Manuskript als PDF - Institut für Sportwissenschaft der Uni Bayreuth

Transcription

Manuskript als PDF - Institut für Sportwissenschaft der Uni Bayreuth
Kulturwissenschaftliche Fakultät
Institut für Sportwissenschaft
Andreas Hohmann, Alexander Reuß, Sven Kieser, Sebastian
Straub, Stefan Döbler & Ulrich Fehr
Auswirkungen eines startsprungorientierten
Sprungkrafttrainings auf die Startsprungleistung
im Schwimmen
Manuskript für die Zeitschrift Leistungssport
1
Zusammenfassung
Der Start entwickelte sich im Sportschwimmen in den vergangenen Jahren zu einem leistungsentscheidenden Faktor auf den Sprintstrecken (Wiedner & Pfeiffer, 2006, S. 41). Bei der Suche nach
den Ursachen für das in den Jahren 2000-2006 schlechte Abschneiden der DSV-Athleten und Athletinnen wurde bei Teilzeitanalysen von internationalen Wettkämpfen herausgefunden, dass die
Mehrzahl der DSV-Athletinnen und Athleten gegenüber den Spitzenschwimmern anderer Nationen
deutliche Defizite im Start- und Wendeabschnitt aufwiesen (Küchler, 1994, S. 73; Küchler & Leopold, 2000, S. 106; Leopold, 2002, S. 29). Vor diesem Hintergrund wurde anlässlich der Schwimmweltmeisterschaft 2007 in Melbourne mit zwei Schwimmerinnen und fünf Schwimmern des Olympiastützpunktes Frankfurt in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV) ein startsprungspezifisches Maximal-, Explosiv- und Sprungkrafttraining über vier Wochen durchgeführt und die Maßnahme prozessdiagnostisch begleitet1. Die mit Hilfe der angewendeten Trainingsintervention erzielten Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit und Effektivität eines etappenweisen, besser
noch ganzjährigen Sprungkrafttrainings bei Hochleistungsschwimmerinnen und -schwimmern.
Schlagwörter
Schwimmen, Startsprung, Sprungkrafttraining
1 Einleitung
Der Start entwickelte sich im Sportschwimmen in den vergangenen Jahren zu einem leistungsentscheidenden Faktor auf den Sprintstrecken (Wiedner & Pfeiffer, 2006, S. 41). Insbesondere durch
den Beschluss der FINA und der LEN, alle 50-m-Disziplinen in die Programme der Welt- und Europameisterschaften aufzunehmen, wurde die Bedeutung von Start- und Wendeabschnitt zusätzlich aufgewertet. So macht der Startabschnitt in den 50-m-Disziplinen etwa 30 % der Wettkampfstrecke auf der Langbahn aus. Hieraus ergibt sich die große Bedeutung des Starts gerade für die
Sprintdisziplinen über die 50-m und 100-m-Strecke. Es hat sich gezeigt, dass der Ausgang der 50m und 100-m-Wettbewerbe häufig bereits im Startabschnitt entschieden wird und die Weltbesten
vom Start an das Renngeschehen bestimmen (Lyttle & Benjanuvatra, 2004, S. 1; Rudolph, 2002;
S. 47). Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die Leistungsdichte in der Weltspitze weiter zugenommen hat. Oftmals entscheiden nur wenige hundertstel Sekunden über die Platzierungen
(Küchler, 1996, S. 65). So trennten beim 50-m-Freistil-Finale der Männer bei den Olympischen
Spielen 2000 in Sydney lediglich 0,05 s den ersten vom dritten Platz. In derselben Disziplin lagen
bei den Weltmeisterschaften 2003 in Barcelona zwischen dem ersten und dem achten Platz nur
0,52 s (Lyttle & Benjanuvatra, 2004, S. 1; Miller, Allen & Richard, 2003, S. 231).
1
Gefördert vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Jahr 2007 (GZ IIA1-071614/06-07).
2
Beim Start im Schwimmen handelt es sich um eine komplexe sportliche Bewegung, die von einer
Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Fasst man den aktuellen Forschungsstand zusammen, so
ist für eine schnelle Startzeit vor allem eine hohe Absprunggeschwindigkeit in horizontaler Richtung zu fordern. Dafür müssen die Teilimpulse der Anschwung- und Abflugphase zeitlich optimal
koordiniert werden, um am Ende der Absprungphase einen möglichst großen Gesamtimpuls zu
generieren. Der Absprungwinkel sollte möglichst flach sein. Neben der Aktion am Block besitzt
insbesondere die Unterwasserphase einen erheblichen Einfluss auf die Startleistung (Elipot,
Hellard, Taiar, Boissière, Rey, Lecat & Houel, 2009; Shin & Groppel, 1986).
2 Problemstellung
Es scheint, als hätten die deutschen Schwimmerinnen und Schwimmer im Vorfeld der Olympischen Spiele in Athen 2004 den Anschluss an die Weltspitze verloren. Diese Tendenz spiegelt sich
im Medaillenspiegel der zurückliegenden Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften (Abb. 1)
wider. Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen konnten lediglich fünf Medaillen durch deutsche
Schwimmerinnen und Schwimmer errungen werden. In Sydney, vier Jahre zuvor, standen nach
den Titelkämpfen sogar nur drei Bronzemedaillen auf der Habenseite (Beckmann, 2005, S. 51). So
rutschte Deutschland bei der Nationenwertung von einem ehemaligen 3. Platz bei den Weltmeisterschaften in Perth 1991 auf einen 14. Platz bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 ab. Zuletzt sorgten die Schwimmerinnen und Schwimmer des DSV bei der WM 2006 in Melbourne mit 2x
Gold, 1x Silber und 2x Bronze für eine wieder leicht ansteigende Tendenz.
20
18
16
14
12
Bronze
10
Silber
8
Gold
6
4
2
0
1991
Abb. 1:
1992
1994
1996
1998
2000
2004
2006
Medaillen für Deutschland bei den OS und WM im Zeitraum 1991-2006.
Bei der Suche nach den Ursachen für das zuletzt schlechte Abschneiden der Deutschen wurde bei
Teilzeitanalysen von internationalen Wettkämpfen in den Jahren 2000–2006 herausgefunden,
dass die Mehrzahl der DSV-Athletinnen und Athleten gegenüber den Spitzenschwimmern anderer
3
Nationen deutliche Defizite im Start- und Wendeabschnitt aufwiesen (Küchler, 1994, S. 73;
Küchler & Leopold, 2000, S. 106; Leopold, 2002, S. 29). Die Gründe hierfür dürften zum einen in
einem zu geringen Niveau der Schnellkraftfähigkeiten, zum anderen in unzweckmäßigen Bewegungsabläufen in den verschiedenen Startphasen liegen. Dies verdeutlicht, dass für die Annäherung der deutschen Sprinter an die Weltspitze ein ganzjähriges und kontinuierliches Start- und
Wendetraining bereits im Jugendalter erforderlich ist, um die notwendige Leistungsentwicklung sicherzustellen.
Vor diesem Hintergrund wurde in Kooperation mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) ein
trainingswissenschaftliches Betreuungsprojekt durchgeführt, um dieses Problem exemplarisch zu
lösen. Dazu wurde für die WM-Vorbereitung 2007 ein Trainingsprogramm entwickelt, dass speziell
die startsprungbezogenen Fähigkeiten verbessern sollte. Ausgehend von der zunehmenden Bedeutung der Schnellkraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten für Start und Wende, sollten mit Hilfe eines
gezielten Maximal- und Sprungkrafttrainings wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, damit
sich die Schwimmerinnen und Schwimmer im Startabschnitt an die Startleistung der Weltspitze
annähern konnten. Im vorliegenden Beitrag steht dem entsprechend die Frage nach der Wirkung
dieses Zusatztrainings auf die Maximal- und Schnellkraft sowie die komplexe Startleistung von
Hochleistungsschwimmern im Mittelpunkt.
3 Untersuchungsmethodik
Ziel dieser Studie war es zu überprüfen, welche Auswirkungen das durchgeführte Trainingsprogramm auf die allgemeine Leistungsvoraussetzung Kraft, die kinematischen und dynamischen Parameter der Startsprungleistung sowie die komplexe Startzeit hatte. Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende vier Fragestellungen:
1. Führt ein startsprungspezifisches Maximalkraft-, Explosivkraft- und Sprungkrafttraining zu
einer Verbesserung in den leistungsrelevanten Maximal-, Explosiv- und Sprungkraftparametern?
