Kinder, Medien und Gewalt
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Kinder, Medien und Gewalt
Ana Mijić Kinder, Medien und Gewalt Ein Thema für die Entwicklungszusammenarbeit Betrachtungen zu einem aktuellen Problembereich Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. Das vorliegende Papier entstand im Rahmen einer Kooperation des Instituts für Friedenspädagogik Tübingen e. V. (ift) mit dem Sektorvorhaben Bil dung und Konfliktbearbeitung, das von der Deut schen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick lung durchgeführt wird. In einem vom Institut für Friedenspädagogik und dem Sektorvorhaben Bildung und Konfliktbearbeitung veranstalteten Fachgespräch im Juni 2006, an dem 20 Fachleute teilnahmen, wurden im Besonderen die Themen Mediengewaltwirkungsforschung, Krieg in den Medien, konstruktive Konfliktberichterstattung sowie medienpädagogische Praxisbeispiele dis kutiert (Protokoll des Fachgesprächs vgl. www. friedenspaedagogik.de). Darüber hinaus entstand eine umfangreiche Literaturstudie zur Thematik „Kinder, Medien und Gewalt“ (vgl. www.friedens paedagogik.de). Impressum Ana Mijić: Kinder, Medien und Gewalt – Ein Thema für die Entwicklungszusammenarbeit Betrachtungen zu einem aktuellen Problemfeld © 2007, Institut für Friedenspädagogik Tübingen e. V. Corrensstr. 12, 72076 Tübingen www.friedenspaedagogik.de Sektorvorhaben Bildung und Konfliktbearbeitung Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammen arbeit (GTZ) GmbH Postfach 5180, 65726 Eschborn, www.gtz.de Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammen arbeit und Entwicklung Referat 311 Titelbild: dpa Satz und Layout: 8421medien.de, Rottenburg a. N. Druck: Deile, Tübingen ISBN 978-3-932444-19-7 Dem Fachgespräch verdankt das vorliegende Papier, in dem die für die Entwicklungszusam menarbeit (EZ) wesentlichen Aspekte der Litera turübersicht zusammenfassend und thesenförmig dargestellt werden, vielfältige Hinweise und Anregungen. Einführung 2 Die Medienlandschaft und ihre Relevanz für die Entwicklungszusammenarbeit Veränderung der Medienlandschaft Verbreitung der Medien Neue Tendenzen Relevanz für die Entwicklungszusammenarbeit 2 3 4 5 6 Gefahren 6 Gewaltbegriff Gefährdung durch Gewaltdarstellungen in Bildschirmmedien Gefährdungen durch das Internet Realitätsverlust und Suchtverhalten Vermittlung problematischer Weltbilder Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und Krieg 6 8 9 10 10 11 Chancen und Herausforderungen 11 Verbesserung von Bildungschancen Medien als Instrument und Hilfsmittel im Bereich der Konflikttransformation Medien als Mittel der Gewaltprävention Demokratisches Potential der Informations- und Kommunikationstechnologien Neue Erwerbsmöglichkeiten Zensur, Unterdrückung und Inszenierung Wahrheitsgehalt von Medieninhalten Sicherheit von Daten und Transaktionen Umgang mit Datenmüll 11 12 13 13 14 15 17 17 17 Medien als Sozialisationsinstanz und Wirklichkeitskonstrukteur 17 Medienpädagogische Interventionsstrategien zur Minimierung der Gefahren und Maximierung der Chancen 18 Jugendmedienschutz Förderung von Medienkompetenz Medienethik - Verantwortung der Medienproduzierenden 18 19 20 Bedeutung der Medien für die friedenspädagogische Arbeit 21 Vermittlung von Friedenskompetenz Anleitung zur Erlangung von Friedensfähigkeit Anleitung zum Friedenshandeln Zusammenfassung und Empfehlungen an die Entwicklungszusammenarbeit 21 23 23 25 Literatur Links Dokumente 28 30 31 Einführung Medien, im Besonderen die neuen Informationsund Kommunikationstechnologien, gewinnen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit stetig an Bedeutung. Die Aufhebung der Ungleichheit hinsichtlich der Möglichkeiten der Nutzung vor allem digitaler Technologien ist ein wichtiges Bestreben internationaler Entwicklungszusammen arbeit geworden. „Let us turn the digital divide into digital opportunity“, so der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon bei der Eröffnung der Vorstandssitzung der UN-Initiative Global Alliance for Information and Communication Technologies and Development (GAID). Das Bündnis, entstanden 2006, sei mit seinen Teilnehmern aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gut positioniert, den Gebrauch neuer Technologien zu fördern, um Armut, Analphabetismus und Erkrankungen zu bekämpfen, die Umwelt zu schützen sowie Frauen und Mädchen zu stärken, so Ki-Moon. Als Bestandteil der UN-Strategie im Kampf gegen Armut betont die Initiative die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Internetvernetzung für das Erreichen der Millenium Development Goals (MDG), in deren letzter Zielvorgabe gefordert wird diese Technologien zur Erreichung der MDGs einzusetzen: „In cooperation with the privat sector, make available the benefits of new technologies – especially information and communication technologies“. In der Anfangsphase soll der GAID zufolge besonders in abgelegenen Gebieten nicht nur Hardware zur Verfügung gestellt, sondern auch die nötige Infrastruktur aufgebaut werden, um dort einen Zugang zum Internet zu ermöglichen. Darüber hinaus werden den Menschen die hierzu notwendigen technischen Kompetenzen vermittelt. Langfristiges Ziel ist, das Potential der Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen, um sowohl soziale Entwicklung als auch Wirtschaftswachstum zu fördern. „Low-cost internet“, „low-cost computer“ und „open source“ sind notwendige Voraussetzungen für schnelle und nachhaltige Entwicklungen in diesem Bereich. Hierzu muss es jedoch zu einem Umdenken bezüglich der Informations- und Kommunikationstechnologien kommen: neben Geräten mit größerer Kapazität und mehr Anwendungsmöglichkeiten müssen billige Geräte produziert werden mit einem Mindeststandard an Kapazität und Anwendungen. „Affordability“ wird zu einem entscheidenden Kriterium für die Technologieentwicklung. Mit Negro pontes 100-Dollar-Laptop ist hier sicherlich ein erster Schritt getan (www.laptop.org). Ziel ist es, dass bis 2015 mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet haben und alle Dörfer, Verwaltungen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Museen und Krankenhäuser dieser Welt vernetzt sind (vgl. Kammerl / Lang-Wojtasik 2006). Wissen als wichtiger Faktor der Entwicklung Die Bemühungen um die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hängen nicht zuletzt mit der Entdeckung der Bedeutung von Wissen für die ökonomische Entwicklung zusammen. Spätestens seit der Veröffentlichung des Weltentwicklungsberichtes Knowledge and Development durch die Weltbank im Jahre 1999 wird dieser Zusammenhang immer wieder diskutiert und seither im Rahmen verschiedener UN-Konferenzen und Erklärungen in seiner Bedeutung bestätigt. Als zentral anzusehen sind hier der World Summit on the Information Society 2003 (Genf) und 2005 (Tunis). Dieser in zwei Etappen geteilte Weltgipfel über die Informationsgesellschaft setzte sich mit zentralen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen auseinander, die mit der Verbreitung der neuen Technologien einhergehen. Das Ziel des Gipfels besteht in der „Entwicklung einer gemeinsamen Vision und eines gemeinsamen Verständnisses der Informationsgesellschaft und [der] Verabschiedung einer Grundsatzerklärung sowie eines Aktionsplans einschließlich einer Reihe konzentrierter Maßnahmen, die von den Regierungen, den internationalen Institutionen und allen gesellschaftlichen Akteuren zwecks Überwindung des digitalen Grabens umgesetzt werden sollen“ (www.wsisgeneva2003.org). Im Rahmen des Jahresberichts Towards a Knowledge Society identifiziert die UNESCO die Förderung von Wissen als ein Schwerpunktthema für die internationale EZ. Kinder und Medien in der internationalen Diskussion In Artikel 17 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist das Recht der Kinder zur Mediennutzung festgehalten, sowie die Verantwortung der Massenmedien gegenüber den Kindern. Vorgesehen wurde schon bei der Verabschiedung der Konvention im Jahre 1989 die Gründung eines internationalen Netzwerkes, das sich mit dem Verhältnis von Kindern und Medien beschäftigt. Mitte der 1990er Jahre richtete das Nordic Information Center for Media and Communication Research (Nordicom) in Göteborg eine Clearingstelle ein, die zur Verbesserung des Wissens über Kinder, Jugendliche und Mediengewalt beitragen soll. Die Arbeit der Institution konzentriert sich dabei auf drei Schwerpunkte: (1) research on children, young people and media, with special attention to media violence; (2) research and practices regarding media education and children‘s / young people‘s participation in the media; (3) measures, activities and research concerning children‘s and young people‘s media environment (http://www.nordicom.gu.se/ clearinghouse.php). Die Medienlandschaft und ihre Relevanz für die Entwicklungszusammenarbeit Veränderung der Medienlandschaft Spätestens mit der Verbreitung der PCs in Büros und später in Haushalten in den 1980er Jahren begann eine ungeheure Umwälzung im Bereich der Medien. Allein im vergangenen Jahrzehnt ist es zu tief greifenden Veränderungen der Medienlandschaft gekommen. Aufgrund der Entstehung neuer Medienformen bzw. der Verschmelzung verschiedener bestehender Formen im Zuge der Digitalisierung werden traditionelle Differenzierungen zunehmend durch neue ersetzt. Das Internet zeichnet sich hier als ein „Hybridmedium“ par excellence aus. Es repräsentiert eine qualitative Verlagerung innerhalb der Medienlandschaft, indem es Inhalte bereits existierender Medien integriert und darüber hinaus neue Möglichkeiten eröffnet: So kann ein internetfähiger Computer mit einer ausreichenden Bandbreite und entsprechendem Zubehör Buch und Zeitung, das Radio wie auch den Fernseher ersetzen. Des Weiteren kam es auch zu einer gravierenden Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten (E-Mail, Chats, Weblogs, SMS usw.), wobei die Grenzen zwischen Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation zu verschwimmen scheinen und jeder Rezipient zum Produzenten von Informationen werden kann, die auch an ein disperses Publikum (Maletzke) gerichtet sein können, wie es für die Massenmedien typisch ist. Die neuesten Veränderungen v. a. im Hinblick auf interaktive Techniken und Dienste des Internets, werden heute unter dem Oberbegriff „web 2.0“ zusammengefasst (O‘Reilly 2004). Ein zentraler Unterschied zum „web 1.0“ liegt darin, dass das „web 2.0“ durch soziale Teilhabe (participation) und die (kostenlose) Weitergabe von Wissen charakterisiert ist. Neue Informationstechnologien führten und führen darüber hinaus über verschiedenste Kanäle zu einer stetigen Zunahme von Medienangeboten und Informationen. Das Wachstum des digitalen Datenbergs ist dabei unterschiedlich verteilt. So haben alle Weltregionen außerhalb von Nordamerika, Westeuropa und Japan nur einen Anteil von zehn Prozent am digitalen Universum. Das Wachstum wird dort aber künftig um 30 bis 50 Prozent größer sein als in den Industrienationen. Auf Grund dieser abzusehenden Entwicklungen kann den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen der EZ eine zentrale Rolle zugesprochen werden. Ihre Bedeutung nimmt in Industrie, Medizin, Wissenschaft und Politik kontinuierlich zu. Es gilt jedoch darauf hinzuweisen, dass die alten Medien in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden dürfen (UNESCO 2005: 37). So wird beispielsweise in weiten Teilen Afrikas das Radio voraussichtlich zunächst das zentrale Medium bleiben. Dies gilt es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit anzuerkennen und weiterhin zu fördern, denn „[t]he radio alone, not the internet enables many disinherited and isolated communities to offer their members – particularly women – the possibility of making their voices heard, of participating in political life and of gaining access to a greater quantity of information and knowledge of particular use in everyday life.