Anstifter 3-2011 - Stiftung Liebenau

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Anstifter 3-2011 - Stiftung Liebenau
Anstifter
2011 Ausgabe 3
Stiftung Liebenau
Jahresbericht 2010 bestätigt
erfolgreiche Arbeit
Seite 6
Prälat Brock feierlich ins
Amt eingeführt
Seite 8
Altenhilfe
Wo Jung und Alt aufeinander achten
Seite 20
Menschen mit Behinderung
20 Jahre ABW in Tettnang
Seite 24
Bildung
BBW war die letzte Chance
Seite 26
Kinder und Jugend
Vielzahl von Angeboten
unterstützt Familien
Seite 32
Betriebe und Dienstleister
Urlaub in Liebenau
Seite 34
Infos aus der Stiftung Liebe
Liebenau
Unsere Autoren in diesem Heft:
Dr. Berthold Broll
Vorstand
Stiftung Liebenau
Wolf-Peter Bischoff
Chefredakteur
Stiftung Liebenau
Inhalt
Inhalt
Titelfoto: Ferienfreizeit in Buggensegel
macht Spaß (Foto: Scheidel)
Anne Oschwald
Freie Mitarbeiterin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Susanne Droste-Gräff
Redakteurin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Helga Raible
Redakteurin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
3
Meine Meinung
Menschen mit Behinderung
von Dr. Berthold Broll
4
kurz und knapp
21
Zeit für Hobbys im Ruhestand
5
Termine
22
Wohn- und Arbeitsplätze für alle
7
www-Adressen
24
„Wir gehören zum Stadtbild“
Das letzte Wort
26
Chancen durch Qualifizierung
35
von Wolf-Peter Bischoff
36
Spot an
Bildung
Stiftung Liebenau
6
Erfolgreiche Arbeit für Menschen mit
28
BBW ist oft die letzte Chance
30
„Ihr Erfolg ist unser Erfolg“
31
Junger Mann mit Potenzial
Hilfebedarf
Elke Benicke
Freie Mitarbeiterin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
8
Amtseinführung von Prälat Brock
9
Nachgefragt: Die ersten 100 Tage
11
BFD: Einsatz mit Sinn
12
Bausteine der Erneuerung
14
So war der Sommer 2011
16
Mit Genuss Soziales unterstützen
Kinder und Jugend
32
Aktivitäten für Kinder unterstützen
die ganze Familie
Sabine Centner
Freie Mitarbeiterin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Betriebe und Dienstleister
Altenhilfe
34
17
Leistungssportlerin im Seniorenheim
Christof Klaus
18
Dankeschön für Ehrenamtliche
Freier Mitarbeiter
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
20
Wo Jung und Alt aufeinander achten
Lioba Scheidel
Freie Mitarbeiterin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Claudia Wörner
Freie Mitarbeiterin
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Der Urlaub beginnt in Liebenau
In diesem Anstifter finden Sie
die erste Ausgabe der
Liebenauer Spendennachrichten
Anstifter
Meine Meinung
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
Arbeit hat für viele Menschen eine große Bedeutung. Bezahlte Arbeit gibt den meisten das zum Leben notwendige Erwerbseinkommen, darüber hinaus aber Aufgabe, Lebensinhalt, soziale Eingebundenheit und einen
wichtigen Sinn. Dabei wäre es bei Weitem zu kurz gegriffen, Arbeit gleichzusetzen mit bezahlter und mit
Steuer- und Sozialversicherungsabgaben belegter Erwerbstätigkeit. Die Erhebung von Steuern und Abgaben
auf bezahlte Arbeit ist zwar im modernen Staatswesen kaum wegzudenken und wichtige Grundlage für die
Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben, nicht zuletzt im sozialen Bereich. Aber genauso wertvoll, wenngleich ohne die entsprechende ökonomische Honorierung, ist die Arbeit, die etwa in den Familien geleistet
wird, oder die freiwillige bürgerschaftliche Arbeit, etwa in Verbindung mit Ehrenämtern.
Für Erwebstätige ist ihre Arbeit ein zentraler Lebensinhalt, für den sie viel Zeit aufwenden und nach dem sie
Dr. Berthold Broll
Vorstand der
Stiftung Liebenau
sich ausrichten. Während in früheren Zeiten eine freie Berufswahl gar nicht oder nur eingeschränkt möglich
war, erfolgt diese heute vielfach nach persönlicher Neigung. Verbunden damit ist die Erwartung, dass die ausgeübte Tätigkeit nicht nur Entgelt bringt, sondern auch innere Befriedigung über die Art der Arbeit schafft.
Darüber hinaus soll sie auch einem sinnvollen Zweck dienen.
Nicht bei allen Tätigkeiten ist dies gleichermaßen ersichtlich. Einigkeit besteht aber darin, dass derjenige, der
für andere Menschen arbeitet, für unterstützungsbedürftige Menschen, eindeutig einen Zugewinn an Lebensfreude und Lebensinhalt hat. Für Menschen zu arbeiten, sich für sie einzusetzen und da zu sein, ist Kern
des Menschseins und hat für glaubende Menschen einen gottgewollten Sinn in sich selbst. Dabei kann es als
zweitrangig angesehen werden, ob die jeweilige Arbeit unmittelbar am und mit dem Menschen erfolgt oder
mittelbar, etwa in Verwaltungs- oder Dienstleistungsbereichen. Eine Bestätigung für diese Aussagen hat die
jüngste Befragung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stiftung Liebenau und ihren Gesellschaften
ergeben. Besonders erfreulich sind zwei Aussagen: Die allermeisten Mitarbeitenden empfinden eine sehr hohe
Zufriedenheit mit ihrer jeweiligen Tätigkeit und machen ihre Arbeit gerne.
Spricht man über berufliche Arbeit, muss man sich aber auch immer wieder deutlich machen, dass diese weder
Selbstzweck noch einziger Zweck des Lebens ist. Leben findet in vielfältigen Begegnungen, im Austausch mit
anderen Menschen statt. Daher braucht es im Arbeitsbereich immer wieder Auszeiten: Urlaub, Abstand und
Gelassenheit im Umgang mit dem eigenen Tun. Bei aller Wichtigkeit sollte die beruflichen Arbeit nicht der
einzige Lebensinhalt sein. Wichtig ist ein guter Ausgleich mit Familie, Freundschaften, dem verantwortlichen
gesellschaftlichen und religiösen Leben sowie sonstigen Interessen und Aktivitäten. Leben heißt Vielfalt, und
für gläubige Menschen liegt der Zweck des Lebens ohnehin in der Lebensrichtung auf Gott hin. Arbeit für
andere Menschen hat vor dieser Perspektive eine ganz besondere Bedeutung. Dies dürfen wir immer wieder
neu weitersagen.
Das meint Ihr
Berthold Broll
kurz und knapp
Liebenau/Konstanz
Dußlingen
Liebenauer Fotoarchiv „entdeckt“
Eine neue Heimat mitten im Ort
13 Wohnungen bietet die Wohnanlage für Menschen mit und ohne Behinderung in
Dußlingen. Am 23. Mai wurde sie im Ortszentrum mit einem Fest eingeweiht, zu dem
zahlreiche Vertreter von Politik und Kirche kamen. Mit einem herzlichen „Vergelt’s
Gott“ dankte Dr. Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, der Gemeinde Dußlingen und dem Gemeinderat für den Bau der Wohnanlage an prominenter Stelle mitten
im Ort. „Auch die Unterstützung des Landkreises signalisiert den Stellenwert, der auf
die Teilhabe von Menschen mit Behinderung gelegt wird“, sagte Dr. Broll. Nicht
Fotografische Schätze haben zwei Medien-
zuletzt habe sich Dieter Hillebrand (MdL), ehemaliger Behindertenbeauftragter der
wissenschaftlerinnen der Universität Kon-
Landesregierung, sehr für die Belange von Menschen mit Behinderung eingesetzt.
stanz im Archiv der Stiftung Liebenau
Gebaut wurde die Wohnanlage mit 13 barrierefreien Wohnungen für Menschen mit
geborgen. Mehr als 15 000 Papierabzüge,
erheblichem Hilfebedarf. Die Baukosten beliefen sich auf rund 1,8 Millionen Euro,
Negative und Dias haben Prof. Dr. Beate
200.000 Euro steuerte die Aktion Mensch bei.
Ochsner (links) und M.A. Anna Grebe in
Fotoalben, Kartons und Mappen im Liebenauer Schloss ausfindig gemacht und im
Rahmen eines Forschungsprojekts zum
großen Teil digitalisiert.
Für die Medienwissenschaft sei das Archiv
der Stiftung von sehr hohem Wert, so Prof.
Ochsner. Die Bilder aus unterschiedlichen
Zeiträumen, die ohne speziellen Zweck aufgenommen wurden, ermöglichen Rückschlüsse darauf, wie das Thema Behinderung im sozialen und ethischen Kontext
jeweils wahrgenommen wurde. Bei einem
medienwissenschaftlichen Symposium zum
Thema „Andere Bilder/Bilder des Anderen“
wurden einige der historischen Fotografien
Als gelungenen Baustein, der die Gemeinde Dußlingen voranbringe, bezeichnete Dieter
erstmals einem Kreis von Wissenschaftlern
Hillebrand, die Wohnanlage. „Die Stiftung Liebenau hat Hervorragendes geleistet,
und Studenten vorgestellt. Weitere
indem sie Menschen eine neue Heimat und Perspektiven bietet.“ Inklusion bedeute
Tagungen und Publikationen im Rahmen
nämlich nichts anderes, als Menschen mit Behinderung mitten hinein ins Leben zu
des Forschungsprojekts „Sozio-mediale
nehmen. Joachim Walter, Landrat des Landkreises Tübingen, sah es nicht als Zufall,
Konstruktion von Behinderung“ sollen fol-
dass die Einweihung ausgerechnet am Tag des Grundgesetzes stattfand. „Jeder Mensch
gen, sobald der gesamte Fotobestand einge-
hat das Recht auf ein Leben in Würde innerhalb der Gemeinschaft.“ Foto: Hass
scannt und gesichtet ist.
Impressum
Anstifter
Auflage: 6 000
Herausgeber: Stiftung Liebenau
Redaktion: Wolf-Peter Bischoff
(verantwortlich), Anne Oschwald
4
iiStiftung
Liebenau
Teamwork Kommunikation
und Medien GmbH
Siggenweilerstraße 11
88074 Meckenbeuren
Tel.: 07542 10-1181
Fax: 07542 10-1117
vera.ruppert@
teamwork-kommunikation.de
Spendenkonto:
Stiftung Liebenau
Kt. 209 944 71
Sparkasse Bodensee
BLZ 690 500 01
Liebenau
Einführungsworkshop für Führungskräfte
Spittal
„Lebenswelt“ für Menschen mit Behinderung
Im österreichischen Spittal entsteht die neue „Lebenswelt
St. Antonius“ für Menschen mit Behinderung in Trägerschaft
der Stiftung Liebenau mit ihrer österreichischen Tochtergesellschaft St. Anna-Hilfe. Mitte Juni unterzeichneten Dr. Berthold
Broll (Vorstand Stiftung Liebenau), Mag. Ina-Maria Lerchbaumer,
Mag. Ewald Nageler, Dr. Robert Briem, (Lerchbaumer-Stiftung)
den Vertrag für das Projekt.
Mitten in der Stadt Spittal wird die größte Betreuungseinrichtung
für Menschen mit Behinderung in Oberkärnten errichtet. Räum-
Neue Führungskräfte aus der Altenpflege, aus dem Bereich Hil-
liches Herzstück ist die ehemalige „Villa Lerchbaumer“, die um
fen für Menschen mit Behinderung, aus Verwaltung, Hauswirt-
einen Anbau erweitert wird und zukünftig 18 beeinträchtigten
schaft, Schule und dem Bereich der beruflichen Bildung sowie
Menschen, vorrangig jungen Erwachsenen, ein Zuhause bieten
Prokuristen treffen sich seit 2004 jährlich zu einem Einfüh-
will. Außerdem entsteht eine Tagesstätte mit insgesamt 24 Plät-
rungsworkshop. Ziel: Den Verbund der Stiftung Liebenau
zen. Den Anstoß für die Lebenswelt gab Ina-Maria Lerchbaumer
und das Zusammenspiel mit dem eigenen Arbeitsplatz näher
mit der Familien-Privatstiftung Lerchbaumer für ihren beeinträch-
kennen zu lernen. Die Führungskräfte hatten auch wieder Gele-
tigten Sohn Anton. Foto: privat
genheit sich mit den beiden Vorständen der Stiftung Liebenau,
Dr. Berthold Broll und Dr. Markus Nachbaur auszutauschen.
„Dieser Tag soll Vertrauen schaffen und die Zusammenarbeit
erleichtern“, begrüßte Dr. Broll die Mitarbeiter, die seit maximal
zwei Jahren in der mittleren beziehungsweise oberen Leitungsebene tätig sind. Aus den unterschiedlichsten Bereichen stammend, diskutierten die Führungskräfte, wie das christlich
geprägte Leitbild im eigenen Arbeitsumfeld erlebt wird, und
setzten sich mit Themen wie Aufbau und Organisation des
Stiftungsverbunds sowie der Zusammenarbeit der einzelnen
Gesellschaften und der mittel- und langfristigen Ausrichtung
der Stiftung Liebenau auseinander. Foto: Stemmer
Termine
16. Oktober 2011
Dankgottesdienst, Hospizbewegung St. Josef e. V
Schlosskirche, Friedrichshafen
Tag der offenen Tür Stationäres Hospiz
Friedrichshafen
4. November 2011
Vortrag: „Lebe mit Leidenschaft“
Friedrichshafen
31. Oktober, 2. bis 4. November 2011
Kinderferienprogramm
Hegenberg
iiStiftung
Liebenau
5
Die Vorstände der Stiftung Liebenau (v.l.) Dr. Markus Nachbaur, Dr. Berthold Broll und Prälat Michael H. F. Brock präsentieren den
Jahresbericht 2010. Foto: Niethammer
Erfolgreich für Menschen mit Hilfebedarf
Stiftung Liebenau legt Jahresbericht 2010 vor
von Helga Raible
unbehinderte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Die dafür erforderliche Unterstützung sollen sie
individuell zugeschnitten und in ihrem direkten Lebensumfeld erhalten.
Strategische Kontinuität einerseits und gezielte Investitionen
In allen Tätigkeitsbereichen lagen daher Arbeitsschwer-
andererseits haben das Jahr 2010 zu einem erfolgreichen Jahr für
punkte auf räumlichen Erweiterungen einerseits und
die Stiftung Liebenau, ihre Tochtergesellschaften und Beteiligungen
fachlichen Differenzierungen andererseits: Erschlossen
werden lassen. Dieses Ergebnis findet sich im Jahresbericht der
wurden neue Standorte für Altenhilfe- und Bildungsan-
Stiftung Liebenau, der Stiftung Hospital zum Heiligen Geist und der
gebote und für dezentrale Wohnangebote. Auch die
Stiftung Helios – Leben im Alter. Die drei Stiftungen sind mit ins-
medizinischen Hilfen für Menschen mit Behinderung
gesamt 6 000 Mitarbeitern an 90 Standorten in Deutschland, Öster-
wurde vorangetrieben. Die fachlich gute Qualität fand
reich, Italien, Bulgarien und der Schweiz tätig, hauptsächlich in den
Bestätigung in externen Prüfungen und Zertifizie-
Aufgabenfeldern Altenhilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung,
rungen.