2. Führt ein startsprungspezifisches Maximalkraft-, Explosivkraft- und Sprungkrafttraining zu
einer Verbesserung in den leistungsrelevanten kinematischen Startsprungparametern?
3. Führt ein startsprungspezifisches Maximalkraft-, Explosivkraft- und Sprungkrafttraining zu
einer Verbesserung in den leistungsrelevanten dynamischen Startsprungparametern?
4. Führen Verbesserungen in den kinematischen und dynamischen Parametern in Folge auch
zu besseren komplexen Startleistungen?
3.1 Teilnehmer am Projekt „Startsprungoptimierung“
An dem Betreuungsprojekt nahmen in Absprache mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV)
und dem zuständigen Landestrainer Hessen zwei Schwimmerinnen und fünf Schwimmer des
Olympiastützpunktes Frankfurt am Main teil. Bei ihnen handelt es sich um Olympia- und Weltmeis-
4
terschaftsteilnehmer sowie hoffnungsvolle Nachwuchsathleten, was eine qualitativ hochwertige
Trainingsgruppe garantierte.
Die Spitzenathleten wiesen folgende Merkmale auf: Alter: M = 22,1 Jahre (SD = 2,6 a), Körpergröße: M = 185,1 cm (SD = 6,4 cm) und ein mittleres Körpergewicht von M = 78,4 kg (SD = 10,5 kg).
Bei der Untersuchung starteten drei Athleten/-innen in der Grabstart- und 2 Athleten/-innen in der
Trackstarttechnik. Zwei weitere Athleten/-innen absolvierten Startsprünge in beiden Techniken.
Tab. 1:
Allgemeine Daten der an der Untersuchung beteiligten Schwimmerinnen und Schwimmer (L =
Lagen, F = Freistil, R = Rücken).
Proband
Alter
[Jahre]
Größe
[cm]
Gewicht
[kg]
Geschlecht
Bevorzugte
Starttechnik
Bestleistung
(50-m-Bahn)
M.S.
22
190
82
m
Grab
100F 0:53,28 min
200L 2:05,65 min
M.C.
21
189
80
m
Grab
100F 0:48,88 min
100R 0:54,78 min
V.B.
19
181
74
m
Grab
100F 0:51,63 min
L.W.
23
189
90
m
Track
200L 2:02,14 min
B.F.
23
189
89
m
Track
50F 0:22,61 min
M.F.
27
186
76
w
Track
100F 0:54,53 min
T.H.
20
172
59
w
Grab
50R 0:30,48 min
M
22,14
185,14
78,43
SD
2,61
6,57
10,47
3.2 Trainingsintervention
Das Trainingsprogramm zur Verbesserung des Startsprungs für die Schwimmerinnen und
Schwimmer des Olympiastützpunktes war auf drei Trainingsschwerpunkte ausgerichtet:
1. Schnellkrafttraining (insbesondere Sprungkrafttraining),
2. Maximal- und Explosivkrafttraining, sowie
3. Techniktraining.
Das Training mit den drei Schwerpunkten erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Wochen. In
jeder Woche wurde zu den genannten Schwerpunkten jeweils eine Trainingseinheit durchgeführt,
wobei darauf geachtet wurde, dass die Einheiten nicht an aufeinander folgenden Tagen platziert
wurden. Die erste Einheit in der Woche hatte Schnellkraft, insbesondere Sprungkraft zum Ziel. In
der zweiten erfolgte ein Maximal- und Explosivkraftraining und in der Dritten lag der Hauptschwerpunkt in der Verbesserung der Startsprungtechnik. Die beiden Trainingseinheiten zur Verbesserung der Schnellkraft und der Maximal-/Explosivkraft wurden jeweils vor dem abendlichen
Schwimmtraining durchgeführt, sodass die Athleten in ausgeruhtem Zustand die Trainingsaufgaben bewältigen konnten. Einen Überblick über die Belastungsgestaltung der Trainingseinheit 1 zur
Verbesserung der Schnellkraft/Sprungkraft gibt Tabelle 2.
5
Tab. 2:
Übersicht über das durchgeführte Sprungkrafttraining der Schwimmerinnen und Schwimmer am
Olympiastützpunkt Frankfurt a. M. (Reuss, 2007, S. 17).
Trainingsziel
Trainingsinhalt
Trainingsmethode/-organisation
Startsprungbezogenen Leistungsvoraussetzung
Schnellkraft (insbesondere Sprungkraft)
- Squat Jumps (Sprünge aus tiefer
Position ohne Auftaktbewegung
und Armeinsatz auf maximale Vertikalhöhe)
- Split Squat Jumps (Sprünge aus
tiefer Schrittstellung ohne Auftaktbewegung und Armeinsatz auf maximale Vertikalhöhe)
- Metcalfe Sprünge (einbeinige
Sprünge aus tiefer Position ohne
Auftaktbewegung und Armeinsatz
auf maximale Vertikalhöhe)
- Counter Movement Jumps (beidbeinige Sprünge aus hoher Position mit Auftaktbewegung und Armeinsatz auf maximale Vertikalhöhe
über Zachariashürden).
Montag: 16:30 Uhr Sprinthalle – Trainingsdauer ca. 60 min
Schnellkrafttraining für die startbezogenen
Antriebsmuskulatur der Beine
- Belastungsintensität: maximal
- Trainingsumfang: 3 Serien à 40
Sprüngen (10 Sprünge pro Sprungtyp)
- Belastungsdichte: Pause; zwischen jedem Sprung 5-10 s, nach 10 Sprüngen
3 min und zwischen jeder Serie 3 min.
Startsprungbezogenen Leistungsvoraussetzungen Materialkraft und Explosivkraft
-
Halbe Kniebeugen a)
Vibrationstraining (Galileo) a)
Beinstrecken a)
Beinrückenheben a)
Fersenheben im Stand a)
Bauchmuskeltraining b)
Rückentraining b)
Kastenaufsprünge (maximale
Sprünge mit Auftaktbewegung und
Armeinsatz auf einen Kasten)
Mittwoch: 16:15 Uhr Kraftraum – Trainingsdauer ca. 60 min
Neutral akzentuiertes Maximalkraft- und
Explosivkrafttraining für die Antriebsmuskulatur der Beine
- Belastungsintensität:
a) 80-95% der Maximalkraft;
b) Gigantensätze
- Trainingsumfang:
a) 3 Serien à 3-8 Wdh.;
b) 4 Übungen à 8-10 Wdh.
- Belastungsdichte: 3 min. Pause zwischen Trainingssatz und Serie
Startsprungtechnik
-
Squat Jumps
Split Squat Jumps
Metcalfe Jumps
Counter Movement Jumps
Startsprünge (Blockstart und Rückenstart)
Freitag: 17:15 Uhr Sprinthalle, Schwimmbad – Trainingsdauer ca. 30 min
Startsprungspezifisches Techniktraining:
- Belastungsintensität: maximal
- Trainingsumfang: 2 Serien à 20
Sprünge (5 Sprünge pro Sprungtyp)
- Belastungsdichte: Pause zwischen jedem Sprung 5-10 s, nach 10 Sprüngen 3 min und zwischen jeder Serie 3
min.
Anschl. 6-8 Startsprünge
3.3 Untersuchungsdesign und Trainingswirkungsanalyse
Das der Trainingswirkungsanalyse zugrunde liegende Untersuchungsdesign bestand aus einer
Längsschnittsanalyse mit Prä-, Post- und Retentionstest. Die Schwimmerinnen und Schwimmer
nahmen vor der Trainingsintervention an einem Eingangstest (Prätest) teil, bei dem alle relevanten
kinematischen und dynamografischen Parameter des Schwimmstarts erhoben wurden. Nach einer
Trainingphase von vier Wochen wurde direkt im Anschluss (d.h. 48 h nach dem letzten Training)
ein Ausgangstest (Posttest) durchgeführt. Um Erkenntnisse über langfristige Adaptationsprozesse
6
zu erhalten, wurde nach der Trainingsintervention ein Retentionstest angesetzt. Dieser fand wenige Tage nach der WM-Qualifikation statt, sodass parallel dazu auch auf aktuelle Teilzeitanalysen
aus diesem Wettkampf zurückgegriffen werden konnte.
