Abflug

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Abflug
MAZ-Abschlussarbeit, 2014
Christian Hodel
Abflug
In ein paar Jahren wollte er auswandern. Dann kommt die Diagnose: Krebs.
Johan F. Mattmann bereitet seinen Tod vor und feilscht um die letzten Monate
Leben. Eine Rekonstruktion.
von Christian Hodel
Johan F. Mattmann* spreizt seine Finger. Es ist 18.30 Uhr, der letzte Donnerstag im
Januar 2013, Mattmann stöhnt auf.
Was ist los?, fragt die Ehefrau.
Es juckt mich, unter den Nägeln, am Fuss, am Körper, sagt er, – 177 Zentimeter gross,
fast 90 Kilogramm schwer.
Mattmann ist siebenundfünfzig, in ein paar Jahren will er mit seiner Frau nach
Fuerteventura auswandern, 24 Grad im April, 25 Grad im November. Sein Geschäft
wird er verkaufen und ein Appartement mieten, mit zwei oder drei Zimmern
vielleicht, an der Ostküste in Gran Tarajal, dunkler Sandstrand, ein Dutzend
Hafenbeizen.
Der erste Tag im Februar, bierbrauner Urin am Morgen, Mattmanns Haut ist gelb. Da
sind wohl Steine im Gallengang, sagt der Hausarzt am Vormittag und schiebt das
Ultraschall-Gerät zur Seite. Ich mache einen Termin mit der Klinik.
Gegen 13 Uhr steckt ein Arzt in der Privatklinik St.Anna Luzern eine Sonde durch
Mattmanns Speiseröhre, führt sie zum Magen. Vielleicht müssen wir operieren, sagt
er. Dann schaut er am Monitor die Bilder an. Mattmann liegt im 5. Obergeschoss,
Privatabteilung, wartet auf die Gallenblasen-Operation.
Sie werden nicht operiert, sagt der Arzt kurz vor 16 Uhr. Wollen Sie Ihre Frau
anrufen?
Kannst du herkommen?
Was ist los?
Ich weiss nicht, es ist nicht so gut, glaube ich.
Johan F. Mattmann, Vater von zwei Söhnen, bestellt die Krankenschwester zu sich:
Bringen Sie zwei oder drei Stühle, sagt er, zieht sein Hemd an, knipst die goldigen
Manschettenknöpfe in die Löcher.
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Die Krankenschwester bringt jetzt die Stühle, Mattmann setzt sich an den Tisch.
Wenn er aus dem Fenster schaut, sieht er auf den See – Nebel. Es ist kurz nach 19
Uhr, zwei Ärzte kommen herein, die Ehefrau, einer beginnt zu reden:
Verdacht auf lokal fortgeschrittenes Pankreaskarzinom, sagt er.
Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Wie lange habe ich noch?
Wir warten die Testergebnisse ab.
Stadium 3, operabel, sagt der Arzt zwei Tage später. Es ist Sonntag, der 3. Februar
2013, der Arzt zeichnet auf ein Papier eine Kurve, wie eine Glocke. Links schreibt er
eine Null, rechts eine Vierundzwanzig.
24 Monate, maximal, sagt der Arzt.
Februar 2015 wäre dann.
Mattmann, selbständiger Unternehmer, schaut auf die Kurve, wie auf das Budget
seiner Firma und rechnet.
18 Monate gibt er sich.
August 2014 wäre dann.
Das ist realistisch, sagt Mattmann.
Wir schaffen das, sagt seine Frau.
Dann spricht wieder der Arzt – und Mattmann notiert: OP-Heilungschancen klein...
ein Zeitgewinn...Metastasen auf der Leber...Leberversagen ist ein guter Tod...
Reglos liegt Mattmann auf einem Schragen, er wiegt 86 Kilogramm, ein Arzt
schneidet seinen Bauch auf. Es ist Donnerstag, der 14. Februar, der zweite Tag der
Fastenzeit, kurz nach 10 Uhr. 160 Minuten später liegen auf dem Tisch ein 2,5
Zentimeter grosser Tumor, Gewebegeschwulste aus der Leber, ein Teil des
Dünndarms, Lymphknoten, die Gallenblase. 44 082.90 Franken kostet der Eingriff an
Bauchspeicheldrüse und Leber – 15.05 Franken eine Minute im Operationssaal.