Gesundheit, Bildung und Hilfen für Kinder und Jugendliche.
Arbeitsplätze sichern
6
Die Strategie der Stiftung Liebenau ist langfristig aus-
„Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit
gerichtet. Wesentliche Merkmale des Stiftungshandelns
gebührt vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
sind soziale und ökologische Nachhaltigkeit, Innovati-
tern“, so Vorstand Prälat Michael H. F. Brock. Ihre Zahl
on und wirtschaftliche Verantwortung. „Wir legen Wert
ist im Berichtsjahr weiter gestiegen, auf mehr als 6 000
auf dauerhafte und vor allem präventive Aktivitäten“,
Hauptamtliche in der Stiftung Liebenau mit der Stif-
erläutert Stiftungsvorstand Dr. Berthold Broll. Fach-
tung Hospital zum Heiligen Geist und der Stiftung
liches Ziel ist, Menschen mit Hilfebedarf eine möglichst
Helios – Leben im Alter, rund 4 Prozent mehr als im
iiStiftung
Liebenau
Vorjahr. 74 Prozent der Belegschaft sind weiblich, die
mit insgesamt 31,5 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr
Teilzeitquote beträgt 62 Prozent. Hinzu kommen etwa
um rund 17 Prozent gestiegen.
2 400 ehrenamtlich Tätige, die sich vor allem für
Als zunehmend problematisch wirkt sich der Rückgang
Senioren und Menschen mit Behinderung engagieren.
der öffentlichen Zuschüsse für Investitionsvorhaben
9,3 Prozent der Beschäftigten waren im Jahr 2010 Aus-
aus. Im mehrjährigen Vergleich haben sie sich um rund
zubildende, Praktikanten und junge Leute im Freiwil-
75 Prozent verringert (2,17 Mio. Euro 2010 gegenüber
ligen- oder Zivildienst.
8,7 Mio. Euro 2006).
Aus diesem Grund hat die Stiftung Liebenau sich zum
Wirtschaftlich nachhaltig handeln
Ziel gesetzt, neue Finanzierungsquellen zu erschließen.
Der Anspruch der Nachhaltigkeit gilt auch für das wirt-
Seit rund fünf Jahren bietet sie mit der „ZustifterRente“
schaftliche Handeln der Stiftung Liebenau. „Wir achten
ein zunehmend nachgefragtes Modell zur Verrentung
auf ein ausgewogenes Wachstum, das im Einklang mit
von Immobilien an. Im Jahr 2010 hat sie außerdem ihre
unseren Ressourcen steht“, so Vorstand Dr. Markus
Aktivitäten im Fundraising verstärkt. Auch die Dienst-
Nachbaur. Wirtschaftliches Ziel ist, einen Überschuss zu
leistungsunternehmen der Stiftung Liebenau tragen zur
erwirtschaften, den die Stiftung wiederum zur Weiter-
wirtschaftlichen Absicherung bei.
entwicklung ihrer gemeinnützigen Tätigkeiten einsetzen kann. Dieses Ziel hat die Stiftung im Jahr 2010
erreicht.
Der Gesamtumsatz der Stiftung Liebenau mit der Stif-
Information:
tung Hospital zum Heiligen Geist und der Stiftung
Der Jahresbericht der Stiftung Liebenau ist erhält-
Helios betrug im Jahr 2010 rund 270 Mio. Euro. Er ver-
lich unter der Telefonnummer 07542 10-1181,
teilt sich hauptsächlich auf die Altenhilfe zu 41 Pro-
E-Mail [email protected]
zent, die Hilfe für Menschen mit Behinderung zu
oder als Download im Internet unter
31 Prozent und die Bereiche Bildung und Gesundheit
www.stiftung-liebenau.de.
(10 beziehungsweise 9 Prozent). Die Investitionen sind
Weitere Informationen finden Sie unter:
Stiftung Liebenau
Bildung
Dienstleister und Stiftungsbetriebe
www.stiftung-liebenau.de
www.bbw-rv.de
www.lise-gmbh.de
www.christliche-hospizstiftung.de
www.bbw-produkte.de
www.kochwerk-rv.de
www.zustifterrente.de
www.cafe-miteinander.de
www.lbu-gmbh.com
www.marktwirtschaft-badwaldsee.de
www.lbu.ag
Altenhilfe
www.raz-ulm.de
www.ligas-gmbh.de
www.st.anna-hilfe.at
www.ifsb.rv.schule-bw.de
www.liebenauer-landleben.de
www.altenhilfe-liebenau.de
www.fortbilden-entwickeln.de
www.liebenauer-brennholz.de
www.teamwork-kommunikation.de
www.st.anna-hilfe.de
www.liebenauer-brennholz.de
www.liebenau-lebenimalter.de
Hilfe für Kinder und Jugendliche
www.hlg-lebenimalter.de
www.kinderhospiz-nikolaus.de
www.pflegeheim-helios.ch
www.akrobat-hilft.de
Sonstige Tätigkeiten
www.dorfplatz-sg.ch
www.kindernachsorge-rv.de
www.schloss-badwurzach.de
www.casa.or.at
www.kinderhospizdienst-amalie.de
www.bulgarisch-deutsches-sozialwerk.de
WWW
www.netzwerkfamilie.de
Behindertenhilfe
www.st.gallus-hilfe.de
www.bruesseler-kreis.de
www.netzwerk-song.de
Gesundheit
www.st.lukas-klinik.de
www.kjp-bernsteinstrasse.de
iiStiftung
Liebenau
7
Amtseinführung von Prälat Brock
Stiftung Liebenau: Neuer Vorstand feierlich eingesetzt
von Christof Klaus
wies Dr. Senn auf den konstruktiven Dialog und die
großen Schritte der Annäherung zwischen Stiftung Liebenau und Diözese nach den jahrelangen Unklarheiten
über den Rechtsstatus der Stiftung. Insofern sei die
LIEBENAU – Das Führungstrio der Stiftung Liebenau ist nun auch
Ernennung Brocks auf bischöflichem Vorschlag auch als
offiziell wieder vollständig: Mit einem Gottesdienst und anschlie-
ein deutliches „Signal für die Zusammenarbeit in der
ßendem Festakt wurde das neue Vorstandsmitglied Prälat Michael H.
Zukunft“ zu werten.
F. Brock in sein Amt eingeführt. Der Bischof der Diözese RottenburgStuttgart, Dr. Gebhard Fürst, zelebrierte die Eucharistiefeier in der
Viel Arbeit wartet
Liebenauer Kirche St. Maria.
„Lieber Herr Brock, viel Arbeit wartet hier auf Sie“,
begrüßte Vorstand Dr. Berthold Broll seinen neuen Kollegen. Mit ihren über 6 000 hauptamtlichen Beschäf-
Anfang Mai hatte er bereits seine Arbeit in Liebenau
tigten in rund 250 Einrichtungen betreut, pflegt und
aufgenommen, Mitte Juli ist er mit einem Festakt unter
begleitet der Liebenauer Verbund mit nachweislich
den Augen zahlreicher Gäste aus Kirche, Politik und
hoher Qualität jährlich mehr als 15 000 Menschen.
Verwaltung sowie Vertretern anderer Sozialeinrich-
Dabei sieht man sich nicht nur als Dienstleister, son-
tungen offiziell in sein Amt eingeführt worden: Prälat
dern auch als gesellschaftlicher Akteur. Vor dem Hin-
Michael H. F. Brock, das neue Gesicht im gleichberechtigten dreiköpfigen Führungsteam der Stiftung Liebenau. „Zusammen mit Dr. Berthold Broll und Dr. Markus
Nachbaur ist der Vorstand nun wieder komplett“, stellte der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Joachim Senn in
seiner Ansprache fest und freute sich, dass damit „nach
längerer Vakanz wieder ein Priester im obersten Gremium der Stiftung“ sitze. Zuletzt hatte mit Dieter Worrings von 1996 bis 2008 ein Geistlicher die Geschicke
des Sozialunternehmens mit bestimmt.
„Ein Mann klarer Worte“ und „Brückenbauer“
Schon in den vielen Gesprächen vor seiner Wahl durch
den Aufsichtsrat im Februar 2011 habe sich Brock als
„ein in hohem Maße geeigneter und kompetenter
Bewerber um das Vorstandsamt erwiesen“, wie Dr. Senn
erklärte. So gelte Brock „als Mann klarer und deutlicher
Worte“ und könne mit seiner großen Erfahrung an der
Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft sowie seinen
guten Kontakten ein „Brückenbauer“ zur Diözese Rottenburg-Stuttgart sein. In diesem Zusammenhang verViele persönliche Glückwünsche zum neuen Amt erhielt
Liebenaus neuer Vorstand Prälat Michael H. F. Brock.
Fotos: Thorsten Schmidt
8
iiStiftung
Liebenau
Zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Stiftung Liebenau Dr. Joachim Senn
Rund 250 Gäste aus Kirche, Politik und dem Verbund der
(von links) feierten Bischof Dr. Gebhard Fürst und die drei Vorstände der Stiftung
Stiftung Liebenau waren zur feierlichen Amtseinführung von
Liebenau Dr. Berthold Broll, Prälat Michael H. F. Brock und Dr. Markus Nachbaur die
Vorstand Prälat Michael H. F. Brock gekommen.
Amtseinführung.
tergrund der großen Veränderungen im Sozialbereich
Brock: „Ich bin gut angekommen“
bekräftigte Dr. Broll die Bedeutung von Werten wie
Dieser freute sich, als gebürtiger Oberschwabe nach
Handlungsfreiheit und Verantwortung für die Innovati-
zuletzt langjähriger Tätigkeit als Dompfarrer und Stadt-
onskraft des Unternehmens und zitierte angesichts
dekan in Stuttgart wieder zurück „in gewohnten Lan-
künftiger Herausforderungen den Stiftungsgründer
den zu sein, wo ich meine Kinderstube erlebt habe.“ In
Adolf Aich: „Da sollte doch Wandel geschafft werden.“
seinen ersten Wochen in Liebenau habe Brock bereits
Neben einer Unternehmenskultur des gelebten Vertrau-
ein „unheimliches Engagement und große Wertschät-
ens, der Nachhaltigkeit und der Kirchlichkeit diene das
zung“ erfahren in einem Unternehmen, das so vielfältig
Motto der Stiftung Liebenau, „In unserer Mitte – Der
aufgestellt sei wie die Bedürfnisse der ihr anvertrauten
Mensch“, dabei als „tägliches Handlungsprogramm bei
Menschen. „Ich bin gut angekommen“, betonte er. Nun
all unserem Tun.“
gehe es für ihn darum, da zu sein und zu gestalten im
Sinne der Menschen: „Die Frage heißt nicht: Woher
„Sie sind willkommen“
kommst Du, was glaubst Du, was kann man an Dir ver-
Diesen Leitsatz griff Susanne Droste-Gräff als Vorsitzen-
dienen? Sondern: Was kann ich Dir Gutes tun, damit du
de der Mitarbeitervertretung in ihrem Grußwort auf,
wieder leben kannst?“
um ihn auch auf die Beschäftigten zu beziehen. So sei
das Personal einer der entscheidenden Faktoren, die
Gottesdienst mit Bischof Fürst
künftig über den Erfolg und Fortbestand sozialer Unter-
Vor dem Festakt im Liebenauer Gallus-Saal hatte ein
nehmen entscheiden. „Haben Sie Vertrauen in uns,
Gottesdienst die Feierlichkeiten eröffnet. In der voll
motivieren sie uns“, appellierte sie an Michael H. F.
besetzten Kirche St. Maria dankte Bischof Gebhard
Brock, um im Gegenzug dem neuen Vorstand zu ver-
Fürst der Stiftung Liebenau für die „ganz überzeu-
sprechen: „Seien Sie sich unserer Unterstützung
genden Dienste an den Menschen“ im Sinne einer dia-
gewiss. Sie sind willkommen!“
konischen Kirche und im Sinne von Jesus Christus.
iiStiftung
Liebenau
9
„Im Kerngeschäft jesuanischen Handelns“
Die Fragen stellte Helga Raible
weil wir hier im Kerngeschäft jesuanischen Handelns
sind, wo es immer um das Heil, das konkrete heilende Leben gegangen ist.
Herr Prälat Brock, die
ersten 100 Tage im Vor-
Als Stadtdekan von Stuttgart hatten Sie 18 Jahre
stand der Stiftung Lie-
lang eine bedeutende Rolle in der Landeshaupt-
benau liegen hinter
stadt inne. Sind Sie gern in die oberschwäbische
Ihnen. Was sind Ihre
Provinz umgezogen?
ersten Eindrücke?
Das war ein Schritt, der mir nicht leicht gefallen ist.
Ich habe einen ersten
Ich habe ihn aber gemeinsam mit dem Bischof nach
Einblick bekommen in die
18 Jahren Stuttgart für richtig gehalten. Und ich
Vielfalt und Kompetenz,
spüre, wie mich diese Entscheidung neu motiviert
mit der die Stiftung Lie-
hat, positiv den Aufbruch noch einmal zu gestalten.