“ (UNESCO 2005: 37). In Anbetracht dessen, dass das Internet als Hybridmedium charakterisierbar ist, kann von einer zunehmenden Bedeutung auch für die oralen Kulturen ausgegangen werden. Eine Verbreitung und zunehmende Nutzung des Internets wird dabei Auswirkungen auf die jeweiligen Kulturen nach sich ziehen. Die Annahme der Kommunikationswissenschaftler McLuhan und Innis, dass Medien die Art und Weise der Wahrnehmung, des Denkens und einer Kultur beeinflussen und damit die soziale Struktur einer Gesellschaft von ihren Kommunikationsmitteln bestimmt wird, scheint evident (vgl. McLuhan 1995a; Innis 1997). Verbreitung der Medien Richtet man einen Blick auf die Verfügbarkeit von Medien im weltweiten Vergleich, ist trotz einer zunehmenden Verbreitung der meisten Medienformen eine medienübergreifende informationelle Spaltung zu konstatieren. Bislang liegen kaum länderübergreifende Erhebungen zur Medienverfügbarkeit und Mediennutzung von Kindern vor. Bei den meisten Studien handelt es sich um länderspezifische Untersuchungen. Unter Rückgriff auf länderspezifische Daten sowie die Ergebnisse des InterMedia survey wird im Report des 4th World Summit on Media for Children and Adolescents (Gigli 2004) versucht, ein internatio nales Bild zu zeichnen: International betrachtet ist der Fernseher das dominante Medium bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen (Gigli 2004). Nach dem Fernseher ist das Radio das am weitesten verbreitete Medium. In vielen Ländern setzte im vergangenen Jahrzehnt ein regelrechter Boom ein, was als Folge der zunehmenden Erscheinung privater Radiostationen gesehen werden kann. Das Radio wird dabei meist zur Unterhaltung, aber auch für die Beschaffung von Informationen genutzt. In manchen Ländern ist die Nutzung der öffentlichen internationalen Rundfunksendungen (z. B. BBC, Deutsche Welle) unter Jugendlichen besonders verbreitet. Den kontinuierlichen Zuwachs dieser Medien kontrastierend, nimmt die Bedeutung der Printmedien in vielen Ländern ab, was zum Teil auf die verbesserte Qualität und die Quantität der über Fernsehen und Radio verfügbaren Informationen, aber auch auf die deutlich höheren Kosten ihrer Produktion und Distribution zurückzuführen ist. Aufgrund der oben skizzierten Veränderungen der Medienlandschaft durch neue Technologien gilt es jedoch das Internet als das zentrale Medium (Leitmedium / Basismedium) einerseits der Unterhaltung, der Informationsbeschaffung sowie der Kommunikation, andererseits aber auch der Wirtschaft und Logistik zu betrachten. Doch auch im Hinblick auf die weltweite Verfügbarkeit des Internets ist noch immer eine signifikante Ungleichverteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu verzeichnen. Während die Mehrheit der Menschen in den Entwicklungsländern keine Möglichkeit haben das Internet zu nutzen, verfügen etwa zwei Drittel der Menschen in den Industriestaaten über einen eigenen Zugang. Die mit der internetbasierten Kommunikation verbundenen Chancen und Möglichkeiten bleiben damit bislang weitestgehend denjenigen vorbehalten, welche bereits über einen ökonomischen Wettbewerbsvorteil verfügen (ITU 2006). Die „digitale“ Spaltung ist als eine zentrale globale Herausforderung zu betrachten. Es ist jedoch zu beachten, dass es dabei nicht nur um die Minimierung der Kluft zwischen den Ländern des Südens und des Nordens gehen darf. Es gilt zu berücksichtigen, dass die digitale Spaltung auch innerhalb der Länder zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen besteht. Für Industriewie auch Entwicklungsländer gilt, dass sich Verfügbarkeit und Nutzung vorwiegend auf wohlhabende, besser ausgebildete, in der Stadt lebende junge Männer konzentriert. Im Rahmen des World Internet Project der University of California in Los Angeles wurde festgestellt, dass in all den untersuchten Ländern eine Kluft zwischen Männern und Frauen besteht, die im Durchschnitt bei 8 Prozent liegt. Die Kluft zwischen Arm und Reich sowie zwischen Alt und Jung, sei dabei noch wesentlich größer als die Gender-Kluft. Auch Bildung konnte als wesentlicher Faktor identifiziert werden: Die Zahl der User unter den Hochschulabsolventen ist in einer deutlichen Mehrheit der Fälle höher als die Zahl der Internetnutzer ohne Hochschulabschluss. Die einzige Ausnahme unter den untersuchten Ländern besteht diesbezüglich in Deutschland. Es erweist sich jedoch als sinnvoll, nicht nur den Zugang sondern auch die Art der Nutzung bzw. die konsumierten Inhalte der Informations- und Kommunikationstechnologien zu berücksichtigen. Neben ökonomischen Ressourcen, Alter, Geschlecht, Bildung und geographischer Lage, werden im Rahmen des UNESCO Reports Towards Knowledge Societies auch Sprache, Arbeitsverhältnis sowie Behinderungen als Faktoren identifiziert, die zu einer digitalen Spaltung beitragen. „The emergence of English as the lingua franca of globalization leaves little room for other languages within cyberspace“ (UNESCO 2005: 30). Des Weiteren sei der Zugang zum Internet in vielen Ländern auf die Arbeitswelt beschränkt. Wenig Beachtung findet die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung (relativ betrachtet), seltener Zugang zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben. Für diese Menschen stellt das Internet eine einzigartige Möglichkeit zur Integration und sozialen Partizipation dar (UNESCO 2005: 30). Neue Tendenzen Der International Telecommunication Union (ITU) zufolge lassen sich positive Entwicklungen auch für die 50 ärmsten Länder der Welt (LDC) verzeichnen. Ihrem aktuellen Bericht ist zu entnehmen, dass weltweit mehr und mehr Menschen Zugang zu verschiedenen Informations- und Kommunikationstechnologien haben (ITU 2006). Dies trifft vor allem für die Verbreitung neuer Technologien zu. So zeigt etwa der Mobilfunksektor im Vergleich zu den Festnetzanschlüssen deutlich höhere Wachstumsraten auf. 2004 wurden beispielsweise allein in Afrika ca. 15 Millionen neue Mobiltelefone angemeldet. Die Zahl der Neuanmeldungen hat sich seit 1999 mehr als verdoppelt. Ein siebenundzwanzigfacher Unterschied zwischen Industrie- und Entwicklungsländern im Jahre 1994 ist auf einen vierfachen im Jahre 2004 gesunken. Bezüglich der Verbreitung des Internetzugangs sind ebenfalls Fortschritte zu verzeichnen. Nutzten 1994 noch 73 Mal mehr Menschen in den Industrieländern das Internet, sind es 2004 lediglich 8 Mal mehr als in den Entwicklungsländern. Auch im Hinblick auf die technischen Entwicklungen lassen sich Fortschritte feststellen: Obwohl der Großteil der Nutzer aus diesen ärmsten Regionen über Telefonleitungen das Internet nutzt, ist ein Trend hin zu Breitbandanschlüssen erkennbar, welche bereits in die ländlichen Gegenden vordringen (www.itu.int). Es ist davon auszugehen, dass sich die Art der Nutzung des Internets in Entwicklungsländern von der Nutzung in Industrieländern unterscheidet: Nicht zuletzt aufgrund einer mangelhaften Infrastruktur, wird die gemeinschaftliche Nutzung (Internetcafes, Jugendzentren, Schulen usw.) gegenüber einer individuellen Nutzung (am eigenen Computer) dominant bleiben. Dies gilt aber auch schon für die „alten“ Medien, wie Radio oder Fernseher und liegt neben den infrastrukturellen Bedingungen auch in sozial-kulturellen Unterschieden begründet. Relevanz für die Entwicklungszusammenarbeit Diese Entwicklung wird wohl in Zukunft weiter voranschreiten, nicht zuletzt auch aufgrund einer gezielten Förderung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die zu Beginn des Papiers geschildert wurden. „The digital divide is thus of direct concern to UNESCO‘s task. If we wish to promote the development of genuine knowledge societies in the name of human development, there is a self-evident and pressing need to overcome digital inequalities“ (UNESCO 2005: 29). „Two challenges posed by the information revolution stand out in particular – bridging the digital divide and guaranteeing the future of freedom of expression“ (UNESCO 2005: 27). „These technologies play an important role, not only in economic development (through the spread of innovation and the productivity gains the bring about), but also in human development“ (vgl. UNDP 2001). Mit der zunehmenden Verbreitung der Medien ergeben sich neue Herausforderungen für Entwicklungszusammenarbeit, die dann im Besonderen für den Bildungsbereich von Bedeutung sind. Die Versorgung mit Endgeräten, der Aufbau der Infrastruktur sowie die Vermittlung technischer Kompetenzen alleine reichen nicht aus, um die informationelle Kluft de facto zu überwinden, d. h. die Chancen, die mit der Verfügbarkeit vor allem der neuen Technologien verbunden wären, tatsächlich zu nutzen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass Medien auch ihre Schattenseiten haben. Die Relevanz der Thematik für die EZ im Allgemeinen und für den Bildungsbereich im Besonderen ergibt sich somit daraus, dass mit der Verbreitung der Medien, vielfältige Chancen aber auch Gefahren einhergehen, die gleichermaßen als Herausforderung zu betrachten sind. GEFAHREN Gewaltbegriff Eltern, Lehrer und Politiker sind besorgt über angenommene negative Einflüsse, welche Medien auf Kinder und Jugendliche haben könnten. Diese Sorge bezieht sich typischerweise im Besonderen auf Darstellungen direkter physischer Gewalt und pornographische Darstellungen. Dem hier vorliegenden Papier liegt ein umfassendes Gewaltverständnis zugrunde, welches auf der Definition von Johan Galtung basiert. Ihm zufolge liegt Gewalt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre tatsächliche körperliche und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre mögliche Verwirklichung. Nach einer ersten Unterscheidung zwischen direkter und struktureller Gewalt vervollständigt er in den 1990er Jahren sein „Dreieck der Gewalt“ um das Konzept der kulturellen Gewalt. Unter direkter Gewalt versteht er äußerliche, d. h. sichtbare physische oder verbale Gewalt, die sich auch dadurch auszeichnet, dass ein Täter klar identifizierbar ist. Die Verantwortung für strukturelle Gewalt jedoch liegt nicht bei Personen, sondern bei spezifischen organisatorischen oder gesellschaftlichen Strukturen und Lebensbedingungen. Mit kultureller Gewalt werden schließlich Ideologien, Überzeugungen, Überlieferungen und Legitimationssysteme beschrieben, mit deren Hilfe direkte und strukturelle Gewalt ermöglicht werden (Galtung 1974; Galtung 1993). sichtbar Direkte Gewalt unsichtbar Kulturelle Gewalt Strukturelle Gewalt Johan Galtung Die umfassende, und aus diesem Grund auch häufig kritisierte Gewaltdefinition von Galtung, erscheint als geeignet, um die vielfältigen mit dem Bedeutungsgewinn von Medien verbundenen Herausforderungen vor allem für die Entwicklungszusammenarbeit zu erfassen. So wird etwa vor diesem Hintergrund deutlich, dass auch die oben beschriebenen Ungleichheiten bezüglich der materiellen Zugangsmöglichkeiten zu Medien sowie der kognitiven Zugangsmöglichkeiten zu medial transportierten Informationen als Gewaltphänomen zu berücksichtigen sind. In diesem Sinne ist von struktureller Gewalt zu sprechen, wenn Menschen nicht über die Möglichkeiten verfügen, die etwa immer wichtiger werdenden Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen bzw. sie aufgrund mangelnder Medienkompetenz nicht zu nutzen wissen und die damit verbundenen Chancen letztlich nicht umzusetzen in der Lage sind. Beides ist gleichermaßen als Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit zu betrachten, im Rahmen derer jedoch ein weiterer Aspekt von besonderer Relevanz ist: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt in ihrem Bericht Gewalt und Gesundheit von 2002 zu der Einschätzung, dass „[d]ie Vorstellung von akzeptablen und nicht akzeptablen Verhaltensweisen und die Grenzen dessen, was als Gefährdung empfunden wird, (…) kulturellen Einflüssen [unterliegt] und (…) fließend [sind], da sich Wertvorstellungen und gesellschaftliche Normen ständig wandeln“ (WHO 2002: 6). Beschäftigt man sich mit dem Zusammenhang von Medien und Gewalt im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit, gilt es zu berücksichtigen, dass das Verständnis darüber, was unter Gewalt zu verstehen ist, grundsätzlich kontextgebunden ist (historisch, geographisch, kulturell). „Was an einem Ort und zu einer bestimmten Zeit als Gewalt bezeichnet und erlebt wird, gilt nicht unbedingt für andere Zeiten und andere Orte“ (Gugel 2005: 282). Daraus ergeben