komplette Ausgabe - Christian-Albrechts
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Eine Beilage der Kieler Nachrichten No 40 27. 01. 2007 Nachrichten und Berichte aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unizeit Die Insel Seite 3 Vom Winde verweht Seite 4 Kleines Teil ganz groß Seite 7 Die Farbe des Geldes Seite 8 Schneller, weiter, dünner »Es gibt rund 6000 Sprachen auf der Welt, und ständig werden es weniger. Umfassend erforscht ist aber nur ein Bruchteil davon.« Dr. Geoffrey Haig, Seminar für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft Seite 5 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, wir begehen 2007 das Jahr der Geisteswissenschaften. Aus diesen »Humanities«, wie der Engländer sagt und damit als Thema dieser Fächer den Menschen bereits benennt, aus der Beschäftigung mit dem Menschen also sind die anderen Wissenschaften erwachsen, lang ehe man zwischen Geistesund Naturwissenschaften überhaupt unterschied. In einer Beitragsreihe bringt die unizeit ab dem kommenden Semester die verschiedenen Disziplinen der Geisteswissenschaften zusammen, die wir als Grundwissenschaften betrachten. Die Reihe beginnt mit dem Thema »Sprache und Literatur«, denn Sprache, Verständigung und Begrifflichkeit sind Kernfragen der Geisteswissenschaften. Auch die Theologie, die Rechtswissenschaften und die Mathematik werden innerhalb dieser Reihe zu ihrem Recht kommen. Ausgehend von logischen Verknüpfungen hat sich die Mathematik am weitesten von ihren Wurzeln in der Philosophie entfernt. Dennoch oder gerade deshalb kann sie eine wichtige Brücke zu den technischen und Naturwissenschaften sein. Und Brücken zwischen den Wissenschaftskulturen brauchen wir dringender denn je. Um Brücken zwischen den Kulturen und Disziplinen wird es auch in einer Ringvorlesung gehen, die das Rektorat zum Jahr der Geisteswissenschaften im kommenden Semester veranstaltet. Brückenschlag und fächerübergreifende Verbindungen sind auch das Ziel der Konzepte, die gegenwärtig für die Doktorandenausbildung entstehen. Gerade wenn wir unsere Studierenden zukünftig als Bachelor und Master schneller durch unsere Universitäten schleusen wollen, kommt der Graduiertenausbildung eine neue Bedeutung zu. Denn der Schritt zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit will gut betreut sein. Die Kenntnis von Methoden und Theorien anderer Fachdisziplinen führen zu einer besseren Verständigung über Fächergrenzen hinweg und zu einer Horizonterweiterung für neue Problemlösungsstrategien. Das ist für zukünftige Doktoren aller Fachgebiete unerlässlich. Die Geisteswissenschaften brauchen keinen besonderen Schutz, schon allein die Ergebnisse der PISA-Studien zeigen, wie wichtig sie sind. Die durch die Novellierungen der Landeshochschulgesetze »autonom« gewordenen oder noch werdenden Universitäten sollten auf die umfassende Kooperation gleichberechtigter, miteinander konkurrierender Wissenschaften setzen. Sie sollten im gesellschaftlichen Raum ein ebenso selbstbewusstes wie verantwortbares politisches Mandat als Kompetenzzentren für Bildung und Wissenschaft wahrnehmen. Professor Gerhard Fouquet Prorektor Magersucht ist nicht nur eine »Berufskrankheit« von Models, auch Sportler erkranken überdurchschnittlich oft – Männer wie Frauen – und das nicht nur im Spitzensport. Das kann doch nicht gesund sein! Dieser Verdacht kommt schnell auf, wenn man die zarten, zerbrechlichen Körper von Eiskunstläuferinnen sieht, die wie eine Feder durch die Luft wirbeln. Dass Eiskunstlauf wie Turnen, Ballett und rhythmische Sportgymnastik zu den Risikosportarten für Magersucht zählt, ist bekannt. Denn viele Wertungssrichter sehen Schlankheit als wichtiges Kriterium an, wenn es darum geht, über die künstlerische Benotung zu entscheiden. Aber nicht nur Sportler aus figurbetonten Disziplinen sind gefährdet. Das Risiko für Anorexia athletica, wie die Variante der Magersucht bei Sportlern genannt wird, droht bei allen Sportarten, bei denen ein niedriges Gewicht von Vorteil ist. Leichte Skispringer fliegen weiter, dünne Langstreckenläufer kommen schneller ins Ziel. Leichte Eiskunstläuferinnen lassen sich leichter heben. Auch Sportler, die in Gewichtsklassen eingeteilt werden, wie Boxer, Ringer, Judokämpfer und Gewichtheber, laufen Gefahr, durch die ständige Fixierung auf ihr Gewicht in eine Essstörung abzudriften. Charakteristisch für die Sportler-Magersucht ist, dass die Betroffenen bewusst »Ballast« abwerfen, um eine bessere sportliche Leistung zu bringen. »Als Normalgewichtler Campusluft schnuppern Die Studien-Informations-Tage vom 27. bis 29. März bieten die beste Gelegenheit, das gesamte Studienangebot der Kieler Universität kennenzulernen. In über 50 Kurzvorträgen, Erkundungen, Gruppenarbeiten, Gesprächen und Diskussionen informieren Vertreter der einzelnen Fachgebiete, der Zentralen Studienberatung oder des Studentenwerks Schleswig-Holstein über alle Studiengänge und -fächer sowie Wissenswertes kann ich den Marathon vier bis fünf Minuten schneller laufen, wenn ich ein Kilo an Gewicht abnehme«, erklärt der Kieler Sportmediziner Professor Burkhard Weisser. »Irgendwann gibt es dann keine weitere Leistungszunahme durch die Abnahme mehr. Aber es ist überraschend, wie dünn man sein muss, um optimale Leistung zu bringen. Manche Sieger im Marathonlauf der Männer wiegen vielleicht 60 Kilo bei einer Größe von 1,70, die Frauen sind 160 groß und wiegen 40 Kilo. Das würden wir nach unseren Kriterien zum Teil schon als Anorexie bezeichnen.« Dennoch ist nicht jeder schlanke Sportler auch gleichzeitig magersüchtig. Kritisch wird Definition »Magersucht« Medizinisch gilt jemand als magersüchtig, wenn sein Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 liegt. Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht (kg) geteilt durch das Quadrat der Körpergröße (m2). Die Formel lautet: BMI = Körpergewicht : (Körpergröße in m2). Das heißt: Wer zum Beispiel bei einer Körpergröße von 1,65 weniger als 47,6 Kilo, bei 1,60 weniger als 44,8 Kilo und bei 1,70 weniger als 50,6 Kilo wiegt, gilt als magersüchtig. ne rund ums Studium. Dabei geht es auch um Bewerbungsverfahren und Zulassungsvoraussetzungen, Finanzierungsmöglichkeiten und Wohnheimplätze. »Auf dem Programm stehen wieder Campusspaziergänge, die im vergangenen Jahr sehr gut angekommen sind«, verrät Anette Schmitz, die Leiterin der Zentralen Studienberatung. »Sie starten täglich um 13 Uhr und steuern zum Beispiel die Sportanlagen oder das Institut für Phytopathologie an.« Die Informationsveranstaltung zu den neuen Studienmodellen mit Bachelor- und Masterabschluss wird täglich es, wenn nach der sportlichen Leistung das normale Essverhalten nicht wiederhergestellt werden kann, ausgeprägte Ängste vor einer Gewichtszunahme vorliegen oder die Wahrnehmung der eigenen Figur und des Körpergewichts gestört ist. Persönlichkeitsmerkmale wie mangelndes Selbstbewusstsein, Perfektionismus und starke Leistungsorientierung erhöhen das Risiko, an einer Essstörung zu erkranken. Wenn sich die Gedanken ständig um Essen, Aussehen, Gewicht, Fett, Kalorien und das Vermeiden bestimmter Nahrungsmittel kreisen, ist ein krankhafter Zustand erreicht. Zudem treiben viele Magersüchtige oft exzessiv Sport, gehen zum Beispiel jeden Tag zwei Stunden joggen oder absolvieren ein hartes Trainingsprogramm im Fitnessstudio, um ihr Gewicht niedrig zu halten. Erschreckend ist, wie häufig Essstörungen bei Sportlern vorkommen. Laut einer skandinavischen Studie unter Spitzensportlerinnen liegt das Risiko, an einer Essstörung zu erkranken, bei Sportarten wie rhythmischer Sportgymnastik, Turnen, Marathon oder Judo bei rund 40 Prozent. Das amerikanische College für Sportmedizin führte 1992 eine Untersuchung durch, nach der über 60 Prozent der Sportlerinnen in den Sportarten Eiskunstlauf und Turnen unter einer Essstörung litten. Eine Studie im Auftrag des Kölner Bundesinstitutes für Sportwissenschaft zeigt, dass bis zu 25 Prozent aller Sportlerinnen unter Essstörungen leiden. Zum Vergleich: Die Häufigkeit von Essstörungen in der weiblichen Bevölkerung zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr liegt nach Schätzungen der Universität Ulm für Anorexie bei 0,5 bis 1 Prozent und für Bulimie bei 3 bis 4 Prozent. Bulimie äußert sich durch häufige Essattacken, denen der Versuch folgt, dem »dick machenden« Effekt der Nahrung durch selbst herbeigeführtes Erbrechen oder mit Abführmitteln entgegenzuwirken. Diesen Versuchen liegt die krankhafte Furcht zugrunde, zu dick zu werden. Bulimie ist eine häufige Folgeerkrankung der Magersucht. Die Zahl der Männer mit Essstörungen wächst beständig. Schätzungen zufolge sind mittlerweile 10 bis 15 Prozent aller Betroffenen Männer. Dass es sich um eine Krankheit handelt, ist Sportlern noch schwieriger beizubringen als anderen Menschen mit Essstörungen. Sport gilt prinzipiell als gesund. Und der sportliche Erfolg beim Minimalgewicht gibt ihnen scheinbar Recht. »Man wundert sich, was der Körper alles aushält und wie leistungsfähig manche Betroffenen sind, selbst wenn sie nur noch 30 Kilo wiegen«, berichtet Weisser, der als Internist auch Fälle von extremer Magersucht behandelt hat. »Man macht sich keine Vorstellung davon, wie schwierig Magersüchtige zu behandeln sind und wie hoch die Sterblichkeit ist.« Prominentes Opfer ist zum Beispiel Bahne Rabe, der Olympia-Sieger im Ruder-Achter von 1988. Er starb am 2. August 2001 im Alter von 37 Jahren an einer Lungenentzündung in Folge seiner Magersucht. 1994 starb die amerikanische Turnerin Christy Henrich im Alter von 22 Jahren durch Multiorganversagen. Laut Schätzungen hungern sich bis zu 15 Prozent aller Magersüchtigen zu Tode. ne Mehr zum Thema auf Seite 2 angeboten. Fast alle Studiengänge werden zum Wintersemester 2007 darauf umgestellt. Ausnahmen sind Human- und Zahnmedizin, Pharmazie, Psychologie und Rechtswissenschaft. »Inhaltlich geht es darum, die neuen Studiengänge und ihre Abschlüsse vorzustellen«, erklärt Schmitz. »Fachspezifische Informationen erläutern die Lehrenden in den Veranstaltungen zum Fach.« ne www.zsb.uni-kiel.de Siehe Kalender Seite 6 unizeit | blickpunkt | seite 2 27. 01. 2007 Alarm bei 42 Kilo Wenn Mädchen in der Pubertät immer dünner werden, sollten Eltern wachsam sein. Ohne professionelle Hilfe kann die Magersucht lebensbedrohlich werden. Ein Vater schildert seine Erfahrungen. »Ich habe das Problem anfangs nicht ernst genommen«, sagt Klaus Kunze*, dessen Tochter vor etwa einem Jahr wegen Magersucht (Anorexia nervosa) ins Krankenhaus kam. »Mädchen in dem Alter (15 Jahre) wollen gerne schlank sein. Das nimmt man erst mal nicht als Risiko wahr. Bei ihr ging es mit viel Sport und Bewegung einher und sah gar nicht so krankhaft aus.« Im Anfangsstadium ist es für Außenstehende schwer, eine beginnende Magersucht zu erkennen. Betroffene machen keinen kranken Eindruck, sind meist gute, ehrgeizige Schüler und treiben viel Sport. Durch zwiebelartige Kleidung versuchen sie, ihre dünnen Arme und Beine zu kaschieren. Den nackten Körper verbergen sie vor den Blicken anderer. »Auch der Allgemeinarzt, der sie untersuchte, hat das Problem gewaltig unterschätzt. Er meinte, sie sollte mehr essen, und wir sollten auf sie einwirken. Zu diesem Zeitpunkt war ich überzeugt davon, das ist kontrollierbar. Mehr essen ist doch kein Problem. Wir machen ihr einfach das, was sie besonders mag, dann wird sie schon mehr essen. Wir haben auch mit ihr gesprochen, und sie versprach, mehr zu essen. Sie hielt sich aber nicht daran.