Prälat Michael H. F. Brock,
benau unterwegs ist in
Ich danke dem Bischof für das Vertrauen, das er mir
Vorstand der Stiftung
ihren Einrichtungen, in
damit ausgesprochen hat, ebenso wie dem Aufsichts-
Liebenau
ihrer Fachlichkeit, vor
rat, der mich gewählt hat. Ich bin gern gekommen,
allem aber in ihrer
weil die Stiftung Liebenau eine kirchliche Stiftung
Menschlichkeit. Ich habe
ist.
erfahren, dass sie deswegen so vielfältig aufgestellt
ist, weil die Lebenslagen der Menschen so unter-
Als Vorstandsmitglied übernehmen Sie nicht
schiedlich sind wie ihre Bedürfnisse. Und ich habe in
allein seelsorgerische und theologische Aufgaben,
den Gesprächen der ersten Monate gespürt, wie die
sondern verantworten wie Ihre beiden Kollegen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal auf welcher
einen großen Geschäftsbereich mit allen unter-
Ebene, mit unheimlichem Engagement und großer
nehmerischen, sozialpolitischen und wirtschaft-
Wertschätzung sind. Die Grundausrichtung stimmt,
lichen Anforderungen. Welche inhaltlichen Ziele
weil sie sich am Menschen und seinen Bedürfnissen
haben Sie sich gesetzt?
orientiert, weil der Leitsatz der Stiftung Liebenau „In
Gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen geht es
der Mitte - Der Mensch“ auch gelebte Praxis ist, aus
mir darum, Strategien zu verwirklichen, wie die Stif-
der die Menschen ihre Kraft schöpfen.
tung Liebenau zum Heil der Menschen beitragen
kann – nahe am Menschen, in hoher Verbundenheit
10
In Ihre Zuständigkeit fällt die Sorge um die
zur Kirche und absoluter Loyalität zum Stifterwillen.
kirchlich-katholische Ausrichtung der Stiftung
Die wichtigste Basis dafür ist die uneingeschränkte
Liebenau. Worin liegt für Sie die Kirchlichkeit
Wertschätzung für die Menschen, die uns anvertraut
der Stiftung?
sind: Es gibt für mich keine „normalen“ Menschen
Schon Adolf Aich hat seine Menschenfreundlichkeit
und solche, die – etwa durch Alter, durch den Geist
immer begründet mit seinem christlichen, mit seinem
oder den Körper bedingte – Behinderungen mitbrin-
katholischen, aber auch mit seinem kirchlichen Ver-
gen. Es gibt für mich nur Menschen, denen wir in
stehen von Werthintergrund, Glaube und Hoffnung
unterschiedlichster Form auf den unterschiedlichsten
und Motivation zum Handeln und Leben. So gesehen,
Wegen und mit den unterschiedlichsten Instru-
gehört die Stiftung Liebenau zur Wesens- und
menten so zur Seite stehen, dass ihnen ihr Leben
Lebensäußerung der Kirche. In ihrem Sich-Kümmern
glückt. Ohne Ansehen der Person und ohne die Frage
um Menschen, die der Hilfe bedürfen, kann sie vor-
nach verschuldeten, geglückten oder missglückten
bildhaft sein für das Handeln der Kirche insgesamt,
Lebens.
iiStiftung
Liebenau
Der letzte Zivildienstleistende verlässt die St. Gallus-Hilfe der
Stiftung Liebenau (v. l.): Oliver Hädrich wird verabschiedet
von Wolfgang Oppolzer (Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe),
Bernd Eckstein (Heimleiter bei der St. Gallus-Hilfe und Verantwortlicher für die Zivildienstleistenden) und Dr. Markus Nachbaur (Vorstand der Stiftung Liebenau). Foto: Oschwald
Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten „mit Sinn“
Bundesfreiwillige lösen Zivildienstleistende ab
von Claudia Wörner
Menschen einsetzen kann“, sagt Axel Sans, Leitung
Personalmanagement der Stiftung Liebenau. Die
Liste reicht von der Forstwirtschaft über die DonBosco-Schule, Wohngruppen und Werkstätten für
LIEBENAU – Mit Oliver Hädrich wurde Mitte August einer der letzten
behinderte Menschen, Stationen der St. Lukas-Klinik
Zivildienstleistenden im Verbund der Stiftung Liebenau verabschie-
und das Internat des Berufsbildungswerks Adolf Aich
det. Mit der Aussetzung des Wehrdienstes und damit auch des Zivil-
bis zu Pflegeheimen und Sozialstationen.
dienstes startete am 1. Juli der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Die
Gesellschaften der Stiftung Liebenau bieten ganz unterschiedliche
Einsatzbereiche für soziales Engagement – und das auch für junge
t
Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) dauert
zwischen sechs und 18 Monaten und wird mit
Leute über 27.
einem monatlichen Taschengeld in Höhe von
330 Euro honoriert.
t
Die Stiftung Liebenau stellt ein Zimmer oder
Der BFD bietet einige Vorteile: Die Zeit bis zum Stu-
eine Wohnung beziehungsweise unterstützt
dien- oder Ausbildungsbeginn wird sinnvoll über-
bei der Suche.
brückt, man kann in einen sozialen Beruf hinein-
t
Engagieren können sich alle, die ihre Schul-
schnuppern und neue Arbeitsgebiete kennen lernen,
pflicht erfüllt haben. Alter, Geschlecht, Natio-
man sammelt Sozialpunkte für spätere Bewerbungen
nalität oder die Art des Schulabschlusses spie-
und erhält durch Schulungen zusätzliche Qualifikati-
len keine Rolle. Menschen, die älter als 27
onen. „Neu ist, dass sich auch Erwachsene über 27
Jahre sind, können auch in Teilzeit (mehr als
Jahren zum BFD melden können“, erläutert Melanie
Kleiner vom Personalmanagement der Stiftung Liebe-
20 Stunden pro Woche) tätig sein.
t
Die Einsatzstelle zahlt die Beiträge für Ren-
nau. Ein Wieder- oder Quereinstieg beziehungsweise
ten-, Unfall-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslo-
eine berufliche Orientierung im sozialen Bereich ist
senversicherung.
an kein Alter gebunden. Für über 27-Jährige ist der
BFD auch in Teilzeit möglich, und sie können jeden
t
Nach Abschluss des BFD erhalten die Freiwilligen ein qualifiziertes Zeugnis.
Monat beginnen. Unter 27-jährige BFD-ler starten
zum 1. September, 1. November oder zum 1. Februar.
Kontakt:
Die Gesellschaften der Stiftung Liebenau bieten ganz
Abteilung Personalmanagement
unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten. „Menschen
Telefon 07542 10-1260
können begleitet und unterstützt werden. Es gibt
E-Mail: [email protected]
aber auch Bereiche, in denen man seine handwerklichen Fähigkeiten oder sein technisches Wissen für
iiStiftung
Liebenau
11
Erfolgreiche Netzwerkarbeit: Gemeinsam mit der
Mit den Lebensräumen für Jung und Alt hat die Stiftung
Oberschwaben Klinik hat die Stiftung Liebenau
Liebenau vor 15 Jahren Neuland beschritten. Bis heute
einen sozialmedizinischen Nachsorgedienst aufge-
ist dieses Modell generationenübergreifenden Wohnens
baut. Er betreut Familien mit chronisch, krebs- oder
bundesweit einmalig. Zur Finanzierung der Gemeinwesen-
schwerstkranken Kindern, Früh- und Risikogebo-
arbeit, die das aktive Miteinander der Generationen erst
renen beim Übergang von der Klinik nach Hause.
möglich macht, sind allerdings dauerhaft Zuschüsse aus
Foto: Oschwald
Stiftungsmitteln erforderlich. Foto: Kästle
Bausteine der Erneuerung
Innovationskultur in der Stiftung Liebenau
von Helga Raible
Innovationsbaustein Nummer 1 ist eine dezentrale
Struktur. Einer der wichtigsten Faktoren für Innovation
ist Freiheit, meint Dr. Broll. Ein Klima der Erneuerung
entstehe dann, wenn die Mitarbeiter das größtmögliche
LIEBENAU – Ob Wohnkonzepte, Pflegemodelle oder technische Systeme
Maß an Freiheit und Verantwortung für ihre jeweiligen
– die Stiftung Liebenau hat auch im Jahr 2010 viele Neuerungen
Aufgaben haben. Oder auf gut schwäbisch: „Die Leut‘
eingeführt oder vorangetrieben. Solche Innovationen entwickeln sich
mache lasse.“
nicht von selbst. Nötig sind zum einen kreative Menschen, die gute
Ideen mitbringen oder aufgreifen, Ressourcen für Planung und Vor-
Verantwortung fördert Kreativität
laufphasen und ein Klima, das von Veränderungswillen und Einsatzbe-
Übertragen auf die Stiftungsorganisation heißt das: Die
reitschaft geprägt ist. Wie gelingt es der Stiftung, eine solche Inno-
fachliche Verantwortung liegt bei den sozialen Toch-
vationskultur zu schaffen und zu fördern? Wir haben darüber mit den
tergesellschaften. Die beim Vorstand angebundenen
Vorständen Dr. Berthold Broll und Dr. Markus Nachbaur gesprochen.
Stabsstellen und Zentralabteilungen – zum Beispiel die
Abteilungen für Sozialpolitik oder Strategische Entwicklung – haben eher koordinierende und beratende
Funktionen, geben Impulse und bündeln Informationen. Und auch innerhalb der Gesellschaften soll die
Verantwortung so weit wie möglich an die Basis. „Wer
12
iiStiftung
Liebenau
sich mit seiner Aufgabe identifiziert, entwickelt eher
sind Meilensteine auf dem Weg zu einer inklusiven
die Bereitschaft zur Kreativität“, ist Dr. Broll überzeugt.
Gesellschaft. Die Finanzierung ist aber deutlich schwie-
Ein gelungenes Beispiel ist für ihn das Berufsbildungs-
riger als die einer stationären Einrichtung“, erläutert
werk Adolf Aich. Aus einer schweren Belegungskrise
Dr. Nachbaur. „Für uns war aber klar, dass die fach-
heraus hat sich das BBW in den vergangenen fünf
lichen Argumente die monetären schlagen. Deshalb
Jahren grundlegend erneuert. Aus einer vollstationären
treten wir finanziell dafür ein.“ Neben den originären
Einrichtung für Jugendliche mit Lernbehinderungen ist
Stiftungsmitteln werden auch Förderprogramme zur
es zu einem Kompetenzzentrum geworden, das für die
Finanzierung von innovativen Vorhaben genutzt. Aus
unterschiedlichsten Zielgruppen eine enorme Palette
dem Europäischen Sozialfonds werden verschiedene
differenzierter Angebote vorhält: Neben dezentra-
Qualifizierungsprojekte innerhalb des Stiftungsver-
len Ausbildungen in betrieblicher Partnerschaft zum
bunds gefördert. Die Aktion Mensch gibt Zuschüsse für
Beispiel auch Diagnostik- und Profiling-Angebote für
inklusive Projekte. Und einige Wohnanlagen nach dem
Arbeitsuchende, Jugendhilfemaßnahmen im Wohnbe-
Konzept der Lebensräume für Jung und Alt können mit
reich, Qualifizierung von Berufsrückkehrerinnen. „Diese
Unterstützung des Bundesprogamms zur Förderung von
Vielfalt war nur möglich, weil Mitarbeiter auf allen
Mehrgenerationenhäusern ihre Angebote ausweiten.
Hierarchieebenen ihre Kreativität und Gestaltungsbereitschaft eingebracht haben“, sagt Dr. Broll.
Gemeinsamkeit stärkt
Baustein Nummer 3 sind tragfähige Netzwerke. „Die
Neue Wege machen Mühe
Netzwerkarbeit befördert Innovationen enorm, das
Dass ein solcher Innovationsprozess nicht spannungs-
haben wir mit dem Netzwerk SONG erlebt, ebenso wie
frei abläuft, versteht sich von selbst. „Innovation heißt
im Brüsseler Kreis“, sagt Dr. Broll. Der Schulterschluss
nicht, entspannt auf dem Sofa zu liegen.“ Bewährte
mit anderen Organisationen helfe besonders dann,
Gleise zu verlassen, macht Mühe. Und die Bereitschaft
wenn es darum gehe, Projekterfahrungen „in die Flä-
dazu bestehe manchmal leider nur, wenn es eine Not-
che“ zu bringen und politische Aufmerksamkeit dafür
wendigkeit dafür gebe. Zum Beispiel, weil traditionelle
zu schaffen. So ist es dem Netzwerk SONG gelungen,
Finanzierungsquellen wegbrechen, weil sich politische
Themen wie neue Wohnformen im Alter oder Quartiers-
Vorgaben verändern, weil die herkömmlichen Angebote
arbeit bundesweit zu kommunizieren und ein eigenes
dem Bedarf nicht mehr gerecht werden. „Umso wich-
Qualifizierungsprojekt zu entwickeln, das Fachkräfte
tiger ist in solchen Situationen eine Unternehmenskul-
aus dem Sozialbereich für neue quartiersbezogene Auf-
tur, in der Innovation wertgeschätzt wird“, ist Dr. Broll
gaben schult.
überzeugt.
Auch die Internationalisierung der Stiftungstätigkeit
hat einen Innovationsschub bewirkt. „In der öster-
Stiftungsmittel für Weiterentwicklung
reichischen Altenhilfe haben wir den Gedanken der
Ein weiterer unentbehrlicher Baustein für die Lie-
Sozialzentren kennen gelernt, der nun auch an deut-
benauer Innovationskultur sind die entsprechenden
schen Standorten in die Planung einfließt“, erläutert
materiellen Ressourcen. Ob Anlaufkosten für neue
Dr. Broll. Aus der Schweiz kommen neue Konzepte
Projekte, Vorfinanzierungen von Bauvorhaben oder
zum Übergang zwischen Pflege und Rehabilitation. Aus
dauerhafte Zuschüsse für innovative Angebote, das
Deutschland wiederum sei die Idee der Quartiersarbeit,
bisherige Entgeltsystem bietet dafür keine Struktur.
die den Menschen in seinem Wohnumfeld begreift, über
Hier sieht die Stiftung eine ihrer wichtigsten Aufgaben.
die Grenzen transportiert worden.
„Deshalb heißt eins unserer wirtschaftlichen Ziele,
einen Überschuss zu erwirtschaften, den wir zur Weiter-
Innovation ist strategisches Ziel
entwicklung und Innovation einsetzen können“, sagt
Das Streben nach Innovation ist im Kanon der Strate-
Stiftungsvorstand Dr. Markus Nachbaur
gischen Ziele, die die Stiftung im Jahr 2008 neu formu-
Ein Beispiel aus jüngster Zeit sind die neuen Wohnan-
liert hat, fest verankert. Für den Vorstand ist das nur
gebote nach dem „Supported-living“-Konzept, die die
eine konsequente Fortsetzung der Stiftungstradition.
St. Gallus-Hilfe bereits an zwei Standorten realisiert
„Innovation wurde bereits von der Gründungsgemein-
hat: integrative Wohnanlagen für Menschen mit und
schaft der Stiftung Liebenau, dem St. Johann-Verein,
ohne Hilfebedarf, in denen die benötigen Assistenzlei-
als Wesensbestandteil sozialer Entwicklung angesehen“,
stungen ambulant erbracht werden. „Solche Angebote
erinnert Dr. Broll.
iiStiftung
Liebenau
13
So war der Sommer 2011
Der Sommer hat Bewohner und Mitarbeiter der Stiftung Liebenau und ihrer
Tochtergesellschaften wieder mit vielen Aktivitäten gelockt: Die einen
sind verreist, gewandert, geklettert. Aber auch für die Daheimgebliebenen
gab es in und um Liebenau zahlreiche Events und Feste mit guter Musik,
schönen Begegnungen und verführerischem Essen. Ein Auszug.
COLMAR – Ein Sommertag in Colmar: Die drei
Rosenharzer Bewohner Christa Jung, Erich Welter,
Priska Hillmayr (v.l.) nutzten ein umfangreiches
Angebot an Ausflügen für eine Reise nach Colmar.