Die Trainingswirkungsanalyse erfolgte mittels einer abschnittsweisen Ist-Istwert-Differenzanalyse
(Hohmann, 1994, S. 220f.). Eine gruppenstatistische Effektprüfung schied sowohl im Hinblick auf
das Projektziel einer individuellen Leistungsoptimierung, als auch im Hinblick auf die geringe
Gruppengröße der in diesem Projekt betreuten Spitzenathleten (nmännlich = 5 und nweiblich = 2) aus.
Die abschnittsweise Erfolgskontrolle wurde dabei zum einen zwischen Eingangs- und Ausgangstest und zum anderen zwischen Eingangs- und Retentionstest vorgenommen.
3.4 Merkmalsstichprobe und Diagnosemethoden
Um die oben genannten Fragestellungen zu untersuchen, wurden eine komplexe Kraftdiagnostik
im Labor sowie eine kinematografische und dynamografische Bewegungsanalyse des Startsprungs herangezogen. Die Diagnose der Leistungsvoraussetzung Kraft fand beim Eingangs- und
Retentionstest gleichzeitig mit der Untersuchung des komplexen Startsprungs statt. Lediglich beim
Ausgangstest musste das Untersuchungsteam bei den beiden Diagnoseteilen aus organisatorischen Gründen auf unterschiedliche Termine zurückgreifen.
(1) Kraftdiagnostik im Labor
•
Sprungkraftdiagnostik: Die beidbeinige vertikale Sprungkraft wurde mit Hilfe von Squat
Jump (SJ), Counter Movement Jump (ohne Armeinsatz; CMJ) und Drop Jump (aus 24, 32
und 40 cm Fallhöhe; DJ) bestimmt. Messparameter war neben der Sprunghöhe und Bodenkontaktzeit auch der sog. „Leistungsindex“, der sich aus dem Quotient von Sprunghöhe
in Zentimetern und der Kontaktzeit in Millisekunden multipliziert mit 100 errechnet.
•
Maximal- und Explosivkraftdiagnostik: Die einbeinige Maximalkraft der Beinstreckschlinge wurde bei einer Maximum Voluntary Contraction (MVC) im geschlossenen System
der Beinpresse bei einem Kniewinkel von 90° (getrennt für rechtes und linkes Bein) gemessen.
(2) Startsprungdiagnostik in der Schwimmhalle
•
Qualitative phänomenologische Bewegungsanalyse: Bei den videografisch aufgezeichneten Startsprüngen wurde mit Hilfe eines qualitativen Beurteilungsbogens die technomotorische Ausführungsqualität der Startsprünge durch ein Expertenrating beurteilt.
•
Kinematische Bewegungsanalyse: Im Bereich der Kinematik wurden die komplexe 7,5m-Startzeit sowie die Block-, Flug- und Unterwasserzeit diagnostiziert. Dabei wurden die
Blockaktion (impulsion phase), die Flugphase (aerial phase) und die Eintauchbewegung
(transition phase) senkrecht zur Bewegungsebene mit einer 50 Hz DV-Kamera (Panasonic
7
NV-DS120 mit einer Shutter-Öffnungszeit von 1/500 s) aufgezeichnet. Die 7,5-m-Zeit wurde
mit einer zweiten Kamera (Sony VX-1000E mit einer Shutter-Öffnungszeit von gleichfalls
1/500 s) ermittelt. Die Positionen relativ zum Beckenrand lagen für Kamera 1 bei 0,5 m zum
seitlichen Beckenrand und 0,5 m zur Stirnseite, für Kamera 2 bei 2,0 m zum seitlichen Beckenrand und 7,5 m zur Stirnseite des Beckens. Die Objektivhöhen wurden für Kamera 1
und 2 bei 1,35 m oberhalb der Wasseroberfläche festgelegt. Zusätzlich wurde an jeder
Kamera eine Leuchtdiode so befestigt, dass diese in der späteren Kameraeinstellung zu
sehen war. Die Leuchtdioden waren mit dem akustischen Signal des Starts gekoppelt, um
bei der späteren Auswertung des Videomaterials den genauen Startzeitpunkt festlegen zu
können.
Als Kriterium für die Startzeit wurde die in der Leistungsdiagnostik des Deutschen
Schwimm-Verbandes übliche 7,5-m-Zeit (t7,5m) herangezogen. Sie ist definiert als der Zeitraum vom Ertönen des Startsignals bis zum Durchgang des Kopfes bei 7,5 m. Die Blockzeit
(tB) ist definiert als das Zeitintervall vom Ertönen des Startsignals bis zum Lösen der Füße
vom Block.2
Augrund der unterschiedlichen Bedingungen für die Antriebsgestaltung ist es für die vorliegende Untersuchung zweckmäßig den Startabschnitt in drei Zeitabschnitte zu unterteilen:
die Block-, die Flug- und die Unterwasserzeit.
•
Dynamografische Bewegungsanalyse: Die Bodenreaktionskräfte und Kraftstöße wurden
mit Hilfe des Messstartblocks des Deutschen Schwimm-Verbandes (in Zusammenarbeit mit
Prof. Armin Kibele, Universität Kassel) aufgezeichnet.
Der Messstartblock wurde in die Verankerung eines normalen Startblocks eingelassen und
mit speziellen Sicherungszwingen direkt am Beckenrand befestigt. Der Abstand zwischen
der äußeren Abmessung des Messstartblocks und dem seitlichen Beckenrand betrug 0,60
m. Die Höhe des Messstartblocks (Oberfläche: 0,50x0,50 m) betrug gegenüber der Bodenfläche an der vorderen Kante 0,65 m und an der hinteren 0,70 m. Der Startblock besitzt bei
senkrechter Montage einen Anstellwinkel der Standplattform von 5,5°. Die vier für die
Kraftanalyse verwendeten DMS-Sensoren (Typ: ALTHEN 2-Achsen-DMS 2kN F307-Z3065 mit Low-Pass Filter von 50 Hz) waren in einer Ebene (Breite x Tiefe: 0,37x0,41 m) parallel zur Bodenauflagefläche in einer Höhe von 0,51 m verankert. Die Signale der Kraftsensoren wurden über einen analog-digital Wandler (ADC-11 mit 12 Bit und einer Einzugsfrequenz von 1.000 Hz) in den Hauptspeicher eines Notebooks eingelesen und von dort einer speziellen Auswertesoftware zugeführt. Aus den aufgezeichneten dreidimensionalen
2
Ursprünglich war es geplant, neben der Blockzeit auch die Reaktionszeit zu erfassen. Jedoch war für die
Ermittlung der Reaktionszeit, die sich im Bereich von hundertstel Sekunden abspielt, die Aufnahmefrequenz der Videoanalyse mit 50 Hz deutlich zu gering. Eine nachträgliche Ermittlung der Reaktionszeiten
war daher nicht möglich.
8
Kraft-Zeit-Funktionen wurden die maximalen und minimalen Kraftwerte sowie die Kraftstöße im Verlauf des Absprungs ermittelt.
Aus den dynamischen Kennwerten wurden weiters die kinematischen Parameter Abfluggeschwindigkeit sowie der Abflugwinkel berechnet.
3.5 Datenverarbeitung
Die kinematischen Parameter Start- und Blockzeit wurden mit dem Computerprogramm Peak
Motus ausgewertet. Die am Messstartblock ermittelten dynamischen Messwerte wurden in einen
Personal Computer eingelesen. Mit Hilfe des Auswertprogramms DASYLab (Version 9.0) wurden
aus diesen Datensätzen die Kraft-Zeitkurven berechnet, die anschließend direkt am Bildschirm
ausgewertet werden konnten. Alle dynamischen und kinematischen Parameter wurden in ExcelTabellen eingelesen und anschließend mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 14.0) ausgewertet.
4 Untersuchungsergebnisse
4.1 Kritische Differenzen
Im Rahmen der vorliegenden Studie macht es primär für die Gruppe der Männer Sinn, beim PräPosten-Vergleich der leistungsdiagnostischen Istwerte kritische Differenzen (dKrit; vgl. hierzu Letzelter & Letzelter, 1982) als Grundlage der Trainingswirkungsanalyse zu berechnen, da in die Berechnung dieser Mindestwerte für den Nachweis einer intraindividuell bedeutsamen Leistungsveränderung die jeweiligen Standardabweichungen der gruppenspezifischen mittleren Merkmalsausprägungen in die Berechnung eingehen. Deshalb wurden in einem zweiten, alternativen Rechengang die Daten der beiden weiblichen Sportlerinnen ausgeklammert, um das Ausmaß der Verzerrung der kritischen Differenzen beurteilen zu können.