Keine Hinweise auf weitere Ableger, sagt der Arzt am 26. Februar. Und Mattmann
notiert: vier bis sechs Wochen Wundheilung, dann Chemotherapie, prophylaktisch.
Noch siebzehn Monate, vielleicht dreiundzwanzig.
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Nach zweieinhalb Wochen in der Klinik wechselt er zur Kur in die Ostschweiz, eine
Stunde und fünfundvierzig Minuten mit dem Auto, Klinik Schloss Mammern. Es ist
Montag, der 4. März 2013, der jüngste Sohn fährt.
Mattmann trainiert seinen Körper:
Laufen von 14 Uhr bis 15 Uhr am Dienstag.
Gewichtheben von 16 Uhr bis 17 Uhr am Mittwoch.
Schonkost und Psychotherapie am Donnerstag.
Am fünften Tag auf Schloss Mammern, am Freitag, klappern Mattmanns Zähne. Am
Sonntag hat er 40,5 Grad Fieber, Antibiotika.
Die Lage ist ernst, sagen Ärzte am nächsten Morgen, Leber und Nieren können
versagen. Sie schieben ihn in einen Notfallwagen, biegen in Frauenfeld auf die
Autobahn, Mattmann auf dem Schragen, eine Stunde und fünfundvierzig Minuten
bis zu den Spezialisten in der St.Anna-Strasse 32, Notfallstation, 2. Stock, Mattmann
hat eine Infektion, einen Leberabszess.
Er verliert fast zehn Kilogramm in zwei Wochen.
Wir schaffen das, sagt seine Frau, seit 28 Jahren verheiratet.
Mattmann hat jetzt Schmerzen im Magen, er erhält ein Paket und eine Postkarte: Ich
schicke dir hier das beste Buch der Welt! Es ist schon etwas abgegriffen. Dieses Buch
hat mittlerweilen der ganze Freundeskreis gelesen. Johan, lies es!!!!! Es tönt am
Anfang etwas religiös angehaucht, ist aber phänomenal.
Liebe Grüsse P.
Mattmann legt das Buch auf den Nachttisch.
Nach 18 Tagen in der Klinik zwängt er sich in den Konfirmations-Anzug des ältesten
Sohnes. Er lässt sich wieder nach Mammern fahren, zum zweiten Mal, Einzelzimmer,
eigenes Bad, private Abteilung, Zimmer 083, um endlich mit der prophylaktischen
Chemotherapie zu beginnen. Der jüngste Sohn macht ein Foto, bevor sie losfahren,
Donnerstag, 4. April. Papi ist jetzt 72 Kilogramm schwer und versucht zu lächeln.
Noch sechzehn Monate, vielleicht zweiundzwanzig.
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Mattmann liest Berichte über die Kreuzzüge, Broschüren der Krebsliga und das Buch
von P. – „Der Healing Code“, die 6-Minuten-Heilmethode. Krankheiten, die unheilbar
sind, lassen sich durch meine Methode heilen, verspricht der Autor.
Er schliesst die Augen, führt seine Fingerspitzen zur Nasenwurzel, berührt sie nicht,
führt sie zum Kehlkopf, wartet, führt sie zum Kiefer, berührt ihn nicht. Dann zu den
Schläfen, wieder zur Nasenwurzel, wieder zum Kehlkopf. Den "Healing Code"
wiederholt Mattmann nun jeden Tag.
Einmal wechselt er von der Klinik Schloss Mammern ins Kantonsspital
Münsterlingen, Spitalcampus 1. Gemzar fliesst durch seine Venen, eines von wenigen
Chemotherapeutika, das bei Bauchspeicheldrüsenkrebs hilft, 1800 Milligramm, fast
eine Stunde lang.