Dort erhielten sie vom Reisebegleiter eine interessante Führung durch die Altstadt mit dem Martinsmünster, dem im Jahr 1537 für einen reichen
Hutmacher erbauten Pfisterhaus und dem „Maison
de Tetes“, dem imposanten „Kopfhaus“. Die Fassade mit über 100 steinernen Köpfen beeindruckte
die Reisenden am meisten. Foto: privat
LIEBENAU – Ein Fest der Begegnung:
Zwischen zwei Wolkenbrüchen feierte die
Stiftung Liebenau ihr Sommerfest. Bewohner und Gäste genossen ein Fest bei sommerlichen
Temperaturen. War das Sommerfest einstmals ein Fest für die Bewohner und ihre Angehörigen, ist es heute ein Ort der Begegnung, „ein Gemeindefest“, so Vorstand Dr. Markus
Nachbaur. Fotos: Kästle
TESSIN – Zum vierten Mal verbrachten fünf Bewohnerinnen und Bewohner der St. Gallus-Hilfe
MOSBACH – Mit einem Super-Kick meisterte der
in Rosenharz einige Tage im Verzasca-Tal im Tes-
FC Rosenharz 06 den Wettkampf um die baden-
sin, begleitet – wie die Jahre zuvor – von zwei
württembergische Meisterschaft der Kategorie C
Betreuern und ihrem Kletterlehrer Fritz Würth.
bei den Special Olympics in Mosbach. Der
Das regelmäßige Klettertraining in der Halle in
Aufstieg in die Kategorie B ist damit gesichert.
Amtzell und die Erfolgserlebnisse in freier Natur
Gratulation!
lassen die Kletterer von Jahr zu Jahr fitter und
sicherer werden. Foto: privat
14
iiStiftung
Liebenau
LIEBENAU – Lupenreiner und fairer Kick beim
Fußballturnier: Zusammen mit Dr. Berthold Broll
(Vorstand Stiftung Liebenau), Bürgermeister
Bruno Walter aus Tettnang und Bürgermeister
HEGENBERG – Bei schönstem Wetter kamen
Andreas Schmid aus Meckenbeuren trafen sich
Ende Mai viele Besucher zum Hegenber-
am Tag vor dem traditionellen Liebenauer
ger Sommerfest. Gemeinsam feierten die
Sommerfest die Kicker der Stiftung mit zwei
Bewohner zusammen mit den Angehörigen
Mannschaften aus dem benachbarten Straß zum
und Freunden und den Anwohnern. Zu den
Fußballturnier. Den Sieg im offiziellen Wettbe-
Highlights gehörten heuer der Flohmarkt
werb trugen die Spieler der Straß Youngstars 2
TOGGENBURG – Singen und Experimentieren:
und zahlreiche Spielangebote auf dem
davon. Auf Platz zwei kam das Team von Dyna-
Zwei Tage lange wanderten 14 Menschen mit
Gelände, und im Zelt spielte die Tettnanger
mo Lukas 1 und Platz drei nahmen die Spieler
und ohne Behinderung auf dem Klangweg
Band, die „Fleißigen Handwerker“. Für
der Lokomotive Hegenberg ein.
im Toggenburger Land. Den Säntis immer in
Kaffee und Kuchen sowie für herzhafte
Mit von der Partie waren auch Dynamo Lukas 2,
Sichtweite sangen sie auf ihrem Weg unter
Speisen und Getränke sorgen die Mitarbei-
St. Gallus 1 und 2, Straß Youngstars 1, und
der Leitung von Sabine Meier und Christine
ter der St. Gallus-Hilfe.
Girl Freaks. Foto: Scheidel
Ruoff viele afrikanische Lieder oder studierten
einfache Jodelgesänge ein. Highlights waren die
24 Klanginstallationen etwa aus Kuhglocken,
Klangschalen oder Holzkuben. Das gemeinsame
Erleben und Zusammensein in freier Natur und
schöner Umgebung empfanden die Teilnehmer
am „bewegendsten“. Fotos: privat
ROSENHARZ – Vorhang auf hieß es in Rosenharz:
Mit ihrem integrativen Theaterstück bestachen die
Schauspieler mit und ohne Behinderung ihr Publikum in der Mehrzweckhalle der St. Gallus-Hilfe.
Gemeinsam haben die Theaterleute ein Stück entwickelt, das sich nah am Alltag orientiert. Sarah
will einen Abend mit ihrem Freund verbringen, der aber interessiert sich nur für den Fernseher. Die
Zuschauer erleben das Programm live: „gezappt“ wird von „Deutschland sucht den Superstar“ über
die Horoskop-Show bis Bud Spencer und „Star Wars“, bis hin zur Wahrsagerin. Foto: Scheidel
LIEBENAU – „Cook & Swing“: Die kulinarische
Musiknacht im Liebenauer Landleben war wieder
ein Fest für alle Sinne. Vier Meisterköche verwöhnten die vielen Gäste mit leckeren Gerichten, dazu
RAVENSBURG – Sommerfest auf der Galgenhalde: bereits zum
spielten vier Bands auf vier Bühnen. Das Programm
vierten Mal lud die Initiativgruppe mit 15 Ehrenamtlichen zum
lud ein von Location zu Location zu bummeln, dem
Fest rund um das alte Waschhaus. Mit viel Herzblut, Zeitein-
Sound der vier Bands zu lauschen und kulinarische
satz und Engagement bereiteten die Frauen und Männer das
Leckereien zu genießen. Foto: Kästle
Fest für die Stadtteilbewohner vor. Diese folgten der Einladung
zahlreich, um miteinander bei Speis und Trank zu feiern. Gemeinsame Spiele lockten jedes Alter. Einlagen wie AkkordeonMusik, Step-Tanz und Linedance belohnte das Publikum mit
viel Applaus. Foto: Oschwald
iiStiftung
Liebenau
15
Präsentierten den neuen Wein und neue Stühle: (linkes Bild, v.l.) Heinrich Arnold, Uwe Wendtland, Geschäftsführer des Liebenauer Landlebens Rainer
Wöhrle, die Vorstände Dr. Markus Nachbaur und Prälat Michael H. F. Brock, Beschäftigte Inge Neuhäusler, Vorstand Dr. Berthold Broll, Wolfgang Ehmann
und der Künstler Karl-Heinz Wendzich, der das Etikett für den Creativo 2009 gestaltet hat. Was wird das neue Creativo-Projekt? Die Jury bei der Arbeit:
(rechtes Bild, v.l.) Heinrich Arnold, Inge Neuhäusler, Uwe Wendtland, Anne Riester. Fotos: Raible/Kästle
„Creativo“: Mit Genuss Soziales unterstützen
Menschen mit Behinderung wählen Verwendungszweck mit aus
von Susanne Droste-Gräff und Helga Raible
Ein PC soll angeschafft werden, der Hegenberger
Bewohnern den Zugang ins Internet ermöglicht.
Diese Entscheidung hat eine Jury aus WfbM-Beschäftigten und Bewohnern getroffen. „Uns ist es wichtig,
LIEBENAU – Mit dem „Creativo 2009“ steht seit Juni der vierte
dass Menschen mit Behinderung selbst einbezogen
Jahrgang des stiftungseigenen Weines in den Regalen des Lie-
sind, wenn es um die Creativo-Projekte geht“, erläu-
benauer Landlebens. Der Kressbronner Spätburgunder, im Barrique
tert Dr. Broll. Auf eine Ausschreibung in den Heimen
ausgebaut, ist ein rundum soziales Projekt: Von der Pflege über die
und Werkstätten gingen zehn Vorschläge bei der
Lese, bis hin zur Etikettierung, Lagerhaltung und Verkauf sind Men-
Jury ein.
schen mit Behinderungen in die Arbeitsabläufe integriert. Auch das
Vielfältig waren die Ideen, über die die Jury zu bera-
Etikett stammt stets von einem Menschen mit Handicap. Und: Vier
ten hatte. Hollywoodschaukel oder Großspiele für
Euro pro Flasche kommen einem sozialen Projekt zugute.
das Freigelände? Sonnenschirme und Möbel fürs Café
Hegenberg, Verschönerungen der Kantine Liebenau
oder ein überdachter Warteplatz für Busbenutzer im
16
Aus dem Verkauf des Jahrgangs 2008, der 4.600 Euro
Hegenberg? Diskutiert wurden auch zusätzliche Frei-
erbrachte, wurden Sitzmöbel für den Liebenauer
zeitangebote für den Hegenberg, ebenso wie ein
Schlosspark angeschafft. „Die Sitzgelegenheiten sind
Fortbildungsfonds für Menschen mit Behinderung,
für alle da: Ob für unsere Liebenauer Bewohner,
aus dem Kursgebühren für Bildungsangebote bezu-
Besucher unserer Fortbildungen oder Mitarbeiter und
schusst werden könnten. Die Entscheidung für den
Beschäftigte der Werkstätten für Menschen mit
PC fiel schließlich mit deutlicher Mehrheit. Denn aus
Behinderungen“, so Vorstand Dr. Berthold Broll, der
ihrer Arbeit in Heim- und Werkstattbeiräten wissen
die neuen Möbel zusammen mit seinen Vorstandskol-
die Jury-Mitglieder selbst, wie wichtig der Zugang
legen, dem Künstler und Beschäftigten und Bewoh-
zum Internet heute ist.
nern ihrer Bestimmung übergab. Er dankte auch den
Auch wenn nur ein Projekt gewählt werden konnte:
Sponsoren: Die Firma Saint-Gobain spendete die Fla-
Untergehen sollen die übrigen Vorschläge nicht. Die
schen, die Firma Carini druckte die Etiketten.
Jury hofft, dass sich noch andere Wege finden lassen
Auch das Creativo-Projekt 2011, das aus dem Verkauf
– und schließlich gibt es ja auch im nächsten Jahr
des Jahrgangs 2009 finanziert wird, steht nun fest:
wieder ein Creativo-Projekt.
iiStiftung
Liebenau
Leistungssportlerin im Seniorenheim
Porträt Johanna Pramstaller
von Elke Benicke
VANDANS – Sie schwimmt, fährt Ski, spielt Golf und Handball,
macht Leichtathletik – und erstaunt Kollegen wie Bewohner im
Seniorenheim Schmidt der St. Anna-Hilfe Österreich immer wieder:
Halbtagskraft Johanna Pramstaller nimmt nicht nur an den „Special
Olympics“ (Olympiade für Menschen mit mentaler Behinderung) in
Österreich, Spanien, Idaho oder China teil, sondern belegt meist
einen der ersten Plätze. Wichtig ist ihr weniger der persönliche
Sieg, als „dass das Team zusammenhält – im Sport wie im Beruf.“
„Ich lege Wäsche zusammen, bügle, putze, helfe in
Johanna Pramstaller. Foto: privat
den Wohnküchen, rede mit den Bewohnern und
bringe sie zum Lachen. Ab und zu Blödsinn zu
Kollegen kurz nach den Skirennen in Idaho: „Das
machen, gehört natürlich auch dazu!“, berichtet
war im Winter 2009. Ich habe zwei Mal Bronze und
Johanna Pramstaller schmunzelnd von ihren Aufga-
einmal Silber geholt. Als ich gerade vier Tage zuhau-
ben im Seniorenheim Schmidt. „Johanna kommt
se war, haben mich meine Arbeitskollegen in eine
gerne, ist immer freundlich und fleißig“, lobt Haus-
Pizzeria ausgeführt. Sie haben mich zuhause abge-
leiter Florian Seher. Von Geburt an hat sie eine leich-
holt, ohne dass ich wusste, wohin es geht. Das war
te geistige Beeinträchtigung. Daher wird ihre Teil-
eine Überraschung, das vergesse ich nie“, schließt
zeitstelle vom Institut für Sozialdienste (IfS) im Rah-
sie ihre Erzählung.
men von „Spagat“, einem Projekt zur beruflichen
Integration junger Menschen mit Behinderung,
gestützt und begleitet. Dass sie neben dem Leis-
Rekorde bei den „Special Olympics“
tungssport noch arbeiten geht, beeindruckt vor allem
auch andere Sportler der „Special Olympics“. „Einige
t 2010 Nationale Sommerspiele – Isle of
der Jugendlichen nehmen mich als Vorbild; manche
Man: 100-Meter-Lauf: Gold, Weitsprung:
fassen Mut und schauen sich auch nach einer Arbeit
Gold, 4 x 100-Meter-Staffel: Bronze
um“, sagt die 24-Jährige.
Für Johanna Pramstaller hängen Beruf und Sport eng
zusammen. Sie freut sich, wenn die Kollegen und
Bewohner mit ihr fiebern oder sie bewundern, und
fühlt sich motiviert, wenn auch ein vierter oder fünfter Platz noch anerkennend diskutiert wird. „Die
Bewohner interessieren sich für mich und meinen
Sport. Sie fragen: Wo warst du? Was hast du
gemacht?“, lacht Pramstaller. „Und wenn ich dann
von Wettkämpfen erzähle, sagen sie: Gib Gas!“
t 2010 Ski Alpin Cup – Österreich: Slalom:
Staatsmeisterin, Riesentorlauf: Vizestaatsmeisterin
t 2009 Internationale Winterspiele – Idaho:
Slalom: Silber, Riesentorlauf: Bronze –
Superski: Bronze
t 2008 Nationale Sommerspiele – Spanien:
Weitsprung: Gold, 100-Meter-Lauf: Bronze
t 2006 Europäische Jugendspiele – Rom:
100-Meter-Lauf: Gold, Weitsprung: Silber
Besonders beeindruckt hat sie eine Einladung ihrer
iiAltenhilfe
17
Rund 700 Ehrenamtliche feierten
gemeinsam am Fuße der Liebenauer
Kirche am Ehrenamtstag (linkes Bild).
Gerhard Schiele (Geschäftsführer der
Liebenauer Altenhilfe) bedankte sich bei
der „Worthandwerkerin“ Ingrid Koch für
den humorvollen Beitrag (Mitte).
Der Vorstand der Stiftung Liebenau,
Dr. Berthold Broll, zeigte sich bei der
Begrüßung beeindruckt von der großen
Zahl der angereisten Ehrenamtlichen.
Fotos: Oschwald
Ehrenamtliche werden gefeiert
Jahr des Ehrenamtes: Liebenauer Altenhilfe lädt Ehrenamtliche zum Dankeschöntag
von Anne Oschwald
reist waren sie am Morgen aus Städten und Gemeinden im süddeutschen Raum, in denen die Liebenauer
Altenhilfe Einrichtungen betreibt.
„Sie bringen Licht ins Leben, wo Licht besonders
LIEBENAU – Über 700 Ehrenamtliche reisten Anfang Juli teilwei-
bedeutsam ist“, meinte der Vorstand zu den Ehren-
se mit Bussen in Liebenau an, um der Einladung der Liebenauer
amtlichen. Der Geschäftsführer der Liebenauer Alten-
Altenhilfe zum Dankeschöntag zu folgen. Mit dem Tag bedankten
hilfe, Gerhard Schiele, ergänzte: „Hohe Lebensquali-
sich die Verantwortlichen bei den Ehrenamtlichen, die sich zwischen
tät ist nur durch das gute Zusammenwirken von
München, Böblingen und Friedrichshafen freiwillig etwa in der Nach-
hauptamtlichen Mitarbeitern und Ehrenamtlichen
barschaftshilfe, in den Lebensräumen für Jung und Alt oder in den
möglich.“ Für die Liebenauer Altenhilfe sind rund
Altenpflegeheimen engagieren.