Die Berechung der kritischen Differenzen für die Kenngrößen der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraftdiagnostik führte bei den gewählten Irrtumswahrscheinlichkeiten von 5 % (p ≤ 0,05) bzw. 1 %
(p ≤ 0,01) und unter gemeinsamer Berücksichtigung sowohl der fünf Männer als auch der zwei
Frauen (n = 7) zu den in Tabelle 3 dokumentierten Angaben für die geforderten „Mindestfortschritte“.
9
Tab. 3:
Kritische Differenzen der Kenngrößen der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraftdiagnostik (n = 7)
M ± SD (ET)
Kritische Differenz
(p < 0,05)
Kritische Differenz
(p < 0,01)
t7.5m [s]
2,65 ± 0,24
0,06
0,08
SJ [cm]
36,0 + 6,4
1,9
2,5
CMJ [cm]
38,3 + 6,5
1,1
1,5
DJ24 [LI-Pkt.]
153,1 + 28,0
14,0
18,4
DJ32 [LI-Pkt.]
158,3 + 30,5
15,7
20,6
DJ40 [LI-Pkt.]
161,7 + 34,6
16,7
22,0
FMaxlinks [N]
2.014,1 + 288,0
111,7
147,0
2.061,1 + 336,4
105,7
139,1
FExpllinks [Nyms ]
12,56 + 1,60
1,33
1,75
FExplrechts [Nyms-1]
12,56 + 1,50
0,70
0,92
Parameter
FMaxrechts [N]
-1
Berücksichtigt man alleine die homogenere Subgruppe der 5 männlichen Athleten, dann ergeben
sich in Bezug auf die komplexe Startsprungleistung und die kinematografisch ermittelten Kenngrößen die in Tabelle 4(a) dargestellten geringeren Kritischen Differenzen. Werden diese Richtwerte
für systematische Trainingsgewinne alternativ aus den dynamografischen Untersuchungsdaten
abgeleitet, so ergeben sich in Tabelle 4(b) messtechnisch bedingte geringfügige Abweichungen.
Tab. 4:
Kritische Differenzen (für die Gruppe der Männer; n = 5) der (a) kinematischen und (b) dynamischen Parameter der Startsprungleistung
(a) Kinematografisch diagnostizierte Kritische Differenzen
M ± SD (ET)
Parameter
t7,5m [s]
Kritische Differenz
(p < 0,05)
Kritische Differenz
(p < 0,01)
2,52 ± 0,09
0,05
0,06
VKSP Abflug [mys ]
4,56 ± 0,18
0,58
0,76
VKSP Eintauchen [mys-1]
5,30 ± 0,30
0,52
0,68
-1
(b) Dynamografisch diagnostizierte Kritische Differenzen
Parameter
Kritische Differenz
(p < 0,05)
Kritische Differenz
(p < 0,01)
Fxmax [N]
59,28
78,04
Frmax [N]
93,84
123,52
px [Ns]
6,45
8,49
pr [Ns]
9,08
11,95
vx [m/s]
0,16
0,22
vr [m/s]
0,21
0,28
Bei denen in den Tabellen 3 und 4 und ermittelten kritischen Differenzen für die 7,5-m-Startzeit
muss bedacht werden, dass die 7,5-m-Zeiten in der Untersuchung mit Hilfe der Videoanalyse mit
10
nur zwei Hundertstel Sekunden Auflösung bestimmt werden konnten. Deshalb wurden in der folgenden Betrachtung die in Tabelle 3 angegebenen konservativeren kritischen Differenzen für die
7,5-m-Zeit übernommen, sodass erst eine Veränderung von 0,06 s (p ≤ 0,05) als hinreichend und
erst eine Verbesserung um 0,08 s (p ≤ 0,01) als hoch signifikant gelten.
4.2 Zur individuellen Trainingswirkungsanalyse der Intervention „Startsprungoptimierung“
In die individuelle Betrachtung der Wirkung der Trainingsintervention werden alle sieben Mitglieder
der Trainingsgruppe am Olympiastützpunkt Frankfurt am Main einbezogen. Leider konnten nur drei
Sportler alle drei Testtermine (Prä-, Post- und Retentionstest) absolvieren, weshalb nur bei diesen
die Leistungsveränderungen zwischen Eingangs-, Ausgangstest und Retentionstest durchgängig
verglichen werden konnten. Bei den weiteren vier Probanden musste man sich mit der Analyse der
Leistungsveränderung zwischen Eingangs- und Ausgangstest begnügen, was in Bezug auf den
Nachweis der unmittelbaren Wirksamkeit des Trainings jedoch als ausreichend anzusehen ist.
Aus Platzgründen und aufgrund des exemplarischen Charakters werden im Folgenden die Untersuchungsergebnisse der beiden leistungsstärksten Sportler MC und MF in getrennten Abschnitten
dargestellt.
(1) Trainingswirkungsanalyse bei Schwimmer MC
Bei der Analyse der Leistungsentwicklung des Schwimmers MC im Bereich der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraft ergab sich zunächst, dass sich zwischen Eingangs- (T1) und Ausgangstest
(T2) in den drei getesteten Sprungformen keine statistisch bedeutsamen Verbesserungen eingestellt haben. Einzig im Drop Jump aus der Fallhöhe von 32 cm ergab sich eine überzufällige Verbesserung von 72 Punkten beim Leistungsindex (LI; p < 0,01), d.h. von etwa 60 %. Aufgrund des
niedrigen Eingangswertes von xi T1 = 119 LI-Pkt. ist dieser Anstieg allerdings eher reserviert zu betrachten. Wenn man die Leistungsindizes beim DJ24 (xi
T1
= 172 LI-Pkt.) und DJ40 (xi
T1
= 204 LI-
Pkt.) vergleichend heranzieht, so kann vielmehr vermutet werden, dass MC aus der Höhe von
32 cm beim Eingangstest wenig qualitätsvolle Versuche absolvierte.
Erweitert man die Perspektive auf die Leistungsentwicklung vom Eingangstest (T1) bis hin zum Retentionstest (T3), dann ergeben sich nun auch systematische Verbesserungen beim Counter Movement Jump von Δxi = 1,9 cm (+3,8 %; p < 0,01). Die Leistungssteigerung im DJ32 mit Δxi = 53 LIPkt. (+44,6 %; p < 0,01), die wie bereits erwähnt mit Vorsicht zu betrachten ist, steht im Widerspruch zur Leistungsabnahme beim DJ40 in Höhe von Δxi = -42 LI-Pkt. (-20,6 %: p < 0,01).
11
Tab. 5:
Individuelle Leistungsveränderung bei der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraft bei Schwimmer
MC zwischen Eingangs- und Ausgangstest sowie zwischen Eingangs- und Retentionstest (* und
** markieren signifikante Leistungsveränderungen bei p < 0,05 bzw. p < 0,01).
Bei der Maximalkraft der Beine fällt eine extreme Leistungssteigerung zwischen Eingangs- (T1)
und Ausgangstest (T2) auf. Die absoluten Trainingsgewinne von Δxi = 520 N im linken und
Δxi = 1.185 N im rechten Bein entsprechen einer prozentualen Steigerung von 28,9 % bzw. 68,7 %
und erscheinen durchaus eindrucksvoll. Etwas weniger imposant stieg die Explosivkraft an, bei der
ebenfalls (zumindest beim rechten Bein) systematisch positive Tendenzen erkennbar sind. Erweitert man die Perspektive auf die Leistungsentwicklung vom Eingangstest (T1) bis hin zum Retentionstest (T3; Abb. 2), dann fallen die an der Beinpresse diagnostizierten Maximalkraftwerte nach
Abschluss der krafttrainingsbezogenen Interventionsphase erwartungsgemäß wieder etwas ab.
Wesentlich deutlicher tritt der Abfall bei der Explosivkraft ein, wo es in beiden Beinen zu erheblichen Leistungsrückgängen von Δxi = 2,0 Nyms (links) bzw. Δxi = 2,5 Nyms (rechts) kommt, was
etwa -14,0 % bzw. -16,3 % entspricht.3
3 Allerdings berichtete Schwimmer MC speziell beim Explosivkrafttest von erheblichen Motivationsproblemen bei der Bewältigung der hochintensiven Testanforderungen, da der Test im zeitlichen Umfeld der
WM-Qualifikation stattfand und nach seiner subjektiven Wahrnehmung mit einem hohen Verletzungsrisiko
verbunden gewesen sei.