sich etwa Konsequenzen für den Jugendmedienschutz weltweit. Trotzdem können internationale Standards benannt werden, die in Dokumenten von internationalen Organisationen festgehalten sind. Reale und fiktive Gewaltdarstellungen in den Medien Im Hinblick auf Gewaltdarstellungen in den Medien wird zwischen realen und fiktionalen Darstellungen von Gewalt differenziert. Reale Gewaltdarstellungen präsentieren reale Vorgänge bzw. Verhaltensweisen, während fiktionale Gewaltdarstellungen frei erfunden sind. Letztere lassen sich darüber hinaus danach unterscheiden, ob es sich um natürliche oder künstliche Gewaltdarstellung handelt (Kepplinger / Dahlem 1990: 10). Unter natürlicher Gewaltdarstellung wird dabei die lebensechte (Realfilm), unter künstlicher die artifizielle Präsentation verstanden, wie etwa ein Zeichentrick- oder ein Animationsfilm. Es gilt jedoch darauf hinzuweisen, dass auch in die Darstellung realer Gewalt gestalterische Momente eingehen. Auch in den Medien werden reale Ereignisse – wie etwa Kriege – nicht einfach abgebildet, sondern unterliegen einer Inszenierung. Aufgrund der Vielfältigkeit, stellt man zwischenzeitlich in Frage, ob Gewalt noch ein passender Begriff zur Erfassung der Problematik ist: „Violence is no longer an adequate heading; today, terms like ‚harmful media content‘ or ‚harm and offence in media content‘ are more in keeping with the situation. It is this broader term, that forms our point of departure in this work“ (Carlsson 2006: 9), so etwa im aktuellen Jahrbuch des International Clearinghouse on Children, Youth and Media. Diese kontextbedingte Abwendung vom Gewaltbegriff spiegelt die Uneinigkeit in Wissenschaft und Gesellschaft hinsichtlich der Frage wider, was unter Gewalt zu verstehen ist (vgl. dazu Gugel 2006). Gefährdung durch Gewaltdarstellungen in Bildschirmmedien – Erkenntnisse der Mediengewaltwirkungsforschung Zwischenzeitlich existiert eine kaum noch zu überschauende Anzahl an Studien zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen Gewaltdarstellungen – vor allem im Fernsehen – und realem Gewalthandeln. In Form einer Metastudie liefern Michael Kunczik und Astrid Zipfel einen Überblick über theoretische Konzepte sowie (in der Regel auf ihnen beruhende) bisherige Untersuchungsergebnisse (Kunczik / Zipfel 2005). Auf der Grundlage dieser Literaturstudie können folgende Punkte festgehalten werden: Mediengewalt kann nicht grundsätzlich als ungefährlich betrachtet werden. Es gilt jedoch die Auswirkungen von Mediengewalt einer differenzierten Betrachtung zu unterziehen. Einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge, sind empirisch nicht haltbar, obwohl diese in der Regel dem verbreiteten Bedürfnis nach eindeutigen Antworten auf die Frage nach der Gefährlichkeit von Mediengewalt entsprechen. Vielmehr stellt Mediengewalt nur einen Faktor innerhalb eines komplexen Bündels von Ursachen für die Entstehung gewalttätigen Verhaltens dar. Dabei ist davon auszugehen, dass nicht alle Medieninhalte gleich wirken und nicht jeder Medienkonsument von den potentiellen Gefahren der Mediengewalt betroffen ist: „manche Formen von Mediengewalt [können] für manche Individuen unter manchen Bedingungen negative Folgen nach sich ziehen“ (Kunczik / Zipfel 2006: 12). Den bisherigen Befunden zufolge könne unter Vorbehalt – vor allem aufgrund methodischer Probleme – angenommen werden, dass die Auswirkungen von Mediengewalt auf Aggressionsverhalten „am ehesten bei jüngeren, männlichen Vielsehern zu erwarten [sind], die in Familien mit hohem Fernseh(gewalt)konsum aufwachsen und in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld (d. h. Familie, Schule und Peer-Groups) viel Gewalt erleben (sodass sie in Gewalt einen ‚normalen‘ Problemlösungsmechanismus sehen), bereits eine violente Persönlichkeit besitzen und Medieninhalte konsumieren, in denen Gewalt auf realistische Weise und / oder in humorvollem Kontext gezeigt wird, gerechtfertigt erscheint und von attraktiven, dem Rezipienten möglicherweise ähnlichen Protagonisten mit hohem Identifikationspotential ausgeht, die erfolgreich sind und für ihr Handeln belohnt bzw. zumindest nicht bestraft werden und dem Opfer keinen sichtbaren Schaden zufügen (‚saubere Gewalt‘)“ (Kunczik / Zipfel 2006: 11). Zu unterscheiden ist hier zwischen personenbezogenen Variablen, dem sozialen Umfeld sowie Inhaltsvariablen, welche nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind. Vielmehr sei von einer Interaktion der einzelnen Variablen auszugehen. Des Weiteren kann angenommen werden, dass auch der soziale oder sozioökonomische Status als Einflussfaktor wirkt. Doch konnte dieser Zusam- menhang bislang empirisch nicht nachgewiesen werden (Kunczik / Zipfel 2005: 157ff.). Sozioökonomischer Status und soziales Umfeld scheinen jedoch zu interagieren: Wachsende soziale Gegensätze und Einkommensunterschiede erhöhen das Gewaltpotential in allen Gesellschaften (UN 2006: 4). Dem sozialen Kontext als Einflussfaktor auf die Wirkung von Mediengewalt gilt es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Den Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge, ist beispielsweise das Risiko ermordet zu werden, für Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern doppelt so hoch wie in den Industrieländern. Verweisend auf die aktuelle UN-Studie Violence against Children ist außerdem darauf festzuhalten, dass in vielen dieser Länder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung nicht gesetzlich verankert ist, die Prügelstrafe an Schulen nicht abgeschafft wurde, verschiedene Formen von auf Traditionen beruhender Gewalt – etwa die Beschneidung von Mädchen – Millionen von Kindern zu Opfern werden lassen. Darüber hinaus sind vor allem die ärmeren Regionen der Welt von Kriegen und Konflikten betroffen. Für Kinder, die im realen Leben Gewalt beobachten (zur Auswirkung beobachteter Gewalt vgl. UN 2006: 290) oder ihr ausgesetzt sind, besitzen laut Kunczik und Zipfel, violente Medieninhalte eine besondere Anziehungskraft, da diese „durch die erlebte Realität als ‚normal‘ und angemessen eingeschätzt“ werden (Kunczik / Zipfel 2006: 162). Der UNESCOMedienstudie zufolge sind 16 Prozent der befragten Kinder aus Regionen, die im besonderen Maße durch Gewalt geprägt sind, der Ansicht, dass die meisten Personen durch die Gewalt anderer sterben, während in gewaltarmen Regionen lediglich sieben Prozent diese Ansicht teilen (Groebel 1998: 14). In derselben Studie geben 51 Prozent der Kinder aus diesen Regionen an, sie würden gerne wie Arnold Schwarzenegger in seiner Rolle als „Terminator“ sein (Groebel 1998: 12). Gefährdungen durch das Internet Die mit der Nutzung des Internets verbundenen Gefahren sind vielfältig und lassen sich nicht auf Auswirkungen von Gewaltdarstellungen reduzieren. Anhand der öffentlichen Diskussion identifizieren Kunczik und Zipfel sechs potentielle Risikofaktoren (Kunczik / Zipfel 2005: 241f.), die im Folgenden benannt und um einige zusätzliche Aspekte erweitert werden sollen. Gewaltdarstellungen im Internet Die beschriebenen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Gewaltdarstellungen sind auch für das Internet von Relevanz. Es gilt jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gewaltdarstellungen im Internet häufig besonders grausam und detailliert sind. So werden Bilder von realen Ereignissen gezeigt, von deren Veröffentlichung sowohl in den Printmedien als auch im Fernsehen abgesehen wird. Besonders grausame Ausschnitte aus Horrorfilmen sind ebenso zu finden, wie gewalthaltige pornographische Darstellungen. Gewalttaten werden auch eigens für die Verfilmung und die Veröffentlichung im Internet durchgeführt. Die Spitze der Grausamkeit wäre hier mit den so genannten „Snuff-Movies“ erreicht. Ein Snuff-Movie bezeichnet dabei die Aufzeichnung eines Mordes, der zum Zweck der Aufzeichnung und letztlich mit kommerzieller Absicht begangen wird. Über die Existenz solcher Filme wird jedoch gestritten. Gewaltausübung im Internet Das Internet eignet sich aufgrund seines interaktiven Charakters nicht nur zur Darstellung von Gewalt. Im Rahmen von Onlinespielen dient es ebenso zur „fiktiven“ Ausübung direkter physischer Gewalt. Gefahren durch die Beschaffung anderer violenter Medien via Internet Über das Internet können Kinder und Jugendliche gewalthaltige Medien – z. B. Filme und Computerspiele – beziehen, die ihnen ansonsten nicht 10 zugänglich sind. Einerseits durch die Bestellung bei Versendern, andererseits aber auch durch das Herunterladen auf den Computer. Gewalthaltige Computerspiele zum kostenlosen und anonymen Download werden vielfach angeboten. Neben den Risiken von Gewaltdarstellungen und den von Kunczik und Zipfel identifizierten vielfältigen Gefahren im Hinblick auf das Internet, gilt es auf einige weitere Aspekte zu verweisen, die ein Gefahrenpotential in sich bergen. Gefahren, via Internet Opfer von Gewalt zu werden Realitätsverlust und Suchtverhalten Eine Studie in Großbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass über zehn Prozent der Kinder zwischen 11 und 15 Jahren Opfer von „Cyber-Bullying“, aber auch von Gewaltandrohungen oder von der Veröffentlichung falscher Informationen im Internet sind (Microsoft 2006). Gewaltandrohungen, Verleumdung sowie Cyber-Bullying sind erst aufgrund der hohen Anonymität des Internets in dieser Ausprägung möglich. Das Phänomen des Cyber-Bullyings geht dabei beispielsweise Hand in Hand mit der Verbreitung von Mobiltelefonen. Des Weiteren besteht die Gefahr Opfer sexueller Gewalt zu werden. Die zahlreichen Chat-Rooms für Kinder und Jugendliche, in denen diese sich unter Gleichgesinnten glauben, werden bewusst von Pädophilen aufgesucht, die die Kinder sexuell belästigen, auch mit dem Ziel ein reales Treffen zu provozieren. Aufrufe zur Gewalt Das Internet wird auch von rassistischen, rechtsextremen oder terroristischen Gruppierungen als Plattform für die Veröffentlichung ihrer Ideologien sowie den gezielten Aufruf zur Gewalt genutzt. Allgemein ist die Politisierung des Internets, besonders die Nutzung jenseits völkerrechtlich-demokratischer Prämissen, als zentrale Gefahrenquelle zu betrachten. Anleitung zur Ausführung violenter Hand lungen Wie Kochrezepte finden sich im Internet auch Anleitungen zum Bau von Bomben, zum Mixen von Schießpulver, aber auch Anleitungen zum Mord und Selbstmord. Verbreitet ist die Annahme, dass mit einem übermäßigen Konsum von Medien ein zunehmender Realitätsverlust bzw. der Verlust einer „primären Welterfahrung“ einhergeht. Diskutiert wird dieser Aspekt vor allem im Zusammenhang von Computerspielen und dem Eintauchen in die virtuellen Welten des Internets, wie etwa dem Internet-Spiel Second Life. Empirisch ließen sich diese Annahmen jedoch noch nicht bestätigen. Wissenschaftlich kontrovers diskutiert wird auch die These, dass eine exzessive Nutzung von Internet und Computerspielen (online / offline) zu Suchtverhalten führen kann. Auf Untersuchungen der Berliner Humboldt-Universität beruhenden Schätzungen zufolge, sind ca. drei Prozent der deutschen Internetnutzer süchtig. Diese äußere sich in einer Verengung des Verhaltensraums, Kontrollverlust, Toleranzentwicklung (d. h. Nutzung wird gesteigert, damit ein konstantes positives Gefühl erhalten bleibt) und Entzugserscheinungen. Vermittlung problematischer Weltbilder Richtet man sein Interesse auf potentielle Gefahren von Medien im Entwicklungskontext, gilt es zu beachten, dass sowohl das Internet als auch das Fernsehprogramm oder Kino bislang weitestgehend westlich geprägt sind. Bei Film und Fernsehen handelt es sich zumeist um US-amerikanische Produktionen, die weltweit Verbreitung finden. Auf Grund mangelnder Ressourcen für eigene Produktionen wird in Entwicklungsländern verstärkt auch die Mehrzahl der Programme für Kinder und Jugendliche importiert: „Unfortunately much of the content contains characters and messages that, at best, are simply not relevant to local cultures, and at worst 11 convey violent images and mass marketing messages“ (Gigli 2004). Darüber hinaus wird im Rahmen der UN-Studie Violence Against Children darauf hingewiesen, dass durch den Konsum solcher Produktionen die Kluft zwischen dem Lebensstil der „haves“ und dem Lebensstil der „have-nots“ unterstrichen wird, was sowohl zu geringfügigen aber auch zu gewaltsamen kriminellen Handlungen führen kann (UN 2006: 313). Die Herausforderung der Entwicklungszusammenarbeit besteht hier nicht zuletzt in der Förderung einheimischer Produktionen. Neue Informations- und Kommunikations technologien und Krieg Abschließend gilt es zumindest flankierend darauf hinzuweisen, dass „moderne“ Kriege, ohne die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien gar nicht führbar wären. Auch der internationale Terrorismus, wie man ihn seit spätestens dem 11. September 2001 kennt, wäre nicht denkbar, gäbe es nicht die Möglichkeit einer globalen Vernetzung über das Internet. CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Vor allem mit der Verbreitung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind auch vielfältige Chancen verbunden. Im Folgenden werden die für den Bereich „Bildung und Konflikt“ relevanten benannt. Verbesserung der Bildungschancen „Might we now have the means to achieve equal and universal access to knowledge, and genuine sharing?