Als Mattmann am 19. April 2013 die Kur verlässt, blüht der Frühling. Die
Versicherung zahlt seinen Erwerbsersatzausfall, zwei Jahre lang. 24 Monate,
maximal.
Noch fünfzehn Monate, vielleicht einundzwanzig.
Zu Hause in der Stadt arbeitet Mattmann wieder. Er besucht jetzt Kunden, das
Tragen der Aktentasche fällt ihm schwer.
Er sieht sich im Spiegel, die Haare dünn und grau, der Körper hager, die Haut bleich.
Mattmann löst ein Fitness Abo, Krafttraining in Luzern. Zwei, vielleicht drei Mal geht
er hin. Dann schmerzt die Lunge.
Wieder fährt er in die Klinik, St.Anna-Strasse 32, und hört zu: Ihr Blut ist eine Armee
mit zu wenig Soldaten, sagt seine Onkologin, ein Papier mit Zahlen und Kurven in der
Hand. Ihre weissen Blutkörperchen haben Kurzarbeit, Ihr Immunsystem ist schwach,
das Chemotherapeutikum tötet zu viele Ihrer Soldaten im Körper.
Gemzar, jetzt noch 1300 Milligramm, ein Dienstag in der Klinik St. Anna: der
Klinikpfarrer setzt sich zu ihm.
Wie geht es Ihnen?, fragt er.
Danke, sagt Mattmann und winkt ab. Ich bin reformiert.
Der Pfarrer lächelt und geht.
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Zu Hause überweist Mattmann 900 Franken auf ein Postcheck-Konto. Später wird in
Zürich ein Brief aufgegeben: Danke für Ihre Überweisung. Freundlich grüsst, die
Vereinigung für humanes Sterben der Deutschen Schweiz. EXIT.
Es ist eine heisse Sommernacht, als Mattmanns Frau eine Pelzdecke über seinen
Körper legt. Der Tumormarker ist hoch, die Blutwerte sind miserabel, der Krebs frisst
sich vorwärts. Ich glaube, ich muss sterben, sagt Mattmann.
In der Post findet er den Ausweis von EXIT. Mattmann ist Mitglied auf Lebenszeit.
Ich werde kein Pflegefall, sagt er zu seiner Frau. Windeln zu tragen, ist unvorstellbar.
Mattmann legt den Ausweis in einen schwarzen Ordner, ganz vorn.
Später blättert er darin, legt den EXIT-Ausweis um, Rechnungen, blättert weiter,
sucht eine Broschüre, findet sie: Friedwald, die letzte Ruhestätte im Grünen, liest
Mattmann. Ihre Asche vermischt sich mit den Wurzeln des Baumes, neues Leben
entsteht. Ein junger Ahorn kostet 4900 Franken, eine alte Eiche 9900 Franken.
Zusammen fahren sie jetzt nach Küssnacht am Rigi, er und sie im Mercedes,
Mattmann und seine Frau. Sie stellen das Auto auf den Parkplatz bei GPS-Signal
47.0833`N / 8.4151` O, gehen durch Brennnesseln und Dornen, es ist Samstag, der
13.Juli. Sie stehen im Wald, vor sich eine Mulde, ein Bächlein. Hier ist es, sagt er, die
Broschüre in der Hand.
Und, gefällt es dir?, fragt sie.
Ich weiss nicht so recht.
Zu Hause legt Mattmann die Broschüre zurück in den Ordner, ein paar Seiten hinter
den EXIT-Ausweis.
Am nächsten Morgen, Sonntag, der Klinikpfarrer predigt in der St. Anna Kapelle.
Schwestern der Ordensgemeinschaft rezitieren Gebete. Mattmann setzt sich in eine
der Kirchenbänke, der Pfarrer ist überrascht. Nach der Messe trinken sie einen
Aperitif.
Das Sterben und der Tod gehören zum Leben dazu, sagt der Pfarrer.
Ich bestimme selbst, wann ich gehe, antwortet Mattmann.
Ist es nicht eine Bereicherung, natürlich ab der Welt zu gehen?, fragt der Pfarrer.
