Erfahrungsbericht der Nicolaischule

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Erfahrungsbericht der Nicolaischule
Der Erfahrungsbericht wurde auf der Grundlage eines im September 2015 geführten leitfadengestützten Inter­
views erarbeitet. Um eine gute Lesbarkeit zu sichern, wurde keine reine Transkription angefertigt, sondern ein Mix
aus Protokoll und Audiofassung. Durch die Verwendung von Auszügen aus dem so entstandenen Text gelang
eine konsequente Ausrichtung des Erfahrungsberichtes auf den unten genannten Fokus. Am Interview nahm der
Schulleiter teil. Um den Erfahrungsbericht authentisch und praxisnah zur Verfügung zu stellen, wurde vorwiegend
der tatsächliche mündliche Sprachgebrauch der Befragten verwendet. Geringfügige Änderungen im Sprachduk­
tus wurden für eine bessere Lesbarkeit vorgenommen.
Erfahrungsbericht der Nicolaischule - Grundschule in Zwickau
Entwicklungsschwerpunkt: An der Schule wird die sächsische Konzeption zur Integra­
tion von Migranten umgesetzt.
Fokus: Ziele im oben genannten Entwicklungsschwerpunkt
Die Schule wurde durch gesellschaftliche Erfordernisse im zum oben genannten Entwick­
lungsschwerpunkt in die Verantwortung genommen. Das Beispiel verdeutlicht einerseits wie
die Akteure mit dieser Herausforderung umgehen, andererseits dass dieser Entwicklungs­
prozess auch Zeit braucht. Immer wieder werden Reflexionsschleifen eingezogen, werden
Maßnahmen bezüglich ihrer Wirksamkeit hinterfragt und angepasst. Somit wird durch die
Umsetzung der alltäglichen Schulprogrammarbeit das Ziel erreicht, eine optimale Entwick­
lung der Kinder, die mit sehr unterschiedlichen Ausgangslagen in die Vorbereitungsklasse
gekommen sind, zu gewährleisten. Ein dreijähriger Entwicklungsprozess führte dazu, dass
nun Strukturen und Verantwortlichkeiten als effektiv und auch effizient in der Lehrerschaft
erlebt werden. Damit durchlief die Schule in diesem Entwicklungsschwerpunkt permanent
alle Phasen des Qualitätskreislaufs.
So wurde der Anlass zu einem Entwicklungsschwerpunkt an der Schule
2010 wurde im Stadtgebiet Zwickau zum ersten Mal eine Schule für ein Kind [Anmerkung:
Kind mit Migrationshintergrund] gesucht, das keine Deutschkenntnisse hatte und aus Alters­
gründen nicht in eine erste Klasse eingeschult werden konnte. Da ich zu diesem Zeitpunkt in
der Sächsischen Bildungsagentur [Anmerkung: in der Sächsischen Bildungsagentur Regio­
nalstelle Zwickau] tätig war, wurde ich angesprochen, das Kind in die Nicolaischule aufzu­
nehmen. Ich habe zugesagt, ohne zu wissen, was da auf uns zukommt. Insgesamt haben wir
drei Jahre gebraucht, um die Arbeit in der Vorbereitungsklasse so zu entwickeln, dass es für
die Kinder, für die einzelnen Lehrerinnen, für das Kollegium und für die Schule passt.
Ziele
Ein wichtiger erster Schritt war, die Vorbereitungsklasse inhaltlich und organisatorisch an der
Schule zu etablieren. Wir haben eine Gruppe, die sich monatlich trifft. Hier wird über Leitziele
und Entwicklungsaufgaben gesprochen. Hier kommt auch die Arbeit in der Vorbereitungs­
klasse zum Tragen. Wir überlegen derzeit, wie wir den schulischen Erfolg der Kinder, die die
zwei Etappen durchlaufen haben, verbessern können. Unsere Hauptfrage dabei ist: „Wie
können wir eine zusätzliche Förderung einbringen?“ Die Unterschiede zwischen den Kindern
sind sehr groß. Wir bieten jetzt individuelle Förderung an, zum Beispiel in Mathematik. Au­
ßerdem versuchen wir, den Plan in der ersten Etappe etwas flexibler zu gestalten. Wir sind
zum Beispiel der Meinung, dass Bewegung allen Kindern guttut und bieten den Kindern des­
halb die Teilnahme an einer Sportstunde an.
