Ansprache Konfirmationsgottesdienst am 3. Mai 2015 in der
Transcription
Ansprache Konfirmationsgottesdienst am 3. Mai 2015 in der
Ansprache Konfirmationsgottesdienst am 3. Mai 2015 in der Michaelskirche Gerstetten Endlich ist er da, der heiß ersehnte Tag: Heute ist Konfirmation. Ihr Jugendlichen steht im Mittelpunkt, jetzt in der Michaelskirche und nachher in der Familie. Ihr steht im Mittelpunkt wie wahrscheinlich noch nie zuvor in eurem Leben – abgesehen vielleicht von eurer Geburt und eurer Taufe. Aber an die wird sich außer Madlen wahrscheinlich keiner von euch wirklich noch erinnern können. Aus Kindern werden langsam aber sicher Erwachsene; ihr wollt immer mehr in eurem Leben selbst entscheiden. Und das ist auch gut. Ihr wollt immer mehr Autonomie und entwickelt dabei ganz konkrete Vorstellungen davon, wie ihr eigentlich genau leben wollt, mit welchen Freundinnen und Freunden ihr euch umgeben möchtet, wie ihr euch kleidet. Vielleicht auch schon davon, was für einen Beruf ihr später einmal ausüben werdet, ob ihr euer Leben lang hier in Gerstetten, eurer Heimat bleiben wollt, oder nach der Schulzeit erst einmal auf die Walz geht und die Welt erkundet. Ihr möchtet immer mehr Freiheit und wandelt zunehmend auf euren eigenen Wegen. Und auch das ist gut so: Es ist gut, wenn ihr euch zu freien Menschen entwickelt, die ihre Gefühle leben, sich eigene Gedanken machen und einen achtsamen Blick für andere und ihre Mitwelt entwickeln. Am Ende des heutigen Tages habt ihr einen wichtigen Schritt hin zum Erwachsen-Werden getan, ein wichtiges Etappenziel ist erreicht und ihr alle habt damit echt was geschafft. Aber nicht nur Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden habt etwas geschafft, auch eure Eltern. Sie haben euch, ihre Kinder so weit gebracht, dass ihr heute hier in der Michaelskirche versammelt seid und das Fest der Konfirmation feiern dürft. Sie haben euch ihre ganze Liebe gegeben, euch umsorgt und gefördert. Eltern, Großeltern und vielleicht auch die Patinnen und Paten, die ihren Teil zur Erziehung – auch zur religiösen Erziehung – beigetragen haben, dürfen heute voller Stolz auf euch alle blicken. Die Jugendlichen, die wir heute konfirmieren, nehmen ihr Leben bald selbst in die Hand. Mit 14 ist man strafmündig, das werdet ihr sicher wissen, das heißt, der deutsche Staat, wir die Gesellschaft trauen euch zu, für euer Handeln, Tun und Sagen eine gewisse Verantwortung zu übernehmen. In den Augen der Kirche seid ihr von heute an erwachsen. Ihr dürft selbst Patin oder Pate werden und wenn morgen eine Wahl oder Abstimmung in unserer Gemeinde stattfinden würde, wärt ihr allesamt wahlberechtigt. Die Kirche, wir, eure Kirchengemeinde trauen euch da ganz schön viel zu. Aber es dauert nicht mehr lange, dann seid ihr auch in den Augen des Gesetzes erwachsen. Und zum Erwachsen-Werden braucht und sucht man Vorbilder und Orientierung. Und so bleibt es spannend wie es mit Euch weitergehen wird: Welchen Weg werdet ihr gehen hin zum Erwachsen-Sein? Werdet ihr mit dem Strom schwimmen und nicht viel nachdenken? - Werdet ihr versuchen, möglichst bequem durchs Leben zu kommen, bloß nicht aufzufallen, damit ihr möglichst wenig Schwierigkeiten bekommt? Oder werdet ihr es wagen, euch eine eigene Meinung zu bilden, auch mal das sagen oder tun, was nicht nur auf Zustimmung stößt? Werdet ihr euch für soziale Belange engagieren? Euch und eure Talente einbringen in Projekte oder auf Arbeitsstellen, die sinnvoll und förderlich sind für das Gemeinwohl? Werdet ihr ein eigenes Profil entwickeln? Welchen Weg werdet ihr wohl gehen? So viel ist sicher: Gottes Wege gehören nicht immer zu den einfachsten Wegen. Sie sind manchmal steil und steinig, aber es sind Gottes Wege mit