« Dass Freunde und Angehörige allein wenig ausrichten können bei Menschen mit Essstörungen, sagen auch Experten. So schreibt die Bundeszentrale für Gesundheitliche Auf- klärung: »Aufgrund der massiven Folgeschäden und der fehlenden Selbsteinschätzung der Betroffenen bezüglich ihrer körperlichen Befindlichkeit ist eine medizinische Betreuung in jedem Fall erforderlich. Es ist sehr wichtig, seitens der Familie darauf zu bestehen.« »Irgendwann wurde klar, es geht nicht mehr ohne professionelle Hilfe. Sie aß nur noch winzige Portionen und zum Essen zwingen konnten wir sie nicht. Wir sind dann mit ihr zu einem Kinderarzt gegangen, und der hat sie unverzüglich in ein Krankenhaus eingewiesen. Sie durfte gar nicht mehr nach Hause. Als Maja* in die Klinik kam, wog sie bei einer Körpergröße von 1,75 Metern gerade mal 42 Kilogramm. Dieser Zustand war lebensbedrohlich. Dass es so schlimm um sie stand, hatten wir nicht geahnt. Ich nahm an, der Körper holt sich, was er braucht. Sie wird schon nicht verhungern. Das war eine Fehleinschätzung, wie ich heute weiß.« Etwa jede sechste schwer erkrankte Magersüchtige stirbt an den Folgen der Krankheit. Häufigste Todesursachen sind Infektionen, Unterernährung, Wasser- und Elektrolytverlust sowie Selbstmord. Infolge der Erkrankung kann es außerdem zum Absinken von Stoffwechsel, Puls, Blutdruck und Körpertemperatur kommen. Das führt zu Müdigkeit, Frieren und Verstopfung. Trockene Haut und brüchige Haare zeigen die hormonellen Ver- änderungen an, die sich auch im Ausbleiben der Menstruation äußern. »In der Klinik wurde sie medizinisch und psychotherapeutisch versorgt. Die ersten anderthalb Monate hatte sie Bettruhe und wurde mit Spezialnahrung aufgepäppelt. Sie durfte nur aufstehen, um zur Toilette zu gehen. Es hat lange gedauert, bis das Gewicht nach oben ging. Für sie waren der Aufenthalt in der Klinik und vor allem der Verzicht auf den Sport sehr schwierig. Zuhause hätte das nie funktioniert, wir hätten das nicht durchsetzen können. Als Gewichtsziel hatten wir mit ihr 54 Kilo festgesetzt. Es war für sie sehr schwer, das zu erreichen, und sie hat es auch bis zur Entlassung aus der Klinik, nach etwa einem halbem Jahr Behandlung, nicht ganz geschafft. Die Bedrohung bleibt. Auch jetzt steht die Krankheit immer noch im Hintergrund. Wenn sie Frust hat oder sich ärgert, dann isst sie nicht. Sie weiß allerdings auch, dass wir jetzt schneller handeln. Wenn sie nicht isst, kommt sie sofort wieder in die Klinik. Das ist bei ihr die einzige Motivation, die letztlich zieht.« Eine Studie der Universität Heidelberg hat ergeben, dass nur die Hälfte der an Magersucht erkrankten Personen vollständig geheilt wird. Bei 20 Prozent wird das Leiden chronisch und 30 Prozent entwickeln andere Symptome wie etwa Depressionen. Bei der Entstehung der Anorexie wirken verschiedene Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen. Neben biologischen und gesellschaftlichen (Schönheitsideal) Einflüssen sind vor allem psychische Faktoren bestimmend. Ein Faktor ist zum Beispiel, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Was sie eigentlich sucht, ist Aufmerksamkeit. Das habe ich als einen Grund für ihre Essstörung aus den Gesprächen mit ihrer Therapeutin mitgenommen. Das Bedürfnis, Aufmerksamkeit aus der Familie einzufordern, hatte sie eigentlich schon immer. Hinzu kam, dass sie auch in der Schule nicht die Akzeptanz hatte, die sie sich wünschte. Stattdessen galt sie eher als eine graue Maus, und das in einem Alter, wo das Aussehen unheimlich wichtig ist. Unser Fehler war vielleicht, dass wir uns zu wenig Zeit genommen haben, mit ihr zu reden und zu verstehen, wo die Probleme sind. Das ist in der Pubertät unheimlich wichtig. Wir als Eltern waren unsicher, wie geht man mit dem sich verändernden Kind um, wo ist es Kind, wo Jugendlicher, wo Erwachsener. Da besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr heraushält.« ne *Namen von der Redaktion geändert Von Sparflamme auf Vollgas Der Stoffwechsel von Magersüchtigen hat sich auf das knappe Nahrungsangebot eingestellt. Bei der Umstellung zurück auf normale Ernährung gerät die hormonelle Steuerung aus dem Ruder. Es ist schon erstaunlich, mit wie wenig Nahrung unser Körper auch über längere Zeit auskommen kann. Menschen, die an Magersucht (Anorexia nervosa) erkrankt sind, führen das vor. Manche essen am Tag nicht mehr als einen Apfel, vielleicht einen Magerjoghurt und ein trockenes Brötchen. Nach und nach zehrt die magere Kost an der Substanz. Der Körper begegnet diesem andauernden Nahrungsmangel mit einer Umstellung des Stoffwechsels. Der Ruheenergieverbrauch, also die Energie, die für Stoffwechselvorgänge verbraucht wird, sinkt auf ein Minimum. Der Körper läuft sozusagen auf Sparflamme. »Vermittelt wird das durch die Hormone Trijodthyronin und Leptin, die miteinander über einen Regelkreis verbunden sind. Entscheidend für den reduzierten Grundumsatz ist das Schilddrüsenhormon Trijodthyronin.« Diesen Schluss zieht Professor Manfred J. Müller vom Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde aus Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe zur Gewichtsregulation bei Patientinnen mit Magersucht, die an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Bad Bramstedt behandelt wurden. Müller und sein Team analysierten die Werte verschiedener Hormone im Blut der Patientinnen, ermittelten den Grundumsatz und maßen die Körperzusammensetzung von MagersuchtPatientinnen bei Einweisung in die Klinik sowie im Verlauf der Therapie. Die Werte verglichen die Wissenschaftler mit denen von gesunden, normalgewichtigen Frauen. Ein besonderes Augenmerk legten sie auf die Hormone Leptin und Trijodthyronin. Beide Hormone sind bedeutsam für den Energiehaushalt. Das Hormon Leptin wird von Fettzellen produziert und wirkt appetithemmend. Das Schilddrüsenhormon Trijodthyronin ist quasi der Motor für die Stoffwechselaktivität. Bei den Patientinnen mit Magersucht waren die Konzentrationen beider Hormone im Blut reduziert. Unter der kontrollierten Ernährung mit dem Ziel der Gewichtszunahme steigt der Leptinspiegel an – im Verhältnis zum immer noch zu niedrigen Körpergewicht viel zu stark. »Durch das Angebot energiereicher Nahrung kommt es zu einer überschießenden Reaktion der hormonellen Regelkreise, die vorher auf Hunger adaptiert waren«, erklärt der Ernährungsmediziner. »Die Hormone werden durch die Ernährung im Rahmen der Therapie so stark angestoßen, dass sie einer weiteren Gewichtszunahme entgegenstehen.« Hohe Leptinspiegel im Blut geben das Signal: »Ich bin satt« – obwohl die Patientin noch immer unterernährt ist und eigentlich weiter essen sollte. Die steigende Konzentration des Schilddrüsenhormons im Lauf der Therapie bringt einen erhöhten Grundumsatz mit sich. Dadurch wird die höhere Energiezufuhr mit der Nahrung wieder wettgemacht. Das heißt, zusätzlich zu den psychischen Problemen mit dem Essen erschwert auch die hormonelle Steuerung ein normales Essen. Müller: »Die Botschaft aus unseren Studien lautet, nicht alleine auf das Gewicht zu achten, sondern zu schauen, ob Leptin und Schild- Wer über lange Zeit zu wenig isst, bekommt vom Körper schneller das Satt-Signal. Foto: pur.pur drüsenhormon im Verhältnis zum Gewicht ausgewogen sind. Für die Therapie bedeutet das, man muss sich viel länger Zeit für die Gewichtszunahme lassen. Die drei bis sechs Wochen, die die Patientinnen normalerweise Hilfe für Kollegen in Not Es ist ein typisches Phänomen: Obwohl nicht zu übersehen ist, wenn jemand zusehends abmagert und nur Miniportionen isst, haben Freunde, Kollegen oder Vorgesetzte oft nicht den Mut, das Offensichtliche anzusprechen und Hilfe anzubieten. Das ist jedoch gar nicht so schwer, meint die Suchthelferin der Kieler Universität, Monika Zschau. Das Gespräch sollte unter vier Augen erfolgen. »Ich rate dazu, offen zu sagen, was man wahrnimmt, ohne vorwurfsvoll zu sein. Also zum Beispiel: Sie haben sich verändert. Ich mache mir Sorgen. Ich bin für Sie da.« Betroffene fühlten sich vielleicht im ersten Moment peinlich berührt, aber sie seien sicher auch dankbar für das Hilfsangebot und die Fürsorge. Vorausgesetzt, man spreche sie nicht jeden Tag aufs Neue an, kommentiere nicht ihre Essgewohnheiten und fordere sie nicht zum Essen auf. Das rufe Abwehr hervor. Hilfe bei Essstörungen im Krankenhaus sind, reichen nicht aus. Die Gewichtszunahme, wenn sie nachhaltig sein soll, muss in kleinen Schritten erfolgen. Dafür braucht man einen längeren Zeitraum.« ne bietet innerhalb der Universität der Sozialdienst an – wie auch in psychosozialen Notlagen und bei anderen Suchtproblemen. Monika Zschau arbeitet seit 28 Jahren an der CAU, gehört seit zwölf Jahren der Suchthilfe und seit 1999 dem aus der Suchthilfe hervorgegangenem Sozialdienst an. Zurzeit betreut sie kontinuierlich zehn Universitätsangehörige, darunter sind auch Magersüchtige, psychisch Kranke und Verschuldete. Dabei versteht sie sich als Mittlerin: »Ich kenne zuständige Therapeuten, Kliniken und externe Ansprechpartner, begleite Betroffene auch mal zum Arzt, zur Klinik oder zum Therapeuten und vermittle zwischen Vorgesetzten, Personalabteilung und Betroffenen.« Als Suchthelferin bietet sie außerdem in Zusammenarbeit mit externen Referenten eintägige Schulungen an, zum Beispiel für Führungskräfte zum Thema »Umgang und Gesprächsführung mit gefährdeten und abhängigen Mitarbeitern«. ne unizeit | aktuelles | seite 3 27. 01. 2007 Die Zypernfrage Der Weg Zyperns in die Europäische Union war lang und schwierig. Jetzt lastet das Zypern-Problem auf den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Dr. Hauke Stöwsand hat sich in seiner Promotion mit dem rechtlichen Rahmen des EU-Beitritts von Zypern befasst. Als Stöwsand 2003 die Arbeit am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht begann, war der Beitritt Zyperns zur Europäischen Union (EU) bereits beschlossene Sache. Aber die besondere Situation in Zypern erforderte noch Sonderregelungen. Die Teilung Zyperns in einen (südlichen) griechischen und einen (nördlichen) türkischen Teil war eines der größten Probleme der sechsten Erweiterungsrunde der EU. »Da die Bemühungen zur Überwindung der Teilung in letzter Minute scheiterten, waren Regeln nötig, die erst zum Ende des Jahres 2004 im Detail feststanden. Diese sollten die Einheit des Gemeinschaftsrechts wahren und zum Beispiel verhindern, dass über Nordzypern Waren aus Ländern außerhalb der EU unverzollt eingeführt werden«, erklärt Stöwsand, der zurzeit als Referendar in einer Kieler Kanzlei arbeitet. »Ich habe Zyperns Beitritt zur EU an der Schnittstelle zwischen Völkerrecht und Europarecht untersucht.« Zypern wurde im Mai 2004 zusammen mit neun anderen Staaten in die EU aufgenommen. Gemeinschaftsrecht gilt jedoch nur im Südteil der Insel. Der Süden ist Mitglied der EU und Teil des gemeinsamen Marktes mit weitgehend barrierefreiem Handel. Dieser basiert in hohem Maße auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedsstaaten. Stöwsand: »Der türkische Norden ist nicht Teil des gemeinsamen Marktes, und die zyprischen Behörden im Südteil der Insel haben keine Kontrolle über den Nordteil. Um den Binnenhandel zwischen Nord- und Südzypern trotzdem zu ermöglichen und die Wieder- vereinigung zu fördern, wurde ein Protokoll mit Sonderregeln in den Beitrittsvertrag aufgenommen. Die EU will den Handels- und Personenverkehr zwischen beiden Teilen der Insel durch das Protokoll garantieren, aber auch kontrollieren.