Einiges

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Einiges
Einiges über Konzeptionsentwicklung
Ludger Pesch
Einiges über Konzeptionsentwicklung
Wenn man Erzieherinnen und andere Beteiligte
fragt, ist man sich meist schnell einig:
"Eine Konzeption muß sein." Es gibt auch in der
Literatur viele zutreffende Aussagen über die
Notwendigkeit
einer
schriftlich
fixierten,
pädagogischen Konzeption für Kindertageseinrichtungen: Das reicht von der gesellschaftspolitischen Funktion (Legitimation des
Dienstleistungsbetriebs Kita) bis zur Überlegung, daß nur eine Konzeption eine tragfähige
Grundlage ist für die Zusammenarbeit im
Mitarbeiterinnen-Team
(vgl.
Helga
Demandewitz;
Peter
Erath;
Beate
Irskens/Christa Preissing; Hilde Kappesz).
Auf einem anderen Blatt steht die Tatsache, daß
die meisten Einrichtungen (noch) nicht über eine
solche Konzeption verfügen. Und dann gibt es
noch Kolleginnen, die der Meinung sind, daß
eine Arbeit, die im wesentlichen von Intuition
und Entscheidungen im Augenblick bestimmt
ist, nicht konzeptionell beschreibbar sei...
1. Ausgangssituation
Innerhalb eines bundesweiten Projekts, in dem
es um die Weiterentwicklung von Kindertagesstätten geht <1), haben sich fünf
Einrichtungen für die Erarbeitung einer pädagogischen Konzeption entschieden. Die
Ausgangssituation für eine Entscheidung ist
nach Hans Thomae "durch den Charakter der
Forderung und Belastung, der Gefährdung und
Sorge bestimmt, nicht durch den des Spiels mit
mehreren Möglichkeiten ..." (zitiert nach H.
Demandewitz, S. 170). Wie
Kita
Debatte
01/1995
sieht es also in dieser Hinsicht mit der
Ausgangssituation in den Einrichtungen
aus? Welche Forderungen und Sorgen
bestehen, die die Entscheidung zur Arbeit
an einer Konzeption begründen?
Die Kindertagesstätte in Brandenburg/H.
ist aus einem kaum noch sanierungsfähigen
Haus in einen schmuck restaurierten Altbau
gezogen. Es ist aufgrund der Platzerweiterung
möglich, eine Hortgruppe zu eröffnen.
Gleichzeitig fragen sich die Erzieherinnen, wie
sie im Rahmen einer gruppenübergreifenden
Arbeit den Bedürfnissen der Kinder gerecht
werden können. Da tut sich ein neues, weites
Feld auf. Wirfragten noch, wie es auch jüngeren
Kindern ermöglicht werden kann, die bisher
beinahe ungenutzten Räume im Obergeschoß
(erreichbar über eine lange Treppe) zu
bespielen ...
Die Kindertagesstätte in Hildesheim liegt in
einem sozialen Brennpunkt der Stadt. Die
bauliche Substanz der kleinen Sozialwohnungen
ist verschlissen, viele Einwohner sind als
Sozialfall stigmatisiert. Die Mitarbeiterinnen der
Kita beobachten, daß viele Kinder auch noch am
Spätnachmittag
und
Abend
ohne
Ansprechpartner oder ein Angebot auf der
Straße herumlungern. Es stellt sich die
Forderung nach einer Angebotserweiterung der
Kita:
räumlich,
zeitlich,
personell.
Die
Konzeptionsentwicklung soll in diese Richtung
gehen.
Die Kindertagesstätte in Rostock hat
1991 das Gebäude einer ehemaligen
"Kombi" übernommen und sich damit
erweitert. Das Haus wurde seither mit
hohem
Mitteleinsatz
und
viel
ehrenamtlicher
Arbeit
saniert
und
ausgestattet; diese Arbeit ist noch nicht
abgeschlossen. Mit der Übernahme ging
eine Erweiterung des Teams einher.
