Die Schwester der Trauer heisst Hoffnung

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Die Schwester der Trauer heisst Hoffnung
Die Schwester der Trauer heisst Hoffnung
Der Vater ist schlecht gelaunt, die Mutter ist krank. Die Schwester weint, der Grossvater
stirbt. Der Bruder trinkt, der Freund ist schlecht drauf, die Freundin geht. Die Vase
zerbricht, der Vater fehlt, die Mutter schreit. Der Fussballverein verliert, die Tante hat
Krebs, das Leben erbricht. Die Trauer weint, die Hoffnung stirbt – nur das nicht.
„Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“ (Mt. 5,4). Die Trauer begegnet
der Schwester Hoffnung – denn der Mensch wird getröstet werden. Dieser Zuspruch ist
zentrale christliche Botschaft, damals, jetzt und später – hoffentlich!
Alle Menschen kennen sie, die Traurigkeit, wie sie von einem Besitz nimmt. Der Tränenozean
steigt im eigenen Körper, übersteigt ihn, bricht aus. Trauer wird zugelassen, manchmal
normiert, kontrolliert, strukturiert, ab und zu gestattet. Aber eben – Trauer ist Alltag, und
Alltag ist Leben, und Leben ist Hoffnung – so glauben wir jedenfalls. „Selig die Trauernden,
denn sie werden getröstet werden“. Diesen Satz unterschreiben alle, weil darin dieses kleine
Stück Hoffnung enthalten ist, nicht ganz aufzugeben, den Löffel nicht abzugeben im Wissen
darum, dass viele aufgeben, den Löffel abgeben, depressiv werden.
Ein Thema für alle Menschen, für die Schülerinnen und Schüler aller Stufen – garantiert –
aber wie? Dieser Artikel ist ein vorsichtiger Versuch ein sensibles Thema in einer Klasse
anzugeben - Schritt um Schritt. Denn wer spricht schon gerne über seine Traurigkeit?
Über das Bild der „eingeschlafene Trinkerin“ von Pablo Picasso sollen die Schülerinnen und
Schüler sich selbst bezüglich ihrer Trauer reflektieren (Baustein 1). Sie verändern das Bild
und versuchen, der zweiten Zeile der Seligpreisung „…denn sie werden getröstet werden“
Platz zu verschaffen. Ebenso reflektieren sie ihre eigene Erfahrung zu Trauer und neuerlicher
Hoffnung (Baustein 2). Diese Verbindung zu eigener Trauer- und Hoffnungserfahrung ist
zentral. Die persönliche Betroffenheit sensibilisiert für Situationen anderer Menschen und
weckt Verständnis für die Erfahrung, welcher im Song „fix you“ von „Coldplay“ (Baustein 3)
beschrieben wird. Der Film young@heart bietet sich für die Weiterarbeit an.
Baustein
1. Die einsame
Trinkerin
Aktivität
Ziele
an-sehen:
Die Schülerinnen und Schüler werden durch
Bildbetrachtung und -bearbeitung die geführte Bildbetrachtung eingeführt in
bewusstes an-sehen. Sie sensibilisieren ihren
Blick für Details und können das Bild deuten.
Sie verändern Elemente des Bildes und
versuchen dem Bild dadurch eine andere
Emotionalität zu geben.
2. Schwester
hinein-sehen:
Die Schülerinnen und Schüler schreiben eine
Hoffnung
Erinnern an eigene Trauer
Situation auf, in welcher sie getrauert haben.
Sie überlegen sich, was wichtig war, um die
Trauer zu verarbeiten und tauschen aus, was
ihnen Hoffnung gegeben hat.
3. Lichter werden an-hören:
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten
Dich nach Hause
führen
Song hören und mit dem Songtext schrittweise den Song „fix you“ von
arbeiten
„Coldplay“. Sie analysieren den Text und
setzen ihre Erfahrungen in Bezug. Sie
verstehen die Bilder des Songs und
entdecken die Parallelen zu der
Seligpreisung.
Baustein 1: Die einsame Trinkerin
Abbildung 1: Die eingeschlafene Trinkerin, 1902, Öl auf Leinwand (evtl. als Abb ins
Internet?)
Eine Frau sitzt gebeugt auf dem Stuhl. Vor ihr steht ein Tisch mit einem leeren Weinglas. Sie
ist in einen grau-blauen, schweren Mantel eingewickelt. Vielleicht friert sie, die Farben sind
so gehalten, dass sich dem Betrachtenden ein Gefühl der Kälte aber auch der Traurigkeit
einschleicht. Das Blau trägt zur Melancholie des Bildes bei. Der Raum ist leer, nur dürftig
eingerichtet. Das leere Glas verstärkt das Gefühl der Trauer und Einsamkeit.
Jeder Schülerin/jedem Schüler wird ein Abzug des Bildes abgegeben. Die Bildbetrachtung
wird durch die Lehrperson angeleitet.
Folgende Schritte eignen sich für die Bildbetrachtung:
 Wir betrachten das Bild in Stille eine Minute lang (evtl. Hintergrundmusik abspielen).
 Wir benennen, was wir sehen.