uns. Ich durfte euch Konfirmandinnen und Konfirmanden nun auch ein kleines Stückchen dieses Weges begleiten, durfte euch kennenlernen und sah und sehe 14 Jugendliche mit ganz unterschiedlichem Temperament, unterschiedlicher Geschichte und mit unterschiedlichem Charakter. So einzigartig und unverwechselbar jeder und ein jede von euch auch ist, einen Wunsch - das ist mir im Laufe der vergangenen neun Monate sehr deutlich geworden – einen Wunsch habt ihr alle miteinander. Nehmt mich bitte so an wie ich bin! Lasst mich der sein, der ich gern sein möchte. Lasst mich die werden, die ich gerne werden möchte. Angenommen werden – das möchtet Ihr alle. Und darum soll es jetzt in dieser Ansprache auch gehen. Viele Erwachsenen denken jetzt vielleicht: „Ja, das ist doch klar. Ohne gegenseitige Annahme, da geht nichts.“ Nicht in der Familie, nicht im Fußballverein, nicht in der Schule und nicht in der Kirchengemeinde. Aber ich behaupte jetzt mal ganz kühn: So denken die Eltern. So denken die Pädagoginnen und Pädagogen, eure Lehrerinnen und Lehrer an der Schule. So denken auch die Pfarrer. Die meisten von uns werden ihn kennen, diesen einen Satz aus Römer 15, den der Apostel Paulus uns, die wir doch stets bemüht sind, gute Christenmenschen zu sein, und damit auch euch, die ihr euch heute zum christlichen Glauben bekennt, ins Stammbuch geschrieben hat: „Nehmt einander an, so wie Christus uns angenommen hat.“ (Römer 15,7) Es ist nicht nur der Denkspruch von Aaron sondern auch der Bibelspruch, unter dem das gesamte Jahr 2015 steht, die Jahreslosung. Es ist ein Spruch, den wir alle sicher irgendwann schon einmal gehört haben und der einem auf den ersten Blick auch völlig einleuchtet. Aber: Mit den besonders einleuchtenden Sprüchen der Bibel ist das so eine Sache. Ein berühmter Theologe hat einmal gesagt: „Mir machen nicht die Worte der Bibel Kopfzerbrechen, die ich nicht verstehe, sondern die, die ich verstehe.“ Und er meinte damit: Gerade mit den ganz einfachen Wahrheiten der Bibel tun wir uns im Leben oft sehr schwer. An diesem Ausspruch des Apostels Paulus wird das, wie ich finde, besonders gut deutlich. Und an drei Beispielen aus Eurem und unser aller Leben möchte ich das nun kurz aufzeigen: Unter Euch Jugendlichen, da wird dieser Wunsch nach gegenseitiger Annahme ganz groß geschrieben. Und damit geht es Euch gewiss nicht anders als uns Erwachsenen; nur dass wir Erwachsenen uns anders anstellen, um von anderen angenommen zu werden. Aber was tut Ihr, damit die anderen Euch annehmen? Klar ist: Das äußere Erscheinungsbild muss stimmen. Es braucht eine vernünftige Frisur, das richtige Make-Up und in jedem Fall die richtigen Kleider. In den sozialen Netzwerken sollte man auch präsent sein, möglichst viele Likes bekommen, täglich Änderungen auf dem eigenen Profil vornehmen, um möglichst oft und lange im Gespräch zu bleiben. Das benötigt viel Pflege, manchmal auch Sorgfalt in jedem Fall aber massig Zeit. Zeit, die dann später beim Zimmer-Aufräumen oder dem Müll runter bringen fehlt. Die Musik spielte damals zu meiner Konfirmandenzeit eine ganz wichtige Rolle: Wir hörten Radiohead, The Offspring, Nirvana und liefen alle rum mit Frisuren wie Kurt Cobain. Ja, Rauchen und Alkohol-Trinken gehört bei dem ein oder anderen vielleicht auch schon dazu zum Erwachsen-Werden – man will ja schließlich um jeden Preis (auch den der Gesundheit) erwachsen wirken. Wir Erwachsenen können darüber die Nase rümpfen oder schmunzeln – je nachdem. Aber wenn wir ehrlich sind, dann schauen auch wir bei den Klamotten auf die Marke; und für die Männer hat das Auto natürlich standesgemäß zu sein – ein Minivan kommt mir nicht in die Garage. Heben wir also besser nicht den pädagogischen Zeigefinger. Reden