„Chinesische Skilehrer in der Schweiz“ – ein Ansatz zur

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„Chinesische Skilehrer in der Schweiz“ – ein Ansatz zur
HALLER RUPF, BARBARA
„Chinesische Skilehrer in der Schweiz“ – ein Ansatz
zur Destinationsentwicklung im Kontext der
Erschliessung neuer Überseemärkte im Bereich
Wintersport (Begleitstudie)
1 Einleitung
Der Wintertourismus in der Schweiz und im europäischen Alpenraum steht vor der
Herausforderung, neue Kundensegmente im Wintertourismus zu rekrutieren und zu
bedienen (STV, 2014). Gleichzeitig gewinnen Freizeit sowie Wintererlebnisse und
Schneesport als Luxus- und Erlebnistourismus in China an Bedeutung (Lew, 2003;
Canadian Tourism Commission, 2012; ETC and WTO, 2012), insbesondere in den
Bergregionen um Beijing sowie im Nordosten des Landes sind in den letzten Jahren zahlreiche neue Skiresorts entstanden. Damit bieten sich neue Chancen für den
europäischen Markt (Lässer, 2013). Canadian Tourism Commission (2012) geht in
China von 5 – 20 Mio. Schneesportlern (v.a. Skifahren) aus, von welchen heute erst
ein kleiner Prozentsatz Interesse an und finanzielle Mittel für einen ÜberseeWintersporturlaub haben.
Aufgrund ihres zahlenmässigen und finanziellen zukünftigen Potentials werden
die neuen Winter- und Schneesportgäste aus China trotzdem zunehmend umworben, insbesondere von japanischen, nordamerikanischen und australischneuseeländischen Tourismusdestinationen (Canadian Tourism Commission,
2012).
Künftig wollen auch die europäischen Winterdestinationen attraktive Angebote für
die chinesischen Gäste lancieren. Auf die Wintersaison 2013/14 lancierten
Schweiz Tourismus und Swiss Snowsports, der Dachverband der Schweizer Skiund Snowboardschulen und -lehrer, zusammen das Projekt „Chinesische Skilehrer
in der Schweiz“. Im Oktober 2013 wurden in Beijing sieben Männer und eine Frau
ausgewählt, welche während der Wintersaison 2013/14 in acht Destinationen1
chinesische Wintersportgäste unterrichten sollten (nachfolgend 8 Skilehrer ge-
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1
Die 8 Skilehrer/innen wurden in folgenden Destinationen eingesetzt: Davos, Engelberg, Grindelwald, Gstaad, St. Moritz, Verbier, Villars und Zermatt.
1
nannt). Kriterien für die Selektion waren neben der Skitechnik die Englischkenntnisse der Kandidaten.
Mit diesem Projekt wollte Schweiz Tourismus einerseits in China die Aufmerksamkeit auf die winterliche Schweiz als Tourismusdestination lenken und andererseits
in der Schweiz auf die neuen Gäste aus China und deren Bedürfnisse nach auf sie
zugeschnittenen touristischen Produkten sensibilisieren. Die Absicht von Swiss
Snowsports mit dem Projekt war die Bildung eines Pools von qualifizierten chinesischen Skilehrern für Gäste aus China.
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung von Ankünften und Logiernächten chinesischer
Gäste in der Schweiz, 2014 wurde die Millionengrenze überschritten (HESTA). Am
meisten Übernachtungen von chinesischen Gästen verzeichnen Zürich, Luzern, Interlaken und Genf je mit ihren umliegenden Gemeinden (BFS 2015).
Abbildung 1: Ankünfte und Übernachtungen chinesischer Touristen in der Schweiz 2005 – 2014
(Quelle HESTA, BFS, 2015, eigene Darstellung)
Ankünfte und Logiernächte von chinesischen Gästen in der Schweiz verzeichnen
seit 2005 einen starken Anstieg und erreichen 2014 die Millionengrenze. Zusammen mit den Gästen aus Hongkong (108‘163 Logiernächte) und Taiwan (97‘613
Logiernächte) verzeichnete die Schweiz 2014 1,24 Mio. Logiernächte von Mandarin sprechenden Gästen, dies entspricht ca. 8% der rund 15 Mio. Logiernächte
durch Gäste aus dem Ausland (HESTA 2015). Dabei entfielen 2013 etwa ein Viertel dieser jährlichen Logiernächte auf die Wintermonate November bis April. Die
Durchschnittsaufenthaltsdauer von Chinesischen Gästen in der Schweiz liegt zwischen 1.2 – 1.4 Tagen (HESTA).
