Hausarbeit - Text in Form mit Stil

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Hausarbeit - Text in Form mit Stil
Bei dem folgenden Text handelt es sich um den Hauptteil einer Hausarbeit im
Rahmen einer Fachweiterbildung Anästhesie- und Intensivkrankenpflege an einer
Uniklinik. Ergänzt wurde diese durch Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Literaturliste
und weitere Anhänge
Mundpflegerische Maßnahmen zur Prophylaxe der ventilationsassoziierten
Pneumonie bei oral intubierten Patienten
1. Einleitung
Im Laufe meiner Berufslaufbahn habe ich bereits in unterschiedlichen Abteilungen in
verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet. Dabei bestätigte sich immer mehr der Eindruck,
dass es über die Vorgehensweise in der Mundpflege sehr viele unterschiedliche
Auffassungen gibt. In der Onkologie, speziell im Bereich der Knochenmarktransplantation,
ist insbesondere die Rachendesinfektion umstritten. Da die Immunabwehr der
chemotherapeutisch behandelten der Patienten stark herabgesetzt und Zähneputzen wegen
der hohen Blutungsgefahr aufgrund von Thrombopenie nicht möglich ist, erscheint es
zunächst sinnvoll, die Keimbesiedlung der Mundschleimhaut durch Desinfektion zu
reduzieren. Andererseits gibt es in der Literatur Hinweise darauf, dass Hexetidin die
ohnehin angegriffene Mundschleimhaut noch weiter schädigt und damit die Gefahr der
hämatogenen Streuung vergrößert.
Auch in der Intensivmedizin traf ich wieder auf ähnliche Problemstellungen. Die im
Rahmen der Fachweiterbildung anzufertigende Hausarbeit bot mir den Anlass, mich
ausführlicher mit dem Thema „Infektionsprophylaxe durch Mundpflegemaßnahmen“ zu
beschäftigen. Bald merkte ich, dass dies den vorgegebenen Rahmen sprengen würde und
beschloss, mich schwerpunktmäßig der Pneumonieprophylaxe bei oral intubierten
Patienten zu widmen.
Eine endotracheale Intubation wird standardmäßig bei länger andauernden
Generalanästhesien (also im Prinzip bei allen größeren Operationen) vorgenommen.
Während die meisten Patienten schon während der Aufwachphase wieder extubiert werden
können, benötigen Intensivpatienten häufig eine länger andauernde Beatmung. Wenn
innerhalb der ersten Woche nach der OP das Weaning (Entwöhnen von der künstlichen
Beatmung) nicht erfolgreich durchgeführt werden kann, werden sie danach in der Regel
tracheotomiert. Die in meiner Arbeit untersuchte Situation sollte also maximal für eine
Woche bestehen. Ich habe mir den besonderen Aspekt der Pneumonieprophylaxe
ausgewählt, da die sogenannten „ventilationsassoziierten Pneumonien“ in dieser Phase eine
sehr häufige Komplikation darstellen, durch welche die Krankhausverweildauer und die
Sterblichkeit signifikant erhöht wird.
2. Medizinische Grundlagen
2.1 Anatomische Verhältnisse und physiologische Veränderungen der Mundflora bei
Vorhandensein eines oralen Tubus
Die Mundhöhle wird unterteilt in Mundhöhlenvorhof (Raum zwischen Wangen, Lippen
und Zähnen) und Mundhöhle (Raum, der von den Zähnen eingeschlossen wird). Distal
wird diese vom harten und weichen Gaumen begrenzt, medial von der Zungen- und der
Mundbodenmuskulatur und dem Rachen, sowie ringsum von den Zahnreihen. Die
Mundhöhle ist der Beginn des Verdauungstraktes. Hier werden die Speisen zerkleinert und