wir lieber mit unseren Jugendlichen darüber, was ihnen und uns diese Dinge bedeuten, was ihnen und uns „heilig“ ist. Denn gerade das entzaubert m. E. die Bedeutung perfekter Äußerlichkeit. Das befreit uns davon zu denken: Nur wenn ich perfekt gestylt bin, das richtige Smartphone habe oder mit den richtigen Leuten abhänge, werde ich angenommen. Anders stellt sich die Frage der Annahme für Euch Jugendliche innerhalb Eurer Familien dar. Manche Eurer Eltern sind vielleicht froh, dass Ihr mit dem heutigen Tag einen wichtigen Schritt hin zum Erwachsen-Werden tut. Das hat mit dem Wunsch Eurer Eltern zu tun, Verantwortung ganz allmählich wieder abzugeben, die Verantwortung für Euer Leben. Das hat wohl auch mit dem Wunsch Eurer Eltern zu tun, wieder etwas mehr Zeit zu haben für das eigene Leben. Ich persönlich könnte das sehr gut nachvollziehen. Denn Eure Eltern, die stehen ja mitten im Leben. Und die haben wie Ihr die Sehnsucht, das Leben auszukosten, solange die Kraft dazu noch da ist. Und doch, liebe Eltern, diese 14 Jugendlichen hier, die werden Sie als Eltern weiterhin brauchen. Es ist schwer für Jugendliche im Alter Ihrer Kinder, das zuzugeben. Deshalb sind 13-14jährige auch so unglaublich wechselhaft. Ich habe schon lange genug mit dieser Altersgruppe zu tun und beneide sie alle nicht: Einmal total spröde und abweisend, und ein anderes Mal absolut anhänglich und auf der Suche nach einer starken Schulter. Sie als Eltern müssen diese Spannung aushalten – jetzt im Moment und das kann ja noch eine ganze Weile so weitergehen. Ihre Kinder brauchen Sie, so sehr diese das mitunter auch abstreiten, wenn sie sagen: „Ach, lass mich doch in Ruhe.“ Eine geborgene, herzliche, offene familiäre Atmosphäre ohne doppelten Boden, die ist durch nichts zu ersetzen. Auch hier weiß ich, wovon ich spreche: In meiner Zeit in der Jugendabteilung der JVA Stammheim hatte ich oft mit Jugendlichen zu tun, die sich nichts sehnlicher gewünscht haben, es aber nie erfahren durften, in ihrem Leben, was Familie denn bedeutet und wie wichtig sie für unsere Kinder und Jugendlichen ist. Sie, liebe Eltern, müssen Ihre Jugendlichen immer noch erziehen. Aber erziehen lassen sich 1314jährige nur, wenn sie sich von Ihren Eltern angenommen fühlen, so wie sie sind. Das heißt nicht, dass man alles absegnen soll, was Jugendliche im Alter von 13 oder 14 so tun oder nicht tun. Es heißt vielmehr: das, was Ihre Jugendlichen tun oder nicht tun, zu kennen; darüber informiert und – so schwer es manchmal auch fallen mag – daran interessiert zu sein, ohne sie ständig zu kontrollieren, ohne sie aber auch sich gänzlich selbst zu überlassen. Das ist wahrlich eine Gratwanderung. Aber das ist Ihre Aufgabe und niemand kann Sie an dieser Stelle vertreten. Ein dritter Lebensbereich, in dem Jugendliche Annahme benötigen, ist das Zusammenleben in einem Dorf. Wo, frage ich sie, spüren Jugendliche hier in Gerstetten, dass sie geschätzt werden? Etwa in der Jugendabteilung des VFL Gerstetten? In der Jugendkapelle des Musikvereins? Hier in der Kirchengemeinde beim CVJM? Wo können sie sich sinnvoll einbringen in das örtliche Geschehen und dadurch Anerkennung bekommen? Wo werden ihr Wünsche, Fragen und Bedürfnisse denn wirklich berücksichtig und ernst genommen? Jugendliche brauchen sinnvolle Aufgaben. Und es muss Erwachsene geben, die Jugendliche an diese Aufgaben heranführen und sie dabei begleiten. Ich freue mich über jeden von Euch, der bereit ist, schon in jungen Jahren Verantwortung zu übernehmen. Sei es auf dem Schulhof, im Sportverein, in der Feuerwehr oder auch hier in der Kirchengemeinde. Ich freue mich über jeden einzelnen von Euch, der später einmal beim CVJM, der Dorffreizeit oder der im Kinderkirchteam mitarbeitet