1 600 Menschen ehrenamtlich tätig, die die 1 800
hauptamtlichen Mitarbeiter unterstützen.
Einen Programmpunkt des Tages bildete der Vortrag
18
„Was man sieht, wenn man hier oben steht, ist
„Quo vadis Ehrenamt?“ von Prof. Paul-Stefan Ross,
beeindruckend“, zeigte sich Dr. Berthold Broll (Vor-
Leiter des Studiengangs Soziale Dienste der Jugend-,
stand der Stiftung Liebenau) bei der Begrüßung der
Familien- und Sozialhilfe der Dualen Hochschule
Gäste überwältigt. Über 700 ehrenamtlich tätige
Baden-Württemberg in Stuttgart. Er zitierte einen
Frauen und Männer füllten zusammen mit den Ver-
Zeitungsartikel, nach dem das Ehrenamt immense
antwortlichen der Altenhilfe das festlich geschmückte
Nachwuchsprobleme habe. Niemand wolle sich mehr
Zelt auf dem Gelände der Stiftung Liebenau. Ange-
freiwillig für andere und die Gesellschaft einsetzen.
iiAltenhilfe
Allerdings, so stellte sich heraus, war dieser Artikel
selbst zu schauen und auch kritisch zu betrachten,
der Mitteldeutschen Zeitung aus dem Jahre 1928.
wofür man eingesetzt werde.
Diese Sorge, so Ross, sei heute unbegründet. Von den
Menschen über 14 Jahren engagieren sich bundesweit
Edle Pose oder Neurose?
23 Millionen in unterschiedlichsten Aufgaben. Auch
„Was dem einen eine edle Pose, ist für den anderen
widerlegte er in seinen Botschaften einige Vorurteile.
Profilneurose“: Mit Ingrid Koch, der „Worthandwer-
Etwa jenes, dass sich junge Menschen nicht mehr
kerin“ aus Tettnang, gab es für die Gäste viel zu
engagierten. Sie liegen genau im Schnitt. Die gesell-
lachen. Mit frischem Humor und Wortgewandtheit
schaftliche Entwicklung beeinflusse auch das Ehren-
und einer Prise Sarkasmus präsentierte sie ihre
amt. Da Familien- und Berufslaufbahnen nicht mehr
Gedanken zu den Themen Ehrenamt, Alter und ver-
geradlinig verlaufen, handele es sich nicht selten um
gehende Schönheit.
ein Lebensabschnittsengagement. Für die Vereine und
Zum Programm gehörte neben reichlich Speis und
Einrichtungen heiße dies, dass sie sich verstärkt um
Trank am Nachmittag auch die Möglichkeit über das
die Ehrenamtlichen kümmern müssen.
Gelände der Stiftung Liebenau zu flanieren und sich
im Schloss über die unterschiedlichen ehrenamt-
Ehrenamt hat viele Gesichter
lichen Tätigkeiten in den verschiedenen Regionen
Die einen machen klassische Vereinsarbeit mit einer
der Liebenauer Altenhilfe zu informieren. Den
hohen Stundenanzahl, andere möchten sich regelmä-
Abschluss bildete ein Gottesdienst in der Liebenauer
ßig mit zwei Stunden bei einer Aufgabe einbringen.
Kirche mit dem Vorstand der Stiftung Liebenau, Prä-
Die einen sind motiviert durch ihre tiefe Verbunden-
lat Michael H. F. Brock.
heit zur Kirche, andere wollen für alte Menschen
etwas tun. Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen
Ehrenamtliche fühlen sich beschenkt
für den freiwilligen Einsatz stimmen. Laut Ross steht
Am Abend sah man viele zufriedene Mienen. Eine
Helfen und Gestalten im Vordergrund oder was der
langjährige Ehrenamtliche aus Weingarten meinte zu
Engagierte selber – etwa beruflich – davon hat.
dem Tag: „Ich fühle mich heute richtig beschenkt.“
Zurück gehe hingegen die geselligkeitsorientierte
Eine andere Engagierte fand das Fest sehr gut orga-
Motivation. Ross ermunterte die Gäste, nach sich
nisiert.
iiAltenhilfe
19
Monika und Leo Schlenker leben gern im Mehrgenerationenhaus Weinbergstraße – nur wenige Schritte von der
Ravensburger Innenstadt entfernt. Foto: Centner
Wo Jung und Alt aufeinander achten
Leben im Mehrgenerationenhaus Weinbergstraße in Ravensburg
von Sabine Centner
hen. Ich bringe ihr dann das Babyfon und weiß, dass
die beiden Buben gut betreut sind. Wenn was ist,
ruft sie mich an.“ Und wenn sie Hilfe benötigt, etwa
wenn ein Kind krank ist, oder sie sich mal überlastet
RAVENSBURG – Traktor oder Laufrad? Leo überlegt nicht lange:
fühlt und Tapetenwechsel braucht, dann weiß Moni-
Erst Traktor, dann Laufrad! Zwischendurch turnt der Blondschopf
ka Schlenker: „Es gibt hier genügend ältere Men-
im Kletterhaus herum und baut mit seiner Mama eine Burg aus
schen, die gerne einspringen. Das ist für viele wich-
Bauklötzchen. Keine Frage: Leo, dreieinhalb Jahre alt, fühlt sich
tig, weil sie allein sind.“
pudelwohl. Sein Spielplatz liegt direkt vor der Haustür, inmitten
Um diese Hilfe zu bitten, hat sie zunächst einige
der Lebensräume Weinbergstraße in Ravensburg, einem Mehrge-
Überwindung gekostet: „Ich musste da erst mal über
nerationenhaus der St. Anna-Hilfe. Seit knapp drei Jahren wohnen
meinen Schatten springen.“ Geholfen hat ihr der
Leo, sein fünfjähriger Bruder Simon und Mama Monika Schlenker
Blick über ihren Tellerrand: „Wenn man sieht, was
nun schon hier, und für Monika Schlenker steht fest: „Der Einzug
die anderen brauchen, fällt es leichter“, sagt die
zu Weihnachten 2008 war für mich in dieser Situation absolut das
junge Mutter. Ob das beim Einkaufen ist oder im
Richtige.“
medizinischen Bereich, wo sie als Krankenschwester
schon mal eine subkutane Spritze setzen kann: Es
gibt viele Möglichkeiten für ein gelebtes Miteinan„Die Situation“ war damals eine eher unglückliche:
der. Am wichtigsten allerdings findet sie die
Nach der Trennung während der zweiten Schwanger-
Gespräche und das Gefühl, „meine Kinder jemandem
schaft musste die junge Frau möglichst schnell ein
anvertrauen zu können“.
neues Zuhause für sich und die Kinder finden. Durch
Und wenn sie am Ostermorgen die Wohnungstür auf-
Zufall erfuhr sie von einer freien Wohnung in der
macht, „und da sitzen zehn Osterhasen davor“, dann
Weinbergstraße – und hatte Glück: Sie konnte mit
empfindet Monika Schlenker nicht nur Dankbarkeit,
Simon und dem damals gerade mal vier Wochen alten
sondern fühlt sich auch geborgen. „Die Leute achten
Leo einziehen.
aufeinander“, sagt sie, und: „Ältere Leute haben das
Das allergrößte Plus in den Lebensräumen sind für
Bedürfnis, sich zu kümmern.“ Auch aus diesem
sie die Nachbarn und Mitbewohner. „Ich habe mich
Grund glaubt sie: „Dies ist eine Lebensform, die
anfangs schwer getan, Kontakt zu finden“, räumt die
Zukunft hat.“
35-Jährige ein. „Erst als ich selbst rausging, kamen
die Menschen auf mich zu.“ Heute tun sie das mit
großer Selbstverständlichkeit: „Die Nachbarin zwei
Türen weiter ermöglicht mir, abends mal wegzuge-
20
iiAltenhilfe
www.altenhilfe-liebenau.de/Lebensräume
„Mir geht es ohne Arbeit sehr gut“
Langjähriger WfbM-Mitarbeiter in den Ruhestand verabschiedet
von Claudia Wörner
FRIEDRICHSHAFEN – Adelbert Schneider war fast sein ganzes
Arbeitsleben in der Landschaftsgärtnerei der Stiftung Liebenau
beschäftigt. Jetzt genießt er seine Rente in einem Außenwohnhaus
der St. Gallus-Hilfe in Friedrichshafen.
Nachdem er bereits 2006 auf Teilzeit reduzierte,
genießt der 65-jährige Mann mit Behinderung seit
April seinen wohlverdienten Ruhestand. Er arbeitete
zunächst in der Landwirtschaft der Stiftung Liebenau
und die vergangenen 30 Jahre in der Landschaftsgärnterei. Fast genauso lang wurde Adelbert Schneider von Karl-Heinz Mayer am Arbeitsplatz begleitet.
„Adelbert war für uns als Mitarbeiter eine feste
Adelbert Schneider (Mitte) genießt seinen Ruhestand. Karl-
Größe. Er war eine Persönlichkeit, die über Jahr-
Heinz Mayer begleitete ihn fast 30 Jahre in der Landschafts-
zehnte einfach dazu gehörte“, berichtet Karl-Heinz
gärtnerei in Liebenau. Rita Fedhila unterstützt ihn in seiner
Mayer.
Wohnung in Friedrichshafen.
Adelbert Schneiders Aufgaben in der Landschaftsgärtnerei waren vielfältig. Er jätete Unkraut, mähte
den Rasen, rechte Laub zusammen, kehrte die Wege
oder räumte im Winter Schnee. Auch im Haus in der
das Thema Haushalt verbunden mit Einkaufen,
Josef-Mauch-Straße, eines der gemeindeintegrierten
Kochen und Wäschewaschen musste der damals über
Wohnhäuser der St. Gallus-Hilfe in Friedrichshafen,
50-Jährige bewältigen, der im Alter von neun Jahren
gibt es immer solche Aufgaben. „Inzwischen kocht
in die Stiftung Liebenau kam und fast sein ganzes
Adelbert sehr gerne und hat sogar schon einen Koch-
Leben im Heim verbracht hat. „Die ‚kleinere’ Wohn-
kurs bei der Volkshochschule besucht“, erzählt Rita
form ist ideal für ihn. Hier findet er mehr Ruhe und
Fedhila, die Schneider in der Wohngruppe begleitet.
kann sich bei Bedarf jederzeit zurückziehen“, stellt
Außerdem habe der rüstige Rentner sein Hobby, das
Rita Fedhila fest. Adelbert Schneiders Selbstwertge-
Fotografieren, intensiviert. „Im Urlaub in Südtirol
fühl sei gewachsen und er sei immer selbstständiger
habe ich auch Bilder gemacht“, wirft er ein.
geworden.
Viele neue Dinge haben sich mit dem Umzug in die
Karl-Heinz Mayer ging bereits im Dezember 2010 in
gemeindenahe Wohnform für Adelbert Schneider auf-
den Ruhestand. Seit Februar betreut er das Ravens-
getan. So fuhr er täglich mit Bus und Bahn über
burger Spieleland als Teilzeitkraft der Landschafts-
Meckenbeuren nach Liebenau zur Arbeit. „Er war
gärtnerei. Er regte an, dass Adelbert Schneider doch
immer pünktlich, und wenn mal aus irgendeinem
ab und zu nach Liebenau kommen könnte, um seine
Grund kein Bus nach Liebenau fuhr, ist er zu Fuß
ehemaligen Kollegen zu treffen. Aber der winkt ab:
vom Bahnhof zur Arbeit gekommen“, erinnert sich
„Nein, ich bin jetzt in Rente, und mir geht es ohne
sein ehemaliger Chef voller Anerkennung. Aber auch
Arbeit sehr gut.“
iiMenschen
mit Behinderung
21
„Wohn- und Arbeitsplätze für alle“
Ortsentwicklung Rosenharz bringt Veränderungen
von Sabine Centner
Groß war das Interesse, riesig der Andrang an diesem
glutheißen Samstagnachmittag. Die Sitzgelegenheiten in der Mehrzweckhalle reichten nicht aus,
immer wieder mussten neue Stühle herbeigeschafft
ROSENHARZ – Vor einer umfassenden Neuausrichtung steht die
werden. Wie es um ihre Zukunft aussieht, das
Komplexeinrichtung für Menschen mit Behinderung in Rosenharz:
beschäftigt die Menschen, macht ihnen auch Sorgen.
Innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre will die Stiftung
„Ich will hier bleiben!“, stellt ein Bewohner gleich
Liebenau mit ihrer Tochtergesellschaft St. Gallus-Hilfe dort mehrere
zu Beginn klar.
Gebäude abreißen lassen, andere renovieren und einige ganz neu
Christine Beck, Bereichsleitung Wohnen im Landkreis
bauen. Hintergrund sind die von der Politik geforderte bessere Teil-
Ravensburg, versuchte, die Ängste zu zerstreuen:
habe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft
„Alle Menschen werden einen Wohn- und Arbeits-
und die damit verbundene verstärkte Regionalisierung von Wohn-
platz haben.“ In einfacher Sprache schilderte sie
und Betreuungsangeboten. Was auf die betroffenen Bewohner und
zusammen mit Stefan Fricker, Bereichsleiter Arbeit
deren Angehörige, die Mitarbeiter der Einrichtung, aber auch die
und Bildung, die Pläne und den zeitlichen Ablauf der
Nachbarn in der Gemeinde zukommt, darüber hat die St. Gallus-Hil-
Umgestaltung.
fe bei einer Veranstaltung zum Thema Ortsentwicklung in Rosenharz
Erster Schritt ist demnach der Neubau eines Wohn-
informiert.
pflegeheims, mit Baustart im August 2011. Das
Gebäude entsteht auf dem bisherigen Sportplatz in
Rosenharz und bietet 46 Menschen ein Zuhause – auf
Die Stiftung Liebenau mit ihrer Tochtergesellschaft St. Gallus-Hilfe kann bei der Ortsentwicklung auf Partner wie das Landratsamt Ravensburg und die
Gemeinde Bodnegg bauen. Den sichtbaren Auftakt für die zukunftsweisende Entwicklung machte am 6. Juni der Spatenstich für ein Wohnpflegeheim.
v.l.n.r.: Uwe Möhrle (Heimbeirat Rosenharz), Siegfried Ungewitter (Landratsamt Ravensburg), Christof Frick (Bürgermeister Gemeinde Bodnegg), Prälat
Michael H. F. Brock (Vorstand Stiftung Liebenau), Jörg Munk (Geschäftsführer St. Gallus-Hilfe), Sven Bahsitta (Heimbeirat Rosenharz), Christoph Ehlert
(Heimleitung), Christine Beck (Bereichsleiterin Wohnen der St. Gallus-Hilfe im Landkreis Ravensburg), Marco Nauerz (Leiter Bauabteilung Stiftung Liebenau) und Martin Zyschka (Architekturbüro Mengen/Ravensburg). Foto: Scheidel
22
iiMenschen
mit Behinderung
„Hier möchte ich wohnen!“
Nadja Arnold hat sich auf
dem Plan bereits ihr Wunschappartement ausgesucht.
