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Malte Clasen und Philip Paar
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Globalisierung der Landschaftsvisualisierung
Malte CLASEN und Philip PAAR
Zusammenfassung
Biosphere3D ist ein interaktives Landschaftsvisualisierungssystem. Es wurde besonders für
die Echtzeitvisualisierung von Vegetation konzipiert, ähnlich wie sein Vorläufer Lenné3DPlayer. Ein sphärisches Geländemodell und ein effizientes Datenmanagement gewährleisten die Echtzeitdarstellung quasi unbegrenzter Landschaften. Dieser Beitrag beschreibt das
Visualisierungssystem im Kontext von geovirtuellen Softwaresystemen aus Anwenderperspektive. Wir geben detaillierte Information über die bereits zur Verfügung stehenden Import- und Exportformate, die Möglichkeiten des Renderings und die erforderliche Hardware.
1
Einleitung
AL GORE (1998) sagte in seiner ‚Rede zu einer Digitalen Erde’: „I believe we need (...) a
multi-resolution, three-dimensional representation of the planet, into which we can embed
vast quantities of geo-referenced data.“
Inzwischen sind derartige Visionen digitale Wirklichkeit. Bedingt durch den Fortschritt in
der PC-Technik, schnellen Internetverbindungen und der relativ guten Verfügbarkeit der
Daten wurde Geovisualisierung dank Google Earth auch für Anwender ohne GISHintergrund einfach zugänglich. Bereits vor Google Earth gab es interaktive digitale Globen wie ESRI ArcGlobe, NASA World Wind und weitere Open-Source-Projekte1, die jedoch vergleichsweise weiterhin ein Nischendasein fristen. Zahlreiche etablierte Softwarefirmen sind inzwischen auf den Trend aufgesprungen und bieten so genannte Geobrowser
an2, die teilweise auch Stadtmodelle darstellen können. Noch lassen sich in Geobrowsern
Gärten und Landschaften mit dreidimensionalen Pflanzen nur sehr rudimentär darstellen.
Die Pflanze, Hauptdarsteller visueller Landschaftssimulationen, ist jenes Element, das sich
als eine der größten Herausforderungen in der Landschaftsdarstellung erwiesen hat. Mit
dem System Lenné3D wurde der Prototyp eines GIS-datenbasierten Visualisierungswerkzeugs für dreidimensionale und interaktiv erfahrbare Landschaften und Vegetationsensembles entwickelt. Die Grundlagen wurden von 2002 bis 2005 in dem von der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojekt Lenné3D geschaffen (PAAR
& REKITTKE 2003). Das Einsatzgebiet von Lenné3D sind primär landschaftsrelevante Planungs- oder Entwicklungsprozesse, die veranschaulicht und erfahrbar gemacht werden sollen. Mittlerweile gibt es auch erste Anwendungen im Städtebau, in der Gartendenkmalpflege und in der Freiraumplanung (PAAR et al. 2007). Aktuelle Beispiele (Deussen 2003, REKITTKE & PAAR 2006) zeigen, wie detailliert mittlerweile Pflanzen und Vegetation repräsentiert werden können. Auch einige Computerspiele wie die deutsche Erfolgsproduktion
1
2
z. B. Virtual Terrain Project, http:www.vterrain.org
z. B. Viewtec TerrainView-Globe, ESRI ArcGIS Explorer, SkylineGlobe, Microsoft Virtual Earth
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Far Cry verfügen über beeindruckende Pflanzendarstellungen und zeigen damit was technisch aber auch mit großem Personalaufwand möglich ist. Hier wird allerdings bisher mehr
auf Special Effects als auf botanischen Realismus wert gelegt.
2
GIS-datenbasierte Landschaftsmodellierung und Landschaftsrendering
Landschaft(en) bestehen nach ERVIN (2001) üblicherweise aus sechs wesentlichen Elementen in Kombination: Gelände, Vegetation, Wasser, bauliche Strukturen, Tiere und Menschen sowie Atmosphäre. Für eine überzeugende visuelle 3D-Simulation des Landschaftsbildes reicht es daher gewöhnlich nicht aus, ein Geländevisualisierungswerkzeug um die
Darstellung einzelner 3D-Objekte zu erweitern. Vegetation, Bebauung und Wetter tragen
wesentlich zum Realitätseindruck bei. Landschaftsmodellierung wird in der computergestützten Visualisierung als Prozess der Erzeugung von Datenstrukturen zur Darstellung von
Objekten und Szenen verstanden, üblicherweise mit einer spezialisierten Software; dieser
Prozess ist von der Berechnung (Rendering) der Bilder zu unterscheiden (ERVIN & HASBROUCK 2001). SHEPPARD (1989) definiert Landschaftsvisualisierung in seinem Leitfaden
für Architekten, Ingenieure und Planer als Bilder von realen Orten, die in perspektivisch
sichtbare oder nichtsichtbare Elemente von wieder erkennbaren Landschaften in der Zukunft, in der Gegenwart oder in der Vergangenheit darstellen.