« Durch den Handel zwischen den beiden Inselteilen soll wieder eine Vertrauensbasis zwischen den Volksgruppen geschaffen werden. »Dadurch, dass man den Wohlstand im Norden fördert, soll auch die Verständigung untereinander verbessert werden«, erklärt der Jurist. Der Weg dahin ist jedoch noch weit. Konflikte gibt es vor allem um den Direkthandel zwischen Nordzypern und der Gemeinschaft, was sich auch auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei als Schutzmacht Nordzyperns auswirkt. Die Türkei und Nordzypern streben den Direkthandel Nordzyperns mit der Gemeinschaft an. Durch das Beitrittsprotokoll lassen die Verträge Direkthandel aber nur zu, wenn darüber Einstimmigkeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten herrscht. Dagegen sperrt sich jedoch die Republik Zypern. Auf der anderen Seite will Zypern, das eine der größten Handelsflotten der Welt hat, auch Häfen in der Türkei anlaufen. Die Türkei blockiert aber ihre Häfen wegen der internationalen Isolation Nordzyperns, für die sie direkt die Regierung der Republik Zypern verantwortlich macht. Wie sich die Situation weiter entwickelt, vermag auch Stöwsand nicht vorherzusagen. »Es ist noch nicht absehbar, was kommt. Die Regierung der Republik Zypern hat sich zumindest bereit erklärt, den Direkthandel zwischen Nordzypern und der Geschmackssache Geschmacksvorlieben sind nicht angeboren, sondern werden erworben. Wie sie entstehen, untersuchen Kieler Psychologen. Die erste Prägung unseres Geschmacks erfahren wir bereits im Mutterleib. Bereits sehr früh, etwa im dritten Monat, schmeckt und riecht der Fetus das Fruchtwasser. »Bis zur Geburt ist eine Menge Zeit, um Präferenzen festzulegen«, bemerkt Professor Roman Ferstl vom Institut für Psychologie. Dass Neugeborene einen süßen Geschmack bevorzugen, liege schlicht und einfach daran, dass das Fruchtwasser eine Fülle süßer Stoffe enthalte. Diese frühe Prägung wurde auch im Tierexperiment nachgewiesen. An der weiteren Entwicklung unserer Geschmacksvorlieben sind viele Faktoren beteiligt. Dazu zählen etwa die soziale Umgebung, in der wir leben, und die Kultur, in der wir aufwachsen. Auch die Werbung und das Image eines Nahrungsmittels bestimmen den Veranstaltungen MESSE FÜR AUSLANDSPRAKTIKA Es gibt viele gute Argumente, für eine begrenzte Zeit vor, während oder nach dem Studium ins Ausland zu gehen. Aber wie lässt sich das verwirklichen? Wo kann ich mich bewerben? Wer fördert Auslandspraktika? Die Planung, Organisation und Durchführung in der Praxis muss gründlich vorbereitet werden. Hilfe hierbei bietet die 8. Kieler Messe für Auslandspraktika »International Internship Wert einzelner Lebensmittel. Zum großen Teil prägen jedoch Gewohnheiten unsere Essmuster – nach dem Motto: Wir essen nicht Speisen, die wir mögen, sondern wir mögen Speisen, weil wir sie essen. Wie neue Geschmacksrichtungen bewertet werden und wie sich geschmackliche Präferenzen im Detail ausbilden, untersucht die Arbeitsgruppe um Ferstl. »In einem Experiment konnten wir erstmals beim Menschen zeigen, dass wir uns bei der Wahl zwischen zwei Getränken nicht unbedingt für das leckerste entscheiden, sondern (unbewusst) das Getränk wählen, das in der Vergangenheit für das Überleben des Organismus einen besonderen Wert hatte«, berichtet Dr. Christian Wiesner. An dem Geschmacks-Experiment nahmen 16 Studenten teil. Sie durften mindestens zwölf 2007« am 7. Februar im Foyer des Audimax. Sie wird vom International Center der Kieler Universität in Zusammenarbeit mit dem Team Akademische Berufe Kiel der Bundesagentur für Arbeit veranstaltet und richtet sich an Studierende aller Fachrichtungen und Hochschulen sowie an Abiturienten. Besucher können sich hier über Jobs und Praktika im Ausland informieren. Viele Organisationen, Verbände und Firmen, die sich mit Beschaffung, Organisation und Finanzierung von Praktika in Europa und dem Rest der Welt beschäftigen, sind mit Infoständen dabei. Drei Vorträge Gemeinschaft innerhalb des nächsten halben Jahres zu ermöglichen. Jetzt muss man abwarten, ob es dabei bleibt. Wenn nicht, wird sich auch an der Haltung der Türkei nichts ändern. So lange wird es in den Beitrittsverhandlungen keine entscheidenden Fortschritte geben können.« ne tutsdirektor Professor Andreas Zimmermann, gehört zum Kieler Exzellenzcluster »Ozean der Zukunft«. Zum Weiterlesen: Hauke Stöwsand: Zyperns Beitritt zur Europäischen Union. Vom Antrag auf Mitgliedschaft bis zum Protokoll der Beitrittsakte. Frankfurt/Main 2007 Das Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, vertreten durch Insti- Die Teilung Zyperns Im Jahr 1960 entließ Großbritannien Zypern in die Unabhängigkeit. Drei Jahre später kam es zu Gewaltausbrüchen zwischen den griechischstämmigen und den türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen Zyperns. In den folgenden Jahren schwelte der Konflikt vor sich hin und konnte auch durch Friedenstruppen der Vereinten Nationen nicht gelöst werden. 1974 besetzte die türkische Armee nach einem von der griechischen Militärjunta unterstützten Putschversuch gegen Präsident Makarios den nördlichen Inselteil, um – offiziell – die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Seither ist Zypern eine zweigeteilte Insel. Im griechisch-zyprischen Südteil der Insel übt die Regierung der von den Vereinten Nationen (UN) als Vertretung für ganz Zypern anerkannten Republik Zypern die effektive Hoheitsgewalt aus. Die 1983 im türkisch-zyprischen Nordteil der Insel ausgerufene »Türkische Republik Nordzypern« wird – außer von der Türkei – internati- onal nicht anerkannt. Nach dem Beitrittsgesuch der Republik Zypern zur EU im Jahr 1990 und dem Beginn der Beitrittsverhandlungen im März 1998 verband sich damit die Hoffnung, durch Aufnahme Zyperns in die EU auch zu einer Lösung des Zypernproblems zu gelangen. 2002 beschloss der Europäische Rat in Kopenhagen die Aufnahme der Republik Zypern in die EU. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, legte ein Referendum über eine Wiedervereinigung vor (»Annan-Plan«). Dieses wurde jedoch von rund 75 Prozent der griechischen Zyprer 2004 in einer Volksbefragung abgelehnt, während knapp 65 Prozent der türkischen Zyprer dafür stimmten. Im Mai 2004 wurde die gesamte Insel Mitglied der Europäischen Union, wobei die Geltung des Europäischen Rechts (Acquis Communitaire) im nördlichen Teil der Insel, in dem die Behörden der Republik Zypern keine Hoheitsgewalt ausüben, bis zu einer Lösung des Zypernkonfliktes ausgesetzt ist. Stunden vor dem Testdurchlauf nichts essen und trinken. Dann kamen sie ins Institut und sollten Getränk A oder B zu sich nehmen. »Die beiden Fruchtsaftgetränke, Holunderblüte und Wildpreiselbeere, waren den Probanden unbekannt«, berichtete Katja Könnecke, Mitarbeiterin der Studie. Die eine Hälfte der Probanden durfte vor der Geschmacksprobe ihren Durst mit Wasser stillen, die andere nicht. Dieser Versuch wurde pro Getränk viermal wiederholt. Den Geschmack der Säfte bewerteten die Versuchsteilnehmer auf einer Skala von »überhaupt nicht angenehm« bis »sehr angenehm«. Bei der abschließenden Sitzung durften sie zwischen den beiden Getränken frei wählen. Sie entschieden sich mehrheitlich für das Getränk, das sie immer dann bekommen hatten, wenn sie vor der Verkostung kein Wasser erhalten hatten. Könnecke: »Die meisten Probanden bevorzugten das Getränk, das sie in der Mangelsituation bekommen hatten. Allerdings gab es zwei Versuchspersonen, die eindeutig angaben, dass sie Getränk A lieber mochten, sich aber dennoch für Getränk B entschieden, weil es zuvor ihren Durst gelöscht hatte.« Ein zweiter interessanter Befund der Studie war, dass die beiden zunächst unvertrauten Getränke im Verlauf des Versuchs immer beliebter wurden. Daraus folgern die Wissenschaftler, je bekannter uns ein Nahrungsmittel ist, desto lieber mögen wir es. »Unabhängig vom Geschmack geht es erst einmal nur darum, was trinke ich oder was esse ich in einer Mangelsituation, und das verändert die Präferenz, ohne dass einem das klar wird«, erklärt Professor Ferstl. Diesen aus Tierexperimenten bereits bekannten Befund konnten die Kieler Psychologen jetzt erstmals auch beim Menschen bestätigen. Als nächstes will die Arbeitsgruppe den neurobiologischen Mechanismen dieses Phänomens auf den Grund gehen. Dazu messen sie zum Bespiel die Hirnströme der Versuchsteilnehmer mittels EEG während der Geschmacks- und Geruchstests oder beobachten die Aktivität einzelner Gehirnregionen mittels Magnetresonanztomografie. »Für uns ist die Entwicklung von Geschmacksvorlieben ein Modell, um das dahinterliegende System zu verstehen«, so Wiesner. Dabei geht es um folgende Fragen: Wie wird Belohnung im Gehirn verarbeitet? Wie funktionieren die Verstärkungssysteme? Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen der subjektiven Beurteilung eines Geschmacks und der tatsächlichen Bevorzugung erklären? Die Forschungen sollen auch dazu beitragen, scheinbar irrationale menschliche Verhaltensweisen, zum Beispiel die Entwicklung einer Drogensucht, zu erklären. ne ergänzen das Informationsangebot: Brigitte Dix-Kuessner von der Kieler Sprachenschule DIX LINGO erklärt, wie man sich auf Englisch bewirbt, Dr. Annette Freitag stellt die Angebote der Zentralen Arbeitsvermittlung vor, und Jan Bensien vom International Center der CAU sowie Christine Boudin vom International Office der Fachhochschule Kiel erläutern die Finanzierungsmöglichkeiten für Auslandspraktika. ne PLATTDEUTSCHER GOTTESDIENST Siehe Kalender S. 6 www.uni-kiel.de/international Siehe Kalender Seite 6 Glöwt an dat Licht – unter diesem Motto wird der Gottesdienst am 28. Januar um 10:30 Uhr in der Universitätskirche stehen. Pastor Ulrich Gradert, Lehrbeauftragter für Plattdeutsche Predigt, organisiert mit seinen Studenten und naturwissenschaftlicher Unterstützung von Dr. Heiko Künnemann, Strahlenschutzbeauftragter der CAU, einen plattdeutschen Morgen zum Thema Licht. jz unizeit | forschung + praxis | seite 4 27. 01. 2007 Viel Wirbel Der Windkanal hat sich in erster Linie als Arbeitsplatz für Autodesigner einen Namen gemacht. Doch auch die Uni Kiel hat sich »windigen« Forschungsprojekten verschrieben. Mit schicken Karossen hat es ganz und gar nichts zu tun, wenn Michaela Bach und Kristine Fruhner im Windkanal werkeln. Vielmehr geht es den beiden Doktorandinnen darum, nachzuvollziehen, wie in Norddeutschland Luftbewegungen zu Bodenerosion führen und damit langfristig die Qualität hiesiger Äcker erheblich beeinträchtigen können. Michaela Bach, die ihre Arbeit am Lehrstuhl von Professor Rainer Duttmann vom Geographischen Institut verfasst, hat sich die räumliche Prognose des Winderosionsgeschehens zum Ziel gesetzt. Kristine Fruhner, die unter den fachlichen Fittichen von Professor Rainer Horn vom Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde zur Doktorwürde strebt, betrachtet hingegen vor allem die physikalischen Grundlagen von Erosionsprozessen, die wiederum für die Modellierung von Erosionsvorgängen entscheidend sind. Gemeinsam ist indes beiden Frauen, dass sie zu den Wenigen gehören, die systematisch mit dem etwa 12,5 Meter langen und jeweils um die 75 Zentimeter hohen und breiten Windkanal arbeiten. Bis vor ein paar Monaten stand das Objekt noch im ehemaligen Bodentechnologischen Institut in Bremen. Dort wurde es nicht mehr benötigt und fand schließlich in Form einer Dauerleihgabe den Weg nach Kiel, wo es jetzt mit teilweise bis zu Windstärke 12 ordentlich Wirbel im Dienst der Wissenschaft macht. »Mach das Fenster zu, der Acker kommt rein.