Material E06/Erfahrungsbericht/Praxishilfe „Schulprogrammarbeit an sächsischen Schulen“ (2016)
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Nach der zweiten Etappe sollten die Kinder ohne große Probleme aktiv am Unterricht teil­
nehmen (dem Unterricht folgen können, aktiv zuhören, sich einbringen, selbst sprechen).
Allerdings gibt es auch verschiedene Ursachen für die erfolgreiche oder nicht so erfolgreiche
Teilnahme. Welche Vorkenntnisse haben die Kinder? Wo haben sie vorher die Schule be­
sucht? Haben sie überhaupt eine Schule besucht? Wie können die Eltern den Bildungsweg
der Kinder unterstützen? Es gibt Kinder, die haben noch nie eine Schule besucht. Für sie gilt
es erstmal, sich an den Rhythmus zu gewöhnen. Bei solch extremen Unterschieden zwi­
schen den Kindern gelingt es uns nicht, alle auf das gleiche Sprachniveau nach Abschluss
der zweiten Etappe zu bringen, wenngleich das unser Ziel ist.
Jetzt stoßen wir an neue Grenzen. Wenn ich mit 15 Kindern in der ersten und zweiten Etap­
pe arbeite, brauche ich eigentlich Teamteaching für die optimale Unterstützung. Selbst bei
den Kindern, die formal in derselben Etappe sind, bestehen große Unterschiede, so dass wir
noch individueller arbeiten müssten, als wir das können. Manches Kind braucht eine intensi­
vere Arbeit am Wortschatz, ein anderes braucht die Verknüpfung des Wortschatzes mit dem
Fachunterricht. Wünschenswert wäre hier die Unterstützung durch eine pädagogische Unter­
richsthilfe.
Evaluation
Am Ende des letzten Schuljahres haben wir mit den Betreuungslehrerinnen die Abläufe und
die Ergebnisse reflektiert. Wie lief das letzte Schuljahr? Welche Erfolge gab es? Was lief
positiv, was lief negativ? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wie wollen wir im neuen
Schuljahr weiterarbeiten? Im Ergebnis erfolgte die oben beschriebene Flexibilisierung der
ersten Etappe für einzelne Kinder, um sie zu motivieren und neue Herausforderungen zu
bieten. Neu war auch, unter Nutzung der Stunden aus dem Bereich der dritten Etappe, ein­
zelne Kinder stundenweise zusätzlich zu fördern. Diese Stunden bündeln wir und setzen sie
gezielt ein. Es gibt Angebote, bei denen sie sich integrieren können, bei denen sie die Mög­
lichkeit haben, Kinder außerhalb der Vorbereitungsklasse zu treffen und soziale Kontakte
aufzubauen.
Eine Evaluationsidee
Wir könnten auch die Rückmeldung von den Kindern einholen. Dazu könnte der Schulleiter
in die Klassen gehen, die schon länger an der Schule sind.
Wenn die Kinder
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das Gefühl haben, dass sie in der Klasse anerkannt sind,
einschätzen, dass sie inhaltlich mit dem Stoff mitkommen,
selbst merken, dass sie zwar noch Probleme haben, es aber im Großen und Ganzen
funktioniert,
wenn Kinder, die an eine andere Schulen gehen, dort gut mitkommen,
dann sind wir zufrieden.
Material E06/Erfahrungsbericht/Praxishilfe „Schulprogrammarbeit an sächsischen Schulen“ (2016)
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