Ich werde kein Pflegefall, sagt Mattmann. Windeln zu tragen ist unvorstellbar.
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Wir haben noch einen einzigen Pfeil im Köcher, sagt die Onkologin am Morgen,
Montag, 15. Juli 2013. Drei Tage später fliesst in der Klinik Abraxane vom
Infusionsständer, ein Chemotherapeutikum, wenn die Erstlinientherapie
fehlgeschlagen ist, zwei Flaschen, 200 Milligramm, eine Stunde lang.
In der EU und den USA seit Jahren bewilligt, von der Schweizerischen Zulassungsund Aufsichtsbehörde für Heilmittel ist Abraxane noch nicht zugelassen. Mattmanns
Onkologin bittet die Krankenkasse, um die Kostenübernahme.
Gemäss Art. 32 und Art. 34 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG)
dürfen nur Leistungen vergütet werden, die wirksam, zweckmässig und
wirtschaftlich sind, antwortet die Versicherung.
Was bedeutet wirtschaftlich?
Die Ärzte sagen, die Alternative zu Abraxane wäre ein Cocktail aus mehreren
Medikamenten – toxisch und teurer.
Was bedeutet zweckmässig?
Die Onkologin sagt, Mattmann hat mit Abraxane einen Überlebensvorteil von drei
bis sechs Monaten.
Die Krankenkasse schreibt: Im Vergleich zum minimalen therapeutischen Nutzen sind
die Kosten unverhältnismässig hoch. Die 2700 Franken pro Monat zahlt sie nicht. Das
Chemotherapeutikum stellt bis auf weiteres der Hersteller zur Verfügung. Solange,
bis es von der Schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel
registriert wird.
Mattmann antwortet der Versicherung: Ich fühle mich noch sehr lebendig!
Noch zwölf Monate, vielleicht achtzehn.
Die Invalidenversicherung bietet um ein Gespräch in der Geschäftsstelle, 10 Uhr,
Luzern. Mattmann sitzt einer Sachbearbeiterin gegenüber, 22 oder 23 Jahre jung.
Sie haben erst nach zwei Jahren Anspruch auf die Rente, sagt sie.
Sie müssen meinen Fall nicht aktenkundig machen, sagt er. Ich sterbe vorher.
Der Sommer ist vorbei, ein Notar beglaubigt die Erbverzichtserklärung der Söhne.
Mattmanns Frau kann bis zu ihrem Tod im Haus wohnen bleiben. Der Älteste trägt
jetzt Papis Anzüge.
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Mattmann fährt nach Zürich zu Kunden. Nach fünfundvierzig Minuten im Auto
schmerzt der Rücken. Er hat jetzt einen neuen Tumor im Magen und Ableger im
Bauchfell und der Leber.
In der Stadt fegt der Wind die Blätter von den Bäumen, in der Klinik sagt Mattmann
zum Pfarrer:
Es ist die Angst, qualvoll aus dem Leben zu scheiden.
Der Tod ist Teil der Lebenserfahrung, sagt der Pfarrer
Was, wenn die Schmerzen zunehmen?
Es gibt Mittel dagegen.
Jeden Tag bleiben jetzt mehr Haare im Kamm hängen. Die Augenbrauen sind dünne,
graue Striche, drei Mal im Monat geht Mattmann zur Chemotherapie. In der Klinik
zupft ihn der Pfarrer am Kragen. Du fällst aus dem Hemd, sagt er.
Nach dem Tod fliegen die Seelen durchs Universum und suchen sich einen neuen
Körper, hat Mattmann mal an einem Vortrag gehört. Es gibt Seelen, die schon
mehrmals auf die Erde zurückgeflogen sind, und Seelen, die noch nicht oft einen
Körper bewohnten – alte und junge Seelen.
Lass die Seele fliegen, sagt der Pfarrer.
Noch zehn Monate, vielleicht sechzehn.
Am Tag null soll der Klinikpfarrer predigen, im Namen des Vater, des Sohnes und des
Heiligen Geistes. Dann soll er Mattmanns Asche ins Familiengrab der Frau legen, in
einem Dorf in der Ostschweiz, acht Urnen haben Platz.