« Diese norddeutsche Redensart beschreibt treffend, worum es dabei im Grundsatz geht. Besonders im April und Mai, wenn die Felder noch wenig Bewuchs aufweisen, ist dieses Phänomen bei trockenem Ostwind immer wieder zu beobachten. Der Wind fegt wie ein Föhn über die kahlen Schollen und bläst die somit knochentrockenen Partikel in alle Welt hinaus. Dazu bedarf es keineswegs handfester Stürme, sondern es genügen schon vergleichsweise moderate Luftbewegungen der Stärke 5. Selten tritt das Problem überdies auch nicht gerade auf. Statistische Auswertungen langjähriger Klimamessreihen haben gezeigt, dass es durchschnittlich an 13 Tagen pro Jahr zu solchen Ereignissen kommt. Und das mit Folgen, die weit dramatischer sind, als Laien es sich vorstellen mögen. In einzelnen Jahren wird seriösen Schätzungen zufolge eine bis zu acht bis zehn Millimeter starke Bodenschicht vom Winde verweht. Lediglich etwa 30 Zentimeter umfasst andererseits der schwarze und humose Oberboden. Eines nicht allzu fernen Tages könnte also jegliche Fruchtbarkeit der Äcker auch auf dem Versuchsfeld im nordfriesischen Goldelund buchstäblich weggeblasen sein, und die Bildung von neuem Boden ist selbst innerhalb einer Zeit von 100 Jahren so gut wie nicht messbar. Ist der Boden erstmal in Bewegung, bleibt den Landwirten meist nichts ande- Die Zukunft der Vergangenheit Elektronische Datenverarbeitung und Informatik spielen in der Archäologie eine immer größere Rolle. Kiel entwickelt sich zur Hochburg der Archäoinformatik in Deutschland. Bei archäologischen Grabungen werden oft Zehntausende Fundstücke zu Tage gefördert: Scherben, Splitter oder Knochenreste müssen erfasst, katalogisiert und analysiert werden. Schon bei kleineren Grabungen entstehen Datenmengen, die ohne elektronische Datenverarbeitung kaum zu bewältigen wären. Deswegen hielten bereits in den sechziger Jahren die ersten Computer Einzug in die Archäologie. Seit Anfang des Jahrtausends entwickelt sich mit der Archäoinformatik eine Disziplin, die archäologische Probleme mit moderner Informationstechnologie lösen will. Die Kieler Universität hat 2005 als erste und bislang einzige deutsche Hochschule eine wissenschaftliche Stelle dafür geschaffen. Ab 2007/2008 sollen Studierende in Kiel sogar einen Bachelor und Master of Science mit Schwerpunkt im Bereich Archäoinformatik erwerben können. Benjamin Ducke beschäftigt sich als wissen- Veranstaltungen CHORKONZERT IN DER PETRUSKIRCHE Georg Friedrich Händels »Messias« steht auf dem Programm des Semesterkonzertes des Akademischen Chores der CAU am 1. Februar in der Petruskirche Kiel-Wik, Weimarer Straße 3. Zusammen mit dem Akademischen Chor musizieren das Kammerorchester der Kieler Universität und die Solisten Heike Wittlieb (Sopran), Karin Kunde (Alt), Steffen Doberauer (Tenor) Hans Georg Ahrens schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte sowohl mit Grundlagenforschung als auch mit der Praxis der Archäoinformatik. Er schildert die Vorteile der jungen Disziplin: »Mit moderner Computertechnik eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für Publikation und Auswertung archäologischer Daten. Früher hatte man oft nur die Möglichkeit, Fundstücke zu fotografieren, zu beschreiben und in einem Buch zu veröffentlichen. Das macht bei 20.000 Scherben aber wenig Sinn. Heute können wir bei einer Ausgrabung die Daten direkt in die Datenbank eingeben und daraus eine elektronische Dokumentation machen. Mit den Daten können wir auch Multimedia-Präsentationen produzieren, die zum Beispiel in Museen verwendet werden. Die Archäoinformatik steht auch für das Bewusstsein, dass die ganz eigenen Strukturen und Potenziale archäologischer Informationen selbst von Archäologen nur unter (Bass) unter der Leitung von Klaus Volker Mader. Karten zum Preis von zehn Euro, ermäßigt fünf Euro, gibt es bei Ruth König Klassik (Dänische Straße), der Konzertkasse Streiber sowie an der Abendkasse. ne Siehe Kalender Seite 6 MAX FRISCHS »ANDORRA« IM SECKSECKBAU »Plötzlich bist Du so, wie sie sagen. Das ist das Böse.« Max Frisch (1911 – 1991) hat mit seinem Drama »Andorra« ein Stück über Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung Jedes Sandkorn zählt. Michaela Bach und Kristine Fruhner füllen den Windkanal mit Material. Foto: pur.pur res übrig, als Gülle auszubringen, damit der Boden verklebt und nicht so leicht verweht werden kann. Ein Ziel der aktuellen Forschungen im Kieler Windkanal ist es nun, die Verklebungsmechanismen der ausgebrachten Gülle zu analysieren. Gleichzeitig werden weitere Möglichkeiten erforscht, wie der Boden stabilisiert werden kann. Kristine Fruhner untersucht in diesem Bereich Grundsätzliches. Sie ermittelt beispielsweise, ab welcher Windgeschwindigkeit Erdpartikel abheben und lotet den Wassergehalt und dessen Verteilung unmittelbar im Übergangsbereich zwischen der Luftschicht und dem Boden aus. Sie bestimmt die Klebewirkung, die zum Beispiel durch organische Säuren zwischen den einzelnen Körnern entsteht. Die Erkenntnisse aus dem Windkanaltest sollen nun im Feldversuch überprüft werden. Dabei wird auch der Einfluss der Bodenbewirtschaftung und der jeweiligen Windrichtung genauer betrachtet. Michaela Bach will unter anderem den Bodenabtrag und den Nährstoffverlust durch Winderosion exakt bestimmen. Das ist sowohl aus ökonomischer wie ökologischer Sicht von erheblicher Bedeutung. Zumal die Geographin zu ihrer eigenen Überraschung feststellte, dass es zu dem wichtigen Thema des Nährstoffverlustes bislang kaum Untersuchungen gibt. Auch Anbau- und Bewirtschaftungsmethoden spielen in ihrer Arbeit eine Rolle. So ist im ewigen Kampf gegen den Wind dank der heute weitverbreiteten Methode, die Stoppeln nach der Ernte auf den Feldern stehen zu lassen, schon manches gewonnen. Um auf sandigen Böden einen wirksamen Erosionsschutz zu gewährleisten, bietet sich nach Einschätzung von Michaela Bach auch das Einbringen von Saatgut direkt in die Reste der Vorfrucht an. Eine nähere Untersuchung soll die Vor- und Nachteile dieser Variante beleuchten. Bis die beiden Windforscherinnen zu diesen Themen handfeste Ergebnisse verkünden können, dürfte freilich noch so mancher Sturm über die Förde pfeifen. Zum Ende gekommen sein werden sie voraussichtlich im Herbst 2007. mag Nutzung moderner Informationstechnologie durchdrungen werden können, genauso, wie das etwa auch für die Bioinformatik, die Geoinformatik oder die Kulturinformatik gilt.« Eine wesentliche Grundlage für die Entstehung der Archäoinformatik stellen aber Technologien aus Nachbardisziplinen dar, wie etwa Geoinformationssysteme (GIS). Mit GIS kann man etwa einen digitalen Lageplan einer Grabungsstelle erstellen oder Karten, die eine detaillierte Übersicht über archäologische Funde und Befunde geben. Als technische Plattformen dienen der Archäoinformatik weiterhin Datenbanken, CAD-Anwendungen, Statistikprogramme und vieles mehr. Das Entstehen der Archäoinformatik fällt zusammen mit dem Siegeszug der OpenSource-Philosophie in der Wissenschaft. Open Source oder freie Software heißt, dass die Software beliebig kopiert, verbreitet und genutzt werden darf. Sie bietet sich zum Lernen, Mitmachen und Verbessern an. Ein Schwerpunkt in der Archäoinformatik liegt auf dem Einsatz und der Entwicklung leistungsfähiger Open- Source-Systeme wie etwa GRASS GIS. GRASS steht für Geographic Resources Analysis Support System. Die Archäoinformatik am Institut für Ur- und Frühgeschichte, mit der Berufung von Professor Johannes Müller 2005 eingerichtet, sei interdisziplinär ausgerichtet, sagt Ducke: »Man kann zu vielen anderen Fachgebieten Brücken schlagen, zum Beispiel zu den Ingenieurswissenschaften oder den Natur- und Geowissenschaften. Wir arbeiten auch sehr gerne mit Doktoranden der Informatik oder der Mathematik zusammen, die bei uns interessante Aufgabenstellungen bekommen und ideale Arbeitsbedingungen vorfinden.« Die Arbeitsaussichten für Archäoinformatiker sind gut. Denn die Landesämter für Archäologie und Denkmalpflege, die Archäologen beschäftigen, wechseln zu digitalen Datengrundlagen, Dokumentations- und Arbeitsprozessen. Daneben setzen auch private Grabungsfirmen oder spezialisierte Software-Hersteller Archäoinformatiker ein. js Digitale Vermessungsarbeiten auf einer Grabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Anpassung geschrieben. 1961 wurde es im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Die studentische Theatergruppe »theater poetry slam« bringt ihre Andorra-Version am 7., 9., 10., 11., und 12. Februar im Sechseckbau an der Mensa I jeweils um 20 Uhr auf die Bühne. Hauptperson ist der junge Andri, dem so lange eingeredet wird, dass er Jude ist, bis er es selbst glaubt. Der Kleinstaat Andorra in den östlichen Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich hat übrigens nichts mit dem fiktiven Staat zu tun, in dem das Stück spielt. »Andorra ist der Name für ein Virtuelle Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Dorfes (um 4800 v. Chr., heutiges Bosnien). Fotos: Institut für Ur- und Frühgeschichte Modell«, so Max Frisch. Er selbst hat diesen Namen später als Notlösung bezeichnet: »Was den Kleinstaat Andorra betrifft, tröste ich mich mit dem Gedanken, dass er kein Heer hat, um die Länder, die das Stück spielen, aus Missverständnis überfallen zu können.« Karten sind in der Mensa II, Leibnizstraße 14 und in Zimmer 2 des Studentenhauses, Westring 385 erhältlich. may Siehe Kalender Seite 6 unizeit | campus + kultur | seite 5 27. 01. 2007 Nje femij kalon mae bichiklaet.Nje burr po vjael d a r d h a . B u r ra t f u s i n d a r d hat ne kosh. Djali flae. Un ijap makines.Vjaen nje burr tjaeter mae nje dhi cili k a l o n p ra n k o s h a v a e . U n Wie erforscht man eine unbekannte Sprache? Angehende k a m n j e c h a e n . N j e b u r r p o Sprachwissenschaftler lernen das im Feldforschungskurs. vjael dardha. Nje femij genau in die Schriftform überträgt, um ein Robinson und Freitag gehören dazu, kalon mae bichiklaet. Djali Gebrauchsalphabet für die Sprache entwiTarzan und Jane auch, Winnetou und Old ckeln zu können. Shatterhand sowieso – Geschichte und Liteflae. Un ijap makines.Vjaen Wer diese Voraussetzungen hat, kann die ratur kennen unzählige prominente Beispiele große Kunst der Gesprächsführung mit dem von Kulturen, die sich erst einmal sprachlich Muttersprachler in einem Seminar lernen, in annähern müssen. Meist lernte dann die Neue nje burr tjaeter mae nje Sprachpuzzle Welt die Sprache der Kolonialisten – Englisch, Spanisch oder Französisch. »So wurden und werden heute noch die lokalen Sprachen verdrängt. Es gibt rund 6000 Sprachen auf der Welt, und ständig werden es weniger. Umfassend erforscht ist aber nur ein Bruchteil davon«, erklärt Dr. Geoffrey Haig. Bei ihm am Seminar für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft bekommen Studierende das Handwerkszeug vermittelt, sich selbst die Grundstrukturen für eine für sie unbekannte Sprache zu erarbeiten. Die bekannteste Methode hierfür ist die Feldforschung, mit der eine Sprache systematisch erforscht wird. Mit gezielten Fragen an den Muttersprachler werden Strukturen von Wörtern und Sätzen erkannt, verschriftet und übersetzt. Wer Feldforschung betreiben will, muss also bereits über einige Fähigkeiten verfügen: Er muss Grammatiktheorie gelernt haben und muss die Struktur einer Sprache beschreiben können. Außerdem muss er wissen, wie er gesprochenes Wort lautlich dem man sich Wort für Wort vortastet: In diesem Semester sind es zehn Studierende, die sich die albanische Sprache selbst erschließen wollen, mitten unter ihnen ist ihr Dozent Geoffrey Haig. Sie alle schauen die junge Albanerin aufmerksam an, die sich die ersten Szenen aus einem Film anschaut. Eine Fragestunde beginnt: Welche Personen kommen in der Geschichte vor? Die junge Frau deutet auf die Personen im Film: burr – der Mann, shatar – der Bauer. Dem Beobachter drängt sich wieder das Bild von Robinson auf … Welche Gegenstände kommen vor? Dardha – die Birnen, Kosha – die Körbe. Dann versucht es eine Studentin selbst mit einem Satz auf Albanisch: »Nje burr po vjael dardha. Korrekt?