Photoshop CS2: Was bringen 32-bit?

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Photoshop CS2: Was bringen 32-bit?
Prepress
Publisher 4 · 2005
Photoshop CS2
Tiefgreifende Farbanpassungen
Da reibt man sich die Augen: Kaum lassen sich 16 Bit durchgehend nutzen,
verdoppelt Photoshop die Farbtiefe und stellt einen 32-Bit-Modus zur Verfügung. Reine
Rechenspielerei oder tatsächlich ein Durchbruch zu besseren Bildern?
■ GÜNTER SCHULER Der Begriff
Im 32-Bit-Modus lässt
sich das Kanalwertspektrum dieser KanalmixerSchwarzweissumsetzung
weitaus besser feintunen.
HDR-Farben stellt so etwas wie eine
magische Zielmarke dar. HDR (High
Dynamic Range) bezeichnet einen
grösseren Farbraum, da für jeden Farbkanal 32 Bit Information zur Verfügung
stehen statt wie bisher 8 Bit.
HDR-Bilder: Braucht es überhaupt mehr Farbtiefe?
Zweifellos ist Auflösung der wichtigere
Faktor als Farbtiefe, um mehr Bilddetails herbeizuführen. Da Kameras
und Scanner jedoch Pixel im Überfluss
anliefern, welche von den Bildbearbeitungsprogrammen selbst lediglich weiterverarbeitet werden, konzentriert sich
die aktuelle Photoshop-Version CS2
folgerichtig auf den zweiten Qualitätsfaktor: das Aufstocken der Farbtiefe.
12, 16 oder noch mehr Bit Farbtiefe bei
der Bilderfassung sind oberhalb des
Consumer-Marktsegments fast Standard. Digitalkameras operieren gegenwärtig im Bereich zwischen 12 und
16 Bit; High-End-Scanner können bis
zu 32 Bit Farbtiefe anliefern. Vorteile
bringt diese Farbtiefe vor allem bei
der Bildbearbeitung. Mit 30 000 oder
mehr Nuancen pro Farbkanal lassen
sich ausbrechende oder zulaufende
Tonspektren weitaus effektiver verhindern als mit 256. Kurzum: Obwohl zu
Ausgabezwecken nach wie vor auf 8
Bit reduziert werden muss, ist 16-BitBildmaterial bei der Bearbeitung eindeutig robuster.
Aufgegleist haben die Adobe-Entwickler deshalb eine komplette kleine
Funktionssektion: einen neuen ModusBefehl (32-Bit-Kanal), ein Feature zum
Einstellen von Optionen für die Abwärtskonvertierung von 32-Bit-Bilddaten (HDR-Konvertierung) sowie einen
Automatisierungsbefehl namens Zu
HDR zusammenfügen. Unterstützt wird
der neue 32-Bit-Modus in der aktuellen Version allerdings lediglich durch
drei Anpassen-Funktionen (Kanalmixer,
Deutsche Bezeichnungen
Der im letzten Publisher abgedruckte Beitrag basierte noch auf der englischsprachigen Beta-Version. An dieser Stelle darum ein Nachtrag, unter
welchen deutschen Bezeichnungen die besprochenen Bildbearbeitungsfunktionen zu finden sind:
Exposure (Menü Bild > Anpassen): Belichtung
Smart Sharpen (Menü Filter > Scharfzeichnungsfilter): Selektiver Scharfzeichner
Surface Blur (Menü Filter > Weichzeichnungsfilter): Matter machen
Box Blur (Menü Filter > Weichzeichnungsfilter): Feld weichzeichnen
Smart Blur (Menü Filter > Weichzeichnungsfilter): Form weichzeichnen
Reduce Noise (Menü Filter > Störungsfilter): Störungen reduzieren
Lens Correction (Menü Filter > Verzerrungsfilter): Blendenkorrektur
Vanishing Point (Menü Filter): Fluchtpunkt
Spot Healing Brush (Werkzeugleiste, Korrekturwerkzeuge): Bereichsreparatur-Pinsel-Werkzeug
Smart Objects (Ebenen-Palette): Smart Objects
Warpen (Bearbeiten > Transformieren): Verkrümmen
Last but not least – umbenannt wurden in CS2 auch bereits vorhandene
Funktionen. Das «Farbe-ersetzen-Werkzeug» kommt nunmehr unter
dem Namen «Rote-Augen-Werkzeug». Die bereits in der Vorversion für
Irritation sorgende Bezeichnung «Verwackeln» für den neuen Blendenweichzeichnungsfilter ist nunmehr der – sachlich ebenfalls nicht gerade
erhellenden – Bezeichnung «Tiefenschärfe abmildern» gewichen.
