Unisex macht PKV-Policen deutlich teurer

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Unisex macht PKV-Policen deutlich teurer
Handelsblatt.com 2012-12-15 12:27:01
15.12.2012
Finanzen Vorsorge + Versicherung Nachrichten
Private Krankenversicherung
Unisex macht PKV-Policen deutlich teurer
In der privaten Krankenversicherung ziehen die Prämien im nächsten Jahr stärker an als
erwartet.Grund ist die Umstellung auf geschlechtsneutrale Tarife.Eine große Rolle spielt auch die
Angst vor niedrigen Zinsen.
Durch Unisex wird die Private Krankenversicherung (PKV) teurer, aber auch besser. Dies ist das
Fazit, dass die Versicherungsanalysten von Franke und Bornberg bereits vor dem offiziellen Start der
neuen Unisex-Tarife am 21. Dezember 2012 treffen.
Eine Reihe von Krankenversicherern hatte den Experten Einblick in ihre neuen Tarife gewährt.
"Die Prämien steigen stärker als erwartet", erklärte das Analysehaus. Für einen Dreißigjährigen sähen
die PKV-Tarife Beitragssteigerungen von vier bis zu 35 Prozent vor. "Eine gleichaltrige Frau spart bei
Abschluss eines Neuvertrags nach dem 21.12. im besten Fall sechs Prozent; es können aber auch bis
zu 15 Prozent mehr werden", erklärte Geschäftsführer Michael Franke. "Dem ersten Trend nach wird
die PKV für Männer und Frauen also deutlich teurer als erhofft."
Die Analysten von Franke und Bornberg hätten jeweils geschlechtsspezifische Altverträge und
Unisex-Beiträge für das Jahr 2013 gegenübergestellt. Grund für die Teuerungen seien sich
überlagernde Effekte. Die Faktoren: Unisex-Kalkulation, allgemeine Kostensteigerungen,
Leistungsverbesserungen und ein niedrigerer Rechnungszins, mit dem die Altersrückstellungen
verzinst werden.
Letzterer wird künftig bis zu einem Prozentpunkt niedriger sein als bei Altkunden. Dahinter steckt die
Angst vor einer lang andauernden Niedrigzinsphase. Die Altersrückstellungen der aktuellen PKVKunden werden noch mit 3,5 Prozent verzinst. Doch bei niedrigen Zinsen wird es immer schwerer,
dies zu erwirtschaften. Senkungen des Rechnungszinses haben bisher aber erst einzelne
Gesellschaften wie Süddeutsche und Hallesche angekündigt. Es werde für 2013 auf breiter Front
erwartet, erwarten die Experten aus Hannover.
"All dies lässt die Preise steigen", sagte Franke. Richtig sei aber auch: Viele Versicherer nutzten die
neuen Tarife zur Verbesserung ihrer Leistungskataloge. Damit würden sie Lücken zur gesetzlichen
Krankenversicherung ausgleichen.
Neu aufgenommen in den Katalog mit Standardleistungen würden vor allem ambulante
Psychotherapien mit bis 50 Sitzungen pro Kalenderjahr, offene Hilfsmittelkataloge und
Suchtentwöhnungsbehandlungen. Auch Leistungen zur Hospizversorgung, Palliativmedizin und
Haushaltshilfe würden vermehrt integriert. Die finanzielle Folge: Der Kunde soll mehr zahlen, weil er
ja auch mehr Leistung erwarten darf.
Rechnungszins könnte zur Falle für Kunden werden
Günstige Tarife mit schwachen Leistungen würden dafür zunehmend vom Markt verschwinden. Dies
sei begrüßenswert. Denn damit bewege sich die Branche weg vom Billigheimer-Image. Dass sich
damit auch die Tarife verteuerten, sehen die Analysten aus Hannover nicht nur als nachteilig an. Es
führe den Kunden den Wert des Versicherungsschutzes vor Augen. "Qualität hat ihren Preis, auch
wenn es um die Gesundheit geht", erklärte Franke.
Der vorläufigen Auswertung von Franke und Bornberg liegen endgültige PKV-Bedingungswerke von
13 Versicherungsgesellschaften und aktualisierte Beiträge von elf Gesellschaften zugrunde. Ein
vollständiger Überblick über die neue PKV-Tarifwelt werde aufgrund der späten
Veröffentlichungstermine der Versicherungsgesellschaften allerdings erst Anfang 2013 möglich sein.