« Die Muttersprachlerin strahlt, nickt heftig. Sie freut sich über den geglückten Versuch der Studentin. »Wer sich wie wir eine Sprache selbst erarbeitet, muss auch den Mut haben, sie auszuprobieren«, so Haig. Diese Methode hat für die Studierenden einen entscheidenden Vorteil: »Sie ist vom Lerner selbst gesteuert. Das heißt, er kann sein eigenes Tempo bestimmen, auf diese Weise lernt er sehr schnell.« Alles, was im Kurs gesprochen wird, wird per Mikrofon aufgenommen und später in mühevoller Kleinarbeit am Computer geschnitten und archiviert. Jeder Kursteilnehmer bekommt sein eigenes Projekt: Der eine erstellt ein Alphabet, mit dem den Lauten vertraute Zeichen zugeordnet werden. Der nächste konzentriert sich auf die Verben und deren Beugung, wieder einer dokumentiert die Hauptworte in ihren unterschiedlichen Fällen. Die Rechtschreibung wird selbst entwickelt und entspricht darum nicht dem Wörterbuch. Am Ende des Kurses entsteht ein eigenes kleines Nachschlagewerk für die neue Sprache. Die Christian-Albrechts-Universität hat mit Professor Ulrike Mosel eine anerkannte Sprachforscherin für den südpazifischen Raum, darum finden hier auch einige Studierende den Weg über Projekte in die professi- Große Forscher von der Förde (16) Gustav Radbruch Der Jurist und SPD-Politiker war Justizminister in der Weimarer Republik. An der Kieler Universität lehrte er von 1919 bis 1926. Professor Robert Alexy stellt den bedeutenden Rechtsphilosophen vor. Gustav Radbruch ist der erste deutsche Jurist, dem als Jurist, also nicht, wie Goethe als Dichter oder Max Weber als Soziologe, die Ehre einer Gesamtausgabe zuteil geworden ist. Die 20 Bände dieser Ausgabe, der eine elf Bände umfassende japanische Ausgabe vorangegangen ist, zeigen, wie breit die Interessen Radbruchs gestreut waren. Dabei wird deutlich, dass die Rechtsphilosophie das Zentrum bildet. Entfiele sie, verlöre das Ganze seine Größe. Radbruch wurde am 21. November 1878 in Lübeck als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren. Er studierte ab 1898 Rechtswissenschaft in München, Leipzig und Berlin, wo er 1902 promoviert wurde. Nur ein Jahr später habilitierte er sich in Heidelberg. Diesem rasanten Gang folgte eine Stagnation: Von 1904 bis 1910 blieb Radbruch Privatdozent, von 1910 bis 1914 war er nicht beamteter außerordentlicher Professor. Dem äußeren Stillstand korrespondierte eine lebendige innere Entwicklung. Radbruch sog den Heidelberger Neukantianismus in sich auf. Besondere Anregungen erhielt er von dem Soziologen Max Weber (1864 –1920) und dem Philosophen Emil Lask (1875 –1915). 1910 erschien die »Einführung in die Rechtswissenschaft«, die 1980 ihre 13. Auflage erlebte. 1914 folgten die »Grundzüge der Rechtsphilosophie«, aus denen sein Hauptwerk, die 1932 erschienene »Rechtsphilosophie« hervorgehen sollte. Neben den Grundelementen seiner Rechtsphilosophie entwickeln sich in dieser Zeit auch Radbruchs politische Neigungen: Er engagierte sich zunächst für die Fortschrittliche Volkspartei und dann zunehmend für die Sozialdemokratie. Anfang 1914 erhielt Radbruch, wenn auch nur auf eine außerordentliche Professur, endlich einen Ruf, und zwar nach Königsberg. Wegen seiner Teilnahme an dem bald danach ausbrechenden 1. Weltkrieg konnte er das neue Amt nur sehr sporadisch wahrnehmen. Ende 1918 trat er der SPD bei. 1919 erhielt er einen Ruf nach Kiel, zunächst gegen den Willen der Fakultät auf eine außerordentliche Professur für Öffentliches Recht, was in der Tat nicht Radbruchs Gebiet war, kurz darauf dann, diesmal mit Zustimmung der Fakultät und parallel zu einem Ruf nach Köln, auf einen Lehrstuhl für Strafrecht. Radbruch war nun, 15 Jahre nach seiner Habilitation, wie er durchaus ironisch in seiner Autobiographie vermerkt, endgültig von seiner »Privatdozentenkrankheit« erlöst. Seine sieben »Kieler Jahre« brachen an. Das dramatischste Ereignis dieser Zeit waren für Radbruch die Wellen, die der Putsch rechtsradikaler Kräfte unter Führung von Wolfgang Kapp gegen die Berliner Reichsregierung in Kiel schlugen. Nachdem er am 13. März 1920 von dem Putsch in Berlin gehört hatte, begab er sich zusammen mit Hermann Heller, der später einer der bedeutendsten Staatsrechtslehrer der Weimarer Republik werden sollte, zu den in den Generalstreik getretenen Arbeitern, die die Kieler Reichswerft besetzt hatten und sich zu bewaffnen versuchten. Radbruch und Heller wollten mit dem Militärbefehlshaber in Kiel, Konteradmiral von Levetzow, über einen Waffenstillstand verhandeln, wurden aber festgenommen und vorübergehend in Haft genommen. Nach dem Zusammenbruch des Putsches bemühte sich Radbruch, die sich nunmehr entladende Wut der Arbeiter einzu- Walter Eimer: Portrait Gustav Radbruch, 1938. Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf dämmen. Am 24. März hielt er für 25 Opfer des Putsches auf dem Friedhof Eichhof die Grabrede. Durch sein Verhalten während des Putsches hatte Radbruch sich bei den Sozialdemokraten ein so hohes Ansehen erworben, dass er einen sicheren Platz auf der sozialdemokratischen Reichsliste erhielt. So zog er von 1920 bis 1924 in den Reichstag ein. Während dieser Zeit war er zweimal Reichsminister der Justiz. Nach 1924 überwog das Verlangen, in die Wissenschaft zurückzukehren. Radbruch widmete sich wieder ganz seinem Kieler Universitätsamt. Im Sommersemester 1926 war er Dekan der juristischen Fakultät. Die Kieler Jahre fanden 1926 durch einen Ruf nach Heidelberg ihr Ende. Wieder in Heidelberg, schrieb Radbruch in den letzten Radbruchsche Formel Die dauernde Bedeutung von Radbruchs Rechtsphilosophie beruht wesentlich auf seiner These zum Verhältnis von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit, die ihren endgültigen Ausdruck in der »Radbruchschen Formel« aus dem Jahr 1946 findet. Sie lautet: »Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als ›unrichtiges Recht‹ der Gerechtigkeit zu weichen hat. Es ist unmöglich, eine schärfere Linie zu ziehen zwischen den Fällen des gesetzlichen Unrechts und den trotz unrichtigen Inhalts dennoch geltenden Geset- onelle Sprachforschung. Die meisten heute noch unerforschten lokalen Sprachen sind in Südamerika, Afrika und im Südpazifik beheimatet. Man findet sie aber auch beispielsweise im arabischen Raum. Mit bedrohten iranischen Sprachen beschäftigen sich Wissenschaftler aus aller Welt während einer zweiwöchigen Sommerschule im kommenden August in Kiel. Was aber nutzt ein Feldforschungskurs denjenigen, die keine bedrohte Sprache retten wollen? »Sie üben sich in Detektivarbeit: Sie bekommen ein Puzzle vorgesetzt und lernen, die fehlenden Teile selbst zu finden. Das sind unschätzbare analytische Fähigkeiten«, erklärt Dr. Haig. Am Ende erweitert jeder Kursteilnehmer auch seinen Horizont. »Verstehen, wie Sprache funktioniert und dass die indogermanischen Sprachen nur einen winzigen Ausschnitt der sprachlichen Möglichkeiten bieten, ist eine wichtige Erkenntnis.« so Jahren der Weimarer Republik die dritte und endgültige Auflage seiner Rechtsphilosophie. Rufe nach Hamburg und Berlin lassen die steigende Wertschätzung erkennen. Er lehnte die Rufe jedoch ab. Am 9. Mai 1933 wurde er aufgrund des berüchtigten Gesetzes »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« (RGBl I 1933, S. 175) als erster Universitätsprofessor nicht aus rassischen, sondern aus politischen Gründen entlassen. Radbruch blieb in Deutschland, musste jedoch vorwiegend im Ausland publizieren. Die Annahme von Rufen an die Universitäten Kaunas in Litauen und Zürich wurde ihm verwehrt. Er konnte aber 1935/36 einen einjährigen Studienaufenthalt am University College in Oxford wahrnehmen, der sich vor allem in seinem 1945 erschienenen Buch »Der Geist des englischen Rechts« niederschlug. 1945 änderte sich wiederum alles. Radbruch kehrte als erster Heidelberger Nachkriegsdekan auf seinen Lehrstuhl zurück. Es entstanden die berühmten Arbeiten des Radbruchschen Spätwerkes, vor allem der 1946 erschienene Aufsatz »Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht«. Am 23. November 1949 starb Radbruch in Heidelberg im Alter von 71 Jahren. Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Artikels von Robert Alexy über Gustav Radbruch, den er in der »Christiana Albertina« (Heft 58) 2004 veröffentlicht hat. Professor Alexy ist Inhaber des Kieler Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie am Juristischen Seminar. zen; eine andere Grenzziehung aber kann mit aller Schärfe vorgenommen werden: Wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur ›unrichtiges Recht‹, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur.« Diese einflussreichste rechtsphilosophische These des 20. Jahrhunderts lässt sich auf die Kurzfassung bringen: Extremes Unrecht ist kein Recht. Sie liegt der Rechtsprechung der deutschen Gerichte zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts zugrunde und ist zwecks Beurteilung des DDR-Unrechts in den Mauerschützenprozessen wieder aufgegriffen worden. Aber sie wird auch heftig kritisiert. Diese Diskussion hat eine Breite wie kaum eine andere rechtsphilosophische Debatte. ne Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Veranstaltungen 27.01.07 – 06.04.07 Alle Veranstaltungen auch unter: www.uni-kiel.de/veranstaltungen Januar 27.1. 2000 Samstag Semesterkonzert Johannes-Passion (BWV 245) von Johann Sebastian Bach in der Bearbeitung von Robert Schumann | Christiane Maria Vetter, Sopran; Manuela Mach, Alt; Mario Trelles Diaz, Tenor; Thomas Peter, Bass; Julian Redlin, Bass; Collegium musicum und Studentenkantorei,Leitung: Universitätsmusikdirektor Bernhard Emmer, Kiel 3Kiel, Schloss, Wall 74 – Konzertsaal 28.1. 1030 Sonntag Glöwt an dat Licht Plattdeutscher Gottestdienst | Pastor Ulrich Gradert Institut für praktische Theologie 3 Kiel, Universitätskirche am Westring 29.1. 1815 Montag Alter, Gesundheit und aktiver Lebensstil Ringvorlesung | Hormonveränderungen im Alter und Möglichkeiten der Gegensteuerung | Dr. Ferdinand Kokenge, Kiel Institut für Sport und Sportwissenschaft u. a. 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 29.1. 2000 Montag 31.1. 1615 Mittwoch 4.2. 1030 Sonntag 7.2. 