2 Theoretische Grundlagen und Forschungsfragen
Bei der vorliegenden Begleitstudie wurde davon ausgegangen, dass die Anstellung
der acht chinesischen Skilehrer in Schweizerischen Schneesportschulen kulturelle
Schwierigkeiten bringen könnte. Eine Basis für diese Überlegung bilden Kulturmodelle, wie das Hofstede Modell (Hofstede 2014), Hall (1990) oder auch das LMRModell2 nach Lewis (2012). Der Vorgang der Kulturadaption wird durch Oberg
(1960) und Marx (1999) dargestellt.
Abbildung 2: Kulturschockmodell (Quellen: Oberg, 1960 in: Marx, 1999)
Bei der Entsendung, Arbeit oder Reise in andere Kulturräume durchlaufen Individuen einen spezifischen Anpassungsprozess (Kulturadaption). Dabei kann die
Stimmung zwischen sehr positiv und sehr negativ schwanken. Dieser Prozess kann
sich über mehrere Wochen bis Jahre hinziehen, bevor sich die Stimmung auf Normalniveau einpendelt (Oberg, 1960 in Marx, 1999). Mumford stellte 1997 basierend
auf dem Kulturschockphänomen eine Methode vor, mit welcher er den Kulturschock bei Individuen messen konnte und die Ergebnisse auch in einem Ländervergleich darstellte (Mumford, 1997). Bei Volunteers aus Grossbritannien, die nach
China reisten, wies Mumford nach drei Aufenthaltswochen einen Wert von 4.913
aus.
Für das Projekt „Chinesische Skilehrer in der Schweiz“ wurden daher Forschungsfragen gestellt (Haller Rupf, 2015):
___________________
2
3
LMR-Modell (Lewis 2012): Linear-aktive, multi-aktive und reaktive Kulturtypen
Die Berechnung des Wertes ist gleich dem arithmetischen Mittel der pro Person sieben Antworten aus dem Kulturschockfragebogen (vgl. Tabelle 5).
1. Welche Ziele und Erwartungen werden im Projekt „Chinesische Skilehrer in
der Schweiz“ aus der Sicht der verschiedenen Projektbeteiligten verfolgt und
inwiefern werden diese Ziele erreicht?
2. Zeigen sich aufgrund der unterschiedlichen Kulturen der Schweiz und Chinas Schwierigkeiten bezüglich der Integration der chinesischen Skilehrer in
die Schneesportschulen? Zeigen die chinesischen Skilehrer Anzeichen eines
Kulturschocks?
3. Gibt es typische Eigenschaften der chinesischen Skitouristen, welche die
Schweiz im Winter 2013/14 besuchen und welche von den chinesischen Skilehrern unterrichtet werden?
4. Welche Erkenntnisse ergeben sich aus dem Projekt aus der Sicht der involvierten Projektbeteiligten im Hinblick auf künftige Aktivitäten im chinesischen Skimarkt wie auch in der Produkt- und Destinationsentwicklung in der
Schweiz?
3 Methodik
In Anlehnung an das Destinationsmodell von Bieger (2008) wird die ideale Integration der chinesischen Skilehrer in die Winterdestinationen wie in Abbildung 3 vorgeschlagen:
Abbildung 3: Modell „Integration Chinesische Skilehrer in den Schweizer Tourismus“ (in Anlehnung
an Bieger 2008, in Haller Rupf 2015)
Im Modell zeigen sich Verbindungen innerhalb der Destination zwischen der Schneesportschule, den Skilehrern, den chinesischen Kunden und der Destinationsmanage-
ment-Organisation (DMO). Nach aussen sind Schneesportschule und Skilehrer mit
Swiss Snowsports verbunden, die chinesischen Kunden und die Destination mit den
(chinaspezifischen) Touroperators (TO) sowie die DMO mit Schweiz Tourismus.
Weitere Verbindungen bestehen zwischen Schweiz Tourismus, Swiss Snowsports
und den Tour Operators. Alle übrigen Beteiligten des Systems Tourismus wurden im
Modell der Einfachheit halber ausgeblendet.