und dazu jetzt nach der Konfirmation am Trainee-Programm teilnimmt, denn das bedeutet ja: Ich will weiterkommen, will gemeinsam mit anderen an mir arbeiten und über mein eigenes Ego hinausblicken. Liebe Gemeinde, Wir alle sind doch gefordert, was dafür zu tun, dass Jugendliche sich angenommen fühlen und ernst genommen wissen in Gerstetten – wir sind gefordert und zwar immer wieder aufs Neue. Das fängt bei der Kommunalpolitik an, geht weiter über das rege Vereinswesen, in dem viele unserer Konfis gut integriert sind und sich einbringen wollen und reicht bis zu unserer Kirchengemeinde, die wirklich sehr viel für unsere Jugendlichen tut. Dass das kein Selbstläufer ist, sollten wir immer wieder bedenken und deshalb jedes Jahr kontinuierlich Ball bleiben. „Nehmt einander an, so wie Christus uns angenommen hat.“ Dahinter verbirgt sich die einfache Wahrheit: Nur wer sich selbst angenommen weiß, der kann andere Menschen annehmen. - Paulus sagt: Christus hat uns angenommen. Er steht zu uns, so wie wir sind, in unserer ganzen Existenz – mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Fehlern, Schwächen und Unzulänglichkeiten. Christus hat mit seinen Taten und in seinen Geschichten deutlich gemacht: Ganz gleich, wer Du bist... Ganz gleich, wie nah oder wie fern du Gott gerade stehst, er steht an Deiner Seite. Denn Gott hat 'ja' zu deinem Leben gesagt. In Deiner Taufe ist Dir dieses 'Ja' Gottes einmal zugesprochen worden. Nachher werdet Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden Eurer Taufe zustimmen - und Eurerseits 'Ja' zu Gott sagen. Nach allem, was ich bisher gesagt habe, bedeutet dieses, Euer 'Ja' folgendes: „Ja, Gott, ich glaube, dass das wahr ist: Du hast mich angenommen. Du nimmst mich ernst. Du stehst zu mir. Und darum will auch ich Dich an- und ernst nehmen. Darum will ich hinfort zu Dir stehen.“ Wenn dieses 'Ja' kein einmaliger Akt bleiben soll, begrenzt auf diesen feierlichen Vormittag, wenn Ihr dieses 'Ja' vielmehr in Eurem weiteren Leben durch Euer aktives 'Ja' bestätigt, Tag für Tag aufs Neue, dann kann in Erfüllung gehen, wozu Paulus uns alle auffordert: „Nehmt einander an, so wie Christus uns angenommen hat.“ Wie - und das sei zum Schluss auch noch gesagt - wie kann dieses, Euer aktives, immer wieder zu erneuerndes 'Ja' nun aber konkret aussehen? Ich geb‘ euch mal folgenden Tipp: Stellt Euch bei den Entscheidungen, die Ihr im Leben treffen müsst, immer wieder von Neuem auch die Frage: „Was will Gott denn eigentlich dabei von mir?“ - und die „Zehn Gebote“, die Ihr kennt, die zentrales Thema des Katechismusgottesdienstes vor zwei Wochen waren, werden Euch sicher beim Finden einer Antwort helfen. Das kann folgendermaßen aussehen: Dass man sich z.B. am Wochenende beim Feiern auf dem Maifest (o.ä.) nicht bis zur Beseinnungslosigkeit betrinkt und auch andere von dieser Dummheit abhält – auch wenn man sich damit sicher keine Freunde macht. Dass man andere davon abhält, sich betrunken oder bekifft ins Auto zu setzen, denn das wäre sehr unvernünftig, oder besser gesagt: Es wäre unverantwortlich und eines erwachsenen Menschen nicht würdig. Dass man sich später einmal für andere einsetzt, auch mal dazwischen geht, wenn man mitbekommt, wie über andere gelästert wird, oder ihnen ganz offensichtlich Unrecht getan wird. Dass man einem Menschen, der am Boden liegt, hilft und seine Notlage nicht für sich selbst ausnutzt. Dass man andere ernst nimmt, versucht, mitzufühlen, mitzugehen und ggf. auch mitzuleiden. Mehr ist es eigentlich gar nicht. Wir selbst sind von Gott angenommen, genau so wie wir sind, dann können wir das bei anderen doch auch machen, oder etwa nicht? „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ (Römer 15, 7) Amen.