Gleich-
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Einiges über Konzeptionsentwicklung
zeitig wurden neue Kinder aufgenommen, die
Kita befindet sich in einem neuen sozialen
Umfeld. Es stellt sich die Aufgabe, diese
Faktoren aufeinander zu beziehen und eine
tragfähige Grundlage zu entwickeln, die in einer
Zeit der Konkurrenz zu anderen Einrichtungen
ein Profil deutlich macht. Dieser Prozeß hat
bereits vor Projektbeginn angefangen.
Der Kindergarten in Hamm-Herringen
wurde erst im Frühjahr 1994 eröffnet. Schon von
weitem signalisiert er bereits das noch Unfertige
dieser Einrichtung: Ein großer Zaun umschließt
einen kaum gestalteten Außenbereich. Im
Inneren
wurden
architektonisch
neuere
Entwicklungen
der
Elementarpädagogik
berücksichtigt und in der Raumkonzeption
umgesetzt (Nebenräume;
Einbeziehbarkeit von Fluren; Verbindungsräume
zwischen
Gruppen).
Das
völlig
neu
zusammengestellte Team hat jedoch noch
Schwierigkeiten, sich auf einen stimmigen
pädagogischen Rahmen zu verständigen. Es
stellt sich die Forderung, diesen im Laufe einer
Konzeptionsentwicklung herzustellen.
Die Kindertagesstätte in Worbis hat nicht nur
das
Gebäude
einer
kommunalen
Kita
übernommen; hier müssen zwei ehemals
eigenständige Teams zu einem Kollegium
werden. Mit den neuen Kolleginnen wurden
auch die dort angemeldeten Kinder und deren
Familien übernommen. Damit hat sich die
Größe der Einrichtung nicht nur verdoppelt;
schwerer dürfte wiegen, daß Gruppen mit sehr
unterschiedlicher Tradition unter einem Dach
zusammenarbeiten bzw. -leben. Damit gehen
auf allen Seiten Sorgen und Belastungen
einher,
die
im
Rahmen
der
Konzeptionsentwicklung zu bearbeiten sind. Die
Situation signalisiert, daß auch Eltern in diesem
Prozeß eine Rolle spielen sollten.
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2. Thesen zur Konzeptionsentwicklung
Im Rahmen einer Tagung für Fachberaterinnen,
deren Einrichtungen am Projekt teilnehmen,
formulierte eine Arbeitsgruppe folgende Thesen.
Es gilt, sie im Laufe der Projektentwicklung zu
untersuchen:
Eine Konzeption ist die unerläßliche
Grundlage für eine öffentliche pädagogische
Arbeit, insofern sie einen verbindlichen Rahmen
für die Formulierung und Überprüfung von
pädagogischen Standards herstellt.
Die Konzeptionsentwicklung braucht einen
(Zeit-)Raum für fachliche Erörterung mit allen
Beteiligten, um einen breiten und tiefen Konsens
zu erreichen.
Notwendig dafür ist die Unterstützung durch
eine dritte, fachliche Instanz, insofern diese
methodische und inhaltliche Hilfen für die
Konzeptionsentwicklung bereitstellt.
Die Konzeptionsentwicklung braucht die
Unterstützung der Einrichtungs-Leitung und ist
zugleich eine Unterstützung der Leitungsfunktion, insofern deren wichtigste Aufgabe die
Sicherung der pädagogischen Standards ist.
Eine Konzeption ist Ausweis der Professionalität und stärkt die Vertretung nach außen
(z. B. gegenüber dem Träger).
Eine Konzeption weist die Ausgangsdaten
(Rahmenbedingungen, soziale Situation) aus
und ist damit ein Ansatz für Veränderungen bei
veränderten Ausgangsdaten.
Die Konzeptionsentwicklung bietet eine
Lösungsebene für gruppendynamische Probleme, insofern sie fachliche Kriterien für
Entscheidungen bietet.
Kita
Debatte 01/1995
Einiges über Konzeptionsentwicklung
3. Konzeptionsentwicklung als Prozeß
Beate Irskens beschreibt die Arbeit an einer
Konzeption als "Weg nach innen" (B. Irskens, S.