mit Speichel vermischt. Der Speichel besteht zum Großteil aus Wasser. Er enthält
Immunglobuline und andere antibakterielle Substanzen, die das Wachstum sowohl der in
der natürlichen Mundflora vorhandenen Mikroorganismen als auch der aus der Umgebung
aufgenommenen pathogenen Keime begrenzen. In der Mundflora sind unter anderem
vergrünende Streptokokken, Neisserien und anaerobe Kokken enthalten, auch Candida
albicans kommt vor. Diese Mikroorganismen bilden einen Belag, den sogenannten
Plaques. Die natürliche Selbstreinigung von Mund und Zähnen erfolgt hauptsächlich durch
Reibung beim Kauen fester Nahrung. Auch die Spülung durch den Speichel spielt hier eine
Rolle. Beim sedierten, beatmeten Patienten fehlen diese Reinigungsmechanismen aufgrund
von Nahrungskarenz, medikamentös bedingter gestörter Speichelproduktion und
fehlendem Schluckreflex. Zusätzlich führt die Gabe von Antibiotika zu Veränderungen der
Mundflora. Schon nach kurzer Zeit (ca. 48 Stunden) kommt es zu einer deutlichen
Häufung von gram-negativen Keimen in der Mundhöhle, im weiteren Verlauf treten dann
auch vermehrt Hefepilze auf (Schmidt, M., 2008).
Der Tubus und die Tubusfixierung erschweren den Zugang zur Mundhöhle und damit
deren Reinigung, auf dem Tubus wächst mit der Zeit ein Bakterienfilm. Darüber hinaus
kann es auch zu mechanischen Verletzungen und Druckstellen kommen, eine stete Gefahr
bringt auch das wegen des fehlenden Schluckreflexes notwendige regelmäßige Absaugen
des Sekrets aus dem Mundraum mit sich.
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2.2. Entstehungsmechanismen der ventilationsassoziierten Pneumonie
Um zu verhindern, dass Sekret aus dem Mund- und Rachenraum in die Lunge eindringt,
sind Endotrachealtuben für Erwachsene mit einem Cuff ausgestattet, der „geblockt“
(aufgeblasen) werden kann. Dennoch gelangen Mikroorganismen der (veränderten)
Mundflora in die Trachea und weiter hinab in das Bronchialsystem. (Schmidt, M., 2008).
Diese Undichtigkeit des geblockten Cuffs wurde durch auf die Zunge aufgetragenen
Farbstoff nachgewiesen, der Vorgang wird als „stille“ oder Mikroaspiration bezeichnet.
Die Ursache hierfür ist mangelnde Elastizität des Cuffs, die verhindert, das dieser sich im
geblockten Zustand perfekt und faltenfrei an die Schleimhaut der Trachea anschmiegt
(Rothaug, O., 2006). Da die mukoziliäre Clearance durch den Tubus eingeschränkt und
der Hustenreflex medikamentös unterbunden wird, steigt die Gefahr, durch die
eingedrungenen Keime an einer Pneumonie zu erkranken, deutlich an (Schmidt, M., 2008).
Als weiterer möglicher Infektionsweg wurde die mit längerer Verweildauer zunehmende
Besiedlung der Oberfläche des Tubus mit Bakterien nachgewiesen (Dembinski, R., 2008).
3. Mundpflegerische Maßnahmen
3.1 Ziele der Mundpflege
Um die Gefahr, an einer ventilationsassoziierten Pneumonie zu erkranken, möglichst
gering zu halten, können verschiedene prophylaktische Maßnahmen durchgeführt werden.
Dazu gehört in erster Linie eine entsprechende Mundpflege, die am sedierten, intubierten
Patienten durch das Pflegepersonal vorgenommen wird. Neben der Verringerung der
Keimbelastung ist das Ziel der Mundpflege wie üblich das Entfernen von Belägen auf