Foto: Centner
zwei Stockwerken, in vier
und Bruder Konrad abgerissen werden. „Wir sind uns
Wohngemeinschaften und
bewusst“, sagte Christine Beck dazu, „dass wir damit
der Umbau von Rosenharz auch
ausschließlich in Einzelzim-
viel auslösen bei den Menschen, die dort leben und
mern, wie es die neuen
arbeiten.“ Aber die betreffenden Häuser seien „nicht
ein Bekenntnis zum Standort:
gesetzlichen Vorgaben for-
mehr zukunfts- und konkurrenzfähig“. Sie versprach
Mit der Neukonzeption, in deren
dern. 5,1 Millionen Euro sind
zudem, alle Betroffenen in die Entscheidungen ein-
für den Bau veranschlagt,
zubeziehen.
Zentrum das Miteinander ver-
Bezugstermin soll August
schiedener Lebensstile an einem
2012 sein.
Ort steht, möchten wir ein deut-
Ab 2012 wird saniert
viel in den kommenden Jahren in Rosenharz. Dass
Vom Frühjahr 2012 an steht
am Ende eine Verringerung der Bewohnerzahl von
dann die Sanierung der Häu-
derzeit 250 auf 150 stehen wird, begründete Christi-
ser St. Vinzenz auf dem Plan.
ne Beck mit der umzusetzenden inklusiven Lebens-
66 Plätze und zwei Kurzzeit-
form und einem teilhabeorientierten Leben von Men-
plätze sollen dort entstehen,
schen mit Behinderung in der Gesellschaft. Die
in vier Betreuungseinheiten
St. Gallus-Hilfe sucht deshalb weitere gemeindeinte-
und 18 Appartements im
grierte Wohnmöglichkeiten im Landkreis Ravens-
Dachgeschoss. Während des
burg, etwa in Bodnegg, in Grünkraut und im Schus-
Umbaus, der rund zwei Jahre
sental.
„Für die Stiftung Liebenau ist
liches Zeichen gegen Absonderung setzen.“ (Prälat Michael
H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau, beim Spatenstich für das Wohnpflegeheim)
Teilhabeorientiertes Leben ist das Ziel
Abriss, Neubau, Umbau und Sanierung: Es tut sich
dauern wird, ziehen die Bewohner sukzessive ins
Ganz konkrete Pläne dazu gibt es bereits in Bad
sogenannte Übergangswohnen. Dieser Neubau mit
Waldsee: In der Nähe des Thermalbads soll ein Wohn-
sechs Wohnungen und acht Appartements für insge-
haus für 24 Menschen entstehen, kleinteilig, mit vier
samt 28 Menschen soll Anfang 2012 bezogen werden
Wohnungen für je fünf Bewohner und vier Einzelap-
können.
partements. Auch ein Förder- und Betreuungsbereich
Gravierende Veränderungen gibt es im Förder- und
soll dabei sein, und begonnen wird, die Förderzusage
Betreuungsbereich (FuB). Stefan Fricker stellte die
vorausgesetzt, im Jahr 2012.
Pläne vor, die einen „ebenerdigen und hochmo-
Für Nadja Arnold ist ein Umzug kein Thema. Die
dernen Förder- und Betreuungsbereich“ für 48 Men-
junge Frau hat sich intensiv in die ausgehängten
schen vorsehen und zudem der Seniorenbeschäfti-
Pläne vertieft und ihr Wunschappartement im umge-
gung Platz bieten. Baubeginn soll Ende 2013, Anfang
bauten Haus St. Vinzenz entdeckt. Im Dachgeschoss
2014 sein.
möchte sie wohnen, ganz außen, „in einem Einzel-
Für diesen Neubau werden die in die Jahre gekom-
zimmer“, und die Freundin gleich nebenan. Die
menen Häuser Walburga, St. Gertrudis, Ulrika Nisch
zuständige Heimleitung hat sich den Wunsch notiert.
iiMenschen
mit Behinderung
23
„Wir gehören zum Stadtbild“
20 Jahre Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) in Tettnang
von Claudia Wörner
te Lebensgrundlage und ein gewisser Grad an Selbstständigkeit.
Büro mitten in Tettnang
TETTNANG – Im Februar 1991 fing alles an: Vier Frauen mit leich-
Beim ABW in Tettnang arbeiten vier Sozialpädago-
ter geistiger Behinderung zogen in eine gemeinsame Wohnung in
gen, zwei Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Kräfte,
die Schillerstraße und gründeten die erste Wohngemeinschaft des
die die Menschen mit Handicap zum Beispiel bei
Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) in Tettnang. Aus vier Frauen
Freizeitveranstaltungen begleiten. Seit zwei Jahren
in einer Wohngemeinschaft sind nach 20 Jahren 36 Männer und
hat das ABW sein Büro in der Tettnanger Karlstraße,
Frauen in zwölf Einzelwohnungen, zehn Paarwohnungen und einer
davor war es in der Bahnhofstraße angesiedelt.
Vierer-WG geworden.
„Ganz am Anfang hatte ich mein Büro in Liebenau“,
erinnert sich Dieter Schulz. Der Standort sei kein
Vieles habe sich in den 20 Jahren seit der Gründung
des ABW in Tettnang verändert, stellt Dieter Schulz,
ABW-Mitarbeiter der ersten Stunde, fest. „In den
ersten Jahren waren wir die Pioniere, und heute
gehören unsere Klienten zum Stadtbild.“ Die 36 Männer und Frauen erledigen in der Stadt ihre täglichen
Besorgungen, besuchen Volkshochschulkurse und die
Bibliothek oder engagieren sich in Vereinen. Das
ABW eröffnet die Möglichkeit, in einer selbst angemieteten Wohnung in der Gemeinde zu leben und
seine eigenen Lebensvorstellungen zu verwirklichen.
„Im Gegensatz zu früher ist es heute ganz normal,
wenn ein Mensch mit Handicap in der Bäckerei neben
einem steht“, so Schulz’ Eindruck.
Aber auch sonst hat sich einiges verändert. Kamen
etwa zwei Drittel der ABW-Klienten in der Anfangszeit aus dem Heimbereich der St. Gallus-Hilfe, wagt
heute die Mehrheit den Schritt in die Selbstständigkeit direkt vom Elternhaus aus. „Einige werden über
den Sozialdienst am Arbeitsplatz auf diese Wohnform
24
iiMenschen
aufmerksam gemacht, andere erfahren im Rahmen
Heribert Danner lebt seit 14 Jahren in einer Wohngemein-
von Freizeitangeboten der Offenen Hilfen vom ABW“,
schaft mit drei weiteren Personen des ABW in Tettnang.
erklärt Sozialpädagoge Nils Pasternak. Sehr gute Wer-
Er arbeitet in der Bäckerei „Reck Beck“ am Ort und fährt
ber für das ABW seien auch die Klienten selbst, die
in seiner Freizeit mit Begeisterung Fahrrad. „In der WG
sich häufig keine andere Wohnform mehr vorstellen
respektieren und akzeptieren wir uns gegenseitig.“ Vor
können. Das Alter der Klienten bewegt sich zwischen
allem schätzt er die zentrale Lage seiner Wohnung, von
Anfang 20 und Mitte 70, das Durchschnittsalter der
der aus er schnell beim Einkaufen, in der Apotheke oder in
Tettnanger Klienten liegt bei Mitte 40. Vorausset-
der Kirche ist. Tettnang als Wohnort sei auch zum Radeln
zungen für einen Umzug ins ABW sind eine gesicher-
ideal mit seiner Lage zwischen Allgäu und Bodensee.
mit Behinderung
Jutta Frieße ist eine der ersten Klientinnen des Tettnanger
Christine Gäng lebte schon vor ihrem Einzug in der ersten Tettnanger
ABW. Von der Vierer-WG in der Schillerstraße zog sie bereits
Vierer-WG vor 20 Jahren in einer ambulant betreuten Wohnung in Bodn-
vor zehn Jahren zusammen mit ihrem Verlobten in eine eigene
egg. Aufgewachsen im Heim kann sie sich heute keine andere Wohnform
Wohnung. Sie arbeitet im Textilservice der Liebenau Service
mehr vorstellen als das ABW. Nach ein paar Umzügen lebt sie heute
GmbH und hat zahlreiche Hobbies. „Ich habe schon Mal- und
zusammen mit einer anderen Frau. „Das ist ideal für mich, viel besser
Kochkurse besucht.“ Außerdem singt sie im Chor, liebt Volks-
als allein oder in einer WG.“ Besonders genießt sie die ruhige Lage ihrer
musik und verpasst kein Konzert der Kastelruther Spatzen.
Wohnung. Fotos: Wörner
Problem gewesen, arbeiteten die ersten WG-Bewoh-
sagt der Sozialpädagoge. So seien die Betreuer auch
nerinnen doch alle in der Werkstatt in Liebenau.
wichtige Ansprechpartner, wenn es zum Beispiel
Heute sei es wichtig, für die Klienten vor Ort da zu
einen Konflikt innerhalb der WG oder in der Nach-
sein.
barschaft gibt.
Nach wie vor treffen sich die Klienten ein bis zwei
Klar zu erkennen sei schon seit einiger Zeit der
Mal pro Woche mit ihrem jeweiligen Betreuer. Art
Trend weg von der Wohngemeinschaft hin zum Ein-
und Umfang der Unterstützung richten sich nach
zel- oder Paarwohnen. Auch das Diagnosespektrum
dem individuellen Hilfebedarf. „Hilfe bei der Suche
hat sich erweitert. Hatten die ABW-Klienten in der
und Auswahl einer geeigneten Wohnung sowie
Anfangszeit überwiegend ein geistiges Handicap,
Unterstützung bei der Organisation des Umzugs
werden heute auch Menschen mit psychischen oder
machen einen wichtigen Teil unserer Arbeit aus“,
körperlichen Einschränkungen begleitet. „Dement-
berichtet Nils Pasternak. Der überwiegende Teil der
sprechend gestaltet sich auch unsere Suche nach
Vermieter sei mit den ABW-Klienten hoch zufrieden.
Wohnungen“, erläutert Dieter Schulz. Neben einer
„Sie sind finanziell abgesichert, und bei Bedarf ste-
zentrumsnahen Lage seien bezahlbare, barrierefreie
hen wir als Ansprechpartner zur Verfügung.“ Beglei-
Ein- bis Zweizimmerwohnungen besonders gefragt.
tet werden die Menschen mit Handicap auch bei der
Insgesamt ist das Leben im Tettnanger ABW in den
Organisation ihres Haushalts, bei der Verwirklichung
20 Jahren seines Bestehens viel bunter geworden.
eigener Lebensvorstellungen, bei der Gestaltung sozi-
„Wir sind in der Gemeinde angekommen“, stimmen
aler Beziehungen und bei der Suche nach einem
Dieter Schulz und Nils Pasternak überein.
angemessenen Arbeitsplatz. „Wir haben feste
Besuchstermine, telefonieren aber auch zwischendurch, oder die Klienten schauen bei uns im Büro
E-Mail: [email protected]
vorbei, wenn ihnen etwas unter den Nägeln brennt“,
iiMenschen
mit Behinderung
25
Neue Perspektiven am Arbeitsplatz
Teilqualifizierung für Lagerlogistik und Güterbewegung im Lager
von Lioba Scheidel
Die Teilqualifizierung im Bereich Lager und Logistik
dauert insgesamt acht Monate und wird von der
Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) durch eine Prüfung abgenommen. Zu den
WANGEN-SCHAUWIES – Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung
ersten erfolgreichen Absolventen zählen Lisa Albu-
(WfbM) der St. Gallus-Hilfe bietet neue Perspektiven am Arbeits-
schifsky vom Berufsbildungsbereich (BBB) und der
platz: Zwei junge Beschäftigte erlangten nach erfolgreicher Prüfung
WfbM-Beschäftigte Peter Anton Zylka. Falls sie sich
vor der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben
für eine Ausbildung in diesem Bereich entschließen,
(IHK) die Teilqualifizierung für Lagerlogistik und Güterbewegung im
ist eine Anrechnung von bis zu sechs Monaten mög-
Lager. Ausgebildet wurden sie im Arbeitsintegrationsprojekt (AIP)
lich.
im Gewerbegebiet Wangen-Schauwies, eine WfbM mit Schwerpunkt
„Eigentlich dürfen Sie gar nicht reinkommen“,
Lagerlogistik und Industriemontage.
begrüßt Lisa Albuschifsky die Prüfer von der IHK im
Hochregallager und zeigt auf die Schuhe. „Keine
Stahlkappen“, stellt sie fest und erntet ein erstes
26
iiMenschen
Im AIP kommissionieren und verpacken Menschen
Lob. „Es ist wichtig, dass die Sicherheitsvorschriften
mit Hilfebedarf verschiedene Artikel für Großfirmen.
eingehalten werden“, bestätigt Peter Rigo von der
Die Lagerlogistik erfolgt im Hochregallager nebenan.
IHK, Ausbildungsberater für Logistik, Hotel- und
Hier bildet das Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW)
Gaststättenberufe. Gemeinsam mit seinem Nachfolger
seit längerem Jugendliche mit Förderbedarf zu Fach-
Frank Boscher fragt er das Wissen der Prüflinge ab.
lagerhelfern aus. Nun soll das Bildungskonzept auf
„Welche Lagerarten gibt es noch?“ Von dem Betrieb
Menschen übertragen werden, die aufgrund kogni-
gegenüber kennt Lisa Albuschifsky das Paternoster-
tiver Defizite den Weg in eine WfbM gewählt haben.
system als Etikettenlager. Sie kennt das Krakarm-
mit Behinderung
Bild links: Die Prüfung der Teilqualifizierung
für Lagerlogistik und Güterbewegung im
Lager ist geschafft. Lisa Albuschifsky und
Peter Anton Zylka erhielten das Zertifikat
der IHK. Stephan Dunsch (links), Fachkraft
für Arbeit und Bildung im Berufsbildungsbereich (BBB), begleitete die Ausbildung. Peter
Rigo (3.v.l.) und Frank Boscher (rechts) von
der IHK Bodensee-Oberschwaben prüften das
Wissen der Absolventen.
Bild rechts: Praktische Prüfung: Mit Umreifungsbändern stabilisiert Peter Anton Zylka
die Ware. Ausbilder Stephan Dunsch (links)
beobachtet die Geräteführung.