Um einen hohen Realitätsgrad einer Vordergrundszene zu erzielen, bedarf es meist – je
nach Bildausschnitt und Landschaft – eines hohen Detailreichtums. Ein Grundproblem –
insbesondere bei Geobrowsern oder ähnlichen interaktiven 3D-Softwaresystemen – ist dabei die Darstellung von Vegetation, Fließgewässern und häufig auch die Repräsentation
von Boden. So genannte Landschaftsgeneratoren oder Landschaftsrenderer wie E-on Software Vue or 3D Nature World Construction Set (WCS) ermöglichen die 3D-Modellierung
von realen und phantastischen Landschaften und die Bildberechnung mit einem hohen Detailgrad; allerdings kann das Rendern einzelner Bilder zwischen einzelnen Sekunden bis hin
zu mehreren Stunden dauern.
Seit 2000, bietet die Firma 3D Nature auch das Visual Nature Studio (VNS) an, eine leistungsfähigere und stärker GIS-datenkompatible Version ihrer Software, die zum de facto
Standard für GIS-datenbasierte Landschaftsvisualisierungen wurde. Auch zahlreiche Forschungsprojekte bedienen sich dieses Werkzeugs (APPLETON & LOVETT 2003, APPLETON et
al. 2002, EGGER et al. 2002, V. HAAREN et al. 2005, LANGE et al. 2004). In 2003 wurde die
erste Version von 3D Nature Scene Express als Add-on von WCS und VNS mit dem freien
NatureView Express Programm veröffentlicht, das das Abspielen von 3D-Szenen in Echtzeit bei einem geringeren Detailgrad (Level-of-Detail) gestattet. Interaktive 3D-Modelle
können den Betrachter in die Lage versetzen, den Raum zu betreten und seinen Standpunkt
selbst zu bestimmen: „Nur die Möglichkeit des freien Schauens und freier Bewegung im
Raum ermöglicht dem Betrachter, sich mit dem räumlichen Kontext intellektuell auseinander zu setzen (...) Denn, um über Lösungsmodelle anspruchsvoll reflektieren und debattieren zu können, ist es nötig, mit Hilfe des Modells Beziehungen zwischen den Landschaftselementen sowie räumlich-zeitliche Beziehungen zu erfahren“ (DANAHY & HOINKES 1999).
In den 1990er Jahren wurde mit PolyTRIM ein erstes Echtzeitvisualisierungssystem für
Stadt- und Landschaftsplanung entwickelt. Es setzte eine leistungsfähige SGI Grafik-
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Workstation voraus und wurde in einigen akademischen Projekten eingesetzt (HOINKES &
LANGE 1995, LANGE 2001).
Der auf GIS-datenbasierte Vegetations- und Landschaftsvisualisierung spezialisierte Lenné3D-Player wurde von Anfang an als Echtzeit-Renderingsystem für eine große Anzahl an
Pflanzenmodellen konzipiert (Abb. 1; PAAR 2003). Im Jahr 2000 wurden im Rahmen einer
Vorstudie Verbreitung von sowie Bedarf und Anforderungen an 3D-Visualisierungswerkzeugen zur Kommunikation landschaftsplanerischer Inhalte ermittelt (PAAR 2003,
2006). In Konsequenz hatte sich die Lenné3D-Softwareentwicklung zunächst auf die interaktive Simulation des Landschaftsbilds mit einer hoch detaillierten und möglichst realitätsorientierten Darstellung von Pflanzen und Vegetation konzentriert.
Abb. 1:
Eine virtuelle Hochmoorwiese im Schweizer Unesco Biosphärenreservat Entlebuch (Bildschirmfoto: Lenné3D-Player; in Kooperation mit der ETH Zürich und
dem EU-Projekt VisuLands)
Landschaftsvisualisierung kann aus Sicht des Softwarearchitekten in mehrere Aspekte gegliedert werden. Die Grundlage der Landschaft ist das Gelände, bestehend aus einem digitalen Geländemodell (DGM) und einer Farbtextur, z.B. einem Luftbild. Doch zur Landschaftsvisualisierung reicht es nicht aus, eine Terrainsoftware um die Darstellung einzelner
3D-Objekte zu erweitern. Vegetation, Bebauung und Wetter tragen wesentlich zum realitätsnahen Landschaftseindruck bei. Jeder dieser drei Punkte hat unterschiedliche Anforderungen: In einer Landschaft treten zwar biologisch gesehen oft einige Hundert Arten auf,
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aber für den optischen Eindruck sind nur relativ wenige, optisch dominante entscheidend.