Ein entscheidender Pfeiler in der neuen Tarifkalkulation für Unisex-Tarife wird der Rechnungszins
sein. Allerdings führt das bisherige Verhalten der Unternehmen zu mehr Intransparenz. Der
Branchenbeobachter Jürgen Wasem, Professor an der Universität Duisburg, kritisiert dieses "sehr
uneinheitliche Gebaren im Markt".
Er bedauere es, dass die Bundesregierung sich nicht entschließen konnte, über eine Rechtsverordnung
eine einheitliche Senkung des Rechnungszinses anzuordnen. Mit Blick auf das Ziel, stark steigende
Beiträge im Alter zu vermeiden, wäre dies sinnvoll gewesen, erklärte Wasem.
"Es ist sinnvoll, den Rechnungszins zu senken, auch wenn man die 3,5 % bedienen kann, damit ein notwendiger - Überzins entsteht", betonte Wasem. Bei der jetzt entstehenden uneinheitlichen Praxis
bestehe die große Gefahr, dass neue Versicherte zu einem vermeintlich preiswerten Versicherten
gehen. Dieser könne aber nur deswegen einen geringeren Beitrag anbieten, weil er den höheren
Rechnungszins habe.
Im Ergebnis bedeute dies dann aber für den Kunden: Es stehen deutlich weniger Mittel im
Versicherungsverlauf zur Verfügung. Für die Versicherten im Alter müsse es teurer sein. "Wer dies
nicht weiß, sorgt nicht entsprechend für die Zukunft vor sondern wähnt sich fälschlich sicher." Wenn
der Rechnungszins auf 2,75 Prozent abgesenkt werde, machte dies zwar die Tarife zwischen fünf und
sieben Prozent teurer. Dafür ständen aber später deutlich mehr Mittel im Alter zur Verfügung.
Ein Versicherer könnte ausscheren
Auch der Versicherungsvermittler Ozan Sözeri, Gründer des Tarifwechselhelfers Widge, haut in diese
Kerbe. "Dem System der PKV fehlt es an ausreichender Transparenz und unabhängigen
Kontrollinstanzen. Ich sehe da vor allem die Politik in der Pflicht." Die Bundesregierung müsse
staatliche Prüfmechanismen einführen, um die Konzerne dadurch zu einer seriösen Kalkulation der
Tarife zu bewegen. Nur so ließen sich die Versicherten schützen und das erschütterte Vertrauen
wiederherstellen.
Als möglicher Ausreißer in der PKV gilt das Hamburger Unternehmen Hanse-Merkur. Spekuliert
wird, dass die der Versicherer auch in der Unisex-Welt weiter mit 3,5 Prozent kalkuliere wollen.
Kritiker sagen, damit verkaufe man seinen Kunden von Anfang an eine Beitragserhöhung.
Ein Hanse-Merkur-Sprecher erklärte dazu auf Anfrage von Handelsblatt Online, dass man sich
definitiv erst nach dem 21. Dezember äußern wollte. Doch dann wurde er dennoch schon ziemlich
konkret. Die langfristige Erfüllbarkeit der Verträge stehe im Mittelpunkt der Überlegungen zum
zukünftigen Rechnungszins. "Gehe ich mit einem zu niedrigen Rechnungszins an die Kalkulation
heran, nehme ich den Versicherten viel Geld ab, da sie dann mehr Beitrag für die gleiche Leistung
zahlen müssen", erklärte der Sprecher.
Dass es natürlich in einer anderen Unternehmensstruktur aus Aktionärssicht wichtiger sein könne,
stärker abzusenken, um - auch vor dem Hintergrund von Solvency II - eine maximale Dividende zu
definieren, sei gut möglich. "Wir halten es jedenfalls für nicht sinnvoll, einen unnötig überhöhten
Sicherheitszuschlag zu veranschlagen."
Zinssenkungen könnten auch eine Strategie sein, um zu großen Bestandsveränderungen durch
Tarifwechsel vorzubeugen. Und nicht zuletzt müsse man sich doch fragen, warum kein PKVUnternehmen den Rechnungszins in der Pflegepflichtversicherung unter 3,5 Prozent gesenkt habe.
Schmitt, Thomas

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