Fotos: Scheidel
regal, das Wabenlager, das Einschubregal. Boscher
am Lager ist. Die junge Frau weist dieser einen
wirft einen schätzenden Blick auf das Hochregal.
neuen Lagerplatz zu, „Regalreihe, Höhe, alles muss
„Wie viele Palettenplätze gibt es hier?“ Die Antwort
stimmen, sonst finden wir die Ware nicht mehr“,
kommt prompt: „Rund 2 000 Stück.“
erklärt sie. Peter Anton Zylka fährt die Palette ins
Hochregallager. „Er hat im Rahmen der Teilqualifi-
Zuverlässige Mitarbeiter
zierung den Staplerschein erworben“, berichtet Ste-
Die Ziele der Teilqualifizierung sind klar definiert.
phan Dunsch. Als Fachkraft für Arbeit und Bildung
Für Werkstattleiter Erwin Krayer und Berufsbildungs-
im BBB führte er die beiden jungen Menschen durch
bereichsleiter Karl Herzog war die Anerkennung
die Ausbildung.
durch die IHK ein besonderes Anliegen. Die Lerninhalte der Teilqualifizierung entsprechen sorgsam
Teilqualifizierung als Chance
gewählten Modulen aus dem Ausbildungsrahmenplan
Lohn der Mühe ist das Zertifikat der IHK. Lisa Albu-
für Lagerlogistik. Die fachlich angelegte Teilausbil-
schifsky ist erleichtert: „Ich war so aufgeregt.“ Es
dung hat die IHK überzeugt. Peter Rigo von der IHK
war für alle das erste Mal: die Teilqualifizierung, die
sieht die Teilqualifizierung als Chance, die Arbeits-
Prüfung. Es ist ihnen gelungen und darauf sind sie
kräfte gezielt dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken
stolz. „Es war nicht einfach“, bestätigt Stephan
haben. „Ihre Einsatzmöglichkeiten sind begrenzt“,
Dunsch. „Der Staplerschein war schwierig und die
räumt er ein, weiß aber, „innerhalb ihres Aufgaben-
Logistik auch.“
bereichs sind sie sehr zuverlässig.“ Damit dies
Mitarbeiter vom BBW und BBB haben in Zusammen-
gelingt, erwartet er vom Ausbilder sowohl fachliche
arbeit mit der IHK eine Bildungsmaßnahme für Men-
als auch soziale Kompetenzen, die dem individuellen
schen mit Einschränkungen auf den Weg gebracht.
Anspruch eines WfbM-Beschäftigten gerecht werden.
„Das spornt an“, bestätigt Werkstattleiter Erwin
Lisa Albuschifsky soll die Ware retourbuchen. Der
Krayer. Etliche WfbM-Beschäftigte haben schon ihr
Computer streikt. Auch in diesem Fall weiß sie, was
Interesse bekundet. Krayer sieht die IHK-zertifizierte
zu tun ist. „Da hat jemand nach dem Update ver-
Teilqualifizierung als Chance, die einer WfbM und
säumt, die Daten freizugeben“, erklärt sie. Damit hat
ihren Beschäftigen neue Einsatzmöglichkeiten eröff-
sie nicht gerechnet. Doch der Fehler ist schnell
nen kann.
behoben. Der Computer meldet, dass die Ware nicht
iiMenschen
mit Behinderung
27
Eine zweite Chance bekommen und genutzt: Sinan Yüzük, Daniel Zacharias und Christian Klöden (v.l.), Auszubildende im Berufsbildungswerk Adolf
Aich (BBW) Ravensburg, sehen ihrer Zukunft inzwischen optimistisch und entspannt entgegen. Foto: Klaus
„Für mich war es die letzte Chance“
Benachteiligte Jugendliche auf ihrem steinigen Weg in den Arbeitsmarkt
von Christof Klaus
bis schlichtweg nicht aufbringen. Das wiederum leisten Spezialeinrichtungen der beruflichen Erstausbildung.
Dazu zählt auch das Ravensburger Berufsbildungs-
RAVENSBURG – „Wettstreit um Fachkräfte hat begonnen“, „Job-
werk Adolf Aich (BBW) mit seinem Team aus Ausbil-
Boom in Deutschland“, „Arbeitslosenquote auf dem Tiefstand“:
dern, Lehrern, Erziehern, Psychologen und Sozialpä-
Angesichts solcher Schlagzeilen scheint Jugendlichen im Moment die
dagogen. „Für viele Jugendliche sind wir die einzige
Arbeitswelt förmlich zu Füßen zu liegen. Doch nicht allen gelingt der
Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen“, sagt Fran-
Start ins Berufsleben auf eigene Faust. Ohne qualifizierte Förderung
ziska Eggert, Bildungsbegleiterin am BBW, das der-
von außen laufen diese jungen Menschen Gefahr, dauerhaft ohne
zeit über 700 junge Menschen mit besonderem För-
Ausbildung zu bleiben.
derbedarf ausbildet oder auf einen Einstieg ins
Berufsleben vorbereitet. Und Eggert weiß, wovon
sich spricht. Sie bekommt in ihrer täglichen Arbeit
Schlechte oder fehlende Schulabschlüsse, Lern-
hautnah mit, wie schmal der Grat zwischen Absturz
schwierigkeiten, Lücken und Brüche im Lebenslauf,
und Teilhabe manchmal ist, und an welchen Hürden
Konflikte mit dem Gesetz, psychische Probleme oder
die Jugendlichen zu scheitern drohen.
soziale Benachteiligungen. Alles Gründe, warum
28
manche junge Menschen so gut wie keine Chance auf
Auf Umwegen zum Traumberuf
einen Ausbildungsplatz in der freien Wirtschaft
Gerade wenn man vielleicht wie Sinan Yüzük auch in
haben. So bevorzugen die Betriebe Mitbewerber mit
Bewerbungsgesprächen eher der ruhige Typ war. Der
besserem Zeugnis oder können das nötige Mehr an
heute 23-Jährige hatte nach seinem Hauptschulab-
individueller Unterstützung für benachteiligte Azu-
schluss keinen Ausbildungsplatz bekommen, „wollte
iiBildung
aber unbedingt arbeiten.“ Und so schlug er sich mit
ohne seine zweite Chance im BBW und seine Familie,
diversen Gelegenheitsjobs durchs Leben. Über
die ihn immer unterstützt hat? „Dann wäre ich wahr-
Umwege und mit Unterstützung der Agentur für
scheinlich auf die schiefe Bahn geraten.“ Sein Noch-
Arbeit landete er schließlich im BBW – und hat nun
Chef Thomas Rapp kann sich nur schwer vorstellen,
plötzlich als angehender Industriemechaniker beste
dass der heutige Vorzeige-Azubi tatsächlich einst so
Perspektiven, später einen guten Job zu bekommen.
am Scheideweg gestanden hatte. Aber das bestärkt
Dank Bildungsbegleitung, schulischer Förderung und
Rapp nur einmal mehr in seiner Überzeugung: „Man
einer fachpraktischen Lehre, die den Betrieben drau-
muss den Jungs die Chance auf einen Neuanfang
ßen in nichts nachsteht. Im Gegenteil: „Die Werk-
geben!“
stätten und Maschinen im BBW sind topp“, sagt
Yüzük. Daneben absolviert er betriebliche Ausbil-
Chance, sich zu beweisen
dungsphasen und besucht die Berufsschule in
„Gut, dass man hier die Gelegenheit bekommt, sich
Ravensburg.
zu beweisen“, sagt auch Daniel Zacharias. Die hat der
Wenn man heute seine Ausbilder über ihn reden
Metall-Azubi des zweiten Lehrjahrs woanders nicht
hört, die ihn als „guten und zuverlässigen Jugend-
bekommen. „Bei meinen Vorstellungsgesprächen bin
lichen“ loben, fragt man sich, warum ausgerechnet
ich oft neben Gymnasiasten gesessen“, erzählt der
er fast durchs Raster gefallen und so lange ohne
Schulabbrecher von den frustrierenden Erlebnissen
Ausbildungsplatz geblieben ist? Am Talent und der
auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Und so
Motivation lag es ganz offensichtlich nicht, wie Tho-
durchlief er diverse Maßnahmen und Praktika, jobbte
mas Rapp, Metall-Betriebsleiter im BBW, bestätigt.
hier und da, leistete seinen Wehrdienst ab, verlor
Sondern? „Das war einfach Pech“, meint Rapp und
aufgrund der Wirtschaftskrise seine Stelle als unge-
weiß, dass dieses Schicksal auch andere trifft. Er
lernter Arbeiter – und überzeugte nach dieser beruf-
sieht sie jedes Jahr kommen und gehen, die Jugend-
lichen Odyssee schließlich die Agentur für Arbeit
lichen mit so genannten Lernschwierigkeiten und
davon, ihn mit 22 Jahren am BBW anzumelden: „Für
sozialen Benachteiligungen. Die nicht selten als
mich war das die letzte Chance.“ Denn, wie er am
„Problemfälle“ in das BBW kommen und nach ihrer
eigenen Leib erfahren hatte: „Ohne Ausbildung ist
Ausbildungszeit diese Ausbildungsstätte als selbstbe-
man auf dem Arbeitsmarkt nichts wert.“ Auch bei
wusste und qualifizierte Persönlichkeiten verlassen
ihm hat sein damaliger Ausbilder Hannes Schurer
und ihr Können auf dem ersten Arbeitsmarkt ein-
schnell festgestellt, „dass er mehr kann“. Und so
bringen.
stockte er auf, vom Teilezurichter zum Zerspanungs-
Ein Paradebeispiel: Christian Klöden, der kurz vor
mechaniker. „Durch viel Engagement und Ehrgeiz
seinem erfolgreichen Ausbildungsabschluss steht.
ebnet er sich nun den Weg in eine gute berufliche
Danach sah es nicht unbedingt aus, als er damals im
Perspektive“, bescheinigt ihm sein jetziger Ausbilder
Abschlussjahr von der Schule flog – „weil ich so gut
Rainer Leicht.
wie nie dort war.“ Ein Jahr saß er zu Hause, ohne
Damit ist Zacharias kein Einzelfall, was die jährlichen
Perspektive. „Ich hatte nichts, und es war auch
Vermittlungsquoten des BBW beweisen. So bekom-
nichts in Aussicht.“ Dann kam er über eine Förde-
men die allermeisten der Azubis nach ihrem
rung der Agentur für Arbeit ins BBW. Zunächst als
Abschluss auch einen Job. Erst jüngst belegte eine
Metallfeinbearbeiter, einem inhaltlich reduzierten
Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln,
Ausbildungsberuf. Doch bald sahen die Ausbilder
dass sich die Investitionen der Steuerzahler in eine
sein viel größeres Potenzial. Und so folgte der
BBW-Ausbildung schnell wieder auszahlen. So etwas
Durchstieg in die Vollausbildung zum Zerspanungs-
kann man in Euro genau berechnen. Nicht in Zahlen
mechaniker. Eine Erfolgstory: mehrere Belobigungen,
messen kann man die noch vor wenigen Jahren völ-
super Berufsschulleistungen, ein Notenschnitt von
lig ungewissen persönlichen Perspektiven, die sich
1,8, der Antrag auf vorgezogene Prüfung. Die hat er
für Yüzük, Zacharias, Klöden und Co. nun eröffnen:
nun schon nach drei Jahren – sechs Monate früher
eine qualifizierte Ausbildung, Aussicht auf Teilhabe
als normal – abgelegt. Und einen Arbeitsvertrag hat
und eine sichere Arbeitsstelle statt ewiger Hilfsjobs
er auch schon in der Tasche. Wo stünde er heute
oder Hartz IV.
iiBildung
29
Geschafft: Über 160 junge Menschen
im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW)
in Ravensburg erhielten ihre
Abschlusszeugnisse.
„Ihr Erfolg ist unser Erfolg“
Auszubildende im BBW und RAZ ins Berufsleben verabschiedet
von Christof Klaus und Claudia Wörner
Ulm verabschiedet. Insgesamt haben 36 Jugendliche
ihre Berufsausbildungen erfolgreich abgeschlossen.
Acht weitere schlossen ihre Ausbildung in einem
externen Betrieb ab und besuchten die Max-Gut-
RAVENSBURG/ULM – Über 160 junge Frauen und Männer haben im
knecht-Schule in der Schillerstraße 15. Beiköche,
Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) den Abschluss ihrer Ausbil-
Malerfachwerker, Verkäuferinnen und Autofachwer-
dung gefeiert. Das Regionale Ausbildungszentrum in Ulm (RAZ) ver-
ker haben den ersten Schritt auf dem Weg ins
abschiedete 44 Auszubildende – so viel wie nie zuvor. Nun können
Berufsleben gemeistert. Christian Braun, Prokurist
die frisch gebackenen Fachkräfte mit ihrem Ausbildungsabschluss
des BBW, verdeutlichte den Sinn beruflicher Rehabi-
in den Beruf starten.
litation: „BBW-Absolventen haben eine Erwerbstätigenquote von 68 Prozent, vergleichbare Personen
ohne Ausbildung lediglich 50 Prozent.“ Arbeit verIhr Rüstzeug für ihren Beruf erhielten sie bei ihrer
helfe zu einer Struktur im Leben und verbessere die
Ausbildung im BBW – sei es im Metall-, Hochbau-
Integration in die Gesellschaft.
oder Holzbereich, in der Gastronomie, im Verkauf, in
der Altenpflegehilfe oder in einem anderen von ins-
Abschied vom RAZ Ulm: Die ehemaligen Azubis freuen sich
gesamt über 50 anerkannten Ausbildungsberufen.
über den Abschluss. Fotos: Klaus/Wörner
Ein großer Teil der Absolventen, so stellte Friedrich
Ampferl von der Ravensburger Agentur für Arbeit als
Kostenträger der Ausbildung erfreut fest, „hat schon
eine feste Zusage für einen Arbeitsplatz.“ Und auch
für die anderen stünden die Chancen gut, zeitnah
auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen. Die Agentur
stehe den Jugendlichen auch weiterhin zur Seite:
„Wir sind Ihre Partner. Wir sind für Sie da“, betonte
Ampferl. Denn: „Ihr Erfolg ist unser Erfolg.“
Bessere Integration durch Arbeit
Allein zwei Doppelklassen in den Ausbildungsberufen
Bäckerfachwerker und Verkaufshelferin im Bäckerhandwerk wurden im RAZ in der Schillerstraße 15 in
30
iiBildung
Mit der Maßnahme KoBV zum Job auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt: Marcel Bucher (links) arbeitet im Blumenhaus
Mayer in Friedrichshafen. Sein Chef Florian Mayer ist mit ihm
zufrieden.
Ein junger Mann mit Potenzial
Bildungsmaßnahme erhöht Chancen für den Arbeitsmarkt
von Claudia Wörner
Pflanzen lernte und durch Bildungsbegleiter auf die
theoretische Führerscheinprüfung vorbereitet wurde.
Im September 2010 unterschrieb Marcel Bucher seinen Arbeitsvertrag, der inzwischen um ein weiteres
FRIEDRICHSHAFEN – Junge Menschen mit Behinderung ins Arbeits-
Jahr verlängert wurde. „Dann steht einem unbefris-
leben zu integrieren ist das Ziel der Maßnahme „Kooperative beruf-
teten Arbeitsverhältnis nichts mehr im Weg“, erläu-
liche Bildung und Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“
tert Florian Mayer.