Befragung
Die Studie basiert auf Befragungen bei den chinesischen Skilehrern und den involvierten Schneesportschulen. In weiteren Gesprächen wurden die Erwartungen und
Zielsetzungen von Swiss Snowsports und Schweiz Tourismus thematisiert. Befragungen und Gespräche fanden zwischen Dezember 2013 und März 2015 statt.
Aufgrund des Projektdesigns mit nur je acht Skilehrern und involvierten Schneesportschulen wurden die Befragungen qualitativ ausgewertet und interpretiert.
Anlässlich der ersten Befragung im Dezember 2013 wurden die chinesischen Skilehrer individuell und offen nach ihren Erwartungen in fünf Bereichen gefragt und im
März 2014 wurde die Erwartungserfüllung abgefragt. In Bezug auf mögliche kulturell
bedingte Anpassungsschwierigkeiten (Amman et al. 2012) respektive Kulturschock
orientiert sich die vorliegende Studie am Fragebogen von Mumford (1997) mit einer
dreistufige Skala. Die Befragung der chinesischen Skilehrer erfolgte mit einem auf
Mandarin übersetzten Fragebogen sowie in Begleitung einer Übersetzerin.
Im Rahmen der Befragung der Schneesportschulen im Frühling 2014 wurden sowohl
Erwartungen wie Erwartungserfüllung der Schneesportschulen an das Projekt abgefragt. Die Erwartungsbereiche und jeweils 1-5 Fragen pro Bereich wurden vorgegeben, in jedem Bereich waren zudem Ergänzungen möglich.
Mit Bezug auf das Modell „Integration Chinesische Skilehrer in den Schweizer Tourismus“ (vgl. Abbildung 3) wurden die Schneesportschulen und die chinesischen Skilehrer gefragt, ob und wie eine Zusammenarbeit mit der Destinationsorganisation
stattgefunden habe.
4 Resultate
Die Resultate aus der Befragung werden anhand der formulierten Forschungsfragen
aufgezeigt.
Ziele, Erwartungen und Zielerreichung
In Tabelle 1 werden die Ziele sowie die Zielerreichung des Projekts „Chinesische
Skilehrer in der Schweiz“ von Schweiz Tourismus zusammengefasst dargestellt.
Tabelle 1: Ziele, Massnahmen und Ergebnisse von Schweiz Tourismus bez. Projekt „Chinesische
Skilehrer in der Schweiz“ (Schweiz Tourismus, 2014, in Haller Rupf, 2015)
Ziele
Ergebnisse
Bewusstseinsförderung in China für das Wintererlebnis Schweiz und in der Schweiz für das Potential Chinas erzeugen durch Medienarbeit und Promotionsaktivitäten (insbesondere online) fördern
Verbesserung des Produktmanagements und Erhöhung der Verkaufszahlen bei Winterangeboten an
chinesische Gäste
In China total 61 Mio. Medienkontakte; 48 Artikel, v.a.
Stories.
In der Schweiz 36 Mio. Medienkontakte: Stories und
Newsbeiträge.
Dazu weitere Medienberichte in Europa, USA usw.
Chinesische Skilehrer arbeiten in den Destinationen
und betreuen im Winter 2013/14 insgesamt ca. 500
chinesische Skischüler/innen während 391 Unterrichtslektionen.
In der Saison 2014/15 beträgt die Zahl unterrichteter/betreuter Mandarin sprechender Gäste schätzungsweise 900 Personen während 711 Unterrichtslektionen,
was fast einer Verdoppelung entspricht.
Mit zwölf Touroperators konnten auf die Saison
2014/15 hin marktgerechter Gruppen- und FIT4Angebote erstellt werden.
In Tabelle 2 werden die Ziele sowie die Zielerreichung des Projekts „Chinesische
Skilehrer in der Schweiz“ von Swiss Snowsports zusammengefasst dargestellt.
Tabelle 2: Ziele und Zielerreichung von Swiss Snowsports bez. Projekt „Chinesische Skilehrer in
der Schweiz“ (Swiss Snowsports, 2014 in Haller Rupf, 2015)
Ziele
Einen Pool von zehn qualifizierten chinesischen Skilehrern für Mandarin sprechende Gäste zu bilden.
