Kinderarbeit

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Kinderarbeit
Internationale Arbeitskonferenz
87. Tagung 1999
Bericht IV (2B)
Kinderarbeit
Vierter Punkt der Tagesordnung
Internationales Arbeitsamt Genf
ISBN 92-2-710812-2
ISSN 0251-4095
Erste Auflage 1999
Die in Veröffentlichungen des IAA verwendeten, der Praxis der Vereinten Nationen entsprechenden Bezeichnungen sowie die Anordnung und Darstellung des Inhalts sind keinesfalls als eine
Meinungsäußerung des Internationalen Arbeitsamtes hinsichtlich der Rechtsstellung irgendeines
Landes, Gebietes oder Territoriums oder dessen Behörden oder hinsichtlich der Grenzen eines
solchen Landes oder Gebietes aufzufassen.
Die Nennung von Firmen und gewerblichen Erzeugnissen und Verfahren bedeutet nicht, daß das
Internationale Arbeitsamt sie billigt, und das Fehlen eines Hinweises auf eine bestimmte Firma oder
ein bestimmtes Erzeugnis oder Verfahren ist nicht als Mißbilligung aufzufassen.
Veröffentlichungen des IAA können bei größeren Buchhandlungen, den Zweigämtern des IAA in
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ATA
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Einleitung
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Vorgeschlagene Texte
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A. Entwurf eines Übereinkommens über das Verbot und die unverzügliche
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
B.
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Entwurf einer Empfehlung betreffend das Verbot und die unverzügliche
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
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EINLEITUNG
Die erste Beratung über die Frage „Kinderarbeit" fand auf der 86. Tagung
(1998) der Internationalen Arbeitskonferenz statt. Im Anschluß an diese Aussprache hat das Internationale Arbeitsamt gemäß Artikel 39 der Geschäftsordnung
der Konferenz einen Bericht' verfaßt und den Regierungen der Mitgliedstaaten
übermittelt, der die Entwürfe eines Übereinkommens und einer Empfehlung über
das Verbot und die unverzügliche Beseitigung der schlimmsten Formen der
Kinderarbeit enthielt, die auf den von der Konferenz auf ihrer 86. Tagung angenommenen Schlußfolgerungen beruhten.
Das Amt hat die Regierungen ersucht, ihm etwaige Änderungsanträge oder
Bemerkungen bis spätestens 30. November 1998 zu übermitteln oder ihm bis zum
gleichen Zeitpunkt mitzuteilen, ob die vorgeschlagenen Texte ihrer Ansicht nach
eine geeignete Grundlage für die Beratung auf der 87. Tagung (1999) der Konferenz bilden.
Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts lagen dem Amt die Antworten
der folgenden 83 Mitgliedstaaten vor2: Ägypten, Argentinien, Äthiopien, Australien, Bahrain, Bangladesch, Belarus, Belgien3, Benin, Bolivien, Botsuana, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Dänemark, Deutschland, Ecuador, El Salvador,
Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Haiti, Indien, Indonesien, Irland,
Italien, Japan, Jemen, Jordanien, Kanada, Kap Verde, Katar, Kenia, Kolumbien,
Republik Korea, Kroatien, Kuwait, Lettland, Libanon, Madagaskar, Malaysia,
Mali, Marokko, Mauritius, Mexiko, Myanmar, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Pakistan, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Sambia, SaudiArabien, Schweden, Schweiz, Senegal, Simbabwe, Slowakei, Spanien, Sri Lanka,
Südafrika, Sudan, Surinam, Arabische Republik Syrien4, Vereinigte Republik
Tansania, Thailand, Togo, Tschechische Republik, Tunesien, Türkei, Uganda,
1
IAA: Kinderarbeit, Bericht IV(1), Internationale Arbeitskonferenz, 87. Tagung, Genf,
1999.
2
Antworten, die zu spät eingingen, um in den Bericht aufgenommen zu werden, können
von den Delegierten auf der Konferenz eingesehen werden.
3
Die Regierung Belgiens hat mit ihrer Antwort eine Stellungnahme des Landesarbeitsrats
(CNT) übermittelt.
4
Das Ministerium für soziale Angelegenheiten und Arbeit hat für die Regierung
geantwortet. Das Ministerium für Industrie hat Stellungnahmen in seiner Eigenschaft als
Arbeitgeber im öffentlichen Sektor der Industrie übermittelt.
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Ukraine, Ungarn, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigte Staaten,
Vereinigtes Königreich, Zypern sowie der Heilige Stuhl5.