Auch fällt Anwendern in der Regel nicht auf, wenn ein und dieselbe Pflanze sehr oft in
einer Szene auftaucht, so dass oft nur etwa 3 bis 8 Modelle einer Art und von unterschiedlichem Habitus benötigt werden, die dann in der Szene leicht skaliert und zufällig rotiert
werden. Dafür ist es umso wichtiger, dass diese in einer realistischen Dichte auftreten, also
dass sich beispielsweise in einem Wald die Kronen benachbarter Bäume berühren. Insbesondere bei Wiesen und Feldern ist die Anzahl der Individuen die größte Herausforderung
(RÖHRICHT & CLASEN 2005). Nur dadurch, dass man die nicht wahrgenommenen Aspekte
wie die Modellvielfalt beim Softwaredesign ausnutzt, wird es möglich, Landschaften mit
einem realistischen Bewuchs interaktiv darzustellen.
Gebäude haben hingegen andersartige Anforderungen: Sie sind geometrisch weit weniger
komplex als Pflanzen. Sie werden aber viel differenzierter wahrgenommen, weshalb Wiederholungen leicht negativ auffallen können. Gängige Geländewerkzeuge wie Google Earth
stellen nur sehr einfache Möglichkeiten für allgemeine 3D-Objekte zur Verfügung, so dass
zwar Pflanzen und Gebäude prinzipiell angezeigt werden können, aber nicht so zahlreich,
wie es für eine realistische Landschaft oder Stadt notwendig wäre.
Atmosphärische Effekte sind schon dadurch eine eigene Klasse, dass sie nicht durch übliche 3D-Objekte erfasst werden können. Das Lichtspiel bei klarem, bewölktem oder verregnetem Himmel trägt deutlich zum gefühlten Eindruck einer Szene bei, wird aber von den
gängigen interaktiven Softwareprogrammen überhaupt nicht berücksichtigt. Über einen
fotografierten Himmel oder einen einfachen Farbverlauf gehen nur wenige Projekte hinaus.
3
Biosphere3D
Das neue Lenné3D-System wurde für Landschaftsrendering auf einem virtuellen Globus
konzipiert. In Biosphere3D können über Satellitenbilder, Luftbilder und rasterbasierte digitale Höhenmodelle bedarfsabhängig aus Datenbeständen im Umfang von mehreren Terabytes geladen und mit Verteilungen von 3D-Pflanzenmodellen kombiniert werden (PAAR &
CLASEN 2007). Da keine Vorberechnung notwendig ist, können die Daten editiert und neugeladen werden um kurze Entwicklungsiterationen zu ermöglichen und semi-interaktive
Partizipationsprozesse zu unterstützen. Biosphere3D kann das offene 3D-Austauschformat
Collada3 lesen und ist kompatibel zu den Level-of-Detail-optimierten Flora3DPflanzenmodellen, wodurch Nutzer auf eine der größten Bibliotheken von 3DPflanzenmodellen zugreifen können.
Die Vegetationsmodellierung erfolgt zunächst im GIS und dann im Lenné3D-oik-Modul
(RÖHRICHT 2005). Ausgangspunkt bilden Biotop- und Landnutzungsdaten, die mit weiteren
GIS-Themen wie Topografie, Historie und Boden in Bereiche homogener Vegetation unterteilt werden. Jedem Bereich wird eine Referenzkartierung der Vegetation in Form einer
XML-Datei zugeordnet. In Biosphere3D können über das oik-Modul Pflanzenverteilungen
‚on-the-fly’ berechnet und durch Flora3D-Modelle auf dem Geländemodell repräsentiert
werden.
Eine Vorschau in verschiedenen Skalen bzw. Maßstäben zeigen die Abb. 2 bis 6.