“ (UNESCO 2005: 17). Verbesserungen im Hinblick auf Bildungschancen ergeben sich mit der Verbreitung der neuen In- formations- und Kommunikationstechnologien im Hinblick auf zumindest dreierlei Nutzungsmöglichkeiten: Medien als Informationsquelle zur Generierung individuellen Wissens Durch die Verbreitung des Internets ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der individuellen Wissensgenerierung. Es erscheint als unerschöpfliche Quelle von Informationen und bietet nahezu unendliche Möglichkeiten der Recherche. Den Schätzungen eines Forschungsprojektes an der Universität in Berkeley (Kalifornien) zufolge, entsprechen die jährlich geschaffenen neuen Informationen 37 000 Bibliotheken der Größe der US Libary of Congress. Über 90 Prozent dieser Informationen werden digital gespeichert (Lyman / Varian 2003). Dabei gilt es jedoch darauf hinzuweisen, dass Information allein nicht notwendigerweise zu Wissen führt. E-Learning Darüber hinaus ist an die vielfältigen Formen eines gezielten Lernens mit Hilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, dem so genannten E-Learning, zu denken, einerseits im Rahmen des formalen aber auch des informellen Bildungsbereichs. Im formalen Bildungsbereich handelt es sich typischerweise um Formen des so genannten Blended Learning, d.h. traditionelles und virtuelles Lernen auf der Basis neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, die im Rahmen konkreter Lehr- und Lernkonzepte didaktisch sinnvoll verknüpft werden (Kerres 2001a). Dieses integrierte Lernen hat sich in der Regel als effizienter erwiesen als reine E-Learning Arrangements. Im Hinblick auf die Frage nach den Potentialen und dem Mehrwert gegenüber traditionellen Formen, lassen sich vor allem folgende Aspekte benennen, die für die Förderung solcher Lehr- und Lernformen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sprechen: Ein zentraler Vorteil besteht in der flexiblen Lernorganisation: Lehrende und Lernende sind im Hin- 12 blick auf Raum und Zeit unabhängig voneinander. Hierbei ist beispielsweise an verschiedene Formen des „teleteaching“ oder der „distance education“ zu denken. Eine individuellere Ausrichtung des Lehrmaterials sowie eine Individualisierung der Qualifizierung wird möglich. Darüber hinaus ist digitalisiertes Lehrmaterial flexibler zu handhaben im Hinblick auf die Aktualisierung: Selbst in Industrieländern sind die Schulbücher häufig veraltet und bieten damit keine idealen Lernbedingungen. Eine Digitalisierung des Lehrmaterials bietet sich auch aus Kostengründen an. Da im Rahmen des E-Learnings selbstorganisiertes Lernen von zentraler Bedeutung ist, sind damit hohe Anforderungen an die individuellen Lernkompetenzen verknüpft, die auch eine Überforderung des Lernenden mit sich bringen können. Auf dem E-Learning beruhende Lernarrangements können aufgrund dessen nur dann wirksam sein, wenn sie mit einer durchdachten didaktischen Konzeption einhergehen. Neue Informations- und Kommunikationstech nologien als Hilfsmittel traditioneller Bildung Auch im Hinblick auf traditionelle Lehr- und Lernformen bieten die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bislang nicht da gewesene Möglichkeiten. So etwa die digitale Bereitstellung von Lehrbüchern. Diesbezügliche Pionierarbeit leistet etwa das US-Unternehmen Freeload Press, welches über kommerzielle Werbung finanzierte kostenlose Lehrbücher im Netz bereitstellt. Globales Lernen Durch das Internet ergeben sich für den Bereich des Globalen Lernens neue Möglichkeiten, bezüglich Information und Kommunikation sowie Kreativität in Form international angelegter Projekte. In seinem nahezu unerschöpflichen Pool lassen sich beispielsweise Informationen über andere Länder, Kulturen, Weltsichten sowie über globale Themen recherchieren. In ihrer Aktualität sind diese In- formationen in der Regel denjenigen aus anderen Medien weit voraus. Schüler können kostengünstig – über E-Mail, Chats oder Weblogs – mit anderen Schülern weltweit in einen direkten Dialog treten und auf diesem Wege unmittelbar mehr über das alltägliche Leben der jeweils anderen erfahren, aber auch über ihre Perspektiven zu globalen Fragen. Über diese neuen Kommunikationsmöglichkeiten entstehen auch neue Chancen für die Umsetzung international angelegter Projekte im Bereich des Globalen Lernens, ob nun virtuell, zum Beispiel in Form gemeinsam gestalteter Webseiten oder real, wie etwa ein Schüleraustausch. In diesem Zusammenhang gilt es anzumerken, dass sich der Fokus im Hinblick auf die Nutzung des Internets im Rahmen der Bildung auf E-Learning sowie die individuelle Informationsbeschaffung, d. h. Recherche, richtet. Das Potential der neuen Kommunikationsmöglichkeiten für den Bildungsbereich, besonders in Form von Chats, Weblogs und zukünftig auch online-Videokonferenzen, wird bislang unterschätzt. Häufig werden sie gar als die dunkle Seite des Internets betrachtet und der Zugang zu diesen Werkzeugen an Schulen gesperrt (Cawson 2006: 20). Medien als wichtiges Instrument und Hilfsmittel im Bereich der Konflikttransformation Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben viele Bemühungen im Bereich der Konflikttransformation erleichtert oder gar erst ermöglicht. So ist etwa der Kontakt zwischen Angehörigen verschiedener Konfliktparteien häufig nur über E-Mails realisierbar. Diskussionsforen oder eigens zu diesem Zweck eingerichtete Chatrooms oder Internetforen (vgl. Bonsi@Kids Online) bieten darüber hinaus eine spezifische Möglichkeit des Austauschs von Meinungen und Perspektiven. Des Weiteren ergibt sich für Menschen in Kriegsoder Krisengebieten vor allem durch das Internet 13 die Chance auf zahlreiche Informationsquellen zuzugreifen. So wird eine „neutrale“ Information jenseits von Kriegspropaganda vielfach erst denkbar. Diesbezüglich ist auch auf Friedensforschungsinstitute, wie etwa das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) zu verweisen, die ihre Ergebnisse – auch im Hinblick auf Frühwarnung – im Internet dem interessierten Publikum weltweit zur Verfügung stellen. Auch im Hinblick auf die Planung, Koordination und Nachhaltigkeit von Projekten im Bereich der Konflikttransformation haben neue Informationsund Kommunikationstechnologien einen zentralen Stellenwert: Vielfach wäre die Durchführung und die Vernetzung solcher Projekte auf Grund einer zu großen Zeit- und Kostenintensität ohne digitale Kommunikation gar nicht zu realisieren. Medien als Mittel der Gewaltprävention Im Rahmen der UN-Studie Violence Against Children wird den Medien eine zentrale Rolle im Bereich der Gewaltprävention zugesprochen. Die Studie bezieht sich dabei vor allem auf einen Aspekt: Medien werden dazu aufgefordert, die Thematisierung von Gewalt in Familie, Schule, der Gesellschaft zu enttabuisieren, mit dem Ziel die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Gewalt zu verändern, d. h. Menschen für die unterschiedlichen Formen von Gewalt zu sensibilisieren. Während Morde an Kindern und andere extreme Formen der Gewalt in den Medien große Beachtung finden, bleiben die täglichen, immer wiederkehrenden Gewaltakte, die Kinder und Jugendliche in Familien, Schulen, Kinderheimen, Internaten, Gefängnissen oder am Arbeitsplatz erleiden, meist unbeachtet, so die Studie. Gewalt ist vielfach auch unsichtbar, weil die Opfer niemanden haben, dem sie sich anvertrauen können. Speziell hierfür eingerichtete Internetforen mit professioneller Betreuung eröffnen auch in diesem Bereich neue Chancen. Demokratisches Potential der Informations- und Kommunikationstechnologien Die Informations- und Kommunikationstechnologien tragen in mehrfacher Hinsicht zu einer Erhöhung des demokratischen Potentials in Gesellschaften bei. Informationsfreiheit und freie Meinungs äußerung Einerseits spielt auch im Hinblick auf diesen Aspekt, der schnelle Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus kann man sich mit einem sehr geringen finanziellen, organisatorischen und technischen Aufwand im Internet auf verschiedenste Weise Gehör verschaffen. Seit einigen Jahren nehmen Weblogs vor allem aufgrund der einfachen Publikationsmethode und schnellen Verbreitungsmöglichkeit (Verlinkung), in diesem Zusammenhang eine zentrale Stellung ein. Sie stehen „als postmodernes Medium für die Pluralität von Wahrheit und Informationen“ (Franz 2006: 23). Von besonders großer Bedeutung ist dieses Medium vor allem in Kriegs- und Krisenregionen, sowie in Ländern mit eingeschränkter Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit. Die so genannten Warblogs tauchten verstärkt während des Irak-Krieges 2003 auf. Die Vorteile gegenüber der Berichterstattung liegen in erster Linie in ihrer Vielfältigkeit und Interaktivität. Es handelt sich dabei in der Regel um Augenzeugenberichte, die gekennzeichnet sind durch das Niederschreiben von persönlichen Eindrücken und Meinungen. So wurden täglich (subjektive) Berichte über die Kriegsgeschehnisse ins Netz gestellt, auch mit dem Ziel die reguläre Kriegsberichterstattung zu kommentieren oder gar zu revidieren. Die Warblogs werden auch als Gegengewicht zu den Berichten der embedded journalists betrachtet: Während diese einer nahezu vollständigen militärischen Zensur unterliegen, seien die Blogger nur ihren Lesern verpflichtet. Anzumerken gilt jedoch, dass die Blogger im Gegensatz der traditionellen Berichterstattung aus einer 14 Froschperspektive berichten. Bestimmte Ereignisse werden typischerweise nicht in größeren Zusammenhängen betrachtet. Organisation und Vernetzung von unten Die Informations- und Kommunikationstechnologien bringen auch im Hinblick auf die Organisation von Interessengruppen zentrale Vorteile mit sich. Sie vereinfachen die nationale und internationale Vernetzung sozialer Bewegungen, wie etwa der Menschenrechtsbewegung, und können damit zu einer wesentlichen Verbesserung zivilgesellschaftlicher Partizipation beitragen. E-Government Auch in der Politik werden Informations- und Kommunikationstechnologien immer bedeutender: von der Internetpräsentation politischer Parteien über die Ausweitung des Wahlkampfes auf virtuelle Welten – wie es beispielsweise im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2007 der Fall war, dessen Spitzenkandidaten Wahlkampfbüros in der virtuellen Welt von Second Life eröffneten – bis hin zum so genannten E-Government. Darunter ist die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für Verwaltungs- und Regierungsprozesse zu verstehen. Durch das E-Government sollen die Kommunikation und Transaktionen zwischen und innerhalb staatlicher Institutionen einerseits und zwischen den staatlichen Institutionen und den Bürgern andererseits erleichtert und durchgeführt werden. Damit verknüpft sind jedoch verschiedene rechtliche, organisatorische sowie technische Voraussetzungen. Festzuhalten ist, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien ein enormes demokratisches Potential in sich bergen. Dieses kann jedoch nicht per se als realisierbar betrachtet werden. Der Mehrwert