Eine Gruppe von Schweiz-affinen Skilehrern auszubilden,
die das Skierlebnis Schweiz nach China tragen und als
‚Ski-Botschafter‘ in China agieren.
Ergebnisse
Durch die Ausbildung der acht Skilehrer wurde das
Ziel annähernd erreicht.
Durch Medienarbeit und Social Media Aktiviäten der
chinesischen Skilehrer wie auch durch deren Auftritte an der Messe Snow & Style u.ä. erreicht.
In Tabelle 3 werden die Erwartungen und Erwartungserfüllung der Schneesportschulen
zusammengefasst dargestellt.
Tabelle 3: Erwartungen und Erwartungserfüllung der Schneesportschulen bez. Projekt Chinesische
Skilehrer Ende Saison (Haller Rupf 2015)
Erwartungen
Aufgaben in der Schneesportschule
- Unterrichten Chinesischer Gäste
- Unterrichten weiterer Gäste aus Asien
Kompetenzen des chinesischen Skilehrers
- Gute Skitechnik
- Gute Sprachkenntnisse (Englisch)
- Gute Kommunikationskompetenz mit Gästen
-
Methodisches Know-how bez. Skiunterricht
Anpassung / Verhalten des Skilehrers
Anpassung an die Regeln / Kultur der Schneesportschule
sowie an die kulturellen Bedingungen in der Schweiz
Erwartungserfüllung
Mehrheitlich gut erfüllt
Eher erfüllt, abhängig von Englischkenntnissen
Gut erfüllt
Je zur Hälfte erfüllt/nicht erfüllt. Auflagen für das
Folgejahr formuliert.
Kommunikationskompetenz wurde stark in Zusammenhang mit der Persönlichkeit und der englischen
Sprachkompetenz gesehen
Tendenziell eher erfüllt
Die Anpassung der chinesischen Skilehrer wurde
mehrheitlich als unproblematisch beurteilt
Grösste Kritik gab es seitens der Schneesportschulen bezüglich der z.T. ungenügenden Englischkenntnisse ihrer chinesischen Angestellten sowie v.a. am Ende der
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4
FIT: Foreign Individual Traveller
zweiten Saison bezüglich der Anstellungsbedingungen: durch die Fixanstellung der
chinesischen Skilehrer verdienten diese auch wenn sie nicht unterrichteten. Dies
führte einerseits zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Schneesportlehrern und andererseits zu hohen Kosten für die Schneesportschulen, welche eine
Mehrheit von ihnen in Zukunft nicht mehr zu tragen gewillt ist (Swiss Snowsports,
2015).
Die meistgenannten Erwartungen und deren Erwartungserfüllung bei den chinesischen Skilehrern zeigen sich wie folgt:
Tabelle 4: Erwartungen sowie Erwartungserfüllung der chinesischen Skilehrer bezüglich ihrem
ersten Winter in der Schweiz (Haller Rupf, 2015)
Erwartungen
Erwartungserfüllung
Arbeit in der Destination
Lernen von Skitechnik, Unterrichtsmethodik und Führung Erfüllt; die Skilehrer gaben ausnahmslos an, bez.
Skitechnik aber auch Unterrichtsmethodik und Füheiner Schneesportschule
rung einer Schneesportschule sehr viel profitiert zu
haben.
Führung durch den Schuldirektor
Freundlich und kompetent bez. Skifahren und Schulma- Erfüllt: gegenüber dem Vorgesetzten übte niemand
Kritik.
nagement
Leben in der Destination
Erfüllt; die Skilehrer zeigten sich zufrieden und z.T.
- Sauberes, schneebedecktes Dorf
beeindruckt über die „Destinationsdörfer“
Mehrheitlich nicht erfüllt; alleine sein und der Ver- Nicht alleine sein, gute Einkaufsmöglichkeiten und
zicht auf gutes Chinesisches Essen machten Mühe. Die
Restaurants für chinesisches Essen
Einkaufsmöglichkeiten sind nicht auf Chinesen ausgerichtet und das chinesische Essen in den Restaurants
wurde als oft schlecht und zu teuer empfunden.
Schweizer Freunde
Freundlich, zusammen Ski fahren, mehrsprachig, an Be- Erfüllt; Kollegen und Freundschaften aus der Schneesportschule wie aus anderen Bereichen wurden positiv
ziehung interessiert
beschrieben.