Gemäß Artikel 39 Absatz 6 der Geschäftsordnung der Konferenz wurden die
Regierungen ersucht, vor der endgültigen Abfassung ihrer Antworten die maßgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu befragen und anzugeben, welche Verbände sie befragt haben.
Die Regierungen der folgenden 49 Mitgliedstaaten haben mitgeteilt, daß die
maßgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer befragt worden
sind: Ägypten, Bangladesch, Belarus, Belgien, Benin, Brasilien, Bulgarien, Chile,
China, Dänemark, Deutschland, El Salvador, Estland, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Indonesien, Irland, Italien, Japan, Jordanien, Kanada, Kenia,
Republik Korea, Kroatien, Lettland, Mauritius, Myanmar, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Simbabwe, Slowakei, Spanien,
Südafrika, Arabische Republik Syrien, Vereinigte Republik Tansania, Togo,
Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, Zypern.
Im Fall der folgenden 37 Mitgliedstaaten sind die Antworten der Verbände
der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in die Antworten der Regierungen einbezogen oder diesen beigefügt oder aber dem Amt direkt übermittelt worden: Ägypten, Bangladesch, Belarus, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Dänemark,
Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indonesien, Irland,
Italien, Japan, Jordanien, Kanada, Kenia, Republik Korea, Kroatien, Neuseeland,
Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Simbabwe, Spanien, Südafrika, Arabische Republik Syrien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn,
Venezuela, Vereinigte Staaten.
Der Ausschuß der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes hat auf
seiner 20. Tagung Kommentare verfaßt.
Um sicherzustellen, daß die Entwürfe des Übereinkommens und der Empfehlung über Kinderarbeit den Regierungen innerhalb der in Artikel 39 Absatz 7
der Geschäftsordnung der Konferenz vorgesehenen Frist zugehen, wird
Bericht IV (2) in zwei Bänden veröffentlicht6. Der vorliegende Band (Bericht IV
(2B)) enthält die Entwürfe des Übereinkommens und der Empfehlung, die aufgrund der Bemerkungen der Regierungen sowie der Verbände der Arbeitgeber
und der Arbeitnehmer und aus den in Kommentaren des Amtes angegebenen
Gründen geändert worden sind. Darüber wurden einige zweckmäßig erscheinende
redaktionelle Änderungen vorgenommen, insbesondere um volle Übereinstimmung der Texte in den verschiedenen Sprachen sicherzustellen. Falls die Konferenz dies beschließt, werden diese Texte auf ihrer 87. Tagung (1999) als Grundlage für die zweite Beratung über die Frage der Kinderarbeit dienen.
5
Der Heilige Stuhl hat Beobachterstatus bei der IAO.
6
Die Regierungen werden Bericht IV (2A) mit der Zusammenfassung der eingegangenen
Antworten und den Kommentaren des Amtes etwa einen Monat nach dem vorliegenden Band
erhalten.
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VORGESCHLAGENE TEXTE
Nachstehend werden A) der Entwurf eines Übereinkommens über das Verbot
und die unverzügliche Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und
B) der Entwurf einer Empfehlung betreffend das Verbot und die unverzügliche
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit wiedergegeben, die der
Konferenz auf ihrer 87. Tagung als Grundlage für die Beratung des vierten Punktes ihrer Tagesordnung dienen sollen.
A. Entwurf eines Übereinkommens über das Verbot und die
unverzügliche Beseitigung der schlimmsten Formen
der Kinderarbeit
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen
wurde und am 1. Juni 1999 zu ihrer siebenundachtzigsten Tagung zusammengetreten ist,
verweist auf die Notwendigkeit, neue Urkunden für das Verbot und die wirksame
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit als Hauptziel nationaler
und internationaler Maßnahmen anzunehmen, um das Übereinkommen und
die Empfehlung über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung,
1973, zu ergänzen, die weiterhin die grundlegenden Urkunden sind, um die
vollständige Abschaffung der Kinderarbeit zu erreichen,
stellt fest, daß die wirksame Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit unverzügliche und umfassende Maßnahmen erfordert, wobei die Bedeutung der Grundbildung und die Notwendigkeit zu berücksichtigen sind, die
betreffenden Kinder von der Arbeit zu entfernen und ihre Rehabilitation und
soziale Wiedereingliederung vorzusehen,
verweist auf die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am
20. November 1989 verabschiedete Konvention über die Rechte des Kindes,
weist darauf hin, daß einige der schlimmsten Formen der Kinderarbeit Gegenstand anderer internationaler Instrumente sind, insbesondere des Übereinkommens über Zwangsarbeit, 1930, und des Zusatzabkommens der Vereinten
Nationen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken, 1956,
erinnert an die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens über die
Arbeitsaufsicht, 1947, und des Übereinkommens und der Empfehlung über
die Erschließung des Arbeitskräftepotentials, 1975,
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erinnert an die von der Internationalen Arbeitskonferenz 1975 angenommene
Erklärung über die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung der berufstätigen Frauen sowie an die Kopenhagener Erklärung über soziale Entwicklung und das Aktionsprogramm des Weltgipfels für soziale Entwicklung,
1995, und die Erklärung von Beijing und die Aktionsplattform der Vierten
Weltfrauenkonferenz, 1995,
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Kinderarbeit, eine
Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am ... Juni 1999, das folgende Übereinkommen
an, das als Übereinkommen über die unverzügliche Abschaffung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit, 1999, bezeichnet wird.