12
Abb. 2:
Individuelle Leistungsveränderungen in den Maximal-, Explosiv- und Sprungkraftparametern bei
Schwimmer MC zwischen Eingangs-, Ausgangs- und Retentionstest (* und ** markieren signifikante Leistungsveränderungen bei p < 0,05 bzw. p < 0,01).
Bei Sportler MC war es insgesamt schwierig zu beurteilen, ob die teilweise gravierenden Leistungsveränderungen tatsächlich alleine auf das Training zurückzuführen waren oder speziell beim
abschließenden Retentionstest (T3) auch psychologische Einflüsse eine Rolle spielten. Zumindest
für die intensive Krafttrainingsphase der Trainingsintervention dürften die Diagnosewerte jedoch
authentisch sein.
Schwimmer MC konnte am Ende der intensiven Krafttrainingsphase nicht am Ausgangstest teilnehmen, sodass hier lediglich die Leistungsentwicklung vom Eingangs- (T1) zum Retentionstest
(T3) analysiert werden kann. Festzuhalten bleibt, dass Schwimmer MC seine komplexe Startzeit
über 7,5 m vom Eingangs- zum Retentionstest um Δxi = 0,08 s (p ≤ 0,01) überzufällig verbessern
13
konnte. Diese Steigerung um +3,5 % dürfte eng mit der Verkürzung der Unterwasserzeit verbunden sein, die beim Retentionstest hochsignifikant um Δxi = 0,32 s verringert wurde.
Trotz dieser Verbesserung der Startzeit hat sich MC bei den kinematischen und dynamischen
Einzelparametern – mit Ausnahme des horizontalen Kraftmaximums (Fxmax) – verschlechtert.
Wie Tabelle 6 ausweist, war die Leistungsentwicklung bei der horizontalen (vx) und resultierenden
Abfluggeschwindigkeit (vr) sowie bei dem horizontalen (∆px) und resultierenden Kraftstoß (∆pr) systematisch reduziert (p ≤ 0,01). Vor diesem Hintergrund dürfte die Startzeitverbesserung vor allem
auf eine bessere Antriebsgestaltung und höhere Gleitgeschwindigkeit in der Unterwasserphase zurückzuführen sein.
Tab. 6:
Absolute Leistungsveränderungen bei Schwimmer MC (dind) in den relevanten dynamischen und
kinematischen Parametern der Startsprungleistung zwischen Eingangs- und Ausgangstest (ETAT) (dind1) sowie zwischen Eingangs- und Retentionstest (ET-RT) (dind2). (* und ** markieren signifikante Differenzen auf dem Niveau von p ≤ 0,05 bzw. p ≤ 0,01).
Parameter [Dim.]
ET-AT
ET-RT
t7.5m [s]
n.a.
-0,08**
tU [s]
n.a.
-0,32**
Fxmax [N]
n.a.
+11,58
Frmax [N]
n.a.
-11,43
∆px [Ns]
n.a.
-32,00**
∆pr [Ns]
n.a
-27,80**
vx [mys-1]
n.a
-0,53**
Vr [mys-1]
n.a.
-0,48**
VKSPAbflug [mys-1]
n.a.
-0,56
VKSPEintauchen [mys-1]
n.a.
-0,40
Abbildung 3 dient der Veranschaulichung der Leistungsentwicklung des Schwimmers MC bei der
komplexen Startsprungleistung.
14
Testergebnis: Fxmax (M.DiC.)
2,50
1300,000
2,45
1250,000
Fxmax [N]
t7,5m [s]
Testergebnis: 7,5m-Zeit (M.DiC.)
2,40
2,35
2,30
t7,5m
ET
RT
2,46
2,38
1200,000
1150,000
1100,000
Fxmax
1600,00
420,00
1550,00
400,00
1500,00
1450,00
1400,00
Frmax
380,00
360,00
ET
RT
1546,78
1535,35
340,00
px
Testergebnis: pr (M.DiC.)
vx [m/s]
pr [Ns]
400,00
380,00
360,00
pr
ET
RT
384,24
352,24
Testergebnis: vx (M.DiC.)
420,00
340,00
RT
1217,171
Testergebnis: px (M.DiC.)
px [Ns]
Frmax [N]
Testergebnis: Frmax (M.DiC.)
ET
1205,989
ET
RT
388,38
360,58
5,00
4,90
4,80
4,70
4,60
4,50
4,40
vx
ET
RT
5,00
4,47
Testergebnis: vr (M.DiC.)
5,10
vr [m/s]
5,00
4,90
4,80
4,70
4,60
4,50
vr
Abb. 3:
ET
RT
5,05
4,57
Individuelle Leistungsveränderung in den relevanten dynamischen und kinematischen Parametern
der komplexen Startsprungleistung bei Schwimmer MC zwischen Eingangs- (ET) und Retentionstest (RT).
Trotz der eingeschränkten Trainingsbeteiligung konnte Schwimmer MC im Zeitraum vom Eingangs- zum Retentionstest seine 7,5-m-Startzeit um Δxi = 0,08 s auf t7,5 = 2,38 s verbessern. Dieser Wert stellte innerhalb der Probandengruppe die deutlich schnellste Startzeit dar. Vergleicht
man diese Zeit mit den in der Literatur gefundenen Spitzenwerten für internationale Spitzenschwimmer, so lässt sich bilanzieren, dass sich Sportler MC durchaus in diesem Bereich bewegte.
15
Dabei unterstreichen die Ergebnisse der qualitativen Bewegungsanalyse, derzufolge Sportler MC
im Retentionstest mit xi = 30 Punkten ein nahezu perfekter Sprung gelang, das hohe Leistungsvermögen des Sportlers. Die Ergebnisse belegen, dass Leistungssteigerungen durchaus auch auf
diesem hohen Niveau noch zu erreichen sind.
Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Leistungssteigerung bei der komplexen 7,5-m-Startzeit4 trotz
der vergleichsweise reduzierten Trainingsbeteiligung nicht alleine auf die schnellere Unterwasserphase, sondern auch auf das Sprungkrafttraining zurückzuführen sind, liefert der Vergleich der
Startzeiten des Sportlers bei nationalen Meisterschaften. So waren die Startzeiten von MC beim
100-m-Rückenschwimmen vorher noch nie so gut wie bei der WM-Qualifikation anlässlich der
Deutschen Wintermeisterschaften 2006, die zeitlich direkt im Anschluss an das Sprungkrafttraining
stattfanden (vgl. Tab. 7). Aus diesem Grund darf unterstellt werden, dass durch das startsprungbezogene Training durchaus auch Transferleistungen auf den Rückenstart erreicht wurden und das
durchgeführte Sprungkrafttraining auch für Rückenschwimmer leistungsförderlich zu sein scheint.
Tab. 7:
Leistungsentwicklung der 7,5 m - Zeit über 100 m Rücken bei Sportler 2 (MC) (DM = deutsche
Meisterschaften; DWM = deutsche Wintermeisterschaften).
DM 2003
DM 2004
DM 2005
DWM 2006
2,84 s
2,95 s
2,90 s
2,70 s
(2) Trainingswirkungsanalyse bei Schwimmerin MF
Schwimmerin MF konnte lediglich am Eingangs- (T1)und Ausgangstest (T2) teilnehmen, sodass die
Veränderungen der bei der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraft auch nur für diesen kraftbetonten ersten Interventionsteil berichtet werden können. Bei MF haben sich bei den drei verschiedenen Sprungformen (SJ, CMJ, DJ24, DJ32, DJ40) eine Reihe von positiven Veränderungen ergeben.
Diese können dann als leistungssystematisch eingestuft werden, wenn man bei der Fortschrittsbewertung die bei der Subgruppe der Männer berechneten kritischen Differenzen heranzieht. In
diesem Fall überstiegen die Trainingsgewinne beim Squat Jump und beim Counter Movement
Jump die auf dem 5%-Niveau der Irrtumswahrscheinlichkeit ermittelten kritischen Differenzen mit
Δxi = 1,5 cm (+4,5 %; p < 0,05) bzw. Δxi = 0,9 cm (+2,6 %; p < 0,05). Darüber hinaus zeigte sich
auch beim DJ40 mit einem Zuwachs von Δxi = 30 Punkten beim Leistungsindex (LI) (+21,9 %;
p < 0,01) ein statistisch hoch bedeutsamer Anstieg der reaktiven Sprungkraft.