Freizeit und neue Erfahrungen
- Nachtleben geniessen und Schweizer Lebensart und Erfüllt; Freizeit und Lebensart vor Ort wurden positiv
erlebt.
Landschaften kennenlernen
Mehrheitlich nicht erfüllt; diese hohen Erwartungen
- Heliskiing / Pulverschnee erleben, Sprache verbeswurden für die meisten nicht erfüllt.
sern, selber reisen, Sightseeing und Einkaufen
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Erwartungserfüllung bez. Arbeit und persönliche Beziehungen zu Schuldirektor und Schweizer Freunden sehr
positiv beurteilt wurde. Teilweise erfüllt resp. nicht erfüllt wurden die Erwartungen
zum Leben in der Destination und der Freizeitgestaltung respektive zusätzlichem
Lernen. Diese Erwartungen waren zum Teil sicher unrealistisch.
Schwierigkeiten aufgrund kultureller Unterschiede
Tabelle 5 zeigt zusammengefasst die Befragungsergebnisse bei den chinesischen
Skilehrern bezüglich kulturbedingter Anpassungsschwierigkeiten vom Januar 2014,
ca. 5 Wochen nach der Ankunft in der Destination.
Tabelle 5: Ergebnisse ‚Kulturschockbefragung‘ nach Mumford (1997) bei den chinesischen Skilehrern im Januar 2014 (Haller Rupf, 2015)
Frage (Mumford 1997)
Do you feel strain from the effort to adapt to a new culture?
Do you ever feel confused about your role or identity in the
new culture?
Have you been missing your family and friends back home?
Do you feel generally accepted by the local people in the new
culture?
Do you ever wish to escape from your new environment altogether?
Have you found things in your new environment shocking or
disgusting?
Do you ever feel helpless or powerless when trying to cope
with the new culture?
Antworten (n=7)
2:
meistens,
nein,
viele Dinge,
1
0
1:
Gelegentlich,
nicht sicher,
wenige Dinge
6
7
0:
Gar nicht,
ja,
nichts
0
0
1
1
5
4
1
2
0
2
5
0
5
2
2
2
3
Trotz der kleinen Stichprobe mit nur sieben Teilnehmenden, können im Vergleich zu
Mumfords Untersuchung Tendenzen abgelesen werden:
Das arithmetische Mittel der Summen bei den sieben Kulturschockkriterien (Mumford 1997) der chinesischen Skilehrer liegt im Januar 2014 bei 5.00 (Vergleichsgruppe Mumford 4.91).
Chinesische Skitouristen aus der Sicht der Skilehrer und der Schneesportschulen
Sowohl die chinesischen Skilehrer wie ihre Betreuungspersonen wurden um ihre
Wahrnehmungen in Bezug auf die unterrichteten Gäste aus China befragt. Zusammengefasst ergaben sich folgende Tendenzen (Haller, 2015):
- Die Gäste, welche bei den chinesischen Skilehrern Lektionen buchten, waren bezüglich Skitechnik tendenziell Anfänger, Individualreisende und
Erstbesucher der Schweiz.
- Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer lag schätzungsweise bei 3 - 7 Tagen.
- Die chinesischen Gäste wollen neben Skifahren immer auch Zeit für Sightseeing und Shopping.
- Die Buchung der Reiseangebote erfolgte i.d.R. über chinesische Touroperators, nachdem sie sich bei diesen oder auch auf chinesischen und nur im
Einzelfall auf englischen Websites, Blogs und Social-Media informiert hatten.
-
Positive Eindrücke hatten die chinesischen Gäste von der Landschaft, der
Kultur und der Sicherheit in der Schweiz.
Negative Rückmeldungen erhielten das Preisniveau und Mängel bei der
Convenience5 und z.T. die Schwierigkeit, Angebote zu finden und zu buchen.
Eine Zusammenarbeit zwischen Schneesportschule und Destination bez. Einsatz
der chinesischen Skilehrer wurde in 4 von 8 Destinationen gesucht und auf Winter
2014/15 hin noch ausgebaut. Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit waren (Haller
Rupf, 2015):
- Repräsentationstätigkeit für die Destination in Hotels, in den Herkunftsgebieten (z.B. Genf) sowie an der Snow & Style Messe in Shanghai im Herbst
2014
- Werbung für die DMO in Prospekten und auf der Website (Fotos und Video)
- Mithilfe bei der Gestaltung und Übersetzung von Flyern, Menükarten usw.