3
http://www.khronos.org/collada/
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Abb. 2 und 3: Unser Planet aus dem All bei Sonnenuntergang in Ostasien (Anfang Juli),
Virtueller Sonnenaufgang in den Anden (Bildschirmfotos: Biosphere3D; Daten:
NASA SRTM- und Blue-Marble)
Abb. 4:
Königslutter mit dem Naturpark und Höhenzug Elm im Hintergrund (Bildschirmfoto: Biosphere3D; Daten: NASA SRTM, Luftbild LGN)
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Abb. 5 und 6:
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Eine virtuelle Lindenallee mit Lenné3D-Bäumen in Königslutter am Elm,
Blick in einen Baumwipfel und in die Mittagssonne
(Bildschirmfoto: Biosphere3D; Daten: Flora3D, NASA SRTM)
Die aktuelle Alphaversion ist für folgende Importformate optimiert:
• ERMapper Compressed Wavelets Raster (.ecw) für georeferenzierte Rasterbilder
• JPEG2000 für georeferenzierte Rasterbilder und digitale Höhenmodelle
• ESRI Shapefile (.shp)
• Lenné3D ASCII Ecofile (.eco)
• Lenné3D Flora3D (.flora3d)
• 3D-Objekte im COLLADA-Format (.dae)
Die Hardwarevoraussetzungen sind moderat: Ein handelsüblicher Dual-Core-PC mit 1-2
GB Arbeitsspeicher und einer aktuellen spieletauglichen Grafikkarte reicht aus, um das
System nutzen zu können. Weitere Cores, mehr Arbeitsspeicher und schnellere Grafik wirken sich positiv auf Bildqualität und Geschwindigkeit aus und können nach Bedarf gewählt
werden. Unterstützte Betriebssysteme sind derzeit Windows XP und Vista in 32 und 64 Bit.
Eine Portierung auf Linux wurde bereits begonnen. Biosphere3D ist unter Mozilla Public
License (MPL) veröffentlicht.
4
Diskussion
Warum entwickeln wir eine neue Softwarearchitektur, die auf den ersten Blick Google
Earth und andere Geo-Browser nachahmt? Ist ein virtueller Globus sinnvoll, wenn man
historische, existierende oder künftige Landschaften visualisieren will? Hier soll
keineswegs die Legitimität unseres Vorhabens diskutiert werden, sondern wir möchten
inhaltliche Überlegungen anstellen.
Die Wurzel von Geografischen Informationssystemen (GIS) liegt in der Beschreibung von
Landnutzungsformen und deren kartografischer Darstellung. Dieser Ansatz ist traditionell
zweidimensional und beschreibt einen Landschaftsausschnitt durch sich berührende, aber
nicht gegenseitig überlagernde Polygone oder Rasterzellen. Visualisierung wurde in der
Landschaftsplanung häufig mit 2D-Kartografie gleichgesetzt. Die etablierten GIS haben
dieses Verständnis eher begünstigt. In den meisten Landschaftsplänen ist die Erde quasi
noch eine Scheibe. Viele raumbezogene Problemstellungen können als Plangrafik nur ru-
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dimentär oder gar nicht gelöst bzw. grafisch dargestellt werden können. Die öffentliche
Wahrnehmung von GI-Systemen begann demgegenüber mit Google Earth und seiner dreidimensionalen Echtzeitdarstellung. Die wesentliche Neuerung war, neben der verblüffend
einfachen Bedienbarkeit, den umfangreichen Daten und der Lauffähigkeit auf gängigen
PCs, die Möglichkeit für internetbasierte Nutzerbeiträge und ist die immer engere Verknüpfung mit dem Web. Bereits 1995 haben Art+Com mit dem TerraVision-Projekt die Vision
von Al Gore antizipiert (MAYER et al. 1995). TerraVision fasziniert mit der Qualität der
Präsentation und des Interfaces, was damals vermutlich auch die Firma Keyhole, die den
Vorläufer von Google Earth entwickelt hat, inspirierte. Für ein ‚Consumer-GIS’ war damals die Zeit noch nicht reif, es gab ‚noch’ Grafik-Supercomputer von SGI und kaum
Breitbandanschlüsse.
Abb. 7, 8 und 9: TerraVision (http://www.artcom.de)
Zu Beginn des Open-Source-Projekts stand bei uns die Frage welche Ausdehnung eine
Landschaft, und damit das Basisterrain, maximal haben kann. Bis zum Horizont? Aber was
ist, wenn freie Navigation zugelassen wird? Dann gelangt der Nutzer irgendwann an das
finis terrae. Oder ich möchte von einer Landschaft zur benachbarten navigieren. Ist die
Darstellung des Kontexts, der Umgebung eines Ortes und insbesondere eines Planungsprojekts nicht essentiell wichtig zur Orientierung und Bewertung des Gezeigten?
Die etablierten 3D-Landschaftsrenderingsysteme von 3D Nature WCS und VNS werben seit
jeher mit der Berücksichtigung der Erdkrümmung. Die Erdkrümmung spielt aus Spaziergängerperspektive überwiegend keine Rolle. Planerische Relevanz bekommt sie, wenn es
um Sichtbarkeitsanalysen von beispielsweise Windkraftanlagen oder Sendemasten geht.