Artikel 1
Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat Maßnahmen zur
Sicherstellung des Verbots und der unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit zu treffen.
Artikel 2
Im Sinne dieses Übereinkommens gilt der Ausdruck „Kind" für alle Personen
unter 18 Jahren.
Artikel 3
Im Sinne dieses Übereinkommens umfaßt der Ausdruck „die schlimmsten
Formen der Kinderarbeit":
a) alle Formen der Sklaverei oder sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Kinderverkauf und den Kinderhandel, Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft;
b) die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie oder zu pornographischen Darbietungen;
c) die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von Drogen und zum Verkehr mit Drogen, wie sie in den einschlägigen internationalen Übereinkünften definiert sind;
d) Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie
verrichtet wird, die Gesundheit, Sicherheit oder Sittlichkeit von Kindern
gefährden dürfte.
Artikel 4
(1) Die unter Artikel 3 d) erwähnten Arten von Arbeit sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch die zuständige Stelle nach Beratung mit den
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in Betracht kommenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu
bestimmen, wobei die einschlägigen internationalen Normen zu berücksichtigen
sind.
(2) Die zuständige Stelle hat nach Beratung mit den in Betracht kommenden
Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu ermitteln, wo die so
bestimmten Arten von Arbeit bestehen.
(3) Das Verzeichnis der gemäß Absatz (1) dieses Artikels bestimmten Arten
von Arbeit ist von der zuständigen Stelle nach Beratung mit den in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer regelmäßig zu überprüfen und erforderlichenfalls zu revidieren.
Artikel 5
Jedes Mitglied hat geeignete Mechanismen zur Überwachung der Durchführung der Bestimmungen zur Umsetzung dieses Übereinkommens einzurichten
oder zu bezeichnen.
Artikel 6
(1) Jedes Mitglied hat Aktionsprogramme zur vorrangigen Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu planen und durchzuführen.
(2) Solche Aktionsprogramme sind in Beratung mit einschlägigen staatlichen
Einrichtungen und Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zu planen und
durchzuführen.
Artikel 7
(1) Jedes Mitglied hat alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die
wirksame Durchführung und Durchsetzung der Bestimmungen zur Umsetzung
dieses Übereinkommens sicherzustellen, einschließlich der Festsetzung und
Anwendung von strafrechtlichen Maßnahmen oder gegebenenfalls anderen
Zwangsmaßnahmen.
(2) Jedes Mitglied hat unter Berücksichtigung der Bedeutung der Schulbildung
für die Beseitigung der Kinderarbeit wirksame und terminierte Maßnahmen zu
treffen, um:
a) zu verhindern, daß Kinder die schlimmsten Formen der Kinderarbeit aufnehmen;
b) die erforderliche und geeignete unmittelbare Unterstützung für ihre Entfernung von der Arbeit, ihre Rehabilitation und ihre soziale Wiedereingliederung
u.a. durch den Zugang zu einer unentgeltlichen Grundbildung zu gewähren;
und
c) besonders gefährdete Kinder zu ermitteln und zu erreichen; und
d) der besonderen Lage von Mädchen Rechnung zu tragen.
(3) Jedes Mitglied hat die zuständige Stelle zu bezeichnen, die für die Durchführung der Bestimmungen zur Umsetzung dieses Übereinkommens verantwortlich ist.
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Artikel 8
Die Mitglieder haben gegebenenfalls Schritte zu unternehmen, um sich bei der
Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens durch internationale
Zusammenarbeit oder Unterstützung gegenseitig zu unterstützen.