- Guiding von chinesischen Gruppen für die Destination inkl. ConciergeService (Information, Begleitung auf Kutschenfahrten u.ä.)
- Begleitung von Pressegruppen und Studienreisen
- Übersetzung der DMO-Website auf Chinesisch und Betreuung eines Weibo-Accounts6
- Austausch von Know-how bezüglich chinesischen Outbound-Touristen generell sowie bez. Skitouristen mit dem Ziel der Produkteinnovation.
In den anderen Destinationen wurde kaum zusammengearbeitet. Als Grund wurden
in Gesprächen unterschiedliche Zielsetzungen von Schneesportschule und Destination erwähnt.
5 Diskussion
Obwohl die Untersuchung nur mit je acht Skilehrern und Schneesportschulen
durchgeführt werden konnte und die Auswertung der Daten lediglich Trends aufzeigt, können aus der Untersuchung doch Schlüsse in Bezug auf den Markteintritt
in China als Herkunftsmarkt für Winter- und Wintersporttourismus sowie den Einsatz von Mitarbeitenden aus diesem Kulturraum gezogen werden. Für die Schneesportschulen und die Destinationen zeigten sich Produktentwicklungsansätze zur
Diversifizierung des Angebots auf neue Überseezielmärkte. Dabei müssen solche
Produktentwicklungsinitiativen durch intensive Marktbearbeitung in China begleitet werden. Dabei gilt es zu beachten, dass reaktive Kulturen wie China, die in
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5
Mehrmals erwähnt wurden Sprachschwierigkeiten sowie das Fehlen von Informationen auf Chinesisch
sowie die eingeschränkten Ladenöffnungszeiten am Abend und an den Wochenenden, das Fehlen von
Mietmöglichkeiten für Skibekleidung, kein Shuttlebusservice vom Flughafen zur Destination.
6
Sina Weibo ist der größte chinesische Mikroblogging-Dienst
der Regel „Familie und Freunden“ vertrauen (Lewis 2012) und daher Empfehlungen eine grosse Bedeutung auch bezüglich Reiseentscheidungen haben. Dies gilt
insbesondere auch in der digitalen Welt, wo Weibo u.ä. die Kaufentscheidungen
stark mitprägen.
Entscheidend ist zudem die Kenntnis der (kulturbedingten) Kundenbedürfnisse
und entsprechende Angebotsgestaltung. Dabei wird Convenience der Schlüssel
zum Erfolg sein; d.h. sicht- und buchbare, flexible Angebote, lückenlose Dienstleistungskette und Wahlmöglichkeiten auch für Gruppenreisende sowie Dienstleistungen und Begleitung vor Ort.
Entscheidend für den beruflichen Erfolg der chinesischen Skilehrer waren deren
Englischkenntnisse sowie die allgemeine Kommunikations- und Unterrichtskompetenz. Die Skitechnik der Skilehrer war aufgrund des technischen Niveaus der
(chinesischen) Skigäste (meist Anfänger) meist nicht Schlüsselkompetenz.
Sieben der acht Schneesportschulen engagierten auch in der Wintersaison 2014/15
einen chinesischen Skilehrer, einige machten dazu allerdings Auflagen v.a. bezüglich der zu verbessernden Englischkenntnisse. Die Schneesportschulen möchten
zudem Anstellungsbedingungen für die chinesischen Skilehrer verändern und diese künftig nur noch wie branchenüblich für geleistete Arbeit bezahlen, was wiederum zu Schwierigkeiten bei der Beantragung von Arbeitsvisa führen könnte.
Der Vergleich zwischen den chinesischen Skilehrern und der Mumford-Befragung
(1997) zeigt mit 5.0 und 4.9 beim arithmetischen Mittel der Summen eine klare
Übereinstimmungstendenz. Aus dieser kann geschlossen werden, dass dem Kulturanpassungsprozess Beachtung geschenkt und die Mitarbeitenden aus der chinesischen Kultur begleitet werden sollen. Im persönlichen Gespräch betonten die chinesischen Skilehrer immer wieder, dass die Arbeit und Lerngelegenheit in der
Schweiz eine grosse Chance für sie und die Skiresorts in China seien. Dies spiegelt
sich auch in den Antworten zur Erwartungserfüllung (vgl. Tabelle 4), in welcher
das Lernen sowie die Zusammenarbeit mit Schneesportschulleitern und Kollegen
sehr positiv beschrieben wurden. Offen bleibt hier die Frage, ob die Antworten bezüglich. Arbeit und Personen durch kulturelle Unterschiede beeinflusst wurden7.