1615 Mittwoch Toxikologie vom Feinsten: Nanotechnologie Vortrag | Dr. Christiane Aschmann, Kiel Institut für Toxikologie und Pharmakologie 3Kiel, Brunswiker Straße 10 – Seminarraum 4. OG Semesterschlussgottesdienst mit Abendmahl Prof. Reiner Preul, Kiel Theologische Fakultät 3 Kiel, Westring/Olshausenstraße – Universitätskirche Toxikologie der Textilhilfsstoffe und Farbmittel Vortrag | Prof. Thomas Platzek, Berlin Institut für Toxikologie und Pharmakologie 3 Kiel, Brunswiker Straße 10 – Seminarraum 4.OG 20.2. 1930 Dienstag 27.3. ab 800 Dienstag Reisen in Mikro- und Nanowelten Vortrag | Prof. Manfred Euler, Kiel SHUG, Sektion Neustadt 3 Neustadt, Am Kiebitzberg 10, Klinikum Neustadt – Vortragssaal Studien-Informations-Tage. Universität und Land Informationsveranstaltung für Schülerinnen, Schüler und Studieninteressierte 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2 – Audimax 7.2. 1800 Mittwoch 21.2. 1930 Mittwoch Die Kultur denken Ringvorlesung Kultur denken: Rechtlicher Rahmen und Auftrag | Dr. Cornelia Vismann, Frankfurt/Main Philosophisches Seminar 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 August der Starke. Bauherr – Sammler – Fürst | Vortrag | Prof. Hansjürgen Flügel, Kiel SHUG, Sektion Kronshagen 3 Kronshagen, Kopperpahler Allee 69 – Bürgerhaus 7.2. 2000 Mittwoch März 4.2. 1100 Sonntag 31.1. 1800 Mittwoch Die Kultur denken Ringvorlesung Sprache und Sprachlosigkeit der Kulturphilosophie | Dr. Ralf Becker, Kiel Philosophisches Seminar 3Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 31.1. 1830 Mittwoch Informatik umgibt uns Ringvorlesung | Intelligente autonome Roboter: Möglichkeiten und Grenzen | Prof. Erik Maehle, Lübeck Institut für Informatik 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, Audimax – Hörsaal A Aktuelle Probleme der Osteuropaforschung Offener Gesprächskreis | Zwischen Dresden und Moskau: Architektonische Rekonstruktion und Geschichtspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg Dr. Arnold Bartetzky, Leipzig Osteuropäische Geschichte 3 Kiel, Leibnizstraße 8 – Seminarraum 225/228 30.1. 1800 Dienstag Angewandte Linguistik Ringvorlesung | Multimediale Lexikographie | Dr. Gaby Cablitz, Kiel Romanisches Seminar 3 Kiel, Leibnizstraße 10 – Hörsaal 125 30.1. 1800 Dienstag Ulrich Haarmann Gedächtnisvorlesung Vortrag | Jidda: Portrait einer kosmopolitischen Stadt auf der Arabischen Halbinsel im 19. Jahrhundert | Prof. Ulrike Freitag, Berlin Seminar für Orientalistik 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, Audimax – Hörsaal K 30.1. 1815 Dienstag Hauptwerke der Weltliteratur Ringvorlesung | Vergil: Aeneis Prof. Thorsten Burkard, Kiel Germanistisches Seminar 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 30.1. 2000 Dienstag Semesterkonzert wie 27. 1. 5.2. 1815 Montag Alter, Gesundheit und aktiver Lebensstil Ringvorlesung | Allergien – die neue Herausforderung? Prof. Jochen Brasch, Kiel Institut für Sport und Sportwissenschaft u. a. 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 Art is a Division of Pain Vortrag Avantgardistisches im Pop/Rock. Versuch unpolemischer Betrachtungsweisen | Dr. Alexander Schwan, Karlsruhe Musikwissenschaftliches Institut 3 Kiel, Düsternbrooker Weg 1, Kunsthalle – Videostudio 5.2. 1930 Montag 7.2. 2000 Dienstag Einführung in den Islam Vortrag Prof. Anja Pistor-Hatam, Kiel Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft (SHUG), Sektion Kiel 3 Kiel, Christian-AlbrechtsPlatz 2, Audimax – Hörsaal C Andorra Theaterstück | theater poetry slam Studentenwerk Schleswig-Holstein 3 Kiel, Westring 385 – Sechseckbau 31.1. 1915 Mittwoch Schlaraffenäbte, Spieler und Verlorene Söhne Gastvortrag Das Verschwenderleben des Unbehausten im Spiegel der profanen Wandmalerei des 14. Jahrhunderts | Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Kassel Kunsthistorisches Institut 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, Audimax – Hörsaal C Semesterkonzert wie 27. 1. 30.1. 1800 Dienstag Pflanzen bei der Arbeit zugeschaut: Optische Techniken in der Forschung Sonntagsvortrag Prof. Wolfgang Bilger, Kiel Botanisches Institut und Botanischer Garten 3 Kiel, Am Botanischen Garten – Eingangshalle der Gewächshäuser Februar Andorra wie 7. 2. 6.2. 1700 Dienstag Werbung und Produkterfahrung: Gegner oder Verbündete? Antrittsvorlesung | Prof. Ulrich Orth, Kiel Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, Audimax – Hörsaal E 1.2. 1800 Donnerstag Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im globalen Zeitalter Ringvorlesung | WTO und ILO: Geht die soziale Verantwortung im Welthandel unter? | Prof. Josef Falke, Bremen Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 3 Kiel, Christian-AlbrechtsPlatz 2, Audimax – Hörsaal B 6.2. 1800 Dienstag Angewandte Linguistik Ringvorlesung | Expertenwissen – Laienwissen: Die Struktur fachbezogener Kommunikation im Alltag | Prof. Ulrich Hoinkes, Kiel Romanisches Seminar 3 Kiel, Leibnizstraße 10 – Hörsaal 125 Kiel modern 1857. Eine Ausstellung wird rekonstruiert Ausstellungseröffnung Kunsthalle 3 Kiel, Düsternbrooker Weg 1 Hauptwerke der Weltliteratur Ringvorlesung | Sophokles: König Ödipus | Prof. Lutz Käppel, Kiel Germanistisches Seminar 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 1.2. 2000 Donnerstag Georg Friedrich Händel: Messias Konzert | Heike Wittlieb, Sopran; Karin Kunde, Alt; Steffen Doberauer, Tenor; Hans Georg Ahrens, Bass; Akademischer Chor und Kammerorchester | Dirigent: Klaus Volker Mader 3 Kiel, Weimarer Straße 3 – Petruskirche 6.2. 1930 Dienstag Das Adlige Gut Bothkamp in Holstein und seine Sternwarte Vortrag | Prof. Gerhard Kortum, Kiel SHUG, Sektion Bordesholm 3 Bordesholm, Lindenplatz 18 – Haus der Kirche 7.2. 900–1500 Mittwoch 2.2. 900 Freitag 57. Öffentliche Hochschultagung der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät Vorträge Auswirkungen der Agrar- und Ernährungspolitik auf ländliche Räume und den Verbraucher Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2 – Audimax 10.2. 2000 Samstag Andorra wie 7. 2. 11.2. 2000 Sonntag Andorra wie 7. 2. 12.2. 1815 Montag Alter, Gesundheit und aktiver Lebensstil Ringvorlesung | Augenkrankheiten im Alter – was kann man tun? | Prof. Gernot Duncker, Halle Institut für Sport und Sportwissenschaft u. a. 3 Kiel, Olshausenstraße 75, Gebäude H – Hörsaal 3 8. Kieler Messe für Auslandspraktika Informationsveranstaltung 3 Kiel, Christian-AlbrechtsPlatz 2, Audimax – Foyer 7.2. 1200 Mittwoch Ozean der Zukunft Ringvorlesung Ozean- und Klimaänderungen im 20. und 21. Jahrhundert: Ergebnisse des neuen IPCC-Berichts Prof. Jürgen Willebrand, Kiel Exzellenzcluster 3 Kiel, Christian-Albrechts-Platz 2, Audimax – Hörsaal A 4.3. 1100 Sonntag Radikale in Pflanzen. Kleine Moleküle mit vielseitigen Funktionen | Sonntagsvortrag | Prof. Christine Desel, Kiel Botanisches Institut und Botanischer Garten 3 Kiel, Am Botanischen Garten – Eingangshalle der Gewächshäuser 6.3. 1930 Dienstag Drei Wege zum sinnerfüllten Leben: drei Wege zum Glück Vortrag | Prof. Bijan Amini, Kiel SHUG, Sektion Neumünster 3Neumünster, Am Alten Kirchhof 16 – Evangelisches Bildungswerk 15.3. 2000 Donnerstag 15.3. 2000 Donnerstag Enge Verwandte unter der Lupe. Verhalten und Genetik der Rhesusaffen von Cayo Santiago | Vortrag | Prof. Michael Krawczak, Kiel SHUG, Sektion Neumünster 3Neumünster, Am Alten Kirchhof 16 – Evangelisches Bildungswerk Reisen in Mikro- und Nanowelten Vortrag | Prof. Manfred Euler, Kiel SHUG, Sektion Bad Segeberg 3 Bad Segeberg, Bismarckallee 5 – Villa Flath Donnerstag Sokrates und Platon: ein weltgeschichtliches Drama Vortrag Prof. Wolfgang Deppert, Kiel SHUG, Sektion Bad Segeberg 3 Bad Segeberg, Bismarckallee 5 – Villa Flath 19.2. 2000 Montag Wie haben große Erfindungen unser Leben verändert? 100 Jahre Nobelpreise | Vortrag | Prof. Ruprecht Haensel, Kiel SHUG, Sektion Trappenkamp-Bornhöved 3 Trappenkamp, Am Markt 3 – Bürgerhaus Studien-Informations-Tage. Uni- versität und Land wie 27. 3. 1.4. 1100 Sonntag Lehrwanderung Joachim Richter, Kiel Botanisches Institut und Botanischer Garten 3 Kiel, Am Botanischen Garten – Haupteingang Veranstalter 13.3. 1930 Dienstag 13.2. 1930 Dienstag 15.2. 20 29.3. ab 800 Donnerstag Sizilien: Schnittpunkt der Kulturen Vortrag | Prof. Hermann Achenbach, Kiel SHUG, Sektion Bordesholm 3 Bordesholm, Lindenplatz 18 – Haus der Kirche Andorra wie 7. 2. 00 Studien-Informations-Tage. Universität und Land wie 27. 3. April Die Rhetorik in der Antike. Durch Worte siegen, das Wort als Vergnügen | Vortrag | Prof. Konrad Heldmann, Kiel SHUG, Sektion Trappenkamp-Bornhöved 3 Trappenkamp, Goethestraße 1 – VHS-Saal 12.2. 2000 Mittwoch 6.2. 1815 Dienstag 1.2. 1900 Donnerstag 9.2. 2000 Freitag 28.3. ab 800 Mittwoch Impressum unizeit Nachrichten und Berichte aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Erscheint mit Unterstützung der Kieler Zeitung GmbH & Co. Offsetdruck KG als Beilage der Kieler Nachrichten Herausgeber: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Rektorat Redaktionsleitung: Susanne Schuck (sck) Redaktion/Texte: Kerstin Nees (ne), Martin Geist (mag), Sandra Ogriseck (so), Jörg Siebels (js), Sandra May (may), Julia Zahlten (jz) unizeit-Kalender: Maike Schüßler 20.3. 1930 Dienstag Festsitzender Zahnersatz durch dentale Implantate Vortrag | Prof. Jörg Wiltfang, Kiel SHUG, Sektion Kronshagen 3 Kronshagen, Kopperpahler Allee 69 – Bürgerhaus 20.3. 1930 Dienstag Die Qanate des iranischen Binnenhochlandes. Ein historisches unterirdisches Bewässerungssystem | Vortrag | Prof. Gerhard Kortum, Kiel SHUG, Sektion Neustadt 3Neustadt, Am Kiebitzberg 10, Klinikum – Vortragssaal 22.3. 1900 Donnerstag Das El Niño-Phänomen Vortrag Prof. Mojib Latif, Kiel SHUG, Sektion Kronshagen u. a. 3 Kronshagen, Kopperpahler Allee 69 – Bürgerhaus Fotos: aboutpixel.de (S. 2 o., S. 6) CAU (S. 7 o. re.), Corbis (S. 1, S. 8 m.), pixelquelle (S. 8 o.), pur.pur ( S. 2 u., S. 3, S. 7 Porträts, S. 8 u.) Produktion: pur.pur GmbH Visuelle Kommunikation, Kiel Grafisches Konzept: büro für mitteilungen, Hamburg Druck: Kieler Zeitung GmbH & Co. Versand: Tel 0431/880-2104 [email protected] Die Beiträge geben nicht grundsätzlich die Meinung der Herausgeber oder der Redaktion wieder. Alle Termin- und Ortsangaben ohne Gewähr. Die nächste »unizeit« erscheint am 07. 04. 