Es kann nicht nur einen geben

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Es kann nicht nur einen geben
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wirelessHART
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Industrie hat unterschiedliche Anforderungen an Fu n k l ö s u n g e n
Es kann nicht nur einen geben
Funkstandards haben sich im Heim- und Officebereich längst durchgesetzt. In der Industrie lassen
sie sich nur selten nutzen. Dort sind Standards gefragt, die auf die Bedürfnisse von industriellen
Anwendungen zugeschnitten sind. Doch unterschiedliche Anforderungen machen dies nicht einfach.
Im Heim- und Officebereich haben sich
drahtlose Technologien wie WLAN oder Bluetooth längst durchgesetzt. In industriellen
Anwendungen finden hingegen noch immer
grösstenteils kabelgebundene Lösungen Anwendung. Und das, obwohl sich Engineering,
Installation und Anlagenwartung mit Automatisierungslösungen durch drahtlose Systeme vereinfachen und somit die Kosten für die
Anlagenbauer und Betreiber senken liessen.
«Dass sich drahtlose Systeme in der industriellen Automatisierung noch nicht in einem
ähnlichen Mass wie im Heim- und Officebereich durchgesetzt haben, liegt hauptsächlich
an den unterschiedlichen Anforderungen»,
erklärt Lutz Rauchhaupt, Leiter Drahtlose
Industrielle Kommunikation am Institut für
Automation und Kommunikation (ifak), Magdeburg, Deutschland. Während im Heim- und
Officebereich der Komfort im Vordergrund
steht, kommt es in industriellen Anwendungen viel mehr auf hohe Verfügbarkeit, Robustheit und Sicherheit an.
WLAN findet in der Industrie
schon Verwendung
Nichtsdestotrotz lassen sich die im Heim- und
Officebereich etablierten Technologien auch
für einzelne Anwendungen in der Industrie
nutzen. «WLAN ist hierfür ein gutes Beispiel»,
sagt Jan Krückel, Applikationsingenieur und
WISA-Spezialist bei ABB Schweiz. WLAN findet in der Industrie beispielsweise dort Verwendung, wo man zwischen wenigen Teilnehmern wie Maschinen und Steuerungen
eher grosse Datenpakete innerhalb eines
grösseren Zeitfensters übertragen muss oder
viele zeitunkritische Teilnehmer wie Scanner mit einem Produktionssteuerungssystem
kommunizieren müssen.
«Der Einsatz von WLAN als Automationslösung stösst allerdings schnell an seine
Grenzen», sagt Krückel. «Für Anwendungen,
Mit dem Remote Service für Roboter bietet ABB ihren Kunden ein umfassendes Analyse- und
Überwachungspaket für die Produktionsanlage
die in räumlicher Nähe unabhängige WLANNetze im Parallelbetrieb auf dem gleichen
Frequenzband erfordern, z. B. eins für den
flächendeckenden Internetzugang, eins für
Fördertechnik und mehrere für die schnellen
unterlagerten Steuerungen in einzelnen unabhängigen Anlagenteilen, ist WLAN leider
völlig ungeeignet.»
ZigBee spielt in der Industrie
momentan keine Rolle
Auch die Mobilfunksysteme GSM/GPRS eignen sich nur bedingt für den Einsatz als industrielle Automationslösung. Für die Überbrückung grosser Entfernungen, wie die
Fernüberwachung von Anlagen in Energieoder Abwasserstationen, wird die Technologie aber bereits erfolgreich eingesetzt. Auch
für die Fernüberwachung von Maschinen
oder die Kopplung von Steuerungen über
sehr grosse Entfernungen ist GSM/GPRS geeignet. «Zur Automatisierung innerhalb kleinerer Anlagen mit schneller Kommunikation
zu sehr vielen Teilnehmern und höheren Zuverlässigkeitsanforderungen lässt sich diese
Technologie jedoch nicht sinnvoll nutzen»,
erklärt Krückel.
Die ebenfalls aus dem Heim- und Officebereich bekannten Technologien Bluetooth
und ZigBee spielen in der industriellen Automation hingegen so gut wie keine Rolle. Sie
lassen sich nur dort einsetzen, wo Reichweite
nicht von primärer Bedeutung ist. Entsprechend den Anwendungen in der Konsumerwelt eignet sich Bluetooth insbesondere für
einzelne Kommunikationsverbindungen zu
Peripheriegeräten, z.B. zur Fernbedienung
über ein Panel oder zur gezielten DatenüberPolyscope 7/11
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tragung von einem PC in eine Steuerung oder
einen Antrieb. «ZigBee spielt momentan in
der Industrieautomatisierung von Anlagen
und Produktionszellen überhaupt keine Rolle», sagt Krückel, «lässt sich aber z.B. bei der
Verbindung von unkritischen Sensoren in der
Infrastruktur (Gebäude) oder zur Betriebsmittelüberwachung (Asset Management, Zähler)
einsetzen, da es, verglichen mit Bluetooth und
WLAN, einen deutlich geringeren Energieverbrauch bietet und so teilweise für Batterieanwendungen in Betracht gezogen wird.»
