspruch auf weitere 177,98 € (Differenz zwischen
den tatsächlichen Kosten von 425,98 € und den von der Antragsgegnerin berücksichtigten Kosten in Höhe von 258,-- €) glaubhaft gemacht. Sein Anspruch umfasst die Regelleistung von § 345,-- € (§ 20 Abs. 2 SGB II). Darüber hinaus sind,
wie das SG zu Recht festgestellt hat, zumindest bis 30. Juni 2005 die Kosten für
die Unterkunft in tatsächlicher Höhe von 425,98 € zu berücksichtigen.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung
in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen
sind. Für die Angemessenheitsbetrachtung ist auf das örtliche Mietzinsniveau und
dort jeweils auf den unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmiete für nach
Größe und Wohnstandard zu berücksichtigende Wohnungen abzustellen. Der zu
entrichtende Mietzins wird dabei insbesondere durch die Wohnungsgröße und
das jeweilige örtliche Mietniveau bestimmt. Die angemessene Wohnfläche wurde
nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (Bundesverwaltungsgericht –
BVerwG, Urteil vom 17. November 1994 – 5 C 11.93, BVerwG 97, 110 ff) nach
den Durchführungsverordnungen der Länder zum Gesetz zur Sicherung der
Zweckbestimmung
von
Sozialwohnungen
(Wohnungsbindungsgesetz,
jetzt:
Wohnraumförderungsgesetz) bestimmt. In Niedersachsen ist nach Nr. 11.2 der
Wohnraumförderungsbestimmungen (Runderlass des Sozialministeriums vom
27. März 2003 – Nds. MBI S 580) für eine Person eine Wohnung mit einer Gesamtfläche bis zu 50 m 2 als angemessen anzusehen. Diese Flächenwerte sind
Höchst-, keine Mindestwerte. Die vom Antragsteller bewohnte Wohnung mit 3
Räumen, Küche, Bad und insgesamt 66,33 m 2 übersteigt damit die angemessene
Wohnfläche. Durch die von der Antragsgegnerin vorgelegte Aufstellung über in
der Presse angebotene Wohnungen ist glaubhaft gemacht, dass jedenfalls die
vom Antragsteller bewohnte Wohnung mit einem Mietzins von 425,98 € nicht angemessen ist. Ob als angemessen ein Mietzins von 258,-- € anzusehen ist, ist
ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären.
Die Übernahme der tatsächlich entstehenden höheren Kosten war für eine Übergangszeit nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II möglich. Danach sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemesse-6-
-6nen Umfang übersteigen, diese als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es der
Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu
senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate. Die befristete Bestandschutzregelung gilt grundsätzlich für Hilfeempfänger, die bei Leistungsbeginn in
einer unangemessen teuren Unterkunft leben, sie gilt damit auch für den Antragsteller, der zuvor erwerbstätig war.
Das SG hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin keine Gründe
vorgetragen hat, warum sie die Übergangsfrist auf 4 Monate verkürzt hat. Anhaltspunkte hierfür sich auch nicht ersichtlich. Vielmehr hätte bei der Zumutbarkeit
umgehender und nachzuweisender Kostensenkungsbemühungen geprüft werden
müssen, ob bei dem 49-jährigen Antragsteller, der bis Ende 2004 – vorübergehend – als Schlosser erwerbstätig war, eine weitere Erwerbstätigkeit und damit
das Ende des Leistungsbezuges absehbar ist mit der Folge, dass mögliche Umzugskosten in einem Missverhältnis zu den Unterkunftsmehrkosten stehen würden.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn nicht die tatsächlichen
Kosten der Unterkunft zu übernehmen gewesen wären, der Antragsteller einen
Anspruch auf einen Zuschlag zum Arbeitslosengeld II gem. § 24 SGB II gehabt
haben dürfte. Die Berechnung, auf die die Antragsgegnerin zur Ablehnung des
Zuschlages Bezug genommen hat, bezieht sich ersichtlich auf die Zeit bis April
2005. Aufgrund des weiterbestehenden Anspruchs aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II
kann jedoch dahinstehen, ob entsprechende Leistungen (begrenzt auf den nicht
gezahlten Unterkunftsbetrag von 177,98 €) auch unter einem anderen rechtlichen
Gesichtspunkt zugestanden hätten.
Da der Antragsteller nur Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die sich an
dem Existenzminimum orientieren, ist dem Antragsteller bei der hier streitigen
Größenordnung nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Dass die Antragsgegnerin bei der von ihr gewährten Leistung von
645,-- €, der die auch ihr bekannten tatsächlichen Kosten für Unterkunft, Heizung
und Strom von 514,98 € gegenüber stehen, hieran zweifelt, mutet zynisch an. Das
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-7SG hat daher Leistungen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem
Vorbehalt der Rückforderung zu Recht bis 30. Juni 2005 gewährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG entsprechend.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Scheider
Bender
Ausgefertigt:
J us t i z a ng e s t e l lt e
als Urkundsbeamtin
der G e s ch äf t s st e l l e
Be ye r

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