4
Leider kann für Sportler MC keine Interpretation der dynamischen Parameter der Startsprungleistung vorgenommen werden, da der Sportler am Ausgangstest nicht teilnehmen konnte und somit nur die dynamischen Testergebnisse des Retentionstests vorliegen.
16
Bei der Maximalkraft ist der Kraftzuwachs beim linken Bein von Δxi = 120 N (7,3 %; p < 0,05) statistisch gut und jener beim rechten Bein von Δxi = 167 N (+10,2 %; p < 0,01) ebenfalls sehr gut gesichert. Die bei MF diagnostizierten Werte machen allerdings auch deutlich, dass die Sportlerin ihre Zugewinne in der Maximalkraft nicht unmittelbar auf die Explosivkraft übertragen konnte. Der
Leistungssteigerung in der Maximalkraft des linken Beines stand bei der Explosivkraft nämlich ein
signifikanter Leistungsrückgang von Δxi = -1,3 Nyms-1 (-12,6 %; p < 0,05) entgegen. Parallelen
sind bei der Explosivkraft auch des rechten Beines zu erkennen, wo allerdings die Veränderungen
im Zufallsbereich verblieben.
Tab. 8:
Individuelle Leistungsveränderungen (dind) bei der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraft der
Schwimmerin MF zwischen Eingangs- und Ausgangstest (* und ** markieren signifikante Leistungsveränderungen bei p < 0,05 bzw. p < 0,01).
In Abbildung 4 sind die für Schwimmerin MF beschriebenen individuellen Leistungsveränderungen
der Maximal-, Explosiv und Sprungkraftparameter grafisch zusammengefasst.
17
Abb. 4:
Individuelle Leistungsveränderungen bei der Maximal-, Explosiv- und Sprungkraft der Schwimmerin MF zwischen Eingangs- und Ausgangstest (* und ** markieren signifikante Leistungsveränderungen bei p < 0,05 bzw. p < 0,01).
Bei der komplexen Startleistung der weiblichen Topathletin MF fällt zuvorderst die erhebliche
Verbesserung der 7,5-m-Startzeit vom Eingangs- zum Ausgangstest um Δxi = 0,14 s (+4,7 %) ins
Auge. Auch wenn dieser im Verlauf der krafttrainingsintensiven Interventionsphase erarbeitete
Zeitgewinn im Retentionstest nicht ganz gehalten werden konnte, so zeigt sich auch bei der finalen
Abschlussdiagnostik drei Tage nach der erfolgreichen Qualifikation für die Schwimmweltmeisterschaften 2007 in Melbourne eine nach wie vor bedeutsame Verbesserung der komplexen Startleistung auf xi = 2,92 s, was im Vergleich zum initialen Eingangstest eine Leistungssteigerung um
2,7 % bedeutet.
18
Irritierend verlief bei MF die Entwicklung bei den horizontalen und resultierenden Kraftmaxima, wo
sich die Athletin stark verschlechtert hat. Insbesondere beim resultierenden Kraftmaximum weist
der Wert im Ausgangstest (T2) einen um Δxi = 229,8 N (-17,3 %) und im Retentionstest (T3) sogar
einen um Δxi = 333,1 N (-25,1 %) geringeren Wert auf. Betrachtet man den gesamten Interventionszeitraum vom Eingangs- (T1) bis hin zum Retentionstest (T3), so zeigt sich auch eine Abnahme
des horizontalen Kraftstoßes (∆px). Die Änderung beträgt hier Δxi = 12,9 Ns (-4,2 %) und dürfte für
die ebenfalls systematisch geringere Eintauchgeschwindigkeit des KSP (p < 0,01) mitverantwortlich sein
Zusammengefasst verhalten sich die dynamischen Testergebnisse bei Schwimmerin MF im Wesentlichen unsystematisch zur komplexen 7,5-m-Startzeit, denn trotz der beim Ausgangs- und Retentionstest verringerten Kraftparameter des Startsprungs verbesserten sich die Startzeiten dennoch über die beiden Testtermine hinwegdeutlich. Insofern könnten durchaus auch technischkoordinative Einflussfaktoren der Bewegungsausführung bei der Verbesserung des Schwimmstarts
eine Rolle gespielt haben.
Tab. 9:
Individuelle Leistungsveränderungen (dind) bei Schwimmerin MF in den relevanten dynamischen
und kinematischen Parametern der Startsprungleistung zwischen Eingangs- und Ausgangstest
(ET-AT) sowie zwischen Eingangs- und Retentionstest (ET-RT).
Parameter
ET-AT
ET-RT
t7.5m [s]
-0,14
-0,08
Fxmax [N]
-121,6
-109,7
Frmax [N]
-229,8
-333,1
∆px [Ns]
-2,6
-12,9
∆pr [Ns]
+0,4
-2,3
vx [mys-1]
-0,07
-0,10
vr [mys-1]
-0,03
+0,05
VKSPAbflug [mys-1]
-0,05
-0,10
VKSPEintauchen [mys-1]
-0,24
-0,91**
Abbildung 5 dient der Veranschaulichung der Leistungsentwicklung der Schwimmerin MF bei der
komplexen Startsprungleistung sowie den kinematischen und dynamischen Kenngrößen.
19
Testergebnis: Fxmax (M.F.)
3,04
750,000
2,99
700,000
Fxmax [N]
t7,5m [s]
Testergebnis: 7,5m-Zeit (M.F.)
2,94
2,89
2,84
t7,5m
ET
AT
RT
3,00
2,86
2,92
650,000
600,000
550,000
Fxmax
1350,00
1300,00
1250,00
1200,00
1150,00
1100,00
1050,00
1000,00
950,00
Frmax
320,00
300,00
280,00
ET
AT
RT
1326,91
1097,09
993,79
260,00
px
vx [m/s]
320,00
pr [Ns]
ET
AT
RT
304,83
302,19
291,94
Testergebnis: vx (M.F.)
340,00
300,00
280,00
pr
RT
608,762
340,00
Testergebnis: pr (M.F.)
260,00
AT
596,787
Testergebnis: px (M.F.)
px [Ns]
Frmax [N]
Testergebnis: Frmax (M.F.)
ET
718,411
ET
AT
RT
305,95
306,33
303,63
4,35
4,30
4,25
4,20
4,15
4,10
4,05
4,00
vx
ET
AT
RT
4,18
4,11
4,08
vr [m/s]
Testergebnis: vr (M.F.)
4,35
4,30
4,25
4,20
4,15
4,10
4,05
4,00
vr
Abb. 5:
ET
AT
RT
4,19
4,16
4,24
Individuelle Leistungsveränderungen in den relevanten dynamischen und kinematischen Parametern der Startsprungleistung von Schwimmerin MF zwischen Eingangs- (ET), Ausgangs- (AT) und
Retentionstest (RT).
Bei Schwimmerin MF zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Startzeiten. So konnte die spätere Weltmeisterschaftsteilnehmerin 2007 und Olympiateilnehmerin 2008 als einzige Athletin innerhalb der Probandengruppe ihre 7,5-m-Startzeit bereits am Ende der krafttrainingsintensiven
Interventionsphase, also im Ausgangstest (T2) verbessern, wo sie eine um Δxi = 0,14 s (+4,6 %)
20
schnellere Startzeit als im Eingangstest (T1) erzielte. Zwar konnte dieses Niveau im Retentionstest
(T3) nicht gehalten werden, dennoch wies die Startzeit im Retentionstest einen noch immerhin um
Δxi = 0,08 s (+2,7 %) besseren Wert auf als im Eingangstest (T1). Bei der Beurteilung der 7,5-mStartzeit im Retentionstest (T3) muss berücksichtigt werden, dass MF nur zwei Tage nach der für
sie äußerst erfolgreich verlaufenen Deutschen Wintermeisterschaft 2006 (mit der erfolgreichen
Qualifikation für die WM 2007) mit erheblichen Motivationsschwierigkeiten zu kämpfen hatte und
zudem über eine Erkältung klagte. Deshalb erscheint die bei den Deutschen Wintermeisterschaften 2006 gemessene „offizielle“ Wettkampf-Startzeit von 2,82 s für den seinerzeitigen Leistungszustand der Athletin aussagekräftiger zu sein. Ersetzt man die 7,5-m-Startzeit des Retentionstests
durch diesen Wettkampfwert, dann wird die positive Entwicklung der Startleistung überaus deutlich. Dabei konnte die Athletin im Vergleich zu den Deutschen Meisterschaften der Vorjahre ihre
persönlich schnellste Startzeit erzielen (vgl. Tab. 10). Die deutlichen Leistungssteigerungen beim
Schwimmstart spiegeln sich auch in der Beurteilung der qualitativen Bewegungsausführung von
Schwimmerin MF wider. Hier konnte sich die Athletin vom Eingangs- zum Ausgangstest um immerhin xi = 7 Bewertungspunkte steigern, was innerhalb der Probandengruppe die größte Verbesserung darstellte.