2007 Pflanze, Tier und Mensch Nicht nur Theoretiker sind dabei, wenn die Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät zu ihrer öffentlichen Hochschultagung einlädt. Auch Frauen und Männer aus der Praxis schätzen die inhaltliche Vielfalt dieser Veranstaltung. Das Leitthema lautet diesmal: »Auswirkungen der Agrar- und Ernährungspolitik auf ländliche Räume und den Verbraucher«. Angesichts der geballten Informationen, die am 2. Februar bei der Hochschultagung unter die Teilnehmer gebracht werden, verteilt sich das Programm gleich auf drei Hörsäle des Audimax. Es beginnt um 9 Uhr in Hörsaal G mit der Eröffnung durch Dekan Professor Joachim Krieter sowie Grußworten von Rektor Professor Thomas Bauer und vom Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Christian von Boetticher. Ebenfalls in Hörsaal G steht um 10:15 Uhr ein Thema an, das für den bäuerlichen Alltag von erheblicher Bedeutung ist. Professor Friedhelm Taube und Professor Henning Kage vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung befassen sich mit den Auswirkungen der EU-Umweltpolitik auf die Pflanzenproduktion in Schleswig-Holstein. Um 11:15 Uhr widmet sich Professor Jutta Roosen vom Institut für Ernährungswirtschaft und Verbraucherlehre dem Einfluss der Agrar- und Ernährungspolitik auf die Verbraucher. Zwischen 13:30 und etwa 17 Uhr kommt in diesem Hörsaal Bioenergie ebenso zur Sprache wie die Analyse erfolgs- und effizienzbestimmender Faktoren im ökologischen Landbau. Rund ums Tier drehen sich die Beiträge auch zwischen 13:30 und 17 Uhr in Hörsaal H. Dort stehen der Strukturwandel von Molkereien und seine Auswirkung für die ländlichen Räume in Schleswig-Holstein auf dem Programm, aber auch die Zukunft der Weide für die Milchviehhaltung und das so genannte Gesundheitsmonitoring in hiesigen Milchviehbetrieben. In Hörsaal C spielen am Nachmittag Ernährung und Gesundheit die Hauptrolle. Wer sich für den Zusammenhang zwischen Lebensstil und gesundheitsbewusstem Verhalten interessiert oder für die Arbeit der seit fünf Jahren bestehenden Arbeitsgruppe Lebensmittelqualität und -sicherheit, kommt in diesem Hörsaal auf seine Kosten. Der Eintritt zur 57. öffentlichen Hochschultagung, deren Mitveranstalter die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und der Berufsverband Agrar, Ernährung, Umwelt sind, ist wie immer frei. mag Siehe Kalender unizeit | personen + projekte | seite 7 Astrid Holzheid Andreas Oschlies Rainer Wehrhahn Konzerttipp ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER ERDE KLIMAMODELLE UND MEERESBIOLOGIE STADTENTWICKLUNG UND MIGRATION JOHANNES-PASSION IM KIELER SCHLOSS Metallischer Kern mit Silikatmantel und Kruste – der Aufbau der Erde und anderer terrestrischer Planeten wie Merkur, Venus und Mars ist bereits seit über hundert Jahren bekannt. Wie dieser Kern aus eisenreichem Metall entstanden sein könnte, versucht Professor Astrid Holzheid in Experimenten nachzuvollziehen. »Ich versuche die Prozesse, die sich früher auf der Erde abgespielt haben, und solche, die heute noch ablaufen, im Labor zu simulieren.« Hierzu untersucht sie zum Beispiel die physikalisch-chemische Wechselwirkung und Trennung nebeneinander bestehender Silikat- und Metallschmelzen und beobachtet, welchen Einfluss verschiedene Druck- und Temperaturbereiche auf diese Prozesse haben. In der Silikatschmelze sieht sie in ihren Experimenten den Silikatmantel, in der Metallschmelze den Erdkern. Holzheid: »Anhand dieser Experimente erfahre ich, welche Bedingungen geherrscht haben müssen, damit sich dieser Metallkern überhaupt bilden konnte.« Forschungsschwerpunkt der Petrologin, die zweieinhalb Jahre am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) geforscht hat, sind die Prozesse, die im silikatischen Mantel und in der Kruste der Erde ablaufen. »Die Kruste ist das, worauf wir leben, der Mantel ist teilweise geschmolzen und steht in Wechselbeziehungen zum metallischen Kern sowie zur Erdkruste.« Holzheid ist Mitglied im Exzellenzcluster »Ozean der Zukunft«. ne Wie reagiert das Leben im Meer auf Klimaänderungen, und wie kontrolliert es das Klima der Erde? Das sind die wesentlichen Fragen, mit denen sich Professor Andreas Oschlies in der Forschung beschäftigt. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Entwicklung neuartiger mariner Ökosystemmodelle, die eine Darstellung mariner Nährstoff- und Kohlenstoffflüsse, wie zum Beispiel die Kohlendioxidaufnahme durch Algenblüten, für vergangene, heutige und mögliche zukünftige Klimazustände erlauben. »Veränderungen in der marinen Biologie spielen vermutlich eine große Rolle für die derzeit nicht vollständig erklärbaren starken Temperatur- und Kohlendioxid-Schwankungen der letzten Eiszeit-Warmzeit-Zyklen«, erklärt Oschlies. »Mit Klimamodellen, in die wir Beschreibungen biogeochemischer Kreisläufe einbauen, können wir am Computer nun verschiedene Szenarien vergangener und zukünftiger Klimaänderungen durchspielen und durch Abgleich mit konkreten Messwerten verschiedene Hypothesen über die Rolle der marinen Biologie überprüfen.« Im durch die Exzellenzinitiative geförderten Forschungscluster »Ozean der Zukunft« beschäftigt sich der Physiker vor allem mit der Simulation der zukünftigen KohlendioxidAufnahme des Ozeans. »An meinem Arbeitsplatz, dem IFM-GEOMAR, fasziniert mich insbesondere die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen experimentellen und modellierenden Arbeitsgruppen aller vertretenen Fachrichtungen.« ne Astrid Holzheid, 38 Jahre. Seit November 2006 Professorin für experimentelle und theoretische Petrologie an der Christian-Albrechts-Universität. Geboren in Mainz. Studium der Geologie und Mineralogie an den Universitäten Mainz und Edinburgh, Schottland. Max-PlanckInstitut für Chemie, Mainz. 1996 Promotion an der Universität Köln. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mineralogie und Geochemie der Universität Köln und am Bayerischen Geoinstitut in Bayreuth. Postdoc (DFG-Forschungsstipendium) am Massachusetts Institute of Technolgy (MIT), Cambridge, USA. Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Mineralogie der Universität Münster. 2003 Habilitation. Hochschuldozentin an der Universität Münster. Andreas Oschlies, 40 Jahre. Seit August 2006 Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Geboren in Oldenburg. Physikstudium an den Universitäten Heidelberg und Cambridge, Großbritannien. 1994 Promotion am Institut für Meereskunde (IfM) in Kiel. Postdoc am Laboratoire d’Etudes en Géophysique et Océanographie Spatiales in Toulouse, Frankreich. Hochschulassistent am IfM, Leiter der interdisziplinären Stickstoffgruppe. 2002 Habilitation. Professor für Physikalische Ozeanographie am National Oceanography Centre Southampton, Großbritannien. Städte und Regionen müssen sich ständig neuen ökonomischen, sozialen und demographischen Herausforderungen stellen, um ihre Zukunftsfähigkeit nicht zu verlieren. Zuwanderung und demographischer Wandel sind dabei zwei aktuelle Forschungsthemen in der Bevölkerungsgeographie. »Ausgangspunkt unserer Forschung ist die zunehmende Diversität (Vielfalt) der Migration nach Europa«, berichtet Professor Rainer Wehrhahn. Vor diesem Hintergrund befasst sich seine Arbeitsgruppe unter anderem mit folgenden Fragen: Wie geht man mit der Verschiedenartigkeit der Zuwanderer in Städten um? Und welche Integrationskonzepte gibt es? Daneben untersucht Wehrhahn auch die Auswirkungen des soziodemographischen Wandels für Städte und Regionen in Deutschland. »Hier geht es zum Beispiel darum, die Anforderungen einer älter werdenden Gesellschaft an Wohnungsmärkte und kommunale Infrastrukturen zu ermitteln, und Konzepte zu entwickeln, wie Politik und Stadtplanung darauf reagieren könnten«, erklärt der Geograph, der viele Jahre in Brasilien geforscht hat. Die Entwicklung europäischer Metropolen und von Megastädten in Schwellenländern ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls Anthropogeographie. »In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt untersuchen wir zusammen mit Kollegen von der RWTH Aachen die Dynamik des Strukturwandels in Megastädten am Beispiel des Perlflussdeltas in China. Der Fokus liegt hierbei auf der Siedlungsentwicklung und dem Wassermanagement.« ne Die Universität lädt heute Abend um 20 Uhr zum Semesterabschlusskonzert ins Kieler Schloss ein. Unter Leitung von Universitätsmusikdirektor Bernhard Emmer präsentieren Collegium musicum und Studentenkantorei der Christian-Albrechts-Universität gemeinsam mit Gesangssolisten die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach in der Bearbeitung von Robert Schumann (1851). Bereits im Januar 2001 wurde mit der Rekonstruktion einer Fassung der bachschen Matthäus-Passion von Felix Mendelssohn Bartholdy (1841) ein ähnliches Projekt mit großem Erfolg umgesetzt. Felix Mendelssohn Bartholdy hatte mit seinen Aufführungen der Vokalmusik Bachs – die damals nur wenigen Kennern bekannt war – ab 1829 nicht nur Aufsehen erregt, sondern auch einen wichtigen Anstoß für weitere Aufführungen der Passionsmusiken in Deutschland gegeben. Damit beeinflusste er auch den zeitgenössischen Musiker Robert Schumann. Die umfangreiche Bach-Rezeption Schumanns führte schließlich zu einer Aufführung der Johannes-Passion mit Chor und Orchester des Düsseldorfer Musikvereins am 13. April 1851. Um für den heutigen Konzertabend im Kieler Schloss die damalige Aufführungspraxis mit ihren Änderungen und Eigenarten möglichst getreu nachzuempfinden, wurde unter anderem auch ein originales Hammerklavier von 1848 aus der international renommierten Instrumentensammlung von Professor Andreas Beurmann geliehen – seinerzeit spielte Clara Schumann an einem vergleichbaren Instrument. ne Rainer Wehrhahn, 44 Jahre. Seit April 2006 Professor für Anthropogeographie an der Christian-AlbrechtsUniversität. Geboren in Oldenburg/Holstein. Studium der Fächer Geographie und Französisch an der Universität Kiel. Forschungsaufenthalte und Gastdozenturen in Brasilien, Argentinien, Kuba, Spanien und Italien. 1994 Promotion. 2001 Habilitation. Lehrstuhlvertretung an der Universität Stuttgart. Professor für Stadt- und Bevölkerungsgeographie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Weitere Konzerttermine: 29. und 30. Januar. Der Eintritt ist frei. Einlasskarten für die Konzerte am Montag und Dienstag gibt es im Büchershop der Mensa I, bei der Buchhandlung Weiland, Holtenauer Straße, sowie bei Ruth König Klassik und der Konzertkasse Streiber. Die Karten für die heutige Premiere gibt es nur noch an der Abendkasse. Siehe Kalender Seite 6 Harte Schale, weicher Kern Blickfang Am Kieler Lehrstuhl für Physikalische Chemie entwickelte Dr. Ingo Berndt unter Leitung von Professor Walter Richtering in seiner Promotionsarbeit Nanopartikel mit besonderen Eigenschaften. Das Besondere an den Mini-Kügelchen ist ihr Aufbau: »Ich habe Teilchen hergestellt, die eine Kern-Schale-Morphologie besitzen. Dabei bestehen Kern und Schale aus unterschiedlichen Polymeren, die verschieden auf Temperaturänderungen reagieren«, erklärt Dr. Berndt, der mittlerweile bei B. Braun Aesculap in Tuttlingen, einem Unternehmen der Gesundheitsversorgung, arbeitet. »Beide Polymere quellen im Wasser auf und bilden so genannte Mikrogele.« Entscheidend für eine spätere Anwendung der Teilchen ist, dass sich das Wasseraufnahmevermögen zwischen den Polymerbausteinen unterscheidet und dass es durch die Umgebungstemperatur gesteuert werden kann. Bei 70 Grad Celsius, der Herstellungstemperatur, sind beide Polymere dicht gepackt. Sie können kaum Wasser und darin gelöste Substanzen aufnehmen. Werden die Mikrogele auf unter 34 Grad Celsius abgekühlt, so haben Kern und Schale den höchsten Wassergehalt und die niedrigste Dichte. Gelöste Moleküle können durch die Schale hindurch in den Kern gelangen und sich dort verteilen. Interessant wird es, wenn man die Temperatur auf 39 Grad erhöht. Dabei ändert sich ausschließlich das Quellverhalten der Schale. Sie gibt Wasser ab, schrumpft zusammen und bildet eine dichte Hülle um den Kern. Nanopartikel mit einer Schale, deren Dichte sich temperaturabhängig regeln lässt, eignen sich laut Berndt für vielfältige industrielle und biomedizinische Anwendungen. So können die Mikrogele beispielsweise bei Reinigungsprozessen mit Verunreinigungen beladen werden, die nach Temperaturerhöhung eingeschlossen und ganz einfach abgetrennt werden können. Durch die dichte Schale können pharmazeutische Wirkstoffe nur sehr langsam nach außen gelangen; auf diese Weise eignen sich die Mikrogele für eine kontrollierte Freisetzung von Wirkstoffen über einen längeren Zeitraum. In seiner Promotionsarbeit hat Berndt in Kooperation mit Professor Jan Skov Pedersen von der Universität Arhus, Dänemark, die Größe der Teilchen als eine Funktion der Temperatur aufgezeichnet und die Struktur im Inneren der Teilchen aufgeklärt. Die Arbeit wurde mit dem Familie-Schindler-Förderpreis 2006 ausgezeichnet. ne Auge in Auge – Ringelnatter und Erdkröte. Foto: Giesbers Das Zoologische Museum präsentiert in seiner ersten Sonderausstellung in diesem Jahr mit dem Titel »Glanzlichter. Die unglaublichen Tierfotos europäischer Tierfotografen« Fotokunstwerke der Extraklasse. Die Wanderausstellung des »projekts natur & fotografie« mit ausgewählten Fotografien des 7. Internationalen Naturfoto-Wettbewerbs 2005 zeigt Highlights von ambitionierten Tierfotografen. Die Fotoausstellung mit etwa 35 Werken ist bis zum 25. März 2007 in den regulären Öffnungszeiten zu besichtigen. ne Zoologisches Museum, Hegewischstraße 3, Öffnungszeiten: dienstags bis samstags 10 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags 10 bis 13 Uhr www.zoologisches-museum-kiel.de unizeit | forschung + praxis | seite 8 27. 