Den Autoren erscheint es sinnvoll, dass ein 3D-Landschaftsmodell auf dem richtigen Fleck
– also georeferenziert – auf den digitalen Globus platziert bzw. „publiziert“ wird; ganz im
Sinne vom Workflow mit den Google Produkten SketchUp und Google Earth. Womöglich
könnte man in Zukunft Naturschutzinteressen, kollidierende Bauvorhaben und benachbarte
Projekte auf dem digitalen Globus besser erkennen, wenn diese vorab in 3D veröffentlicht
werden müssten. Erdbrowser beherrschen bis dato noch nicht eine SpaziergängerNavigation wie in First-Person-Shootern. Neben der Navigation im Raum, sind auch die
Benutzerschnittstellen und das Systemdesign für Zeitreisen weiterzuentwickeln.
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Abb. 10 und 11: Waldlandschaft mit atmosphärischen Effekten in Biosphere3D
Vor dem Hintergrund der existierenden Softwarelandschaft war es notwendig, die kritischen Aspekte der gewünschten Visualisierung zu identifizieren und ein Softwaresystem zu
entwickeln, die genau diese gut beherrscht. Google Earth hat dies für reine Geländedarstellung erreicht, aber für eine Landschaft oder einen Garten ist das nicht unbedingt der wichtigste Punkt. Im Sinne von „Think global, act local“ haben wir entschieden, den Lenné3DPlayer zum ‚global player’ weiterzuentwickeln.
5
Ausblick
Während seit einiger Zeit verheißungsvoll über ein ‚Third Life’ als Weiterentwicklung von
Google Earth und Googles Antwort auf das ‚Metaversum’ Second Life spekuliert wird4,
und der erste Hype der Metaversen bereits abgeklungen ist, ist Biosphere3D ein ‚zartes
Pflänzchen’, das Kontakt zur realen Umwelt sucht. Das Landschaftsvisualisierungssystem
wird als Open-Source-Projekt weiterentwickelt und am Zuse-Institut Berlin gehostet5. Neben der Firma Lenné3D GmbH engagieren sich zurzeit Entwickler am Zuse-Institut Berlin
(ZIB), am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Der Schwerpunkt liegt
dabei auf der Modellierung und Visualisierung von durch Vegetation dominierten Landschaften auf der Grundlage dem Benutzer vorliegender Daten. Einzelne Module werden
zurzeit an den beiden Instituten entwickelt und im Rahmen des Verbundprojekts SILVISIO6
erprobt. Weitere Features wie beispielsweise ein interaktives physikalisch-basiertes Beleuchtungsmodell zur Verbesserung der Wiedergabe von Farben und Schatten (CLASEN &
HEGE 2005) oder die Unterstützung von Stereoausgabe sind geplant. Für den Aufbau einer
Biosphere3D Community fehlen zurzeit noch gute, aufbereitete Demos.
Über die Community soll ermöglicht werden, dass interessierte Entwickler ohne Einstiegshindernisse an Biosphere3D mitarbeiten können. Erwartungsgemäß wird das hauptsächlich
die Kompatibilität zu anderer Software bzw. anderen Betriebssystemen betreffen. So wäre
es z. B. interessant, das Google-Earth XML-Format KML einlesen zu können. Zusammen
mit dem bereits existierenden Collada-Import könnte man damit komplette KML-basierte
4
z.B. http://www.gearthblog.com/blog/archives/2007/01/third_life_google_ea.html
http://svn.zib.de/lenne3d
6
http://www.silvisio.de, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
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Google-Earth-Layer in einen Vegetationskontext setzen. Ebenso hilfreich wäre Unterstützung bei der Portierung auf die verschiedenen Linux-Varianten und MacOS X. Dies ist zwar
bereits prinzipiell vorgesehen, allerdings fehlt es den Hauptentwicklern noch an plattformspezifischer Erfahrung.
Für inhaltliche Erweiterungen steht ein flexibles Framework bereit, in dem beispielsweise
eigene Terrain-Typen (z. B. TIN) umgesetzt werden können. Auch interaktive Simulationen
wären hierüber realisierbar, da die Visualisierungsroutinen die Rasterdaten für Gelände und
Textur ohne Vorberechnung anzeigen können. Auch die Unterstützung von Physik-Engines
für bewegte und interaktionsfähige Pflanzen ist denkbar. Die Hauptentwickler stehen jederzeit für Rückfragen bereit und freuen sich über engagierte Interessenten.
6
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