Tab. 10:
Leistungsentwicklung der 7,5-m-Startzeit über 50-m-Freistil bei Sportlerin MF (DM = Deutsche
Meisterschaften; DWM = Deutsche Wintermeisterschaften).
DM 2000
DM 2005
DM 2006
DWM 2006
2,84 s
2,98 s
2,92 s
2,82 s
Bei Betrachtung der dynamischen Parameter der Startsprungleistung fallen besonders die erheblichen Leistungseinbrüche im Bereich des horizontalen und vertikalen Kraftmaximums auf. In beiden
Parametern waren Leistungseinbußen von 17 % zu verzeichnen. Auf welche Weise es die Athletin
trotz der deutlich geringeren Bodenreaktionskräfte schaffte, ihre 7,5-m-Startzeit zu verbessern,
kann aus den hier gewonnenen Daten nicht eindeutig erschlossen werden, da die anderen Parameter weitgehend konstant blieben. Insgesamt verhalten sich die Daten der dynamischen Untersuchung unsystematisch zur Startzeit über 7,5 m. Es kann an dieser Stelle nur vermutet werden,
dass die bessere Startzeit durch andere, hier nicht analysierte Merkmale der Startsprungbewegung erzielt wurden. So ist es durchaus denkbar, dass die Zeitgewinne durch eine hydrodynamisch günstigere Eintauchhaltung (hierzu ausführlich am Beispiel Rückenschwimmen: Krüger,
Hohmann, Kieser & Wick, 2006, sowie Hohmann, Fehr, Kirsten & Krüger, 2008) oder auch durch
eine effizientere Antriebsgestaltung in der Unterwasserphase erzielt wurden.
21
4.3 Zur Trainingswirkung auf die koordinativ-technische Startsprungqualität
Die Beurteilung der qualitativen Bewegungsausführung der Startsprünge beim Eingangs-, Ausgangs- und Retentionstest ergab für die sieben Untersuchungsteilnehmer die in Tabelle 11 dokumentierten Beobachtungsergebnisse.
Tab. 11:
Die Ergebnisse der qualitativen Bewegungsbeurteilung des jeweils besten Startsprungs aller 7
Schwimmerinnen und Schwimmer im Eingangstest (ET), Ausgangstest (AT) und Retentionstest
(RT).
ET
[Punkte]
AT
[Punkte]
RT
[Punkte]
MS
23
22
23
MC
27
VB
26
LW
24
BF
21
25
MF
20
22
27
21
21
Sportler/-in
TH
30
24
26
24
M
23.5
22.8
25.2
SD
2.7
1.6
3.2
Die Beobachtereinschätzung der koordinativ-technischen Ausführungsqualität der Startsprünge lag
beim Eingangstest (T1) mit einer Spanne von xmin = 20 Punkten und xmax = 27 Punkten relativ hoch,
was in Anbetracht des erreichbaren Maximalwertes von 30 Punkten die ausgezeichnete Qualität
der Probandengruppe unterstreicht. Auch wenn es in der Gesamtgruppe im Verlauf des krafttrainingsintensiven ersten Interventionsteils zunächst zu einer „moderaten“ Technikbeeinträchtigung
(Cohens d = -0,63; Cohen, 1969) kam, so waren dennoch erste Qualitätssteigerungen der Startsprungtechnik zumindest bei zwei einzelnen Sportlern bereits im Ausgangstest (T2) festzustellen.
Die Ergebnisse des Retentionstests (T3) lieferten Punktwerte zwischen xmin = 21 Punkten und
xmax = 30 Punkten. Erfreulich ist, dass bei allen Sportlern die qualitative Ausführung des Startsprungs gesteigert oder zumindest konstant gehalten wurde.
5 Diskussion und Ausblick
Zusammenfassend unterstreichen die in dem Betreuungsprojekt erzielten mittelfristigen Erfolge in
den Startzeiten der Athleten die einzelfallbezogene Wirksamkeit der durchgeführten vierwöchigen
Trainingsintervention im Rahmen der Unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV) auf den Qualifikationswettkampf zur Schwimmweltmeisterschaft 2007 in Melbourne. Dabei zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass die gewählte Form eines kombinierten Maximalkraft-, Sprungkraft- und
Techniktrainings nicht nur für die ohnehin schnellkräftigeren Sprinter Erfolg verspricht, sondern
auch für Mittel- und Langstreckenspezialisten aller weiteren Schwimmarten wertvoll sein kann.
22
Dass die Verbesserungen in den Startzeiten ursächlich und ausschließlich auf Veränderungen der
dynamischen Parameter der Startsprungleistung zurückzuführen sind, lässt sich aufgrund des integrierten Techniktrainings und der bei der Leistungsdiagnostik nicht gesondert kontrollierten Eintauch-, Gleit- und Übergangsphase nicht eindeutig und zweifelsfrei behaupten. Dennoch unterstreichen die mit Hilfe der Trainingsintervention erzielten Ergebnisse die Notwendigkeit und Effektivität eines etappenweisen, wenn nicht gar ganzjährigen komplexen Start- und Sprungkrafttrainings bei Hochleistungsschwimmerinnen und -schwimmern.
Als für die Startleistung bedeutsam wurden die Parameter horizontales und resultierendes Kraftmaximum, horizontaler und resultierender Kraftstoß, horizontale und resultierende Abfluggeschwindigkeit eingeschätzt. Dieses Fazit deckt sich weitgehend mit den Befunden früherer Untersuchungen zum Schwimmstart mit der Grab- und Trackstarttechnik (Krüger, Wick, Hohmann,
Bahrawi & Koth, 2003; Miller et al., 2003; Vilas-Boas et al., 2003, und Wick, Krüger & Hohmann,
2003). Demzufolge sollte der Schwimmer möglichst flach vom Block abspringen, da eine Maximierung der horizontalen Komponenten von Kraft, Abfluggeschwindigkeit und Kraftstoß einhergeht mit
der Reduktion der vertikalen Komponente in demselben Merkmal und sich dadurch der Kraftwirkungswinkel und somit auch der Absprungwinkel verkleinert. Der optimale Absprungwinkel dürfte
somit im Bereich der von Holthe und McLean (2001) sowie Miller et al. (2003) geforderten -5 bis 10
Grad liegen. Ein statistischer Zusammenhang dahingehend, dass ein flacherer Absprungwinkel in
der Folge auch zu einer schnelleren Startzeiten führte, konnte in dieser Untersuchung allerdings
nicht nachgewiesen werden. Weiterhin konnte auch ein positiver Zusammenhang zwischen Startzeit und Blockzeit nicht belegt werden.
In Bezug auf die Fragestellung 1 belegen die Untersuchungsergebnisse, dass ein kombiniertes
startsprungspezifisches Maximalkraft-, Explosivkraft- und Schnelligkeitstraining zu einer Verbesserung der leistungsrelevanten Kraftparameter führen.
Erstaunlich ist jedoch, dass in den vorliegenden beiden Einzelfallanalysen ein höherer maximaler
horizontaler Kraftwert nicht automatisch mit einem größeren horizontalen Impuls einherging, was in
der schwierigen koordinativen Umsetzung begründet liegen könnte, da Anschwung- und Absprungphase koordinativ so gestalten werden müssen, dass die am Startblock erzeugten Bodenreaktionskräfte über einen möglichst langen Zeitraum wirken.
Die Fragestellungen 2 und 3, ob das kombiniert durchgeführte Maximalkraft-, Sprungkraft- und
Techniktraining zu Verbesserungen in den relevanten dynamischen und kinematischen Parametern führt, kann auf der Basis der beiden vorgestellten Einzelanalysen ebenfalls nicht völlig eindeutig bestätigt, sondern lediglich im Hinblick auf das horizontale und resultierende Kraftmaximum und
die Ausführungsqualität der Startsprungtechnik gestützt werden. Überraschend war, dass die beiden Athleten die in der Krafttrainingsphase erzielten Kraftzugewinne nicht uneingeschränkt auch in
ein höheres Niveau der am Messstartblock wirkenden Kraftmaxima, Kraftstöße oder auch Abflug-
23
geschwindigkeiten umsetzen konnten. So verhielten deren gesteigerte Kraftwerte am Startblock intraindividuell nicht durchgängig systematisch zu den verbesserten Startzeiten über 7,5 m.