Zähnen und Zunge, beim oral intubierten Patienten insbesondere auch das Feuchthalten
von Schleimhaut und Lippen sowie Aspirations- und Dekubitusvorbeugung.
3.2. Durchführung der Mundpflege
Die Mundpflege beim Intensivpatienten sollte laut Literaturempfehlung (Sitzmann, F.,2009
und Krüger, L., 2010) alle 12 Stunden durchgeführt werden, Absaugen und Anfeuchten der
Mundschleimhaut auch häufiger (ca. alle 4 Stunden). Zur vollständigen Mundpflege
gehören standardmäßig die folgenden Arbeitsschritte (Sitzmann, F.,2009, Pflegeleitlinie
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MHH, 2001, Latasch, L., 2004), welche hier unter Berücksichtigung der speziellen
Situation des Endotrachealtubus kurz beschrieben werden:
3.2.1 Vorbereitende Maßnahmen
Der Patient wird, wenn möglich, mit erhöhtem Oberkörper gelagert. Eine zweite Person
assistiert, sie sichert während der gesamten Prozedur den Tubus und steht für unsterile
Handreichungen zur Verfügung, denn die peinliche Einhaltung der Hygiene-, insbesondere
der Händedesinfektionsvorschriften (Bundesgesundheitsblatt 2000) ist unbedingte
Voraussetzung, um das Hauptziel der Maßnahme, die Keimreduzierung, nicht zu
gefährden.
Der Cuffdruck wird mit dem Cuffdruckmesser kontrolliert und je nach Standard evtl.
erhöht („überblocken“ des Cuffs).
3.2.2 Absaugen und Kontrolle
Nun wird die Tubusfixierung entfernt und mit dem Absaugkatheter das Sekret aus dem
subglottischen Raum abgesaugt. Anschließend werden Mundschleimhaut, Zunge und
Zahnfleisch unter Zuhilfenahme von Holzspatel und Lampe sorgfältig auf Verletzungen
und Veränderungen untersucht.
3.2.3 Reinigung der Zähne und der Zunge
Die Reinigung der Zähne erfolgt üblicherweise mit einer Zahnbürste und Zahnpasta. Über
die jeweiligen Vorzüge der Verwendung von Hand- oder Elektrozahnbürsten kommen
verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen (Krüger, L., 2010; Knipfer , Dr. E.,
2009). In der vorliegenden Situation stellt die Keimarmut des verwendeten Materials dabei
ein mindestens ebenso wichtiges Auswahlkriterium dar wie das Putzergebnis, welches
entscheidend von der Putztechnik (von Rot nach weiß) und Putzdauer ( mindestens zwei
mal täglich, mindestens drei Minuten) abhängt. Die Zahnzwischenräume, die von der
Zahnbürste nicht erreicht werden, werden anschließend mit Zahnseide (aus hygienischen
Gründen vorzugsweise in Einweg-Zahnseidenhaltern) oder Interdentalbürsten gereinigt.
Zur Beseitigung eventueller Beläge auf der Zunge können Zungenreiniger verwendet
werden, diese Maßnahme ist allerdings bisher nicht allgemein üblich.
3.2.4 Reinigung der Mundhöhle und des Rachenraumes
Um die Rückstände der Zahnreinigung zu entfernen, wird die Mundhöhle mit
Pflaumentupfern oder einem anderen Hilfsmittel von hinten nach vorne ausgewischt.
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Ergänzend, oder wenn Zähneputzen und Auswischen nicht möglich sind, wird dann eine
Spülung der Mundhöhle und des Rachenraumes vorgenommen. Die Spülflüssigkeit wird
mit einer Einwegspritze eingegeben und direkt wieder abgesaugt. Je nach Situation
kommen verschiedene Spüllösungen zur Anwendung:
- zum einfachen Spülen zur Entfernung von Rückständen eignen sich u.a.