Fotofilter und das neue Feature Belichtung) sowie ein gutes Dutzend Filter.
32 Bit als Arbeitsmodus
Die Menge der unterstützten Photoshop-Funktionen ist auf den ersten
Blick nicht gerade berauschend. Die eigentlich relevante Frage lautet jedoch:
Bringt das Arbeiten mit 32 Bit in der
gegenwärtigen Konstellation tatsächlich sichtbare Qualitätsgewinne? Praktisch interessant ist diese Frage beim
Hochkonvertieren «normaler» 8- oder
16-Bit-Bilder. Da beim Hochkonvertieren nicht wirklich neue Farbnuancen
entstehen, ist die Vorgehensweise unter Bildbearbeitern nicht unumstritten. Zumindest in der Theorie. In der
Praxis indes ermöglichen hochkonvertierte 8- und 16-Bit-Bilder durchaus
mehr Spielraum bei der Bearbeitung.
Dies betrifft fast alle der im 32-Bit-Modus zugänglichen Anpassen-Befehle
und Filter. Kanalmixer und Fotofilter
eröffnen ein weitaus akzentuierteres
Regler-Feintuning. Deutlich wird dies
insbesondere beim Monochrom-Modus
des Kanalmixers. Das Regler-Spektrum
für die Generierung eigener Schwarzweissbilder kann bis hin zum Wert 200
ausgeschöpft werden. Verdoppelt hat
sich jedoch nicht nur das Intervall des
Regler-Spektrums; auch die Bild-Ergebnisse wirken – zumindest vom subjektiven Eindruck her – durchzeichneter.
Mehr Basis fürs Bild-Feintuning bringen 32 Bit auch bei der neuen Anpassen-Funktion Belichtung. Die drei
Regler Belichtung, Verschiebung und
Gamma orientieren sich sichtbar an
den auch in Camera Raw zum Zuge
kommenden Bearbeitungsmethoden.
Belichtung verändert – ähnlich wie
bei fotografischen Über- oder Unterbelichtungen – Helligkeit und Kontrast
gleichzeitig. Verschiebung hingegen
verändert lediglich die Helligkeit,
Funktioniert ebenfalls mit 32 Bit: der
neue Anpassen-Befehl «Belichtung»
PhotoshopSerie
Dieser Artikel ist der zweite
einer vierteiligen Serie von
Günter Schuler über Photoshop
CS2.
Heft 3-05 Features für die
Bildbearbeitung
Heft 4-05 HDR & 32 Bit – Was
ist dran an der neuen Farbtiefe?
Heft 5-05 Neues beim RawFormat
Heft 6-05 Dateibrowser
programmübergreifend – Adobe
Bridge
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Publisher 4 · 2005
Gamma schliesslich nur den Kontrast.
Einsetzen lässt sich dieses Tonwertregularium, das etwas differenzierter
arbeitet als der altbekannte Befehl
Helligkeit/Kontrast, natürlich auch im
8- oder 16-Bit-Modus. Die wenigsten
sichtbaren Unterschiede bringen 32
Bit bei den diversen Filtern. Unterstützt
werden bislang: Unscharf maskieren,
der neue Scharfzeichnungsfilter Selektiver Scharfzeichner, rund die Hälfte der
in CS2 deutlich aufgestockten Weichzeichnungsfilter, der Störungsfilter Störungen hinzufügen sowie Hochpass
und Verschiebungseffekt in der Gruppe
Sonstige Filter.