B. Entwurf einer Empfehlung betreffend das Verbot und die
unverzügliche Beseitigung der schlimmsten Formen
der Kinderarbeit
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen
wurde und am 1. Juni 1999 zu ihrer siebenundachtzigsten Tagung zusammengetreten ist,
hat das Übereinkommen über die unverzügliche Abschaffung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit, 1999, angenommen,
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Kinderarbeit, eine
Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung
des Übereinkommens über die unverzügliche Abschaffung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit, 1999, erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am ... Juni 1999, die folgende Empfehlung an,
die als Empfehlung betreffend die unverzügliche Abschaffung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit, 1999, bezeichnet wird.
1. Die Bestimmungen dieser Empfehlung ergänzen diejenigen des Übereinkommens über die unverzügliche Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999 (im folgenden „das Übereinkommen" genannt), und sollten
zusammen mit ihnen angewendet werden.
I. AKTIONSPROGRAMME
2. Die in Artikel 6 des Übereinkommens erwähnten Aktionsprogramme
sollten in Beratung mit einschlägigen staatlichen Einrichtungen, Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerverbänden und gegebenenfalls anderen in Betracht kommenden
Gruppen geplant und durchgeführt werden. Sie sollten u.a. zum Ziel haben:
a) die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu ermitteln und anzuprangern;
b) Kinder daran zu hindern, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit aufzunehmen, oder sie von solchen Formen der Kinderarbeit zu entfernen, sie vor
Vergeltungsmaßnahmen zu schützen und ihre Rehabilitation und soziale Wiedereingliederung durch Maßnahmen vorzusehen, die auf ihre erzieherischen,
körperlichen, emotionalen und psychologischen Bedürfnisse eingehen;
c) besondere Aufmerksamkeit zu widmen:
i) jüngeren Kindern;
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ii) dem Problem der Arbeit im Verborgenen, bei der Mädchen besonders
gefährdet sind;
iii) anderen Gruppen von Kindern, die besonders anfällig sind oder besondere
Bedürfnisse haben;
d) Gemeinschaften zu ermitteln und zu erreichen, in denen Kinder einem besonderen Risiko ausgesetzt sind;
e) die Öffentlichkeit und in Betracht kommende Gruppen, einschließlich Kindern
und ihrer Familien, zu informieren, zu sensibilisieren und zu mobilisieren.
II. GEFÄHRLICHE ARBEIT
3. Bei der Bestimmung der unter Artikel 3 d) des Übereinkommens erwähnten Arten von Arbeit und bei der Ermittlung, wo sie bestehen, sollte mindestens
berücksichtigt werden:
a) Arbeit, die Kinder einem körperlichen, emotionalen oder sexuellen Mißbrauch aussetzt;
b) Arbeit unter Tage, unter Wasser, in gefährlichen Höhen oder in beengten
Räumen;
c) Arbeit mit gefährlichen Maschinen, Ausrüstungen und Werkzeugen oder
Arbeit, die mit der manuellen Handhabung oder dem manuellen Transport
von schweren Lasten verbunden ist;
d) Arbeit in einer ungesunden Umgebung, die Kinder beispielsweise gefährlichen Stoffen, Agenzien oder Verfahren oder gesundheitsschädlichen Temperaturen, Geräuschpegeln oder Vibrationen aussetzen kann;
e) Arbeit unter besonders schwierigen Bedingungen, beispielsweise Arbeit während langer Zeit oder während der Nacht oder Arbeit, bei der nicht die Möglichkeit besteht, täglich nach Hause zurückzukehren.
III. DURCHFÜHRUNG
4. (1) Es sollten detaillierte Informationen und statistische Daten über Art
und Ausmaß der Kinderarbeit zusammengestellt und auf dem neuesten Stand
gehalten werden, um als Grundlage für die Festlegung von Prioritäten für innerstaatliche Maßnahmen zur Abschaffung der Kinderarbeit, insbesondere zum
Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung ihrer schlimmsten Formen, zu dienen.
(2) Soweit wie möglich sollten solche Informationen und statistischen Daten
nach Geschlecht, Altersgruppe, Beruf, Wirtschaftszweig und Stellung im
Erwerbsleben gegliederte Daten umfassen.
(3) Es sollten einschlägige Daten über Verstöße gegen die innerstaatlichen
Vorschriften zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten
Formen der Kinderarbeit zusammengestellt und auf dem neuesten Stand gehalten
werden.
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5. Die Zusammenstellung und Verarbeitung der in Absatz 4 erwähnten
Informationen und Daten sollte unter gebührender Berücksichtigung des Rechts
auf Schutz der Privatsphäre erfolgen.
6. Die gemäß Absatz 4 zusammengestellten Informationen sollten regelmäßig
an das Internationale Arbeitsamt übermittelt werden.