Wasser (Mineralwasser), gefiltertes Wasser

Isotonische Kochsalzlösung

Tee (diverse Kräuter, Früchte)
- bei geringfügigen Verletzungen der Mundschleimhaut heilungsfördernde Zusätze:

Bepanthenlösung

MHH- Mundpflegemittel (Bepanthenlösung mit Kamille)

Kamillen- oder Salbeitee
- zur Desinfektion und Reduzierung der Keimbesiedlung werden verwendet:

Chlorhexidinlösung

Hexetidin

Octenisept

Wasserstoffperoxyd
- bei nachgewiesenen Infektionen oder zur Prophylaxe:

Antibiotika und Antimykotika auf ärztliche Anordnung
- zur Pflege der Mundschleimhaut

Multibionta

Synthetischer Speichel

Zitronenstäbchen

Butter
3.2.5 Nachbereitung
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Abschließend wird der Tubus auf die andere Seite umgelagert und die Lippen werden
eingecremt. Nach Kontrolle der korrekten Lage wird der Tubus mit neuem, sauberen
Material wieder fixiert.
Der Cuffdruck wird kontrolliert und gegebenenfalls wieder herabgesetzt. Auf eine
sorgfältige Dokumentation von verwendetem Pflegemittel, Beschaffenheit der Mundhöhle
und Zunge und der Tubuslage ist zu achten.
4. Erhebung zur Mundpflege auf den Intensivstationen der MHH
Aus den obigen Ausführungen wird deutlich, dass es große Variationsmöglichkeiten bei
der Umsetzung der Mundpflegemaßnahmen am oral intubierten Intensivpatienten gibt. Mit
Hilfe eines Fragebogens habe ich versucht, einen Überblick über die in der MHH üblichen
Praktiken zu gewinnen und die Mentoren der 8 Intensivstationen gebeten, diesen zu
beantworten. Der vollständige Fragebogen ist im Anhang beigefügt. 7 Fragebögen habe ich
ausgefüllt zurückerhalten, die Antworten sollen im Folgenden unter Bezugnahme auf die
oben beschriebenen Arbeitsschritte ausgewertet werden.
4.1 Verbindlichkeit der Standards, Häufigkeit
Als erstes wurde erfragt, wie auf der jeweiligen Station die Maßnahmen zur Mundpflege
festgelegt werden . Eine Station verweist auf den MHH-Standard im Intranet, alle anderen
geben „schriftliche oder mündliche Empfehlungen“ als Grundlage an. Da in keiner
Antwort der Begriff „verbindlicher Standard“ angekreuzt wurde, ist davon auszugehen,
dass dem Pflegepersonal Ermessensspielraum zugestanden wird.
Auf die Frage nach der Häufigkeit der Mundpflege (Frage 5) geben alle Stationen
„mindestens einmal pro Schicht“ als Minimum an, auf einer Station ist sie zweimal
vorgesehen. Außerdem wird häufig auf den individuellen Bedarf des Patienten verwiesen,
eine Station gibt an, die Häufigkeit sei auch von den Zeitressourcen des Pflegepersonals
abhängig.
4.2 Vorbereitung, Absaugen und Kontrolle
Auf die Frage, ob der Cuff routinemäßig überblockt wird, antworten 4 Stationen mit „Ja“,
von zwei Stationen wird sie verneint und einmal wird mit „selten“ geantwortet.
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Bei der „nach Bedarf bis zu 5 mal pro Schicht“ durchgeführten Mundpflege dürfte es sich
um Einzelmaßnahmen wie Absaugen des Sekrets und Lippenanfeuchten handeln, die auch
mit fixiertem Tubus durchgeführt werden können.
4.3 Zahn- und Zungenreinigung
In der dritten Frage werden die technischen Hilfsmittel für die Durchführung der
Mundhygiene erfragt.
Auf allen Stationen werden Zahnbürsten benutzt, soweit keine näheren Angaben gemacht
werden, ist davon auszugehen, dass es sich dabei um die von der MHH gestellten
Einwegzahnbürsten handelt. Eine Station hält diese für zu hart und verwendet entweder
patienteneigene Zahnbürsten oder ein anderes Modell. Ebenso finden auf allen Stationen
entweder Pflaumentupfer oder Zungenreiniger aus Schaumstoff Verwendung. Lemonsticks
werden nur zweimal genannt. Spezielle Hilfsmittel zur Zahnzwischenraumreinigung