im Hinblick auf die Demokratisierung wird durch verschiedene Faktoren geschmälert: Einerseits gilt es auf die zunehmende Unterneh- menskonzentration und Monopolitisierung des Internets hinzuweisen. Nur wenige Unternehmen bestimmen einen Großteil der Webaktivitäten (v. a. Google). Außerdem wird eine zunehmende Kommerzialisierung des Internets und damit von Wissen und Information beklagt. Darüber hinaus ist das Internet in vielen Ländern der Welt nicht als freies Medium zu betrachten: Laut Reporter ohne Grenzen befinden sich aktuell 60 Online-Aktivisten in Haft – 50 davon allein in China. Neue Erwerbsmöglichkeiten Schließlich ist zumindest flankierend darauf hinzuweisen, dass das auf das Internet zurückführbare Auflösen räumlicher Strukturen neue Erwerbsmöglichkeiten – auch in Entwicklungs- und Schwellenländern – mit sich bringt. Menschen und Firmen haben die Möglichkeit in direkte Konkurrenz mit den Beschäftigten in den Industrieländern zu treten. Unter dem Schlagwort E-Business ist heute vermehrt von einer „Dematerialisierung der Warenströme“ die Rede. Angesichts der zahlreichen und aktuell vielfach diskutierten so genannten „Goldfarmen“ vor allem in China, sind die durch das Internet geschaffenen neuen Erwerbsmöglichkeiten jedoch auch nicht gänzlich unkritisch zu betrachten. Kinder und Jugendliche werden hier zum Computerspielen rekrutiert, um für andere Computerspieler vor allem im Westen, die zwar Geld aber keine Zeit haben, bestimmte Charakteren oder Level in so genannten „Massively Multiplayer Online Role-Playing Games“ zu erspielen. Verkauft werden die erspielten „Charakteren“ meist über Internetauktionshäuser wie etwa Ebay. Hierbei handelt es sich um eine mit der Verbreitung der Medien verbundene Ambivalenz, welche auch unter anderen Gesichtspunkten zum Ausdruck kommt. Auf diese Aspekte wird im Folgenden eingegangen. Zensur, Unterdrückung und Inszenierung „When the free flow of information is impeded, or when information itself is censored or manipulated, how can we speak of a global information society?“ (UNESCO 2005) Mit der Verbreitung von Medien ist die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung, das Voranschreiten von Demokratisierungsprozessen sowie die Gewährleistung der Informationsfreiheit verbunden und damit zentrale Chancen für die Entwicklung von Gesellschaften. Als gegeben hingenommen verbirgt sich hinter dieser Annahme eine zentrale Gefahr: Einerseits wird die angenommene Freiheit, auch des Internets in verschiedenen Ländern staatlich reglementiert. Und auch wenn keine staatliche Zensur besteht, ist es andererseits zwischenzeitlich unumstritten, dass beispielsweise Nachrichten, etwa über Krieg und Krisen, kein Abbild der Wirklichkeit liefern, sondern einer „Inszenierung“ unterliegen. Zensur des Internets Vor allem das Internet wird als ein Medium betrachtet, das – nicht zuletzt aufgrund seines dezentralen Charakters – nur schwer zu kontrollieren ist. Doch in verschiedenen Staaten, etwa in China, dem Iran oder Tunesien, unterliegt der OpenNet Initiative zufolge zwischenzeitlich auch das Web einer systematischen Zensur. Auch in demokratischen Staaten besteht eine staatliche Kontrolle des Internets, die meist nur partiell und gezielt greift. So werden in Deutschland beispielsweise mit Hilfe von Filterprogrammen pornographische Seiten gesperrt. In Ländern mit eingeschränkter Meinungs- und Informationsfreiheit greift die Sperrung von Seiten jedoch viel weiter. Zensiert werden auch Seiten von religiösen Abweichlern oder der politischen Opposition. Darüber hinaus kommt es regelmäßig zur Blockierung ganzer Angebote: so wurde etwa in China der Bloganbieter LiveJournal gesperrt, in der Türkei kam es aufgrund eines „virtuellen Krieges“ zwischen 15 türkischen und griechischen Usern zur vorübergehenden Vollsperrung von YouTube. Während früher vor allem Internetpräsenzen internationaler Nachrichtensender, wie etwa CNN, kritisch betrachtet und blockiert wurden, sind es heute – laut OpenNet – vorwiegend lokale Seiten in den jeweiligen Landessprachen. Dabei läuft die Zensur nicht immer direkt. Unerwünschte Websites können durch gezielte Angriffe lahm gelegt werden – so etwa die Seiten verschiedener Zeitungen in Kirgistan. Ein anderes Beispiel für indirekte Zensur findet sich im Iran, wo die Verbindungsgeschwindigkeit aller Netzanschlüsse auf 128 KBit/s beschränkt wurde. Damit sollte vor allem den unbeliebten Bloggern die Freude an der Internetnutzung verdorben werden. Trotz staatlicher Reglementierung gelingt es den Menschen in solchen Staaten – nicht zuletzt mit Hilfe der neuen Informations- und Kommunika tionstechnologien – immer wieder ihre Meinungen zu äußern. Ein Beispiel hierfür sind die ausgeprägten Bloggerszenen in China und dem Iran. Die Internetnutzer sind ständig in Gefahr, gefasst zu werden, da eine wirkliche Anonymität im Internet nicht gegeben ist. Über die IP-Adresse oder andere Identifizierungsnummern kann die Identität der Nutzer festgestellt werden. Festzuhalten ist, dass die neuen Technologien eben auch von staatlicher Seite eingesetzt werden, um ihre Kontrolle und Macht zu stärken. Unterstützt werden die staatlichen Institutionen häufig von (westlichen) Unternehmen, die in aller Regel die Filterprogramme bereitstellen aber auch Daten von regimekritischen Usern an staatliche Stellen weitergeben. Für letzteres ist beispielsweise Yahoo! verstärkt in die Kritik geraten. Die Herausforderung an die EZ besteht in diesem Zusammenhang darin sich für ein freies Internet einzusetzen. Andererseits geht es aber auch darum, die Nutzer über die Vorgehensweisen der staat lichen Stellen zu informieren. 16 Kriegsberichterstattung – „Zwischen Information, Inszenierung und Zensur“ In verschiedenen Arbeiten widmen sich Christian Büttner und Magdalena Kladzinski dem „Krieg in den Bildschirmmedien“ und stellen fest, dass sich auch die Kriegsberichterstattung „Zwischen Information, Inszenierung und Zensur“ bewegt. Sie arbeiten heraus, dass verschiedene Akteure Interesse haben an der Konstruktion einer bestimmten Kriegswirklichkeit. Immer wieder stehen dabei Militär und Politik unter Verdacht die Kriegsberichterstattung zu kontrollieren sowie die Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Von einer solchen Instrumentalisierung der Medien ist vor allem dann auszugehen, wenn das eigene Land an einem Krieg beteiligt ist. Dabei geht es unter anderem um eine gezielte Desinformation der eigenen Bevölkerung: Ein geführter Krieg, muss als legitim gelten und von der Bevölkerung unterstützt werden. Und das ist in der Regel der Fall, wenn man ihn als Verteidigungskrieg verkaufen kann. Heute geht es dabei nicht immer nur um die „Verteidigung“ der eigenen Bevölkerung und des eigenen Landes, sondern mitunter auch um „menschliche Sicherheit“. Doch auch solche Kriege – wie z. B. der „Krieg gegen den Terrorismus“ – bedürfen einer Legitimierung, die durch Kriegsdarstellungen, die noch immer auf den üblichen Propagandaprinzipien beruhen (Büttner / Kladzinski 2005: 33), zu erreichen versucht wird: Es sind immer die Guten, die gegen das Böse kämpfen. Darüber hinaus werden dem Publikum typischerweise „ungeschminkte Kriegsbilder“ sowie die Perspektive der Soldaten aber auch die Perspektive der „Bösen“ vorenthalten. Diesbezüglich wird heute weniger von Propaganda im Sinne einer „negativen Zensur der Nachrichtenunterdrückung“ vielmehr von einer „positive[n] Zensur der Nachrichtenlenkung“ gesprochen (vgl. Weischenberg 1993: 13; Büttner/ Kladzinski 2005: 33). Neben der „gezielten Desinformation“ der eigenen Bevölkerung, um sich deren Unterstützung zu sichern, ist eine „überlegene Informationspolitik“ in Krisen- und Kriegszeiten vor allem für das Militär von besonderer Bedeutung, weil man den Gegner so lange wie möglich im Unklaren lassen möchte (Büttner/Kladzinski 2005: 24f.). „Die Medienkampagne zu gewinnen, ist genauso wichtig, wie die militärische Kampagne für sich zu entscheiden“, so der ehemalige NATO-Sprecher Jamie Shea (Shea 2000: 214; zitiert nach Bläsi 2005: 272). „Informationskrieg“ und „Informationsoperationen“ sind Begriffe, die heutzutage sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten fest im militärischen Sprachgebrauch verankert sind (Büttner/Kladzinski 2005: 25). Militär und Politik setzten ihre Interessen auf Kosten einer wahrheitsgetreuen Kriegsberichterstattung durch, die sich für sie nicht als „nützlich“ erweisen würde (Büttner / Kladzinski 2005: 33). Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Medien sich ihrer Instrumentalisierung bewusst sind. Es kann sich jedoch als äußerst schwierig erweisen etwas dagegen auszurichten (Müller 2002: 37). Zu beachten ist einerseits, dass die Regierungen und das Militär sowohl im Vorfeld als auch während eines Krieges über einen beträchtlichen Informationsvorteil verfügen. Aufgrund des öffentlichen Interesses sind die Medien jedoch von der Berichterstattung über politische und militärische Ereignisse abhängig und daher auf die Kooperation mit Regierung und Militär angewiesen (Müller 2002: 37). Im Übrigen zeige die Geschichte auch, so Müller, „dass die patriotische Aufwallung, die für die Bevölkerung festgestellt wurde, auch die Medien in ihrer Mehrheit mit einbezieht. Wenn die Demokratie im Krieg steht, fällt die kritische Distanz auch und gerade den demokratisch Gesinnten schwer“ (Müller 2002: 37). Die zentrale Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit besteht hier einerseits in der Förderung eines „guten Journalismus“, d. h. letztlich in der Ausbildung von Journalisten. Darüber hinaus gilt es eine kritische Betrachtung der Medienberichterstattung zu vermitteln sowie die Fähigkeit mit Informationen umzugehen. Wahrheitsgehalt von Medieninhalten Die Problematik bezüglich des Wahrheitsgehaltes der Medieninhalte besteht nicht nur im Hinblick auf Nachrichtensendungen. Sie trifft sämtliche Inhalte des Internets und erweist sich hier als viel relevanter als bei allen anderen Quellen. Für die sachliche Richtigkeit sowie Vollständigkeit der Informationen gibt es keine Garanten. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, auf diese Problematik aufmerksam zu machen sowie Kindern und Jugendlichen Wege zu zeigen, wie sie diese Gefahr zumindest verkleinern können, indem etwa auf seriöse Seiten oder das Impressum verwiesen wird. Sicherheit von Daten und Transaktionen Transaktionen im Internet – auch verschlüsselte – sind trotz vielfältigen Fortschritten im Hinblick auf Sicherheitssysteme anfällig für Manipulationen. Opfer von Angriffen verschiedenster Art können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen oder Behörden sein. Hacker und die so genannte Malware, wozu Trojaner, Viren, Würmer und Spyware zählen, sind als eine der größten Gefahren des Internets anzusehen. Hinter der Entwicklung und Verbreitung von Malware sowie Hackerangriffen verbirgt sich häufig Informationsdiebstal, Spionage oder gezielte Sabotage, die bis zu einem Denial of Service führen kann. In diesem Falle wird etwa ein Server durch einen Angriff – in der Regel durch Überlastung – arbeitsunfähig gemacht. Dahinter verbirgt sich in vielen Fällen Erpressung. Umgang mit Datenmüll So genannte Spam-Mails (auch Junk- oder BulkMails) haben sich zu einer der größten Plagen im Internet entwickelt. Schätzungen zufolge ist bereits jede zweite E-Mail eine unerwünschte Werbemail. Datenmüll in Form von Spam kann einen erheblichen Schaden verursachen. Um nur zwei Beispiele zu benennen: Das Aussortieren der unerwünschten Post kostet Zeit, des Weiteren können Posteingänge 17 (bzw. Mailboxen) aufgrund ihrer meist beschränkten Kapazität durch Spam-Mails blockiert werden, was den Eingang anderer E-Mails verhindert. Die weltweit durch Spams verursachten zusätzlichen Kosten wurden im Jahre 2003 auf 12 Milliarden Dollar geschätzt. MEDIEN ALS SOZIALISATIONSINSTANZ UND WIRKLICHKEITSKONSTRUKTEUR Ungeachtet der mit der Verbreitung der Medien verbundenen potentiellen Chancen und Gefahren ist zwischenzeitlich unumstritten, dass die Bedeutung der Medien zunimmt: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann 1996: 9). Hierbei handelt es sich um die