Klare Unterschiede zeigen sich bei den Chinesischen Skigästen im Vergleich mit
anderen chinesischen Gästen in der Schweiz. Während die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von chinesischen Touristen 1.2–1.4 Nächte beträgt (HESTA), blieben
die ‚Skigäste‘ schätzungsweise 3-7 Nächte, zudem waren sie mehrheitlich individuell unterwegs. Aus diesen beiden Merkmalen kann eine deutlich höhere Wert-
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7
Die Kulturdifferenz zwischen China und der Schweiz kann sich auch auf die Antwortqualität von
Interviewpartnern auswirken. Während die Schweizer Partner als Angehörige einer linearaktiven
Kultur Interviewfragen direkt und im „Sinne der Fragestellenden“ beantworten, würden Chinesen als Angehörige einer reaktiven Kultur (Lewis 2012) auch in einem Interview nahe Bezugspersonen oder auch Vorgesetzte nicht kritisieren. Die Aussagen der Skilehrer beispielsweise bezüglich ihren Vorgesetzten sind auch vor diesem Hintergrund zu reflektieren.
schöpfung pro Gast abgeleitet werden, was die Ski- und Wintergäste zu einer sehr
interessanten Zielgruppe für den Schweizer Tourismus macht. Um für chinesische
FIT-Gäste attraktiv zu sein, sind allerdings grosse Anstrengungen bezüglich Sichtund Buchbarkeit wie auch Convenience der touristischen Angebote nötig.
Destinationen, die sich auf dem chinesischen Markt positionieren und an seiner
Wertschöpfung partizipieren wollen, müssen neuartige Business-Modelle für diesen
und erarbeiten. Dazu ist in europäischen Destinationsorganisationen die Zusammenarbeit wichtiger Leistungsträger entscheidend, wie sie in im Modell Abbildung
3: Modell „Integration Chinesische Skilehrer in den Schweizer Tourismus“ (in Anlehnung an Bieger 2008, in Haller Rupf 2015) andiskutiert ist. Diese Zusammenarbeit fand bisher aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen von Schneesportschulen
und Destinationsmanagementorganisation vielerorts zu wenig statt, wodurch das
Potential der chinesischen Skilehrer ungenügend genutzt wurde.
Ein Umdenken bezüglich Zusammenarbeit in den Destinationen ist nun am Ende
der Projektphase „Chinesische Skilehrer in der Schweiz“ auch aus folgender Überlegung wichtig: es besteht die Gefahr, dass das aufgebaute Knowhow den Projektträgern verloren geht respektive von privatwirtschaftlichen Initiativen ohne Partizipation an den Aufbaukosten übernommen wird. Die chinesischen Skilehrer könnten
künftig selbständig oder in Zusammenarbeit mit in- oder ausländischen Reiseanbietern oder Skischulen eigene Winter- und Wintersportangebote auf den Markt bringen und die hiesigen Destinationen und involvierten Schneesportschulen gingen
weitgehend leer aus.
6 Reflexion und Ausblick
Einschränkende Faktoren im vorliegenden Projekt waren in erster Linie die kleine
Stichprobe an Skilehrern und Schneesportschulen, welche die gesicherte und verallgemeinerbare Aussagekraft der Resultate einschränkt. Zudem können Sprachschwierigkeiten – die Befragung der chinesischen Skilehrer erfolgte mit Übersetzung Englisch-Chinesisch-Englisch - sowie die Kulturdifferenz die Ergebnisse
ebenfalls negativ beeinflussen.
Um dem Hauptziel des Projekts „Chinesische Skilehrer in der Schweiz“, der Lancierung der Schweiz als Winter(sport)tourismus-Destination in China, näher zu
kommen und um Marketing und Verkauf wie auch Produktgestaltung zu optimieren, ist eine vertiefte Untersuchung der Reisemotive, -erwartungen und –verhalten
wichtig.
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