(Zahnseide, Interdentalbürsten oder ähnliches) werden nicht aufgeführt.
4.4 Spülung der Mundhöhle und des Rachenraumes
Die Antworten der befragten Stationen auf die Frage nach den zur Mund- und
Rachenspülung verwendeten Lösungen decken die komplette Bandbreite der
Möglichkeiten ab: Auf einer Station wird ausschließlich das MHH-Mundpflegemittel und
Wasser verwendet, also auf desinfizierende Zusätze vollständig verzichtet. Eine Station
verwendet routinemäßig einen der beiden Desinfektionszusätze und verweist zur
Begründung auf eine Empfehlung der Mikrobiologie. Die übrigen Stationen geben an, das
MHH Mundpflegemittel und meist Hexetidin zu benutzen, und nennen außerdem entweder
Wasser oder Tee. Eine Station gibt an, eine erkrankungsabhängige Indikation zu stellen.
5. Evaluierung der Umfrageergebnisse unter Berücksichtigung des MHHPflegestandards und der Empfehlungen in der aktuellen Literatur
Die Ergebnisse der Erhebung können dahingehend zusammengefasst werden, dass es keine
einheitliche Mundpflegepraxis auf den Intensivstationen der MHH gibt, sondern erhebliche
Abweichungen bei der konkreten Durchführung fast aller Arbeitsvorgänge.
5.1. Häufigkeit
Am einheitlichsten fallen die Angaben zur Häufigkeit der Durchführung aus. Fast alle
Stationen führen die komplette Mundpflege „einmal pro Schicht“ (oder 2*täglich ) aus,
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was auch den Empfehlungen in der Literatur für die Häufigkeit der Zahnpflege entspricht
(Sitzmann, F.,2009 und Krüger, L., 2010). Für das Absaugen des Sekrets und Anfeuchten
wird ein kürzerer Zeitraum empfohlen, dies wird auch auf dem meisten Stationen so
praktiziert.
Im MHH-Mundpflegestandard ist eine Durchführung der kompletten Prozedur 2* pro
Schicht vorgegeben, nur auf der Station, die in ihrer Antwort auf Frage 1 den MHHStandard als Richtlinie für ihre Vorgehensweise angibt (vergleiche Abschnitt 4.1), wird
dies auch so gehandhabt.
5.2 Vorbereitung
Der MHH Standard enthält die Anweisung, vor Beginn der Mundpflege am oral
intubierten Patienten den Cuffdruck zu erhöhen. Auch die aktuellste
Durchführungsverordnung (2009) schreibt dies ausdrücklich vor. Dennoch wird dies nur in
etwa der Hälfte der befragten Stationen routinemäßig durchgeführt. Rothaug ( Rothaug,
O.,2006) rät zwar von dauerhaft überhöhtem Cuffdruck ab, da dieser zu
Schleimhautschäden führt und die Keimdichtigkeit des Cuffs nicht signifikant verbessert.
Da generell aber die Vermeidung von Verunreinigungen allerhöchste Priorität hat, wird die
Erhöhung des Drucks aus Sicherheitsgründen während der Manipulationen nirgendwo in
Frage gestellt.
5.3 Reinigung der Zähne und der Zunge
Auf allen Stationen gehört die Benutzung einer Zahnbürste zur routinemäßigen
Mundpflege. In der Literatur (Sitzmann, F.,2009 , Krüger, L. 2010) empfohlene
weitergehende Reinigungsmaßnahmen wie Zungenreinigung (2-3 mal täglich) und
Reinigung der Zahnzwischenräume (1* täglich) sind im MHH Standard nicht vorgesehen,
d.h. entsprechendes Material zur Durchführung wird nicht bereitgestellt und offenbar auch
auf keiner Station in eigener Initiative verwendet.
5.4 Reinigung/Desinfektion der Mundhöhle und des Rachenraumes
Wie bereits erwähnt (Kapitel 4.4), kommen auf den Intensivstationen der MHH jeweils
unterschiedliche Mittel zur Reinigung der Mundhöhle bzw. des Rachenraumes zum
Einsatz. Auch die Art der Applikation variiert, teilweise wird regelmäßig nur ausgewischt,
andere erwähnen ausdrücklich die Spülung mittels Einwegspritze.
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Zu diesem Arbeitsschritt gibt es innerhalb der MHH deutlich voneinander abweichende
Dienstanweisungen. Im MHH Mundpflegestandard (herausgegeben 2001) wird