Optimierung bei Abwärtskonvertierung
Interessant ist das Arbeiten mit 32
Bit auch wegen der Optionen bei der
Abwärtskonvertierung. Werden 32-BitBilder in 8 oder 16 Bit umgewandelt,
erscheint das Funktionsfeld HDR-Konvertierung. Der Sinn der hier angebotenen Optionseinstellungen besteht
darin, das vorliegende 32-Bit-Farbspektrum für die reduzierten Farbtiefen 8
oder 16 Bit zu optimieren. Hierfür stellt
HDR-Konvertierung vier Methoden zur
Verfügung. Zwei davon – Lichterkomprimierung und Histogramm equalisieren – ermöglichen keine weiteren
Parametereinstellungen. Zwei Parameter offeriert Belichtung und Gamma.
Die differenzierteste Methode kommt
unter der Bezeichnung Lokale Anpassung. Die Auswirkungen der beiden
Regler Radius und Schwellenwert erinnern nicht von ungefähr an den «digitalen Aufhellblitz» Tiefen/Lichter.
Zusätzlich lässt sich das Tonspektrum
über eine Gradationskurve beeinflussen. Über den Button Toning-Kurve
und Histogramm steht sie – theoretisch
– zwar auch bei den drei anderen Umsetzungsmethoden zur Verfügung; tatsächlich verändern lässt sie sich jedoch
nur bei Belichtung und Gamma.
Prepress
Anwendung von Zu HDR zusammenfügen allerdings keinen Sinn. Sinnvoll
einsetzbar ist diese Funktion lediglich
bei Belichtungsserien, die mit Stativ
und Fernauslösung aufgenommen wurden. Die Befehlsabfolge ermöglicht das
Auswählen mehrerer Bilder, welche
dann in einem einzigen optimierten
32-Bit-Bild zusammengefasst und präsentiert werden.
Verwendbar ist Zu HDR zusammenfügen also nur für ein sehr enges Spektrum von Aufnahmen. Auch bei den
Ergebnissen erweist sich die neue Automatisierungsfunktion nicht unbedingt
als Wunderwaffe. Die abgebildete
Belichtungsreihe mit Marmorstatue,
harten Schatten, weisser Wand und
dunklem Tor enthält motivtechnisch
gesehen zwar ein sehr grosses Tonspektrum. Für eine Belichtungsreihe ist
die Szene also prädestiniert. Technisch
gesehen ergibt die Anwendung des
Befehls zwar ein zusammengefasstes
Bild mit 32 Bit Farbtiefe. Bildästhe-
tisch gesehen weist die Umsetzung
allerdings deutliche Mankos auf: Die
Lichter brechen noch immer aus; anscheinend hat sich Zu HDR zusammenfügen vor allem am Tonwertspektrum
der Überbelichtungen orientiert. In den
Schatten würde man sich mehr Detaildifferenzierung wünschen. Résumé:
Auch fortgeschrittene Computer-Intelligenz macht manuelle Bearbeitungsmethoden keinesfalls überflüssig. Eine
herkömmliche Verfahrensweise brächte
bei den Beispielaufnahmen wohl bessere Ergebnisse. Mögliches Alternativszenario: Öffnen der fünf Bilder im
16-Bit-Modus, Übereinanderlegen von
Schöpft den Farbraum von Belichtungsserien aus: der Automatisierungsbefehl Zu
HDR zusammenfügen.
Einzelbilder zu HDR
zusammenfügen
Richtig interessant wird die Hand voll
der vorgestellten 32-Bit-fähigen Befehle natürlich dann, wenn echte 32Bit-Bilder bearbeitet werden können.