01. 2007 Reden und reden lassen Lehrer sollten neben vielem anderen auch Profis in puncto Kommunikation sein. Das Know-how hierfür können Lehramtsstudenten am Institut für Psychologie erwerben. Lehrer haben einen schlechten Stand in unserer Gesellschaft. Alle hacken auf ihnen herum und das nicht erst seit den Ergebnissen der PISA-Studien. Auch der kürzlich vorgeschlagene Eignungstest für Studenten, die ein Lehramtsstudium erwägen, passt in dieses Konzept vom unvollkommenen Lehrer. Das Problem: »Eigentlich verlangen wir viel zu viel von unseren Lehrern. Trotzdem müssen sie es leisten«, stellt auch die Kieler Psychologin Dr. Anna ZaunbauerWomelsdorf vom Institut für Psychologie fest. »Lehrer müssen nicht nur Wissen vermitteln und Lernziele mit den Schülern erreichen, sondern sie müssen auch gute Beziehungen zu den Schülern und deren Eltern aufbauen und pflegen. Gerade im Zwischenmenschlichen sollten sie besonders gut sein. Vielleicht mangelt es dort bei vielen Lehrern, weil sie in der Ausbildung davon wenig mitbekommen.« Die wenigen Semesterwochenstunden, die Lehramtsstudenten im Fach Psychologie belegen müssen, reichten bei den heutigen Anforderungen nicht aus. Dabei ist das Angebot vorhanden. Der Lehrstuhl Psychologie für Pädagogen bietet verschiedene Lehrveranstaltungen an, die dazu beitragen, die zwischenmenschlichen Herausforderungen im Schulalltag zu meistern. Die meisten davon sind aber keine Pflichtveranstaltungen, so Zaunbauer-Womelsdorf, wie zum Beispiel die Seminare zu Gesprächsführung und Kommunikation. »Gerade Lehrer brauchen kommunikative Kompetenzen, zum Beispiel fürs Elterngespräch. Darüber kann man das Vertrauen der Auch wenn’s schwer fällt: Probleme müssen angesprochen werden. Foto: Corbis Eltern gewinnen. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass zwischen Lehrern und Eltern eine fruchtbare Zusammenarbeit bei Konflikten möglich ist und sich Eltern bei Problemen ihres Kindes in der Schule oder auch zu Hause überhaupt an den Lehrer wenden.« Außerdem müssten Lehrer auch gelernt haben, zwischen den Zeilen zu lesen, also die wahren Probleme hinter dem Gesagten zu verstehen. Wie widersprüchlich Kommunikation ist, veranschaulicht ein Beispiel: Ein Lehrer sagt zu den Eltern seines Schülers: »Ihr Sohn macht mir Spaß.« Dabei meint er etwas ganz anderes, denn er macht gleichzeitig ein zerknirschtes Gesicht. Oder, der Vater sagt, »mich interessiert Ihre Meinung« und schaut dabei aus dem Fenster. Der Gesichtsausdruck beziehungsweise die Körperhaltung widerspricht den geäußerten Worten. Dadurch wirkt das Gesagte unglaubwürdig. Die nonverbalen Signale, die unser Körper zum Beispiel mit Gesicht, Händen und Haltung vermittelt, sind meistens unmittelbarer mit unserem tatsächlichen Empfinden verbunden als die sprachlichen Botschaften. Sie sind häufig ehrlicher. Wenn verbale und nonverbale Kommunikation nicht zusammenpassen, glaubt man nonverbalen Signalen deshalb eher, da sie als unverfälschter aufgefasst werden. Diese Zusammenhänge zu erkennen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie eine tatsächliche Verständigung erreicht werden kann, das möchten die Kommunikationsexperten am Institut für Psychologie Lehramtsstudierenden in den Seminaren vermitteln. »Wir legen die theoretische Basis und vertiefen die Kenntnisse in Rollenspielen. Es ist aber kein Kommunikationstraining. Jeder muss darüber hinaus die Techniken der Gesprächsführung weiter trainieren. Übungsfelder gibt es im Alltag genug.« Tipps für das Gespräch mit dem Lehrer Wiederholter Unterrichtsausfall, eine vielleicht ungerechte Benotung, zu viele Hausaufgaben oder störende Mitschüler – es gibt zahlreiche Themen, die Eltern und Schülern im Unterrichtsalltag unter den Nägeln brennen. Die Elternsprechstunde ist dafür da, solche Dinge zu klären. - Wenn Probleme auftreten, vereinbaren Sie frühzeitig ein Gespräch mit dem Lehrer und gehen Sie möglichst ohne Vorurteile ins Gespräch. Suchen Sie nicht nach einem Schuldigen für die Probleme, sondern nach Lösungsmöglichkeiten. - Sie haben im Gespräch die Chance zu sagen, was sie oder ihr Kind belastet. Klagt ihr Kind über Bauch- Ein wichtiges Kommunikationsmittel, gerade für Lehrer, sei zu schweigen und die Eltern zum Sprechen aufzufordern. Zaunbauer-Womelsdorf: »Dabei sollte man die Eltern reden lassen und sich deren Sicht der Dinge anhören, ohne ihnen die eigenen Maßstäbe und Moralvorstellungen überzustülpen. Schließlich sollte man die Eltern nie nur mit negativen Momenten aus dem Gespräch entlassen. Wenn ein Kind in allen Fächern schlecht ist und nur in Musik gut ist, dann muss man das betonen. Den Lehrern kann man nur den Tipp geben, Eltern regelmäßig über Fragen zum eigenen Kind, zum Unterricht und zum Schulleben zu informieren. Und die Eltern sollten sich nicht schämen, Fragen zu stellen.« ne schmerzen, wenn es nur an die Schule denkt, dann sollten Sie das dem Lehrer sagen. Fühlt sich das Kind ungerecht benotet, sagen Sie genau das. - Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. - Stellen Sie Fragen und vermeiden Sie Vorwürfe. Wenn zum Beispiel seit mehreren Wochen der Sportunterricht ausfällt, fragen Sie, wie lange die Lehrkraft noch fehlt oder wie man eine Ersatzstunde regeln könnte. - Wenn der Lehrer zu einem Gespräch bittet, unterhalten Sie sich vor diesem Gespräch mit Ihrem Kind. Lassen Sie sich alles berichten, was wichtig ist. Notieren Sie sich Ihre Fragen und Ansichten und nehmen Sie die Notizen mit ins Gespräch. ne Optionen? Aber sicher! Geldanlage mit Optionspapieren? Otto Normalsparer wendet sich mit Grausen ab. Zu Unrecht, findet der Betriebswirt Sven Meincke. Wer von Börsengeschäften mit Optionen hört, denkt an Horrorgeschichten über windige, nicht selten in den blanken Ruin mündende Spekulationen mit Schweinebäuchen in Südamerika. Doch dies ist nur die düstere Seite der Medaille. In Wirklichkeit, so betont Sven Meincke, können Optionen auch für sicherheitsbewusste Kapitalanleger eine rundum empfehlenswerte Sache darstellen. Der Laie mag darüber staunen, doch der Fachmann wundert sich mitnichten. Meincke, der am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft von Professor Peter Nippel eine Dissertation zu diesem Thema verfasst hat, veranschaulicht das mit einem plastischen Beispiel. »Eine Vollkaskoversicherung fürs Auto ist vereinfacht ausgedrückt nichts anderes als eine Option«, betont der Nachwuchswissenschaftler, der nach Einschätzung seines Doktorvaters seine Sache in dieser Dissertation »richtig gut gemacht« hat. Aber wie ist das genau gemeint mit der Vollkaskoversicherung? Autofahrer X vereinbart in diesem Fall mit der Versicherungsgesellschaft Y im Prinzip eine Garantie für die Rücknahme seines Fahrzeugs unter bestimmten Bedingungen und innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Sollte sein Fahrzeug bei Glatteis gegen den Baum fahren, würde er sich demzufolge der beruhigenden Gewissheit erfreuen, seinen materiellen Schaden ersetzt zu bekommen. Ein bisschen anders, aber eben doch ähnlich, ist es mit Optionsgeschäften. Die können in Form von Call- oder Kaufoptionen getätigt werden, aber auch in Form von Put- oder Verkaufsoptionen. Anleger erwerben dabei im Grundsatz das Recht, eine Aktie, einen Rohstoff oder auch einen Index-Fonds innerhalb einer festgelegten Zeit, die meist ein bis zwölf Monate beträgt, zu einem festgesetzten Preis zu erwerben beziehungsweise abzugeben. Schließt also, um beim berüchtigten Schweinebauch zu bleiben, tatsächlich jemand eine Kaufoption für dieses Erzeugnis ab und liegt der vereinbarte Preis am Stichtag unter dem Weltmarktpreis, so hat der Anleger ein wahrlich fettes Geschäft gemacht. Dazu mag Sven Meincke jedoch nicht raten, zumal bei solchen hochspekulativen Geschäften gern mit Waren gehandelt wird, die man überhaupt nicht besitzt. »Ich schließe ja auch keine Kaskoversicherung für ein Auto ab, das mir nicht einmal gehört«, erläutert der Finanzfachmann. Grundregel für seriöse Optionsgeschäfte sollte deshalb sein, diese Papiere nur in Kombination mit anderen Wertpapieren oder Waren zu handeln. Am besten sollten das laut Meincke Index-Fonds, die sich zum Beispiel auf den Dax beziehen, oder ähnliche Papiere sein. Die sind genauso zusammengesetzt wie der zugrunde gelegte Index und insofern äußerst transparent. Kauft Anleger A also heute beim Stand von vielleicht 6500 Punkten einen Dax-Fonds und ist sich einigermaßen sicher, dass der Dax in einem halben Jahr nicht über die Marke von 7000 Punkten klettert, so kann er diesen Deal mit dem Verkauf einer Kaufoption abrunden. Das klingt komplizierter, als es ist, bedeutet es doch nichts anderes, als dass über die Börse ein Geschäftspartner mit entgegengesetzter Erwartungshaltung vermittelt wird. Um beim Beispiel zu bleiben: Ein Anleger B genannter Optimist traut dem Dax locker die 7500 zu und freut sich – falls er Recht behält – über einen netten Gewinn. Denn schließlich hat er ja das Recht (aber keineswegs die Pflicht) erworben, den am Ende dann mit 7500 Euro dotierten Indexfonds von Anleger A für schlappe 7000 Euro zu erwerben. Andererseits guckt auch A nicht rundum dumm aus der Wäsche, denn er hat sich von B die Kaufoption mit einer Gebühr von, sagen wir, 300 Euro vergüten lassen. Dieses Geld gleicht den Gewinnausfall durch den unerwartet stark gestiegenen Dax wenigstens zum Teil aus und steht zudem für die tröstliche Gewissheit, dass Anleger A auch dann noch ganz gut dagestanden hätte, wenn der Wert seines Papiers sich rückläufig entwickelt hätte. Wäre der Index etwa von 6500 auf 6300 Punkte gepurzelt, so hätte A aufgrund der eingenommenen Gebühr immer noch 100 Euro Gewinn gemacht. Dass dies nicht nur exemplarisch, sondern durchaus regelmäßig funktioniert, hat Meincke in seiner Doktorarbeit mit zahlreichen Modellrechnungen und auch auf Grundlage tatsächlicher Börsengeschehnisse nachgewiesen. Demnach gilt grundsätzlich: Wer Aktienkäufe mit Optionen kombiniert, reduziert damit seinen Maximalgewinn, vermindert aber auch die Verlustgefahren. Insofern gilt die Losung »Weniger Risiko durch Optionen« zumindest unter Beachtung der beschriebenen Grundregeln. Und wirklich kompliziert, so betont Meincke, ist die Umsetzung der beschriebenen Strategie auch nicht. Vielmehr wird sie in Form so genannter Discount-Zertifikate an der Börse in verbrauchergerechte Produkte umgesetzt. mag