routinemäßig das Auswischen der Mundhöhle vorgegeben, nur in besonderen Situationen
kommt „gegebenenfalls“ eine Einwegspritze zwecks Spülung zum Einsatz. In einer
Empfehlung des hausinternen Instituts für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene aus
dem Jahr 2007 wird als Ergebnis mehrerer Studien der Einsatz von Desinfektionsmitteln
(Chlorhexidin/ Hexetidin) zur Mundspülung dringend angeraten. In einer
Durchführungsanweisung aus dem Jahr 2009 wird empfohlen, eine Octenisept - Lösung
über den Absaugkatheter direkt in den subglottischen Raum einzubringen.
Durch eigene Literaturrecherchen zu diesem Thema wurde bestätigt, dass die Autoren in
der jüngeren Literatur (Koeman, M. 2006, Seegers, P., 2008, Mutters, R., 2007) sehr
einmütig den Nutzen einer prophylaktischen Desinfektion des Mund- und Rachenraumes
empfehlen. Bei Langzeitanwendung besteht zwar eine gewisse Mykosegefahr (Krüger, L.,
2010), da die Verweildauer eines oralen Tubus aber in der Regel maximal eine Woche
beträgt, wird dies als tolerierbar angesehen. Von der prophylaktischen Anwendung von
Antibiotika wird hingegen allgemein abgeraten (Bundesgesundheitsblatt 2000, Dembinski,
R., 2008).
6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Alle von mir gefundenen neueren Untersuchungen zum Thema stimmen darin überein,
dass durch konsequentes Einhalten von Mundhygienischen und Desinfektionsmaßnahmen
die Häufigkeit von ventilationsassoziierten Pneumonien verringert werden kann.
Meine Untersuchungen zum Ist-Zustand auf den Intensivstationen der MHH haben
demgegenüber aber gezeigt, dass hier von einem einheitlichen Vorgehen bei der
Mundpflege nicht gesprochen werden kann. Auf jeder Station weichen die einzelnen
Arbeitsschritte voneinander ab, wobei die Verfahren teilweise konsistent zu neuesten
Literaturempfehlungen sind, diese aber mit dem MHH-Pflegestandard nicht
übereinstimmen. In einem Punkt (Überblocken des Cuffs) werden die Dienstanweisungen
teilweise einfach ignoriert, in Bezug auf die Verwendung desinfizierender Spülungen
existieren einander widersprechende Anweisungen.
Es erscheint mir daher dringend notwendig, den MHH-Mundpflegestandard zu
aktualisieren. Dies betrifft bereits die empfohlene Häufigkeit der Mundpflege, die aktuelle
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Anweisung, diese Maßnahme zwei mal pro Schicht, also sechs mal in vierundzwanzig
Stunden durchzuführen, deckt sich weder mit den Empfehlungen der Literatur, noch
scheint es mir realistisch in Anbetracht der Arbeitsverdichtung auf den Intensivstationen.
Die Notwendigkeit der mechanischen Entfernung von Bakterienbelägen von Zunge,
Mundschleimhaut und Zähnen (inklusive Zahnzwischenräumen) ist mittlerweile unstrittig,
dies sollte in den Maßnahmenkatalog aufgenommen und entsprechende modernere
Hilfsmittel (Zahnseide, Zungenreiniger, weichere Zahnbürsten, Absaugzahnbürsten) zur
Verfügung gestellt werden.
Besonders dringend erscheint es mir jedoch, die Empfehlung der Mikrobiologie zur
Anwendung einer desinfizierenden Spüllösung in den Standard aufzunehmen.
Für die Zukunft würde ich vorschlagen, diesen (und natürlich auch andere) Pflegestandard
regelmäßig (z.B. alle 2 Jahre) den neuesten Erkenntnissen anzupassen, den
Stationsleitungen dies in angemessener Form jeweils mitzuteilen und darauf hinzuweisen,
dass diese Anweisungen als verbindlich zu betrachten sind. Für diese Aufgabe, für die ja
eine regelmäßige Lektüre von Veröffentlichungen notwendig ist, könnten auch gezielt
gestellte Hausarbeitsthemen aus entsprechenden Fachweiterbildungen sicher einen
wertvollen Beitrag leisten.
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