7. Die Mitglieder sollten nach Beratung mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände und gegebenenfalls anderen in Betracht kommenden Gruppen
geeignete innerstaatliche Mechanismen einrichten oder bezeichnen, um die
Durchführung der innerstaatlichen Vorschriften zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu überwachen.
8. Die Mitglieder sollten sicherstellen, daß die zuständigen Stellen, die Verantwortung für die Durchführung der innerstaatlichen Vorschriften zum Verbot
und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
haben, untereinander zusammenarbeiten und ihre Tätigkeiten koordinieren.
9. Die innerstaatliche Gesetzgebung oder die zuständige Stelle sollte die
Personen bestimmen, die im Fall einer Nichtbeachtung der innerstaatlichen Vorschriften zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit zur Verantwortung zu ziehen sind.
10. Die Mitglieder sollten sich, soweit es mit dem innerstaatlichen Recht vereinbar ist, an den internationalen Anstrengungen zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beteiligen, indem
sie:
a) Informationen über strafbare Handlungen, einschließlich derjenigen, in die
internationale Netze verwickelt sind, sammeln und austauschen;
b) diejenigen ermitteln und verfolgen, die am Kinderverkauf und am Kinderhandel oder an der Heranziehung, an der Vermittlung oder am Anbieten von Kindern zu unerlaubten Tätigkeiten, zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie oder zu pornographischen Darbietungen beteiligt sind;
c) die Begeher derartiger strafbarer Handlungen registrieren.
11. Die Mitglieder sollten vorsehen, daß die folgenden schlimmsten Formen
der Kinderarbeit strafbare Handlungen darstellen:
a) alle Formen der Sklaverei oder sklavereiähnlichen Praktiken, wie der Kinderverkauf, der Kinderhandel, Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft;
b) die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie oder zu pornographischen Darbietungen; und
c) die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von Drogen und zum Verkehr mit Drogen, wie sie in den einschlägigen internationalen Übereinkünften
definiert sind.
12. Die Mitglieder sollten sicherstellen, daß Strafen, gegebenenfalls einschließlich strafrechtlicher Maßnahmen, bei Verstößen gegen die innerstaatlichen
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Vorschriften zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung jeder in Artikel 3 d)
des Übereinkommens erwähnten Art von Arbeit angewendet werden.
13. Die Mitglieder sollten gegebenenfalls auch andere Abhilfemaßnahmen
vorsehen, um die wirksame Durchsetzung der innerstaatlichen Vorschriften zum
Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sicherzustellen.
14. Die Maßnahmen zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit könnten auch folgendes umfassen:
a) die Informierung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit, einschließlich der
nationalen und lokalen politischen Führungspersönlichkeiten, der Parlamentarier und der Justiz;
b) die Beteiligung und Schulung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden
und kommunalen Organisationen;
c) die Vermittlung einer geeigneten Ausbildung für die betroffenen staatlichen
Bediensteten, insbesondere Inspektoren und Vollzugsbeamte, und für andere
in Frage kommende Fachkräfte;
d) die strafrechtliche Verfolgung von Staatsangehörigen der Mitglieder, die nach
den innerstaatlichen Vorschriften zum Verbot und zur unverzüglichen Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit strafbare Handlungen begehen, in ihrem eigenen Land, auch wenn diese strafbaren Handlungen in einem
anderen Land begangen worden sind;
e) die Vereinfachung der Rechts- und Verwaltungsverfahren und Sicherstellung,
daß sie geeignet und zügig sind;
f) die Bekanntmachung vorbildlicher Praktiken im Bereich der Kinderarbeit;
g) die Bekanntmachung von Rechtsvorschriften oder sonstigen Bestimmungen
zur Kinderarbeit in den verschiedenen Sprachen oder Dialekten;
h) die Einrichtung besonderer Beschwerdeverfahren und Vorkehrungen zum
Schutz derjenigen, die Verstöße gegen die Bestimmungen des Übereinkommens rechtmäßig enthüllen, vor Diskriminierung und Vergeltungsmaßnahmen sowie die Einrichtung von Telefonhilfe-Diensten oder Kontaktstellen und
die Ernennung von Ombudspersonen.
15. Die internationale Zusammenarbeit oder Unterstützung zwischen den
Mitgliedern im Hinblick auf das Verbot und die unverzügliche Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit sollte umfassen:
a) die Mobilisierung von Mitteln für nationale oder internationale Programme;
b) gegenseitige Rechtshilfe;
c) technische Unterstützung, einschließlich des Austauschs von Informationen.
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