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Portrait
Der Trompeter und Bandleader
Peter Schärli (60) blickt auf
eine Karriere der Kontinuität
zurück. Sie hat seine musikalische Vision der Schlichtheit
geschärft und vertieft. Das
bringt das neue Album des
Peter Schärli Trios featuring
Glenn Ferris hervorragend zum
Ausdruck. Von Pirmin Bossart
Die Läuterung
­­2 2
”Purge” heisst Läuterung, Klärung, Entschlackung. Das Stück von Glenn Ferris hat dem
Album den Namen gegeben (Cover Niklaus
Troxler) und drückt sehr gut aus, um was es
in Schärlis Musik geht: Reduktion auf das Essenzielle, Transparenz, Leichtigkeit. Transparent zu spielen heisse, dass man den Mitmusikern und Mitmusikerinnen sehr genau zuhöre, sagt Schärli. ”Ich glaube nicht an das 'besser, schneller, lauter als andere'-Prinzip, weder in der Gesellschaft noch in der Musik”,
gibt Schär­li zu verstehen.
Obwohl er auch gerne improvisiert, fokussiert
er sich mit seinen Bands bewusst auf wenige
Parameter, um die Essenz von Musik, wie er
sie versteht, umso klarer hervortreten zu lassen. ”Lässt man die Musik nicht 'mit sich spielen', hat sie keinen Sinn, geht das Wichtigste,
nämlich die Spiritualität, verloren. Darum ist
für mich ein 'virtuoser Alleskönner' nicht unbedingt auch ein guter Musiker.”
Diese Haltung kommt nicht nur in seinem
­P eter Schärli Trio featuring Glenn Ferris zum
Ausdruck. Transparenz und melodiöse Raffinesse zeichnen auch sein Trio mit Hans Feigenwinter (p) und dem Brasilianer Juarez Moreira (g) sowie das Quartett ”Don't Change
Your Hair For Me” mit Sandy Patton (voc) aus.
Exquisit auch die frei improvisierende For­
mation ”Sound Experience/Klangerlebnis” mit
Lauren Newton, Sylwia Zytynska und JeanJacques Pedretti, die, so Schärli ”leider viel zu
wenig Beachtung findet”.
Die neun Tracks auf ”Purge” überzeugen mit
ihrem melodischen Kern, dem entspannten
Drive und den lichten Kompositionen. Da
scheint eine Schönheit auf, die verständlich
macht, dass das Einfache nicht mit dem Simplen zu verwechseln ist. Man kann erst weglassen, wenn man ein viel Grösseres begriffen hat. So legt Schärli grossen Wert auf ausgetüftelte Harmonien. ”Unsere Stücke haben
J A Z Z
Peter
SchÄrli
Intensität
durch
Klarheit
mehrheitlich ganz eigene Akkorde und Akkordfolgen und unübliche Formen, auch wenn
man das nicht auf Anhieb erkennt.” Das ergibt
dann diese Musik, die ”einfach und selbstverständlich daherkommt, wie alle grosse Kunst”
(Peter Rüedi über Schärli).
Der Sound
Als Bandleader, der auf Kontinuität und die
Kraft der Erfahrung setzt, ist Schärli zu einer
Rarität im schweizerischen Jazzleben geworden. Mit dem Bassisten Thomas Dürst, schon
heute ein ”unsung hero” des Schweizer Jazz,
spielt er seit über 35 Jahren zusammen. Wie
Dürst auf diesem Album walkt und zupft und
was er alles greift, das darf und muss man
sich erst mal anhören.
Auch mit dem amerikanischen Posaunisten
Glenn Ferris, der in Paris lebt, verbindet Schär­
li eine über 30-jährige (musikalische) Freundschaft. Sie schlägt sich nieder in Bläser-Raf­
finessen, in denen Swing und heimlifeisse
Changes mit Soundkultur und einer entwaffnenden Leichtigkeit auf den Punkt gespielt
werden.
Schon seit einigen Jahren gehört Hans Peter
Pfammatter zum Trio. Wer den gebürtigen
Walliser bis jetzt vor allem als improvisierenden Tasten-Elektroniker wahrgenommen hat,
kann ihn hier als formbewussten und transparent musizierenden Pianisten erleben. Er fügt
sich hervorragend in den Schärli-Kosmos ein,
in dem alles Überflüssige weggelassen wird.
Schärli: ”Nicht nur das Wilde und Laute ist in-
Foto: PD/ Z VG/Marcel Meier
Schärli singt! Auch das noch? ”Please Sugarlady, bring me some fun today / Oh sugarlady,
give me some love this night ... ”, schmeichelt
er sich auf dem Track ”Bahia Mood” in unsere
Ohren, und Glenn Ferris jodelt seinen Kurzkommentar dazu. Das kommt charmant und
ist humorvoll und so ist es auch zu verstehen.
”Ich beginne sicher nicht zu singen. Es ist ein
Spass, der an einem Soundcheck im Moods
entstanden ist”, grinst der Trompeter. Aber
man muss auch sagen: ”Bahia Mood” ist mit
seinem schwebenden Laid-Back-Groove ein
verdammter Ohrwurm. Und passt ausgezeichnet auf ein Album, das nur so strotzt vor den
Früchten der Erfahrung.
tensiv. Ich suche mehr nach der Kraft die in
der Ruhe, der Einfachheit, der Klarheit steckt.”
Die Genugtuung
Nach 40 Jahren professionellen Musikschaffens steht Schärli an einem Punkt, an dem er
mit Genugtuung auf seinen Weg zurückblicken kann. ”Ich entwickle mich musikalisch
immer noch weiter und habe viel Freude am
Musizieren.” Dazu kommt, dass die Konzerte
mit seinen Bands in letzter Zeit ausnehmend
gut besucht sind. Diesen September war er
mit dem Trio Schärli-Moreira-Feigenwinter
auf Tour in Brasilien und Bolivien. ”Man behandelte uns wie Stars. Wir wurden nach jedem Konzert frenetisch gefeiert. Das tut gut,
so etwas zu erleben.” ■
P e t er Schär li Tr io f e a t ur ing Glenn F er r is:
P ur ge ( Enja 974 0 -2)
Die CD er s chein t Ende November.
Kon z er t e:
20.11.2015: Ja z zkeller, Er f ur t / D
21.11.2015: Ra t hausbühne W illis au
28.11.2015: Ja z z li ve A ar au
05.12.2015: TaB T he a t er am B ahnho f, Reinach
( Don't Change Your hair F or Me)
06.12.2015: Gr and C asino. L u zer n
( Don't Change Your hair F or Me)
12.12.2015: K ul t ur s cheune L ie s t al
( Don't Change Your hair F or Me)
09.01.2016: B är echäller, A ar bur g (Ja z zin t e am)
w w w.s chaer limusic.ch
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