im Kontext der Kommunikationswissenschaften weitestgehend unumstrittene Annahme der „medialen Konstruktion der Wirklichkeit“, d. h., dass die Medien die Realität nicht nur abbilden, sondern sie auch selbst (mit) konstruieren. Hiermit hängt auch die Annahme zusammen, dass Medien heute als eine der wesentlichen Sozialisationsinstanz anzusehen sind, wobei davon auszugehen ist, dass die Menschen den Medien nicht „ausgeliefert“ sind, sondern bewusst bestimmte mediale Angebote annehmen und andere ablehnen. Der Sozialisationsprozess läuft damit letztlich in zwei Richtungen: „einmal als Beeinflussung der Subjekte durch die Medien und die von ihnen transportierten Inhalte und zum anderen als Wahl oder Ablehnung der Medien und ihrer Inhalte durch die Subjekte“ (Schorb 2007: 30). Neben die sozial konstruierte Wirklichkeit im Sinne primärer Welterfahrung und die medial konstruierte Wirklichkeit tritt die mediale Wirklichkeit. Welche Rolle diese mediale bzw. virtuelle Wirklichkeit für den Sozialisationsprozess bzw. die Identitätsbildung spielt, ist bislang wenig erforscht. Es ist jedoch 18 davon auszugehen, dass basale Verhaltensmuster der Subjekte auch in der virtuellen Welt bestand haben. Geht man von einer Wechselbeziehung zwischen Medien, Gesellschaft und Individuum aus, so gilt es den medialen Sozialisationsprozess im Hinblick auf Bildung und Gewaltprävention produktiv zu gestalten sowie durch medienpädagogische und friedenspädagogische Maßnahmen normativ zu beeinflussen. MEDIENPÄDAGOGISCHE INTERVENTIONSSTRATEGIEN ZUR MINIMIERUNG DER GEFAHREN UND MAXIMIERUNG DER CHANCEN Es gibt sowohl im politischen als auch im gesellschaftlichen Bereich vielfältige Einflussfaktoren und Steuerungsmöglichkeiten zur Minimierung der Gefahren und Maximierung der Chancen, die mit der Verbreitung von Medien einhergehen. Hier können nur ausgewählte Strategien im Kontext der Medienpädagogik diskutiert werden. Jugendmedienschutz Allgemein zielen jugendschützerische Zugänge darauf ab, negative Einflüsse zu verhindern und zu unterbinden. Kindheit und Jugend werden dabei als schützenswerte Lebensphasen verstanden. Jugendmedienschutz als Teil des Jugendschutzes kann auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein: Deutschland zählt zu den wenigen Ländern, welche die Verbreitung bestimmter Medieninhalte im Strafgesetzbuch allgemein verbietet. Darüber hinaus ist der Jugendmedienschutz festgehalten in verschiedenen gesetzlichen Regelungen, die sicherstellen sollen, dass potentiell gefährdende Medieninhalte Kindern und Jugendlichen gar nicht oder erst ab einem bestimmten Alter zugänglich sind. Die gesetzliche Grundlage bilden zwei Regelwerke: Zum einen das Jugendschutzgesetz sowie der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien der Länder. Verschiedene Einrichtungen (die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die Kommission für Jugendmedienschutz, aber auch Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle und die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder „jugendschutz.net“) sind mit der Umsetzung befasst. Herausforderungen für die notwendige Inter nationalisierung des Jugendmedienschutzes Es ist davon auszugehen, dass nationale Regelungen aufgrund der zunehmenden medialen Globalisierung alleine zu kurz greifen. Notwendig ist eine Internationalisierung des Jugendmedienschutzes (Groebel 2004: 37). Diese dürfte aber nur schwer umzusetzen sein, weil international betrachtet verschiedene Ansichten darüber bestehen, welches Risikopotential von Medien ausgeht, inwieweit Kinder und Jugendliche eigenverantwortlich mit Medieninhalten umgehen können, welche Rolle den Eltern zugesprochen wird und wie weit rechtliche Regelungen reichen sollten. Diesbezüglich lassen sich bereits im EU-Vergleich eklatante Unterschiede feststellen (Büttner 2006; Büttner / Raschke 2002a, 2002b), obwohl hier noch von einer gewissen kulturellen Nähe der einzelnen Länder ausgegangen werden kann. Im weltweiten Vergleich stellt sich die Situation ungleich ambivalenter dar, besonders dort, „wo Vorstellungen von Kindheit und Jugend nach westlichem Muster vollständig zu fehlen scheinen“ (Büttner 2006: 12). Auch gibt es im weltweiten Vergleich zahlreiche Unterschiede bezüglich der Frage, was unter Gewalt zu verstehen ist. Der UNESCO-Medienstudie zufolge ist die unterschiedliche Bewertung physischer und psychologischer Angriffe am eklatantesten: Während körperliche Gewalt in den westlichen Ländern als am schlimmsten eingestuft wird, werden Beleidigungen und Gesichtsverlust in vielen afri- 19 kanischen und asiatischen Staaten als wesentlich negativer empfunden. Zwischenzeitlich gibt es verschiedene internatio nale Richtlinien, welche zumeist auf der UN-Kinderrechtskonvention beruhen und die Gratwanderung zwischen Medienfreiheit und Informationsfreiheit (vgl. vor allem Artikel 13 und Artikel 17 der UN-Kinderrechtskonvention) sowie Jugendmedienschutz zu bestehen versuchen. Dabei erweist sich im internationalen Kontext als eine besondere Herausforderung den Jugendmedienschutz so zu gestalten, dass er nicht zur Legitimierung jeder Art der Medienkontrolle herangezogen werden kann, wie es in autoritären Regimes häufig der Fall ist. Begrenzte Reichweite des Jugendmedien schutzes Die dem gesetzlich geregelten Jugendmedienschutz zugesprochene Relevanz bewegt sich zwischen der Ansicht, dass solche Regelungen keinerlei Wirkung zeigen und darüber hinaus die Gefahr in sich bergen die Meinungs- und Informationsfreiheit einzuschränken, bis hin zu der Annahme, dass darin die einzige Möglichkeit besteht, Kinder und Jugendliche vor den vermeintlichen negativen Effekten bestimmter medialer Inhalte und v. a. deren Wirkungen zu bewahren (Anderson et al. 2003; Spitzer 2006: 276f.). Notwendig erscheint eine differenzierte Betrachtungsweise. Ausgewogene gesetzliche Regelungen sind vor allem auf Grund der von ihnen ausgehenden Signalwirkung als notwendig anzusehen. Eine deutliche Positionierung des Staates dient als hilfreiches Signal für Erzieher und Medienproduzenten, nicht zuletzt dadurch, dass sich in ihnen idealerweise die Moralvorstellungen einer Gesellschaft widerspiegeln. Die Balance zwischen Jugendmedienschutz sowie Meinungs- und Informationsfreiheit ist dabei als zentrale Herausforderung für die Politik zu betrachten. Dokumente und Stellungnahmen internationaler oder regionaler Organisationen können dabei als Referenzrahmen dienen. Zwischenzeitlich am weitesten verbreitet und am evidentesten ist die Ansicht, dass es neben dem gesetzlich festgelegten Jugendmedienschutz einer gezielten Förderung individueller Medienkompetenz bedarf. Der Jugendmedienschutz gewährleistet nicht den Schutz vor allen potentiellen Gefahren und darüber hinaus kann er nicht allein zur Maximierung der mit der Verbreitung der Informationsund Kommunikationstechnologien verbundenen Chancen beitragen. Förderung von Medienkompetenz Medienkompetenz wird verstanden als Ziel medienpädagogischer Interventionen. Der Begriff wurde Mitte der 1990er Jahre von Dieter Baacke in die deutschsprachige wissenschaftliche Diskussion eingeführt. Sein Ursprung liegt in dem Konzept der Kommunikativen Kompetenz nach Jürgen Habermas (1971), den Baacke bereits in den 1970er Jahren für die Medienpädagogik aufbereitete (1973). Die vier Dimensionen der Medienkompetenz nach Dieter Baacke Nach Dieter Baacke umfasst Medienkompetenz vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung sowie Mediengestaltung (vgl. Baacke 2004: 24; Baake 1998: 26f.): Medienkompetenz umfasst die Fähigkeit zu Medienkritik. Sie kann unter dreierlei Gesichtspunkten betrachtet werden: Analytisch sollten problematische gesellschaftliche Prozesse angemessen erfasst werden können. Reflexiv sollte jeder Mensch in der Lage sein, das analytische Wissen auf sich selbst und sein Handeln anwenden zu können. Ethisch ist die Dimension, die analytisches Denken und reflexiven Rückbezug als sozial verantwortet abstimmt und definiert. Neben die Medienkritik tritt die Medienkunde, die das Wissen über heutige Medien und Mediensysteme umfasst. Diese kann in zweierlei Hinsicht 20 ausdifferenziert werden. Die informative Dimension umfasst Wissensbestände über Medien. Im Zentrum stehen hier beispielsweise folgende Fragen: Wie arbeiten Journalisten? Wie kann ich einen Computer für meine Zwecke effektiv nutzen? Die instrumentell-qualifikatorische Dimension meint die Fähigkeit, mit den technischen Mitteln umgehen zu können. Medienkritik und Medienkunde umfassen die Dimension der Vermittlung. Die Dimension der Ziel orientierung liegt im Handeln der Menschen: Medienhandlung ist einerseits Mediennutzung, die in doppelter Weise gelernt werden muss: Einerseits rezeptiv, anwendend (Programm-Nutzungskompetenz), anderseits interaktiv, anbietend. Medienhandlung ist aber auch Mediengestaltung, welche einerseits als innovativ zu verstehen ist (Veränderungen, Weiterentwicklungen des Mediensystems innerhalb der angelegten Logik) und andererseits als kreativ und damit über die Kommunikationsroutine hinausgehend begriffen werden kann. Die vier Dimensionen der Medienkompetenz nach Baacke finden sich in zahlreichen weiteren und weiterentwickelten Definitionen wieder (vgl. Buckingham 2005: 4; Schorb 2005: 259). Auch im Rahmen der politischen Diskussion wird einem differenzierten Begriff der Medienpädagogik und der Medienkompetenz als zentrales Ziel medienpädagogischer Interventionen vermehrt Platz eingeräumt (vgl. z. B. Die Empfehlungen an die UNESCO, verabschiedet von der Wiener Konferenz Educating for the Media and the Digital Age 1999; Europäische Charta für Medienkompetenz). Medienpädagogische Anforderungen Aus dieser Definition der Medienkompetenz sowie den thematisierten Gefahren und Chancen ergeben sich bestimmte Anforderungen an medienpädagogische Bemühungen im Kontext der Entwicklungs- zusammenarbeit. Die Bemühungen der Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Ziel einer Überwindung der digitalen bzw. informationellen Kluft, müssen ergänzt werden durch: (1) die Förderung von Medienwissen, (2) die Förderung der Fähigkeit zur Medienkritik und (3) die Unterstützung bei der Herausbildung der Fähigkeit zum Medienhandeln, damit die Chancen der Verbreitung genutzt und die damit einhergehenden Gefahren eingedämmt werden können. Diese drei Aspekte sind als Dimensionen zu betrachten, die aufeinander aufbauen und miteinander interagieren. Einer aktiven Medienpädagogik, verstanden als „wesentliche Methode handlungsorientierter Medienpädagogik, die auf Erkenntnis und Reflexion gesellschaftlichen Seins und auf Kommunikation- und Handlungsfähigkeit der Subjekte zielt“ (Schell 2005: 10), wird dabei vermehrt ein zentraler Stellenwert zugesprochen. Medienethik – Verantwortung der Medienproduzierenden Gesetzlicher Jugendschutz und die Förderung von Medienkompetenz sollten idealerweise durch eine ethische Orientierung der am Medienprozess beteiligten Berufsgruppen ergänzt werden. In Baackes Definition von Medienkritik wird auch der Bereich der Medienethik als Verantwortung der Mediennutzer thematisiert. Diese tragen einerseits die Verantwortung für sich selbst und ihre Mediennutzung, aber auch die Verantwortung für die Mediennutzung von ihnen anvertrauten Personen – d. h. im Besonderen von Kindern und Jugendlichen. Die Rezipienten können jedoch nicht die alleinige Verantwortung übernehmen. Diese liegt darüber hinaus einerseits bei den Medienschaffenden, d. h. z. B. bei den Journalisten, Autoren, Redakteuren, andererseits bei den Besitzern und Betreibern von Massenmedien (Debatin 1998: 121–124; Funiok 2005). So haben sich etwa Journalisten an allgemeine Prinzipien zu halten, die zum Teil in nationalen oder regionalen Vereinbarungen festgehalten sind (z. B. deutscher Pressekodex, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, UNESCO-Mediendeklaration). Darüber hinaus wären sie in der Lage mit deeskalierender Konfliktberichterstattung oder friedensjournalistischen Grundsätzen Gegengewichte zu schaffen zur heute dominierenden Form der Konflikt- und Kriegsberichterstattung. Um solche Ziele zu verwirklichen sind die Medienschaffenden jedoch sowohl von