111). Diese Beschreibung korrespondiert mit
meinen eigenen Erfahrungen. Tatsächlich ist
das Ergebnis des Weges zu Beginn nicht
offenbar, es ist verborgen. Das Ergebnis der
Diskussion im Team ist etwas anderes und im
günstigen Fall weit mehr als die Summe der
Einzelmeinungen. Reflexion und kollegiale
Beratung können Wissen und Erkenntnisse
fördern, die im Alltag und unter dem Druck eines
unmittelbaren Handeln-Müssens oft verschüttet
sind:
Kinder
warten
ungern,
und
beratende
Kolleginnen sind oft nicht greifbar.
Dabei kann der Prozeß der Konzeptionsentwicklung Krisen auslösen. Er erfordert und
fördert Arbeitsweisen, die im Alltag kaum geübt
werden: Distanz zur eigenen Arbeit, Reflexion
liebgewonnener
Gewohnheiten,
Neuformulierung
eines
persönlichen
Standpunktes, Balance von Selbstvertretung
und Übereinkommen, Verbindung von fachlicher
Argumentation und erzieherischer Intuition. Aber
eine Krise möchte ich verstehen als ein Stadium,
das Größeres ankündigt. Krisen sind der
Ausgangspunkt für Weiler-Entwicklungen.
4. Prinzipien der Konzeptionsentwicklung
Es gibt viele Einstiegspunkte und Wege zur
Konzeptionsentwicklung (vgl. 5). Folgende
Prinzipien und Gesichtspunkte finde ich jedoch
durchgängig wichtig:
- Möglichst alles (schriftlich') dokumentieren!
Das erscheint selbstverständlich für das
"Endergebnis", also den fertigen Text. Das
Prinzip gilt aber auch für alle anderen Stadien
der Diskussion. Wenn z. B. am Beginn
Kita-Debatte
01/1995
einer Diskussion das Meinungsspektrum im
Team aufgeschrieben wird, entsteht schlagartig
Klarheit über etwas, was bisher nur geahnt
werden konnte. Es gibt Verfahren (Netzplan;
Mind-Mapping), die einen Diskussionsverlauf
ohne großen Aufwand festhalten lassen. Aber
auch durch bildliche Gestaltung (Photos;
Collagen) können Diskussionsprozesse
und
Zwischenergebnisse festgehalten werden. Dann
kann es nicht passieren, daß sie am Ende einer
zweistündigen Diskussion feststellen: Wir haben
vieles Wichtige besprochen, aber jetzt nichts auf
dem Papier, das wir den anderen mitteilen
können.
- Trotz Ergebnisorientierung nicht nur "abhaken"!
Ziel der Konzeptionsentwicklung ist die schriftlich
fixierte Konzeption. Das darf jedoch nicht
heißen, der Quantität die Qualität zu opfern. Oft
ist es falscher Ehrgeiz oder vermeintlicher Druck
von außen, wenn möglichst viele Punkte
durchzupauken und eine möglichst dicke Kladde
anzufertigen ist. Weniger ist manchmal mehr,
wenn dieses dafür in seiner Vielschichtigkeit
gründlich erörtert wurde. Sonst droht die
Produktion von Papiertigern. Sie werden
feststellen, daß viele Aspekte der Konzeption
sich berühren und überschneiden. Ein gründlich
ausdiskutierter und -formulierter Text z. B. über
die "Gestaltung von Mahlzeiten" wird deshalb
auch Aussagen machen über ihre Erziehungsziele, ihr Bild vom Kind, ihre Aurfassung
von der Rolle der Erzieherin u.v.m.
- Konsens anstreben, jedoch nicht verabsolutieren!
Es ist einleuchtend, daß ein Konsens aller
Beteiligten die Qualität und Wirksamkeit einer
Konzeption am ehesten sichert. Deshalb ist es
sinnvoll, eine Übereinstimmung anzuzielen.
Dafür braucht es Zeit und Arbeitsmethoden, die
die Mitarbeit aller för55
Einiges über Konzeptionsentwicklung
dem helfen; gerade auch derjenigen, die
wenig Übung im Verfassen von pädagogischen Texten haben: anonyme oder halbanonyme Verfahren in Anfangssituationen;
Wechsel von Kleingruppen und Plenum;
unterschiedliche Formen der Textverarbeitung.