Ungeachtet dessen kann die Fragestellung 4, ob das durchgeführte Sprungkrafttraining zu einer
Verbesserung der Startzeiten über die 7,5-m-Distanz geführt hat, zumindest unter zeitlich mittelfristigem Aspekt, positiv beantwortet werden.
Zusammenfassend kann für die Gesamtgruppe geschlussfolgert werden, dass die Schwimmerinnen und Schwimmer aufgrund des durchgeführten Maximalkraft-, Sprungkraft- und Techniktrainings die am Block gemessenen Bodenreaktionskräfte und auch die komplexen 7,5-m-Startzeiten
sowohl unter Labor- als auch (zumindest in den beiden vorgestellten Einzelfällen) unter Wettkampfbedingungen steigern konnten. Zugleich konnte aber die Mehrzahl der Teilnehmer die nachgewiesenen Kraftzugewinne aufgrund mangelnder koordinativer Umsetzung – zumindest im Rahmen der Projektlaufzeit – (noch) nicht in höhere Abfluggeschwindigkeiten umsetzen.
Ein weiterer Gesichtspunkt, den es bei der Diskussion der Untersuchungsergebnisse zu berücksichtigen gilt, ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die 7,5-m-Startzeit aus Block-, Flug- und
Unterwasserphase zusammensetzt. Insbesondere der Gestaltung der Unterwasserphase wird
nach der vorherrschenden Literaturmeinung (vgl. hierzu Elipot et al., 2009; Bonnar, 2001; Cossor
& Mason, 2001; Shin & Groppel, 1986; Guimaraes & Hay, 1985) ein erheblicher Einfluss auf die
Startleistung zugeschrieben. Zwar wurde im vorliegenden Projekt versucht, mit der Begrenzung
des Startabschnittes auf eine Länge von 7,5 m den Einfluss der Unterwasserphase auf die Gesamtstartzeit möglichst gering zu halten, aber es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden,
dass die im Einzelfall eingetretenen Leistungssteigerungen beim abschließenden Retentionstest
beispielsweise auch durch eine positiv veränderte Körperhaltung beim Eintauchen oder durch eine
verbesserte Antriebsleistung in der Gleit- und Übergangsphase bedingt waren.
Literaturverzeichnis
Beckmann, R. (2005). Olympische Spiele 2004 aus Sicht des deutschen Schwimmverbandes.
Leistungssport 35 (1), 51-52.
Bonnar, S. (2001). An analysis of selected temporal, anthropometric, and kinematic factors affecting the velocity of the grab and track starts in swimming (Honor Thesis). Edinburgh: University of Edinburgh.
Cohen, J. (1969). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences. San Diego, CA: Academic Press.
Cossor, J.M. & Mason, B.R. (2001). Swim start performances at the Sydney 2000 Olympic Games.
In J.R. Blackwell & R.H. Sanders (Eds.), Proceedings of XIX Symposium on Biomechanics
in Sports (pp. 70-74). San Francisco: University of California at San Francisco, Exercise
and Sport Sience Department.
Elipot, M., Hellard, P., Taiar, R., Boissière, E., Rey, J.L., Lecat, S. & Houel, N. (2009). Analysis of
swimmers` velocity during the underwater gliding motion following grab start. Journal of
Biomechanics (2009), doi:10.1016/j.jbiomech.2009.03.032
Guimaraes, A. & Hay, J. (1985). A Mechanical Analysis of the Grabstart Technique in Swimming.
International Journal of Sports Biomechanics, 1 (1), 32-36.
24
Hohmann, A. (1994). Grundlagen der Trainingssteuerung im Sportspiel. Hamburg: Czwalina.
Hohmann, A., Fehr, U., Kirsten, R. & Krüger, T. (2008). Biomechanical Analysis of the Backstroke
Start Technique in Swimming. E-Journal Bewegung & Training, 2, 28-33.
Holthe, M.J. & McLean, S.P. (2001). Kinematic comparison of grab and track starts in swimming. In
J.R. Blackwell & R.H. Sanders (eds.), Proceedings of Swim Sessions. XIX International
Symposium on Biomechanics in Sports (pp. 31-34). University of San Francisco, Exercise
and Sport Science Department.
Kieser, S. (2007). Optimierung der Startsprungleistung durch Sprungkrafttraining im Schwimmsport
(unv. Diplomarbeit). Bayreuth: Universität Bayreuth.
Krüger, T., Hohmann, A., Kirsten, R. & Wick, D. (2006). Kinematics and dynamics of the backstroke start technique. Portuguese Journal of Sport Sciences, Vol. 6, Suppl. 2 (J.P. VilasBoas, F. Alves & A. Marques (eds.), Biomechanics and Medicine in Swimming X), 58-60.
Krüger, T., Wick, D., Hohmann, A., El-Baharawi, M. & Koth, A., (2003). Biomechanics of the Grab
and Track Start Technique. In J.-C. Chatard (ed.), Biomechanics and Medicine in Swimming IX (pp. 219-223). Saint-Etienne: Université de St. Etienne.
Küchler, J. (1994). Mechanische Analyse des Startabschnitts im Sportschwimmen. In W. Freitag
(Hrsg./Red.), Schwimmen. Lernen und Optimieren (Band 8, S. 73-85). Rüsselsheim:
Deutsche Schwimmtrainer-Vereinigung.
Küchler, J. (1996). Zur Zweckmäßigkeit des Bewegungsablaufes im Startabschnitt am Beispiel der
Brustschwimmer. In W. Freitag (Hrsg./Red.), Schwimmen. Lernen und Optimieren (Band
12, S. 65-77). Rüsselsheim: Deutsche Schwimmtrainer-Vereinigung.
Küchler, J. & Leopold, H. (2000). Start. In W. Freitag (Hrsg./Red.), Schwimmen. Lernen und Optimieren (Band 17, S. 78-91). Rüsselsheim: Deutsche Schwimmtrainer-Vereinigung.
Leopold, W. (2002). Das Abschneiden des DSV bei den Olympischen Spielen 2000 – Ursachen
und notwendige Veränderungen. In Freitag, W. (Hrsg.), Schwimmen. Lernen und Optimieren (Band 20, S. 7-57). Rüsselsheim: Deutsche Schwimmtrainer-Vereinigung.
Lyttle, A. & Benjanuvatra, N. (2004). Start Right? A Biomechanical Review of Dive Start Performance. Zugriff am 15. Juni 2007 unter http://coachesinfo.com/category/swimming/ 321.
Miller, M., Allen, D. & Richard, P. (2003). A Kinetic and Kinematic Comparison of the Grab and
Track Starts in Swimming. In J.-C. Chatard (ed.), Biomechanics and Medicine in Swimming
IX (pp. 231-235). Saint-Etienne: University of Saint-Etienne.
Reuss, A. (2007). Optimierung der Startsprungleistung durch Sprungkrafttraining im Schwimmsport
(unv. Diplomarbeit). Bayreuth: Universität Bayreuth.
Shin, I. & Groppel, J. (1986). A comparison of the grab start and track start as utilized by competitive swimmers. In D.L. Landers (ed.), Sport and Elite Performers (pp. 171-175).
Champaign, Il.: Human Kinetics.
Straub, S. (2007). Optimierung der Startsprungleistung durch Sprungkrafttraining im Schwimmsport (unv. Diplomarbeit). Bayreuth: Universität Bayreuth.
Vilas-Boas J.P., Cruz, M.J., Sousa, F., Conceicao, F., Fernandes, R. & Carvalho, J.M. (2003).
Biomechanical analysis of ventral swimming starts: comparison of the grab start with two
track-start techniques. In J.-C. Chatard (ed.), Biomechanics and Medicine in Swimming IX
(pp. 249-253). Saint-Etienne: University of Saint-Etienne.
Wick, D., Krüger, T. & Hohmann, A., (2003). Biomechanische Prinzipien als Kriterien der Effektivität von Grab- und Trackstart im Schwimmen. Leistungssport, 33 (3), 47-52.
Wiedner, H. & Pfeiffer, M. (2006). Schnellkrafttraining bei jugendlichen Schwimmern. Leistungssport, 36 (1), 41-47.
25

Documents pareils