wirtschaftlichen als auch von politischen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren abhängig. Zu beachten ist, dass es bei der Differenzierung zwischen Medienbesitzern, Medienschaffenden und Medienrezipienten im Zeitalter des Internets um eine idealtypische Unterscheidung handelt. In der Realität verschwimmen die Grenzen kontinuierlich. BEDEUTUNG DER MEDIEN FÜR DIE FRIEDENSPÄDAGOGISCHE ARBEIT Die Vermittlung von Friedenskompetenz, die Hinführung zur Friedensfähigkeit und die Befähigung zum Friedenshandeln können als drei Kernelemente der Friedenserziehung angesehen werden, die aufeinander aufbauen und miteinander verbunden sind (Gugel / Jäger 1997: 16–42). Bei der Umsetzung dieser drei Kernelemente kann den Medien eine wichtige Rolle zugesprochen werden. Hierbei geht es um die Frage, von welcher Relevanz Medienkompetenz im Sinne einer Förderung von Medienwissen, der Förderung der Fähigkeit zur Medienkritik und der Unterstützung der Fähigkeit zum Medienhandeln für friedenspädagogische Bemühungen ist. Vermittlung von Friedenskompetenz Friedenskompetenz ist in erster Linie Sachkompetenz. Sie ist wichtig, um Zusammenhänge zu begreifen, Entwicklungen einzuordnen und selbständig 21 Analysen und Strategien zur Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt zu entwickeln. Es geht um das Wissen über die Ursachen, Dynamiken und Folgen von Krieg und Gewalt, um das Wissen über die individuellen Voraussetzungen von Friedensfähigkeit sowie deren gesellschaftliche und internationale Rahmenbedingungen, aber auch um die Einsicht in die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Das Heranziehen verschiedener Quellen zur Information und deren kritische Betrachtung muss als Voraussetzung zur Erlangung von Friedenskompetenz betrachtet werden. Von großer Bedeutung für Kinder sind dabei vor allem Kindernachrichtensendungen, welche ihnen altersgerecht aufgearbeitete Informationen liefern (Götz 2003; Lemish 2003; Seiter / Picus 2003). Es hat sich gezeigt, dass Kindernachrichtensendungen im Vergleich zu regulären Nachrichtensendungen dabei in einem größeren Maße den Kriterien einer deeskalierenden Konfliktberichterstattung (Kempf 2005; Bläsi 2005, 2006) oder den Kriterien des Friedensjournalismus entsprechen. Spezifische Online-Angebote der Friedenspädagogik sind bereits verfügbar. Diese können vor allem für Kinder und Jugendliche von besonderer Relevanz sein, da sie in den Angeboten für Erwachsene häufig keine adäquaten Antworten auf ihre spezifischen Fragen finden. Ein Beispiel für eine altersgerechte didaktische Aufarbeitung von Erkenntnissen der Friedens- und Konfliktforschung findet sich beispielsweise auf der Internetseite www.friedenfragen.de. 22 Frieden-fragen.de Infos und Hintergründe zu Krieg und Frieden Frieden-fragen.de ist ein Internet-Angebot des Instituts für Friedenspädagogik Tübingen e. V. und wendet sich an Kinder, Eltern und ErzieherInnen. Es informiert zu Fragen über Krieg und Frieden und ermöglicht einen Austausch zu diesem Themenbereich. Betroffenheit von Kindern Motivation für dieses Online-Angebot für Kinder ist die Erfahrung, dass Kinder ihre soziale und politische Umwelt sehr bewusst wahrnehmen. Damit verbunden sind viele Fragen und der Wunsch nach Antworten und Orientierung. Die Konfrontation mit Krieg und Gewalt, Hass und Ungerechtigkeit berührt zentrale Lebensund Zukunftsbereiche gerade auch von Kindern. Sie sind in vielfältiger Weise betroffen: als unmittelbare Opfer durch die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und Perspektiven, durch Traumatisierung und Angst vor erneuter Gewalt oder auch durch Missbrauch. Zusätzlich lösen – vermittelt über die Medien – schwerwiegende weltpolitische Ereignisse, wie die Terroranschläge vom 11. September 2001, tief greifende Unsicherheiten und Ängste aus. Dabei entwickeln Kinder mit ihrem stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn häufig mehr und stärkere Empathie für die Opfer als Erwachsene und suchen nach konkreten Handlungsansätzen und Handlungsmöglichkeiten. Kinderfragen In diesen Situationen wenden sich Kinder immer häufiger an die Medien selbst und kontaktieren die Chat-Angebote im Internet mit ihren Fragen und Sorgen, Kommentaren und Vorschlägen. Zigtausendfach wurden nach dem 11. September 2001 oder dem Krieg im Irak auf diese Art scheinbar „kindlich-banale“ Fragen formuliert: „Warum schießen die jetzt aufeinander?“; „Wer ist der Gute und wer ist der Böse?“; „Können die Bomben auch uns treffen?“ ; „Was kann ich für den Frieden tun?“. Die Antworten von „frieden-fragen.de“ An diesem Punkt knüpft das Angebot für Kinder „frieden-fragen.de“ an. Es möchte kontinuierlich – und nicht nur reaktiv bei Terroranschlägen oder Kriegsereignissen – ehrliche, kindgemäße und wissenschaftlich fundierte Antworten auf zentrale Lebens-Fragen geben, die Ängste von Kindern aufgreifen und Orientierungen anbieten. Denn an die genannten „ersten Fragen“ schließen sich „Dilemmata-Fragen“ und „Überlebens-Fragen“ an, wie z. B. die nach dem Töten im Krieg, nach Kriegsgründen und Rechtfertigungen für Gewalt. Eine dritte Kategorie von Themen betrifft friedens- und sicherheitspolitische Fragen im engeren Sinne, wie z. B. der Umgang mit diktatorischen Regimes. Die Antworten orientieren sich am Stand der wissenschaftlichen Diskussion verbunden mit einer ethischen Ausrichtung an den Menschenrechten und dem Prinzip der Gewaltfreiheit, an ziviler Konfliktbearbeitung und der Etablierung einer Friedenskultur. Dabei sollen und müssen durchaus unterschiedliche Meinungen und Erklärungsansätze Berücksichtigung finden. Elternbereich Neben dem Kinderbereich gibt es einen Bereich für Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen, der pädagogische Fragen sowie Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten mit diesem Themenbereich zum Inhalt hat. www.frieden-fragen.de 23 Das Internet kann des Weiteren auch genutzt werden, um Multiplikatoren im Bildungsbereich Sachinformationen und Lernmodelle zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel hierfür ist der internationale UNESCO Bildungsserver Dadalos, der 11 OnlineLehrbücher zu wichtigen Themen politischer Bildung wie etwa Demokratie, Europäische Union, Menschenrechte sowie einen Baustein zum Thema Friedenspädagogik anbietet. Dieser UNESCO-Bildungsserver ist im Nachkriegsbosnien vor dem Hintergrund der Idee eine kostengünstige Möglichkeit zur Förderung der politischen Bildung entstanden und ist zwischenzeitlich in neun Sprachen verfügbar. Der Server wird international mit durchschnittlich 200 000 Besuchern pro Monat genutzt. Darüber hinaus wird jedes Jahr eine erweiterte Auflage von 6000–8000 CD-ROMs mit dem gesamten Inhalt des Bildungsservers produziert und kostenlos an Bildungseinrichtungen und Multiplikatoren vor allem in Südosteuropa verteilt. Die zahlreichen Möglichkeiten des Internets sind noch lange nicht ausgeschöpft: So wäre es beispielsweise vorstellbar, in der virtuellen Welt von „Second Life“ Vorlesungen zur Friedens- und Konfliktforschung anzubieten. Anleitung zur Erlangung von Friedens fähigkeit Es geht hierbei um die Frage, wie die Fähigkeit erworben werden kann, mit individuellen, gesellschaftlichen und internationalen Konflikten umzugehen, die dahinter stehenden Interessen zu erkennen und Lösungswege zu suchen. Friedensfähigkeit – nicht gleichzusetzen mit einer passiven Friedfertigkeit – bedeutet beispielsweise die Entwicklung von Ichstärke und Selbstbewusstsein, um kompetent kommunizieren zu können, um eigene Vorurteile zu erkennen und zu bearbeiten, aber auch um am politischen Geschehen so teilhaben zu können, dass ein Engagement in Richtung Gewaltminimierung und Partizipation möglich wird. Medien können diesen Lernprozess vielfach unterstützen. Kontakte zwischen Konfliktparteien Das Internet bietet Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zwischen Menschen verschiedener Konfliktparteien (Chats, E-Mails oder Internetforen), wenn reale Begegnungen nur eingeschränkt möglich sind. Eine (wenn auch lediglich über Medien vermittelte) Kontaktaufnahme kann bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen dazu führen, die eigenen Ansichten und Vorurteile zu überprüfen und die Perspektive bzw. die Geschichte der „Anderen“ kennen zu lernen. Möglichkeit der Partizipation Die durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien entstandene Möglichkeit sich nicht nur Einzelnen, sondern auch Massen mitzuteilen kann dazu beitragen die Selbstwahrnehmung als Opfer zu durchbrechen und die Selbstachtung als politisches Subjekt zu gewinnen. Dies muss als notwendige Voraussetzung für Friedenshandeln betrachtet werden. Anleitung zum Friedenshandeln Friedenshandeln zielt in erster Linie auf die Beeinflussung politischer Entscheidungen und Entwicklungen auf kommunaler, staatlicher und internationaler Ebene. Handlungsansätze transnationalen Friedenshandelns sind heute besonders bedeutsam. Diese erstrecken sich von Projekten internationalen Lernens bis hin zu gewaltfreien Interventionen in Krisenregionen. Der Friedenserziehung kommt die Aufgabe zu, zum politischen Engagement zu ermutigen und zu befähigen, gerade auch dadurch, dass die Grenzen dieses Friedenshandelns sichtbar gemacht werden und der Handlungsspielraum greifbar ist. Auch in diesem Zusammenhang kann Me dien eine bedeutende Rolle zugesprochen werden. 24 Medien als Hilfsmittel Die Hürden sich zu engagieren werden durch neue Kommunikationsmöglichkeiten herabgesetzt. Die Organisation und Koordination von Projekten sowie Vernetzung und Erfahrungsaustausch werden vereinfacht. Friedenshandeln durch Medienhandeln Gelingt es aus der weitestgehend passiven Rolle des Medienkonsumenten in die Rolle des Medienproduzenten zu schlüpfen, entstehen ganz neue Möglichkeiten von Friedenshandeln. Diese Möglichkeiten beschränken sich nicht auf die neuen Medien. Aktive Medienarbeit, auch mit „alten“ Medien, kann Hallo Krieg Medienprojekt Wuppertal Das Medienprojekt Wuppertal e. V. führt seit 1992 Projekte im Bereich der Jugendvideoproduktion durch. Jugendliche erhalten innerhalb dieser Projekte, welche der „aktiven Medienerziehung und dem kreativen Ausdruck jugendlicher Ästhetiken, Meinungen und Lebensinhalten dienen“, professionelle Unterstützung bei ihren eigenen Videoproduktionen. Dabei werden nicht abstrakte oder recherchierte Themen bearbeitet. Der Schwerpunkt liegt auf Bereichen, in denen Jugendliche selbst involviert sind. „Deswegen sind ihre Filme oft dynamischer, authentischer, direkter und kompromissloser als Fernsehproduktionen“. „Hallo Krieg“ ist der Titel einer solchen Videoproduktion. Es handelt sich hierbei um eine fünfteilige Dokumentationsserie zum Irakkrieg. „Deutsche, irakische und amerikanische Jugendliche dokumentierten in diesem weltweit einzigartigen Projekt mit der Videokamera ihr Leben und ihre Gedanken über mehrere Monate vor, während gezielt genutzt werden, um sich politisch zu engagieren. Ein herausragendes Beispiel für politisch engagierte aktive Medienarbeit findet sich im Rahmen des Medienprojektes Wuppertal. Motivation zum Friedenshandeln durch Medien Idealerweise können Medien selbst Anregungen und Aufforderungen zum Friedenshandeln liefern. Als Beispiel kann hier das Peace Counts project angeführt werden. Mit Reportagen und Portraits von Friedensmachern weltweit liefert es gelungene Beispiele für „Frieden machen“. Eine Teilnehmerin an einem vom Peace Counts project und dem Institut für Friedenspädagogik durchgeführten und nach dem Krieg“. Die Dreharbeiten fanden in Bagdad, Wuppertal, Iowa und Oklahoma statt. Den Kern der Gruppe bildeten im Wesentlichen acht Jugendliche aus Wuppertal (sieben Mädchen, ein Junge) im Alter von 18 und 19 Jahren. Unter Anleitung von Medienpädagogen und Filmemachern wurden sie in unterschiedlichsten Bereichen von weiteren Jugendlichen, so zum Beispiel von zwei Austauschschülern in den USA, von irakischen Jugendlichen in Bagdad und von in Wuppertal lebenden Irakis unterstützt. Mit der Serie richten sich die Jugendlichen an eine breite Öffentlichkeit. Die einzelnen 30minütigen Videos, wie auch ein 60minütiger Zusammenschnitt werden als Bildungsmaterial für Antikriegserziehung in Schulen, Jugendeinrichtungen und vielem mehr vertrieben. Daneben wurden Kurzfassungen als Vorfilm in Wuppertaler Kinos gezeigt und Ausschnitte der Filme und Makingof-Reportagen im Fernseher ausgestrahlt. www.medienprojekt-wuppertal.de 25 Peace Counts project Die Erfolge der Friedensmacher Ziel von Peace Counts project ist es, weltweit Vorbilder für Frieden zu recherchieren, zu dokumentieren und für ein breites Publikum aufzubereiten. Die Best Practice-Beispiele umfassen: charismatische Friedensstifter; gewaltfreies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft, Kultur; Friedensschlüsse in Bürgerkriegsregionen; Integration Jugendlicher durch Sport; professionelle Konfliktschlichter. Die grundlegende These lautet: Peace is possible! Gerade weil der Mainstream öffentlicher Meinungen von Kriegsgedanken beherrscht wird, lohnt es, eine „Kultur des Friedens“ weiter zu entwickeln. Peace Counts bedeutet auch: Frieden zahlt sich aus! Peace Counts project zeigt den engen Zusammenhang zwischen Stabilität einerseits und nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung andererseits auf, die so genannte Friedensdividende. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, setzt das Projekt auf Multimedia. Die Inhalte werden Multiplikatorenprogramm in Sri Lanka bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: „We are working and working and don‘t see the changes and we feel it is quite hopeless. And this really shows that you don‘t need no fancy ideas and you don‘t need to have power behind. You have to have the commitment and the interest that you really can contribute in a way“. über die Medien Buch, Magazin, Hörfunk, Fernsehen und Internet verbreitet sowie als Lehrmaterialien für Schulen und auf Peace Counts Foren angeboten. 2005 wurde vom Institut für Friedenspädagogik eine erweiterte Fassung der CD-ROM „Peace Counts“ entwickelt und fertig gestellt. Die CD-ROM „Peace Counts 2005 – die besten Reportagen“ stellt zehn Projekte aus den Regionen Nordirland, Naher Osten, Sri Lanka, Mazedonien, Afghanistan, Kolumbien, Japan, Philippinen, Südafrika und Mali vor. Des Weiteren werden in eigenen Sequenzen die Grundsätze des Friedensjournalismus und der Friedensfotografie aufgezeigt sowie Hintergründe, Ziele und Arbeitsweise von Peace Counts project dargestellt. Finanziert durch das Sektorvorhaben „Bildung und Konflikt“, welches von der GTZ im Auftrag des BMZ durchgeführt wird, wurde die CD-ROM ins Englische übersetzt. www.peace-counts.org www.peace-counts-school.org ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN AN DIE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1. Differenziertes Gewaltverständnis Der Beschäftigung mit der Thematik Medien und Gewalt im Kontext der Entwicklungszusammen arbeit gilt es ein differenziertes Gewaltverständnis zugrunde zu legen. Damit wird deutlich, dass hier nicht nur Gewaltdarstellungen in den Medien thematisch werden. Auch die strukturelle Gewalt, einerseits im Hinblick auf die Zugangsmöglichkeiten, andererseits im Hinblick auf die „kompetente“ Nutzungsmöglichkeiten ist von zentraler Bedeutung. 26 2. Verständnis für die Veränderungen der Medienlandschaft Es zeichnet sich ab, dass die traditionelle Aufgliederung der Medienlandschaft nicht mehr lange erhalten bleibt. Im Besonderen das Hybridmedium Internet wird mehr und mehr an Bedeutung gewinnen und sich die anderen Medienformen einverleiben. Diesem Medium gilt es in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. 3. Die zunehmende Verbreitung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien erkennen Trotz noch immer bestehender Ungleichheiten im Hinblick auf die Zugangsmöglichkeiten zu den Informations- und Kommunikationstechnologien, ist die Entwicklung hin zu einer vernetzten Welt nicht mehr aufzuhalten. Diese gilt es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit einerseits zu unterstützen und zu fördern. Andererseits muss man auf diese Entwicklungen gleichzeitig in adäquater Weise vorbereitet sein, um die damit verbundenen Chancen auch wirklich nutzen zu können. 4. Kulturspezifische Medienkonferenzen berücksichtigen Obwohl die neuen Informations- und Kommuni kationstechnologien auf dem Vormarsch sind, dürfen die „alten“ Medien nicht außer Acht gelassen werden. Weltweit betrachtet ist der Fernseher das dominante Medium und das Radio erweist sich vor allem in Kulturkreisen mit einer ausgeprägten oralen Tradition als zentral. 5. Differenzierte Betrachtung der Wirkung von Mediengewalt Es gilt zu beachten, dass es keine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Medien gibt. Als relevant erweist sich in diesem Zusammenhang, dass reales Gewaltverhalten vielfältige Ursachen hat und dass mediale Gewaltdarstellungen nur ein Faktor inner- halb eines komplexen Bündels von Ursachen für die Entstehung gewalttätigen Verhaltens ist. Dem sozialen Kontext als Einflussfaktor ist im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ein besonderer Stellenwert einzuräumen, da Kinder und Jugendliche in Entwicklungs- und Schwellenländern vermehrt Opfer oder Beobachter von Gewalt sind, wodurch die Gefahr vergrößert wird, dass sie Gewalt als normale und legitime Verhaltensweise betrachten. 6. Die vielfältigen Gefahren des Internets erkennen Die mit dem Internet verbundenen Gefahren lassen sich nicht auf Gewaltdarstellungen reduzieren. Für Kriegs- und Krisenregionen könnten sich im Internet veröffentlichte Aufrufe zur Gewalt und Anleitung zur Ausführung gewalttätiger Handlungen als relevant erweisen. 7. Meinungs- und Informationsfreiheit nicht per se als gegeben betrachten Mit der Verbreitung vor allem der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien können enorme Fortschritte bezüglich der Meinungs- und Informationsfreiheit verzeichnet werden. Doch diese als gegeben zu betrachten birgt die Gefahr, nicht zu erkennen, dass vielfältige Formen der Zensur und Inszenierung von Medieninhalten auf die Medien wirken. 8. Medien als Sozialisationsinstanz anerkennen Mit einer zunehmenden Verbreitung von Medien nimmt auch ihre Bedeutung für die alltägliche Lebensgestaltung zu. Die Medien sind neben die traditionellen Sozialisationsinstanzen getreten und ihre Inhalte prägen immer stärker unser Bild der Wirklichkeit. Negativ gewendet bedeutet dies, dass beispielsweise ein übermäßiger Konsum gewalthaltiger Medieninhalte, das Realitätsbild dahingehend beeinflussen kann, Gewalt als adäquates Mittel zur 27 Konfliktlösung zu betrachten (v. a. dann, wenn die primäre Wirklichkeitserfahrung diesem Bild entspricht). Andererseits können Medien auch gezielt eingesetzt werden, um – friedenspädagogisch bzw. gewaltpräventiv – in diesen Sozialisationsprozess einzugreifen. Darüber hinaus gilt es in diesem Zusammenhang die weltweite Verbreitung westlicher Produktionen kritisch zu betrachten. Vor diesem Hintergrund muss die Förderung einheimischer Produktionen als eine zentrale Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit gesehen werden. 9. Die Vorteile der Medien für den Bildungsbereich nutzen Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien bringen viele Vorteile für den Bildungsbereich mit sich. Traditionelle Bildung kann durch die kostenlose Bereitstellung von Schul- und Studienbüchern unterstützt werden. Die durch die neuen Technologien verstärkt ermöglichte Unabhängigkeit von Lehrenden und Lernenden im Hinblick auf Raum und Zeit, kann Menschen in abgelegenen Gebieten neue Bildungschancen eröffnen. Schließlich können ganz neue Dimensionen des Lernens entstehen (z. B. im Hinblick auf das Globale Lernen). Es ist jedoch zu beachten, dass es eines geschulten Lehrpersonals bedarf, um diese neuen Bildungschancen auch adäquat umsetzen zu können. 10. Unterstützung bei der Ausarbeitung gesetzlicher Regelungen zum Jugend medienschutz Vor allem auf Grund der von ihnen ausgehenden Signalwirkung sind gesetzliche Regelungen zum Jugendmedienschutz als notwendig zu betrachten. Eine aufgrund der zunehmenden Globalisierung der Medien notwendig erscheinende Internationalisierung erweist sich aus verschiedenen Gründen als schwierig. Dennoch sollte es als eine Herausforderung angesehen werden, einen angebrachten, an internationalen Dokumenten (als Referenzdokumente) orientierten Jugendmedienschutz zu för- dern und dessen Instrumentalisierung zu Zwecken der Beschneidung von Meinungs- und Informationsfreiheit entgegenzuwirken. 11. Förderung von Medienkompetenz Die Reichweite jugendschützerischer Zugänge ist begrenzt. Um die mit der Verbreitung der Medien verbundenen Gefahren zu minimieren und die Chancen zu maximieren, gilt es die Medienkompetenz zu fördern. Ansetzen sollte man dabei sowohl im formalen wie auch im non-formalen Bildungsbereich und im Rahmen umfassender Programme auch die Lehrer und Erziehenden mit einbeziehen. Medien sind zwar als eine Sozialisationsinstanz anzusehen. Sie treten jedoch neben die traditionellen, die es auch weiterhin zu berücksichtigen gilt. 12. Nutzung der Medien für friedens pädagogische Ansätze Medien können im Kontext friedenspädagogischer Bemühungen auf verschiedenste Weise zum Einsatz kommen und diese unterstützen. Dabei gehen Friedenspädagogik mit dem Ziel der Vermittlung von Friedenskompetenz, der Förderung von Friedens fähigkeit und Friedenshandeln und die Medienpäda gogik mit dem Ziel der Vermittlung von Medienkompetenz Hand in Hand. 13. Nutzung des Internet zum Erfahrungsaustausch Die Entwicklungszusammenarbeit kann die modernen Technologien gezielt zur Erleichterung der Arbeit und Steigerung ihrer eigenen Effizienz nutzen. Schnellere Kommunikationswege erleichtern die Organisation. Blogs, Internetforen und Chats können zum Erfahrungsaustausch genutzt werden: zur Weitergabe von „Lessons Learned“ und „BestPractice“, zur Diskussion und damit zu einer gesteigerten Reflexion. 28 LITERATUR Baacke, Dieter 1973: Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. München. Baacke, Dieter 1996: Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: Rein, Antje von (Hrsg.): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, S. 112–124. Bläsi, Burkhard 2005: Produktionsbedingungen konstruktiver Konfliktberichterstattung. 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Neben der Klärung der Grundlagen und des Grundverständnisses von Gewaltprävention werden die Bereiche Familie, Schule und das kommunale Umfeld mit ihren jeweils spezifischen Problemlagen und Erfordernissen sowie vorhandenen Ansätzen systematisch dargestellt und mit Evaluationsergebnissen konfrontiert. Handlungsmöglichkeiten in Problem- und Gewaltsituationen werden in einem eigenen Kapitel aufgegriffen. Günther Gugel: Gewalt und Gewaltprävention Grundfragen, Grundlagen, Ansätze und Handlungsfelder von Gewaltprävention und ihre Bedeutung für Entwicklungszusammenarbeit. Unter Mitarbeit von Ana Mijic Institut für Friedenspädagogik Tübingen e. V., Sektorvorhaben Bildung und Konfliktbearbeitung, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH, Bundesministerium für wirtschafliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Referat 311 Tübingen 2006, 371 Seiten, Format: 21 x 13,3 cm, 20,00 Euro ISBN 3-932444-15-9 ISBN 978-3-932444-15-9 In den letzten Jahren hat die Verbreitung der neuen Informationsund Kommunikationstechnologien weltweit zu tief greifenden Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik geführt, die inzwischen auch den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit er reicht haben. Welche Chancen und Gefahren vor allem aber welche Heraus forderungen sind mit diesen neuen Kulturtechniken verbunden? Was bedeuten diese, insbesondere für die Sozialisation von Kindern, auch und gerade in den Ländern des Südens? Wie ist das Problem der Gefährdung durch Gewaltdarstellungen in Neuen Medien und deren zunehmende Einbeziehung in Gewalthand lungen und Kriegsstrategienzu bewerten? In dieser Broschüre werden – vor dem Hintergrund der Entwick lungszusammenarbeit – neben zentralen Entwicklungen der Neuen Medien und deren Herausforderungen wichtige Strategien des Um gangs im Kontext der Medienpädagogik diskutiert. www.friedenspaedagogik.de