Die Verabsolutierung des KonsensPrinzips kann jedoch einer Einzelperson
oder Minderheit eine Macht geben, die den
gesamten
Prozeß
blockiert.
Die
Entscheidung nach dem Mehrheitsprinzip
sollte dann mit der Auflage verbunden
sein,
die
(schriftlich
protokollierten)
Bedenken
der
Mindei+ieit
nach
angemessener Zeit zu überprüfen. Das gilt
auch für die Bedenken derjenigen, die an
der
Konzeptionsentwicklung
nicht
teilnahmen
oder
zwischenzeitlich
Bedenken erhoben. Im Rahmen einer
Konzeptionserarbeitung formulierten wir
einmal als Präambel:
"So//te jemand
Veränderungen der
Konzeption für notwendig halten, muß
darüber auf einer Dienstbesprechung
diskutiert werden. Bis dahin behalten alle
in
der
Konzeption
festgelegten
Regelungen ihre Gültigkeit...
Diejenigen, die am Teamseminar nicht teilnahmen, haben Anspruch darauf, daß die
anderen Kolleginnen Ihnen die Konzeption
erläutern. Etwaige Bedenken können von
ihnen auf einer Dienstbesprechung
geäußert werden; diese Bedenken werden
protokolliert. In einem solchen Fall werden
nach ca. einem halben Jahr diese
Aufzeichnungen
im
Rahmen
einer
Dienstbesprechung erneut diskutiert. Bis
dahin behalten alle Regelungen ihre
Gültigkeit."
- Ist-Stand und Soll aufeinander beziehen!
Nichts ist langweiliger zu lesen und
unergiebiger als eine Konzeption, die
lediglich den Ist-Stand widerspiegelt, ohne
eine
Perspektive
zu
beschreiben.
Andererseits sollte eine Konzeption nicht
nur Visionen enthalten, die
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ohne jeden Bezug zur momentanen Wirklichkeit sind. Denn das pädagogische Handeln ist genau zwischen diesen Polen
angesiedelt, es ist zielgerichtetes Handeln
(visionärer Aspekt) auf der Basis des Hier
und Jetzt (reale Ebene). In einigen meiner
Seminare steige ich deshalb mit der Bitte
ein: "Entwerfen Sie ein Bild von ihrer Einrichtung im Jahre 2005. Welche Angebote
finden Kinder vor, welche Gestaltung, was
können sie erleben und lernen? Stellen Sie
ihre
Vision
darin
Form
einer
Stellungnahme, einer Reportage oder
eines
Tagebuchausschnittes
..."
Im
Anschluß (an diese erste Schreibübung)
überlegen wir dann, welche Visionen uns
besonders reizvoll erscheinen und welche
ersten Schritte zur Umsetzung folgen
müssen.
- Auf den Einbau von Auswertungsabsprachen achten!
Die Reflexionsdichte einer Fortbildung zur
Konzeptionsentwicklung wird kaum iri der
alltäglichen Praxis wiederholt werden können. Deshalb ist es wichtig, in die Konzeption geeignete Maßnahmen aufzunehmen,
die die Einhaltung der Verabredungen
sichern hilft und nach einiger Zeit eine
Überprüfung garantiert. Im Rahmen einer
Konzeptionsentwicklung verfaßten wir z. B.
folgende Präambel:
"- Wir sollten uns bei Gelegenheit daran
erinnern, über alle Routine nicht die in der
Konzeption beschriebenen Grundsätze zu
vergessen...
- Die gesamte Konzeption wird einmal
jähriich
im
Rahmen
einer
Dienstbesprechung überdacht. Vor dieser
rechtzeitig angekündigten Reflexion lesen
alle Kolleginnen die Konzeption durch und
besprechen sie ggf. in ihrer Abteilung..."
Da die Arbeit an einer Konzeption niemals
wirklich beendet ist, gehören hierher auch
Vereinbarungen über die Weiterarbeit.