 Wir interpretieren das Bild. Dazu dienen folgende Fragen: Wie geht es der Frau? Was
hat sie vorher gemacht? Wo befindet sich der Raum? Welche anderen Gegenstände
oder Personen können sonst noch im Raum sein? Was geschieht wohl nach dieser
Szene? Die Schülerinnen und Schüler können zu diesen Fragen schriftliche Antworten
aufschreiben. Danach findet der Austausch in der Klasse statt.
Variante 1: Die Schülerinnen und Schüler erhalten eine schwarzweiss Kopie des Bildes (auf
A3 vergrössert). Sie versuchen mit Farben den Charakter des Bildes zu verändern um dem
zweiten Teil der Seligpreisung Gewicht zu geben. „Was braucht die Frau in dieser Situation,
damit sie getröstet wird?“ ist die Fragestellung. Es geht darum, dass Dinge eingefügt werden,
welche den Kummer der Frau und die Trostlosigkeit des Bildes mindern können. Es ist gut
möglich, dass die Schülerinnen und Schüler hier Bilder an die Wand hängen und eine
Obstschale oder Blumen auf den Tisch stellen.
Variante 2: Das Bild in A4-grösse wird linksbündig auf ein A3-Blatt geklebt. Auf der rechten
Seite wird der angedeutete Bogen im Raum weitergezogen und der Tisch weitergemalt. Auf
diesen Kopien malen die Schülerinnen und Schüler zu der gleichen Frage den Raum weiter.
Sitzt noch wer am Tisch?
Variante 3: Die Figur der Frau wird ausgeschnitten und in andere, wärmere Bilder/Fotos
eingefügt.
Bei der Betrachtung und der Verarbeitung wird die Emotionalität angesprochen und weckt
das Mitgefühl über die Situation der Frau. Dieses Mitgefühl ist Voraussetzung für den
nächsten Baustein.
Baustein 2: Schwester Hoffnung
Auf der einen Seite auf dem ausgeteilten Blatt/Karte steht das Wort Traurigkeit. Auf der
anderen das Wort Hoffnung. Die Schülerinnen und Schüler schreiben zuerst auf die Seite der
Traurigkeit eine Situation, in welcher sie traurig waren. Sie überlegen sich in einem zweiten
Schritt, was ihnen aus der Trauer herausgeholfen hat, was ihnen Hoffnung gegeben hat. Sie
schreiben dies auf die Seite Hoffnung. Sie stellen nun ihre Hoffnungserfahrungen vor und
legen die Karten in die Kreismitte. Die Lehrperson schreibt die Erfahrungen auf einen FlipChart auf. Es kann dabei gut sein, dass die Schülerinnen und Schüler erst während dem
Austausch zu ihren Hoffnungserfahrungen finden. Es ist genügend Zeit und Raum
einzuräumen. Die Lehrperson führt den Satz der Seligpreisung ein (Mt 5.4). Trost und
Hoffnung nach Trauer waren und sind zentrale Erfahrungen des christlichen Glaubens.
Baustein 3: Lichter werden Dich nach Hause führen
Die wirklich Armen, Hungernden und Weinenden sind mit den Seligpreisungen gemeint. Sie
beziehen sich auf das angebrochene Reich Gottes. Wie weit ein solcher Anbruch erlebbar ist
und Konsequenzen hat für das Verhalten und Handeln in dieser Welt, bleibt dahingestellt.
Die Heilszusage, die Hoffnung und der neue Ausblick sollen die Christen befähigen, ihr
Denken und Handeln zu überprüfen. Die Seligpreisung (Mt 5.4) initiiert eine Umkehr der
Verhältnisse, sind Provokation, eine Herausforderung an alle „Alltags-Trottel“, eine
Revolution, Wandlung und Verwandlung. Der Song „fix you“ (siehe M1) von Coldplay ist eine
Aktualisierung dieser Seligpreisung. Die Musik von Coldplay wird von jungen Menschen
gehört und findet grosse Akzeptanz. Es ist eine Chance, diesen Songtext mit der
Seligpreisung in Beziehung zu setzten.
Arbeit mit dem Song:
 Song hören. Welche Bilder entwickeln sich beim Zuhören? Austausch.
 Liedtext lesen: Welche Zeilen verstehe ich nicht? Klärung mit der Klasse.
 Welche Zeilen entsprechen dem ersten Teil der Seligpreisung: „selig sind die
Trauernden“? Welche Zeilen entsprechen dem zweiten Teil der Seligpreisung: „denn
sie werden getröstet werden? Austausch.
 Nochmaliges hören.
Eine weitere nachfolgende Variante ist, mit dem Film „Young@Heart“ (als DVD im Handel
erhältlich) zu arbeiten. Der Film dokumentiert die Arbeit eines Chorleiters und der 75 bis 93jährigen Sängerinnen und Sänger. Eine Szene bietet sich besonders an: Fred Knittle erlitt vor
acht Jahren einen Herzinfarkt. Fünf Beipässe, die Ärzte attestierten ihm nur noch eine kurze
Lebenserwartung. Er lebt immer noch. Um richtig Atmen zu können, braucht er einen
Sauerstoffapparat. Für einen Auftritt, zu Gedenken an zwei ehemalige Chormitglieder, kehrt
er noch einmal zurück und singt Coldplays „fix you“.

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