In der Praxis ist das eher selten der
Fall. Einige Scanner sind in der Lage,
diese Farbtiefe zu erzeugen. Bei Digitalkameras sind 16 Bit jedoch aktuell die Obergrenze. Um auch dem
Marktsegment der Profi-Digitalfotografen eine praktisch verwendbare
HDR-Funktion in die Hand zu geben,
haben die Photoshop-Entwickler einen
zusätzlichen Automatisierungsbefehl
aus der Taufe gehoben. Bei herkömmlichen Einzelbild-Aufnahmen ergibt die
Ob das zusammenkompilierte 32-Bit-Bild (oben) die beste Möglichkeit ist, um aus der Belichtungsserie (recht) das Beste
herauszuholen, ist fraglich. Das normal belichtete Bild (unten) böte zwar nur 16 Bit Farbtiefe, liesse sich jedoch mit sämtlichen
Photoshop-Befehlen optimieren.
Prepress
Optionen bei Rückkonvertieren in 16
oder 8 Bit.
Publisher 4 · 2005
Der Autor
Als Buchautor und Fachjournalist verfolgt Günter
Schuler die Entwicklungen in der digitalen
Medienproduktion und Bildbearbeitung bereits
seit Jahren. Bekannt wurde er durch seine mit
vielen unkonventionellen Tipps und Tricks aufwartenden Kreativ-Kochbücher zu Photoshop und
Illustrator.
Neu auf dem Markt: «Digital gestalten» (rororo
Computer, Februar 2005) und «Profikurs
Photoshop für Fotografen» (rororo Computer, Juni
2005). Bei Letzterem handelt es sich um einen
weiterführenden Aufbaukurs zu dem ebenfalls bei
Rowohlt erschienenen Erfolgstitel «Photoshop für
Fotografen» aus dem Jahr 2003.
Erhältlich im Publisher-Shop:
www.publisher.ch/shop
fünf Ebenen und Hervorarbeiten der
dunklen und hellen Bildpartien durch
weiche Auswahlen.
Fazit
Insgesamt prescht Photoshop mit dem
neu implementierten 32-Bit/HDRFunktionssektor (wieder einmal) in
bislang wenig begangene Bildbearbeitungsbereiche vor. Die Beschränkung
auf vorerst nur wenige Bearbeitungsfunktionen ist, für sich gesehen, erst
einmal ärgerlich. Sie erinnert an die
ebenfalls in Etappen vollzogenen
Funktionserweiterungen für den 16Bit-Farbmodus. Offenbar brauchen
Veränderungen ihre Zeit; 16-Bit-Bildbearbeitung scheint sich mittlerweile
– immerhin – als neuer Bildbearbeitungsstandard herauszuschälen. Dass
nunmehr gleich die nächste Marge in
Angriff genommen wird, spricht für
einen recht ungebrochenen Innovationsgeist. Was nicht das Schlechteste
ist. Die praktischen Einschränkungen
sind so weniger Argument gegen die
Funktionen an sich, sondern werfen
vielmehr ein Licht auf die tatsächliche
Dauer von Innovationsschüben. Fakt
dabei ist, dass sich die Medienproduktionsbranche nur sehr langsam und
zögerlich vom liebgewonnenen Farbtiefen-Standard 8 Bit verabschiedet.
In diesem Umfeld betrachtet, sind 32
Bit fast ein Zukunftsszenario. Möglich,
dass ultrahohe Farbdynamikbereiche
mit Millionen von Abstufungsmöglichkeiten irgendwann Realität werden –
sogar bei der Ausgabe. Möglich, dass
vor Details strotzende Bilder in zehn
Jahren nicht «high end» sein werden,
sondern die Regel. Bis dahin heisst es,
Bilder zu optimieren: je nach Fall in 8,
16 oder 32 Bit. Dass Photoshop Letztere schon einmal zur Verfügung stellt,
macht gespannt darauf, wie die Entwicklung in der digitalen Bildbearbeitung tatsächlich weitergehen wird. ■
Im nächsten Publisher:
Photoshop CS2: Neue Funktionen in
Camera Raw 3
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