Kita
Debatte
01/1995
Einiges über Konzeptionsentwicklung
5. Einstieg und Wege der Konzeptionsentwicklung
Im Nebeneinander von zwei in sich
"geschlossenen" Modellen der Konzeptionsentwicklung
können
unterschiedliche
methodische
Orientierungen
deutlich
werden:
1. Das Modell von B. Irskens und Chr.
Preissing (s. Literaturangaben) ist den
Prinzipien
des
Situationsansatzes
verbunden,
ohne
daß
es
eine
pädagogische Ideologie vertritt. Typisch
dafür ist beispielsweise die Reflexion des
Bildes vom Kind und der Bezug zur
Lebenswirklichkeit von Kindern, typisch
dafür ist der Regelkreis von Situationsanalyse, Formulierung von Zielen,
Planung pädagogischen Handelns und
Reflexion der Konsequenzen, typisch dafür
ist der Bezug zum pädagogischen Alltag
(statt zu Höhepunkten und besonderen
pädagogischen
Ereignissen).
Die
Arbeitshilfe beschreibt für jeden Schritt
mehrere Methoden, die beide Himhälften
beanspruchen und schildert einige von
ihnen
anschaulich.
Sie
läßt
den
Leserinnen jedoch die Freiheit der
Umsetzung. D.h. aber auch, sie bietet
keine eingleisige Spur, die nur abzufahren
wäre.
2. Das Modell von P. Erath (s.
Literaturangaben) bietet einen klaren
logischen
Rahmen,
der
aus
drei
aufeinanderfolgenden,
in
sich
abgeschlossenen Schritten beruht: allgemeine
Zielbestimmung,
Formulierung
qualitativer
Standards
für
einzelne
pädagogische
Maßnahmen,
Beobachtungen und Auswertung der
Umsetzung. Für jeden Schritt werden
Beispiele angeführt. Die Konzeptionsentwicklung wird hier als Prozeß von
gedanklicher Ableitung und Verdichtung
vorgestellt und erscheint auf dem Papier
trockener, als eine engagierte Umsetzung
in der Praxis sein wird.
Kita
Debatte
01/1995
Dennoch fragt sich, ob eine unmittelbare
Verknüpfung von Zielbestimmung und der
Planung der pädagogischen Umsetzung
nicht angemessener wäre.
Es gibt viele mögliche Einstiegspunkte in
eine Konzeptionsentwicklung; welcher
gewählt wird, ist vor Ort zu entscheiden.
Einige Einstiegsmöglichkeiten, mit denen
ich gute Erfahrungen gemacht habe,
möchte ich abschließend schildern:
- Jedes Teammitglied erhält drei Karten,
auf die es je ein Thema schreiben kann,
das
es
im
Rahmen
der
Konzeptionsentwicklung besprochen und
geklärt haben möchte. Diese Karten
werden eingesammelt und an einer
Pinnwand, sortiert nach Oberthemen,
aufgespießt. So werden die z.Zt. entscheidenden
Probleme
identifiziert,
eine
Problemlandschaft entsteht sichtbar vor
aller Augen. Durch ein anschließendes
Bepunkten der Karten kann gemeinsam
eine Entscheidung getroffen werden, mit
welchen
konzeptionellen
Bausteinen
begonnen wird.
- In Verbindung mit dieser Problemlandschaft kann eine Mustergliederung hilfreich
sein für die Konzeptdiskussion im Team.
Mit ihr können die Probleme geordnet
werden, sie kann ein Gliederungsvorschlag
für
die
schriftliche
Fassung
sein.
Mustergliederungen finden sich bei B.
Irskens/Chr.Preissing (S.19f) und ähnlich
bei M.Kokigei/U. Teigeier.
- Jedes Teammitglied wird gebeten, einen
'Tagebuchausschnitt eines Kindes" zu
schreiben. Diese Texte werden vorgelesen
und assoziativ gedeutet. Die Stichworte
werden
an
einer
Wandzeitung
festgehalten. Es entsteht eine dichte
Sammlung von Aspekten, die die kindliche
Lebenswirklichkeit,
aber
auch
die
Kindheitserinnerungen
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Einiges über Konzeptionsentwicklung
der Erwachsenen und ihre erwachsene
Sicht auf beide widerspiegelt.