Für die Funkinstallation mit WISA sind
Funkmodul, Basisstation mit Feldbusanschluss und
Antennenpaar mit
den entsprechenden
Kabeln nötig
Es sind spezielle industriegeeignete
Technologien und Standards nötig
Mit den aus dem Heim- und Officebereich bekannten Funktechnologien lassen sich zwar
bestimmte Teile der Produktion optimieren.
Für kritischere Anwendungen mit höheren
Anforderungen an z. B. Robustheit, Reichweite oder Zeitverhalten sind allerdings spezielle industriegeeignete Technologien und
Standards nötig. Diese werden in der Regel
durch Nutzung der bewährten Physik- und
Funkprinzipien der Heim- und Officewelt realisiert und um spezielle Anpassungen z. B.
zur Robustheit und zum effizienten Zugriff
auf die Funkschnittstelle (z. B. für kleinste
Datenpakete, viele Teilnehmer) sowie bei den
Telegramminhalten erweitert.
Selbstheilendes WirelessHART
Als erster wirklicher industrieller Funkstandard wurde WirelessHART eingeführt. Er
wurde speziell für Anwendungen in der Prozessautomatisierung entwickelt, wo er sich
bereits gut etabliert hat und in einer Vielzahl
sehr unterschiedlicher Anwendungen erfolgreich eingesetzt und durch viele Hersteller unterstützt wird. Seit April 2010 ist er auch bei
der International Electrotechnical Commission als industrieller Funkstandard gelistet.
WirelessHART basiert auf dem HARTKommunikationsprotokoll für Feldgeräte
und ist einsetzbar für Anwendungen mit
vielen Teilnehmern und über eine Maschenstruktur (Weitergabe von Telegrammen)
auch geeignet für grössere Entfernungen
bis in den Kilometerbereich. Ziele der Entwicklung waren auch ein minimierter Energiebedarf, Reaktionszeiten im Bereich von
einigen Hundert Millisekunden bis einigen
Sekunden (abhängig von Netzwerkstruktur
und -grösse), die Übertragung mittlerer Datenpaketgrössen und eine deutlich verbesserte Zuverlässigkeit in industrieller Umgebung im Vergleich zu ZigBee.
Der WirelessHART-Adapter von ABB ermöglicht z. B., die Vorteile drahtloser Sensor/
Aktor-Netzwerke auf Offshore-Plattformen zu
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nutzen, ohne Neuinstallationen aller Geräte
vornehmen zu müssen.
WISA für die Anbindung von Sensoren
und Aktoren
Der Funkstandard WISA ist das Pendant zu
WirelessHART für die Fertigungsautomation
und die erste industrielle Funktechnologie
für die Anbindung von Sensoren und Aktoren. Im Vergleich zu WirelessHART liegt bei
WISA die Anforderung bei drastisch kleineren Reaktionszeiten und der sehr viel höheren Gerätedichte. WISA erlaubt die echtzeitfähige Kommunikation, das heisst eine
zuverlässige, robuste Signalübertragung
im 10-ms-Bereich in Fertigungszellen oder
Montagelinien über kürzere Entfernungen
und für sehr kleine Datenpakete, wie in der
Fertigungsautomation üblich. Erste WISAGeräte von ABB befinden sich seit 2004 im
Produktionseinsatz, inzwischen auch in vielen kritischen Anwendungen und als Nachrüstung in älteren Maschinen.
Einfacher Kabelersatz dank WISA
Störanfällige Kabel und mechanische Schutzeinrichtungen wie Schleifringe, Kabelschlepp
oder aufwendige Steckverbindungen können
mithilfe von WISA ersetzt werden. Die Technologie bietet mit 2 ms als Funkzyklus für bis
zu 120 Teilnehmer ein vergleichsweise deterministisches Antwortverhalten. Und das
praktisch unabhängig von der Umgebung, die
sich in der Fabrikautomation sehr schnell ändern kann, z. B. durch Werkzeugwechsel, Produktvarianten oder Umbauten an der Anlage.
Ein weiterer Vorteil: WISA lässt sich ohne Störungen parallel zu sich selbst (viele parallele
Systeme sind möglich) und zu Anwendungen
mit WLAN, Bluetooth, ZigBee und WirelessHART einsetzen. Die WIOP-Module kann man
Dr.-Ing. Lutz Rauchhaupt: «In der Industrie
kommt es auf hohe Verfügbarkeit, Robustheit
und Sicherheit an»
z. B. zum einfachen Kabelersatz für Wechselwerkzeuge einsetzen.
Vielfalt der Technologien macht Sinn
Damit sich drahtlose Technologien nachhaltig
auch in der Automatisierung durchsetzen, ist
es wichtig, durch verschiedene spezielle industrielle Standards jeweils für den Einsatz
der effizientesten und robustesten Technologien zu sorgen. Nur einen einzigen Standard
für die Nutzung in allen industriellen Anwendungen nutzen zu wollen, ist aufgrund der
verschiedenen Anforderungen technisch und
wirtschaftlich nicht sinnvoll.
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