Zuvor das Requiem in d-Moll, Mozarts letzte Komposition – vielleicht auch Highland
Cathedral, die Blechbläser-Version, ohne Dudelsack. Dann der Lebenslauf, Mattmann
hat ihn selbst verfasst.
28. Oktober 2013, 19 Uhr, Montag, mit Schüttelfrost legt sich Mattmann ins Bett. Vor
ein paar Tagen hat er sich von einem Freund verabschiedet, Krebs, 73 Jahre alt. Der
Sohn hielt dem Vater die Hand, als das Gift im Körper zu wirken begann, sagt
Mattmann. Ein paar Minuten, drei oder vier, dann schlief er ein. EXIT.
Irgendwann fliegt auch meine Seele durchs Universum, sagt Mattmann.
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Er ist jetzt 75 Kilogramm schwer, geht vier Mal am Tag auf die Toilette, normaler
Stuhlgang, hält sein Gewicht seit Tagen, seit Wochen.
Jeden Tag eine Spritze und 14 Tabletten:
−
−
−
−
−
Pantozol, Magenschutz, 40 mg
Beloc Zok, Herz, 50 mg
Targin 10 meg 1-0-1, Opioid-Schmerzmittel, 10 mg
Creon, Verdauungsenzyme, einmal 25`000 Einheiten, einmal 40`000 Einheiten
Fragmin, Blutverdünner, 10`000 Einheiten
Irgendwann werden Sie gegen die Medikamente resistent sein, sagt seine Onkologin
in der Klinik. Ihre Organe werden die Giftstoffe nicht mehr aus dem Körper
abtransportieren, Ihre Leber steigt aus. Mattmann wird vergiften.
Nebel umhüllt die Welt, der November franst aus. Mattmann bucht jetzt Ferien, an
einem Dienstag fragt die Onkologin:
Sie verreisen?
Meine Frau hat mich überredet, sagt er.
Mattmann wandert aus, 28 Tage lang, nach Fuerteventura, an die Ostküste, dunkler
Sandstrand, ein Dutzend Hafenbeizen. Er hat ein Appartement gemietet, zwei
Zimmer, in Gran Tarajal. Als er vor einem Jahr das letzte Mal da war, besuchte er den
alten Friedhof mit den weissen Mauern, seine Frau an der Seite, und das
Krematorium, eines der wenigen auf der Insel.
Zu Hause tippt er die E-Mail-Adresse eines deutschen Arztes in den Computer,
Centro médico Caleta de Fuste in Fuerteventura, Facharzt für Innere Medizin und
Allgemein- und Notfallmedizin: Wären Sie bereit, sich um mich zu kümmern, sollte
mir etwas passieren?
Mattmann verabschiedet sich, er fährt von Brunnen nach Zürich bis Rapperswil.
Weinflaschen liegen im Kofferraum, Weihnachtsgeschenke für die Kunden. Die Welt
riecht nach Schnee, es ist der 12. Dezember, Donnerstag. Mattmann schliesst sein
Geschäft.
Am Abend packt er zwei Fläschchen Oxynorm in seinen Koffer, 20 Milligramm. Das
Opioid-Analgetikum fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, wirkt bei starken
Schmerzen, alle zwei Stunden mit Flüssigkeit einnehmen, schreibt der Hersteller. Ein
paar Tröpfchen nur.
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Christian Hodel
Den EXIT-Ausweis lässt Mattmann im Ordner liegen.
Der Klinikpfarrer wünscht ihm einen guten Flug.
Er versucht jetzt seinen Koffer zu heben. Es ist morgen früh, der zweite Samstag im
Dezember 2013. Um 08.45 Uhr hebt die Maschine in Zürich ab, Flug AB 3204.
Mattmann fliegt.
Falls er Ende Januar 2014 zurückkommt, wäre die Hälfte von vierundzwanzig
Monaten um, zwei Drittel von achtzehn.
*Namen geändert
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