- Eine ähnlich wirkende Methode besteht
darin, daß die Beteiligten (einzeln oder
gemeinsam) ein "Bild von der Kita" malen,
das anschließend wieder assoziativ
erörtert wird. Ein Bild (ähnlich wie eine
Geschichte) zeigt immer mehr als dem
Gestaltenden bewußt ist.
- Sind entscheidende pädagogische
Probleme bereits identifiziert (durch
Vorbesprechungen und Hospitationen),
können in Kleingruppen dazu passende,
kürzere Fachtexte gelesen und im Plenum
referiert werden. Es macht Erzieherinnen
häufig Spaß, nach oft langer Lesepause
einmal wieder einen pädagogischen Text
gemeinsam zu erarbeiten.
- Unterstützen Fortbildner den Arbeitsprozeß, sollten sie (wie wir es im Projekt tun)
vorher zu Hospitationen eingeladen
werden.
Die
Protokolle
dieser
Hospitationen
können
ebenfalls
Ausgangspunkt der Konzepterarbeitung
sein, denn sie schildern den Blick eines
dritten, bisher fremden Beteiligten. Dieser
Blick kann die Aufmerksamkeit auf
problematische wie gelungene Aspekte
lenken, die nur deshalb nicht auffallen, weil
sie schon längst zur Routine der
Einrichtung gehören.
jekt ist es uns an allen Standorten
gelungen, die Einrichtung für einige Tage
zu schließen, um (mit einigen Eltern und
Trägern) in die Konzeptionsentwicklung
einzusteigen.
(1) Projekt "Katholische Tageseinrichtungen für
Kinder entwickeln sich weiter Von Kindergärten
zu vielfältigen Angebotsformen". Träger des
Projektes, an dem bundesweit 11 Einrichtungen
teilnehmen, ist der KTK (Verband Katholischer
Tageseinrichtungen für Kinder). Projektbüro:
Ahornallee 49, Berlin, Tel.: 30390524
Literatur:
* HELGA DEMANDEWITZ: Konzeption statt
Resignation - Die Bedeutung der konzeptionellen
Arbeit im Team für die Erweiterung des
beruflichen Selbstbildes von Erzieherinnen; in:
Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Orte für
Kinder, Juventa Verlag, München 1994, S. 165182
*
PETER
ERATH:
Ein
Modell
zur
Konzeptionsentwicklung
in
Kindertageseinrichtungen; in: Kita aktuell HR, Nr.
2/95, S. 23-26
* BEATE IRSKENS: Die Konzeption-mehr als
der rote Faden für die pädagogische Arbeit; in:
Projektgruppe
"Orte
für
Kinder"(Hrsg.),
Dokumentation
der
dritten
zentralen
Arbeitstagung, München 1993
* BEATE IRSKENS/CHRISTA PREISSING:
"Damit wir wissen, was wir tun!" Methoden zur
Erstellung eines pädagogischen Konzeptes im
Team; Eigenveriag des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge, München 1990
* HILDE KAPPESZ: Kreatives Leben mit
Kindern. Der Situationsansatz im Kindergarten;
Herder Vertag, Freiburg 1994
" MARIANNE KOKIGEI/USCHI TEIGELER: "Wie
entsteht eine Konzeption?"; Senatsverwaltung
für Jugend und Familie Berlin (Hrsg.), Berlin
1991
Die Entwicklung einer pädagogischen Konzeption
kann ein viel lebendigerer Prozeß sein, als es
zunächst erscheint. Voraussetzung dafür ist eine
Leitung, der wirklich etwas an der Entwicklung der
Einrichtung liegt und eine Arbeitsform, die
Produktivität und Reflexion verbindet. Ich
bezweifle, daß dies in Treffen am Rande des
Arbeitstages gut möglich ist. Wir sollten deshalb
die Eltern und den Träger fragen, was sie zur
Konzeptionsentwicklung beitragen können. Im Pro
58
Kita
Debatte
01/1995

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