(KoBV). Dass dies gelingen kann, beweist Marcel Bucher. Sein
Bei den täglich anfallenden gärtnerischen Tätig-
Jahresvertrag beim Blumenhaus Mayer in Friedrichshafen wurde
keiten sei er bereits sehr selbstständig. „Aber Marcel
unlängst um ein weiteres Jahr verlängert.
hat noch mehr Potenzial“, ist sich Florian Mayer
sicher. Ein wichtiger Schritt war der Führerschein,
Unkraut jäten, Kanten schneiden, Wege harken und
den er sowohl in der Theorie als auch in der Praxis
im Sommer natürlich regelmäßig die Blumen gießen
auf Anhieb geschafft hat. „Das war ein Riesensprung
– bei der Grabpflege geht die Arbeit nie aus, und
für Marcel, an den viele nicht geglaubt haben“, sagt
Marcel Bucher hat im Blumenhaus Mayer alle Hände
Florian Mayer. So könne er bei Bedarf auch mal Blu-
voll zu tun. „Marcel ist aber auch bei Pflanzarbeiten
men ausfahren oder andere Besorgungen erledigen.
dabei, mäht den Rasen, hilft bei der Pflege der Pflan-
Zu seiner Motivation, einen jungen Mann mit geis-
zen in Bürogebäuden und kennt sich mit Maschinen
tigem Handicap anzustellen, sagt Florian Mayer: „Als
wie der motorisierten Heckenschere aus“, berichtet
Familienunternehmen sehen wir uns ein Stück weit
Junior-Chef Florian Mayer. Am meisten Spaß mache
in der sozialen Verantwortung.“ Marcel Bucher: „Für
ihm die Arbeit auf dem Friedhof, erzählt Marcel
mich war das KoBV eine tolle Sache.“ Die intensive
Bucher. „Da sind die einzelnen Arbeitsschritte ganz
Unterstützung im Betrieb und in der Schule habe
klar.“ Dass zwischen dem jungen Mann und seinem
ihm sehr geholfen.
Chef die Chemie stimmt, wird schnell deutlich. Marcel sei unheimlich zuverlässig und komme lieber
zehn Minuten zu früh als zu spät.
Im Rahmen der elfmonatigen Maßnahme KoBV arbei-
Die Maßnahme KoBV erfolgt im Auftrag der Agen-
tete der 20-Jährige Absolvent der Friedrichshafener
tur für Arbeit. Zum KoBV-Team gehören Sozialpä-
Tannenhagschule bereits an drei Tagen pro Woche als
dagogen und Arbeitserzieher der St. Gallus-Hilfe,
Praktikant im Blumenhaus Mayer. An den anderen
des Integrationsfachdienstes Arkade-Pauline 13
beiden Tagen besuchte er die Claude-Dornier-Schule,
sowie Berufschullehrer der Claude-Dornier-Schule
wo er neben Unterricht in allgemeinbildenden
in Friedrichshafen.
Fächern auch Wissenswertes über die verschiedenen
iiBildung
31
Regelmäßige Angebote für Kinder und Jugendliche wie Ferien-
Zu besonders wichtigen Angeboten sind neben den Sommerferienfreizeiten
freizeiten, Samstagsbetreuungen und Geschwisterzeit bietet der
auch die Angebote in den „kleinen“ Ferien geworden. In den diesjährigen
Familienunterstützende Dienst der St. Gallus-Hilfe im Schwarzwald-
Osterferien wurde das Angebot von über 30 Kindern wahrgenommen. Neben
Baar-Kreis an. Wichtiger Kooperationspartner ist die Feldner Mühle.
zwei hauptamtlichen Fachkräften der St. Gallus-Hilfe waren sechs Ehren-
Foto: Meyer
amtliche für die Betreuung und für Aktivitäten im Einsatz. Foto: Oschwald
Angebote nutzen der gesamten Familie
Spannende Aktivitäten für Ferien und Freizeit für Kinder mit und ohne Behinderung
von Anne Oschwald
bote verantwortlich ist. Immerhin gibt es rund 13
Wochen Schulferien pro Jahr.
Ein spezielles Angebot ist am Ende der Sommerferien
eine Freizeitwoche, die ganz Kindern mit einer
LIEBENAU – Sommer, Ferien, Freizeit: Speziell in den Sommerferien
Behinderung gewidmet ist. „Die bieten wir auf Grund
gibt es vielerorts Angebote für Kinder und Jugendliche. Und das ist
der hohen Nachfrage von Eltern“, meint Gräf. Hinzu
gut so. Denn zwischen der Urlaubslänge der Eltern und der Ferien-
kommen wochenweise Ferienfreizeiten in Ravens-
länge der Kinder klafft eine große Lücke. Während diverser Freizei-
burg, Salem-Buggensegel und im Schwarzwald-Baar-
ten können Kinder fachlich begleitete, interessant gestaltete Tage
Kreis. Kinder haben in dieser Zeit nicht nur mitei-
mit anderen verbringen. Eltern wiederum wissen ihre Kinder für eine
nander Spaß bei gemeinsamen Aktivitäten, sondern
gewisse Zeit gut aufgehoben. Die vielfältigen Angebote der Stiftung
lernen auch mit Verschiedenartigkeit umzugehen.
Liebenau helfen die Ansprüche von Familie und Beruf unter einen
Vielen Eltern liegt bei der Wahl des Ferienangebots
Hut zu bringen. Die meisten sind offen für Kinder mit und ohne
der Aspekt besonders am Herzen, dass Angebote
Behinderung. Und sie sind ungebrochen nachgefragt.
einen integrativen Charakter haben.
Enormer Aufwand
32
iiKinder
Die Stiftung Liebenau bietet aber nicht nur in den
Um diese Freizeiten nicht nur finanziell, sondern
großen Ferien Programm, sondern auch in den „klei-
auch praktisch leisten zu können, sind die Verant-
nen“ Ferien wie Ostern, Pfingsten und Herbst. Über
wortlichen auch auf Kooperationen und Unterstüt-
das Jahr werden so sechs Ferienwochen abgedeckt.
zung angewiesen. Zum einen werden die Fachkräfte
„Familienfreundliche Angebote werden immer stärker
bei der Durchführung der Freizeiten von Ehrenamt-
auch in den kleinen Ferien angenommen“, erklärt
lichen unterstützt. Rund 30 junge Ehrenamtliche
Christoph Gräf, der Leiter des Bereichs Kinder,
wirken allein bei der Betreuung der Sommerferien-
Jugend und Familie, der für einen Großteil der Ange-
freizeit auf dem Hegenberg mit. Zuvor wurden sie für
und Jugendliche
ihren Einsatz geschult. Allein bei dieser Freizeit sind
immer über 130 Kinder zu betreuen, davon fünfzehn
bis zwanzig Kinder mit einer Behinderung. Die Fachkräfte und die Ehrenamtlichen leisten allein in diesen beiden Wochen über 2 200 Betreuungsstunden.
Bei den Ferienfreizeiten auf dem Hegenberg ist etwa
der Bund der Deutschen Katholischen Jugend Dekanat Ravensburg als Kooperationspartner für die
Sechs Kinder mit und ohne Behinderung genossen auch in
Schulung der jungen Ehrenamtlichen beteiligt. Mit
diesem Jahr das Angebot der zweiwöchigen Ferienfreizeit.
im Boot sind auch die Caritas Bodensee-Oberschwa-
Aktivitäten fanden an der Sonnenbergschule statt. Außer-
ben und das Bildungszentrum St. Konrad. Damit die
dem standen Ausflüge in der Region auf dem Programm.
Kosten für die Familien möglichst niedrig bleiben,
Foto: Scheidel
hilft der Verein Schweizer Kinder einkommensschwachen Familien, und die Stiftung Kinderland
fördert die Freizeit finanziell.
Ganz nebenbei bemerkt: Die Stiftung Kinderland
bestätigt durch ihre durchgängige Evaluierung mit
Interviews und Befragungen der Kinder und der
Eltern der Sommerferienfreizeit auf dem Hegenberg
eine hohe Fachlichkeit. Die Rückmeldungen der rund
50 Eltern beim letzten Elternabend bestätigten dies
ebenfalls.
Inklusion als zentrales Kriterium
Neben den Ferienfreizeiten bietet die Stiftung Liebenau etwa die regelmäßige Samtstagsbetreuung auf
dem Hegenberg, ebenfalls für Kinder mit und ohne
Rund 150 Ehrenamtliche der Familienunterstützenden Dien-
Behinderung. Auch die Geschwisterzeit, bei der
ste kommen stundenweise in die Familien und entlasten sie.
Geschwister von Kindern mit einer Behinderung im
FUD hat die St. Gallus-Hilfe in den Regionen Bodensee-Ober-
Mittelpunkt stehen, dient der Entlastung von Fami-
schwaben und Schwarzwald-Baar-Kreis. Foto: Kästle
lien. Insgesamt erreicht die Stiftung Liebenau über
300 Kinder und deren Familien mit diesem bunten
Angebotspalette wird weiter ausgebaut
Mix aus verschiedenen Gruppenangeboten.
Ein jüngster Baustein der Hilfen für Familien ist
Wie der Name sagt, unterstützen Familienunterstüt-
„wellcome“. Familien mit einem Neugeborenen kön-
zende Dienste Familien, und zwar Familien mit
nen stundenweise Entlastung durch ehrenamtliche
einem Angehörigen mit Behinderung. Neben Grup-
Mitarbeiterinnen anfragen, die das Baby oder die
penangeboten, wie etwa der Jugendgruppe in Nuß-
Geschwisterkinder betreuen. Rund 40 Ehrenamtliche
dorf oder der Mädchengruppe in Bad Wurzach, kom-
leisten pro Jahr 800 Betreuungsstunden in etwa 50
men Ehrenamtliche der St. Gallus-Hilfe auch zu den
Familien. Frischgebackene Eltern wissen dieses Ange-
Familien nach Hause. Dann übernehmen sie stunden-
bot in ihrer neuen Situation zu schätzen. Die Zahlen
weise die Betreuung von Kindern und Jugendlichen,
sprechen für sich.
aber auch von Erwachsenen. Familienangehörige
erhalten auf diese Weise Zeit für sich. Die Ambulanten Dienste erreichen mit den Familienunterstützenden Diensten rund 150 Familien mit Kindern und
Informationen:
Jugendlichen. Hinzu kommen 73 Familien mit einem
Sozialdienst der St. Gallus-Hilfe
erwachsenen Angehörigen mit Behinderung.
Telefon: 07542 10-2024
iiKinder
und Jugendliche
33
Der Urlaub beginnt in Liebenau
Regelmäßig zu Besuch im Liebenauer Landleben
von Anne Oschwald
ULM/LIEBENAU – Das Ehepaar Arlt aus Ulm fühlt sich sehr verbunden mit der Bodenseeregion. Vor einigen Jahren entdeckten sie
das Liebenauer Landleben. Seither sind sie bei ihren regelmäßigen
Ausflügen an den Bodensee zuerst hier zu Gast. Die beiden kommen
aus dem Schwärmen nicht heraus.
Andreas Arlt blättert genießerisch in Büchern, die im
Liebenauer Landleben ausgestellt sind. Währenddessen schaut sich Roswitha Arlt im Laden nach neuen
Gewürzen und anderen Köstlichkeiten um. Anschließend gesellt sie sich zu ihm. Gemeinsam staunen sie
Das Ehepaar Arlt aus Ulm genießt immer wieder die Kurzauf-
über die farbigen Bänder auf den dicken Holzrollen.
enthalte im Liebenauer Landleben. Foto: Oschwald
Und auch manches urige Einrichtungsstück findet
ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse. „Das Ambiente beruhigt“, sagt Andreas Arlt. „Es vermittelt ein
Urlaubsgefühl“, ergänzt Roswitha Arlt. Später wählen
hat das Gefühl: Hier darf man sein“, sind sich die
sich die beiden ein Mittagessen aus. Mit gefüllten
beiden einig. Sie empfehlen oft auch im Bekannten-
Tomaten mit Grünkern-Gemüsesoße beziehungsweise
kreis: „Da müsst ihr mal hin.“
Kartoffel-Gemüsesuppe setzen sie sich in den Garten
Andreas Arlt hat in den 70er Jahren in Konstanz stu-
zum Essen. Danach gibt es noch einen Kaffee
diert und ist seither mit der Bodenseeregion verbunden. Durch Liebenau seien sie lange nur durchge-
Hier dar
darf man sein
„Hierherzukommen
„H
ist jedes Mal
gramm mit den Jahresterminen vom Liebenauer
Roswitha Arlt. Seit über fünf
Landleben, das bei einer Ulmer Ausstellung auslag.
benauer Landleben. Oft essen sie im
Garten zu M
Mittag, wie heute vor ihrer
geplanten Radto
Radtour von Immenstaad nach Meers-
iiBetriebe
richtig darauf gestoßen seien sie erst über ein Pro-
wie beim ersten Mal“, schildert
Jahren kennen die beiden das LieJah
34
fahren, hätten zwar die Schilder registriert. Aber
Ab da war das Interesse geweckt. Die beiden
besuchten früher die Engelausstellung mit ihrem
„tollen Ambiente“, sie kennen die Gartentrödelei
und sind zu Gast bei Events wie „Cook & Swing“.
burg, und decken sich
sic mit Produkten aus dem Laden
„Hier war für jeden was dabei und das kulinarische
ein. Vergleichbares m
mit dem Liebenauer Landleben
Angebot war Spitze“, meint Andreas Arlt.
sei ihnen bei sich zu Hause nicht bekannt.
Wenn die beiden nach einem Event in der Nähe in
So loben sie die tolle Auswahl an Produkten im
ihrem Camper übernachten, sind sie sich eines Früh-
Laden und die Qualität von Gemüse, Obst, aber auch
stücks im Liebenauer Landleben sicher - kredenzt
von Wurst und Fleisch. Und: „Die Menschen, mit
mit einem freundlichen Lachen und ein paar noncha-
denen man zusammentrifft, sind sympathisch. Man
lanten Worten.
und Dienstleister
Das letzte Wort
Nachwuchs mit Herz gesucht
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
Wolf-Peter Bischoff, Chefredakteur
Das Image der Pflegeberufe in der Alten- und Behindertenhilfe ist sowohl in den Medien als auch in der
Gesellschaft leider nicht das Beste. Das ist in doppelter Hinsicht fatal: Denn einerseits prognostizieren Sozialpolitik, Sozialverbände und Einrichtungsträger für die kommenden Jahre und Jahrzehnte einen gravierenden
Mangel an Pflegekräften. Und andererseits hält das wenig schmeichelhafte Image viele Schulabgänger, Auszubildende und Wechselwillige von einem Einstieg in den Sozialbereich ab. Letzteres ist nicht gerechtfertigt.
Denn in kaum einem anderen Berufsfeld in Deutschland werden derart krisensichere Arbeitsplätze mit zahllosen Entwicklungsmöglichkeiten auf allen Ebenen geboten.
Sicher sind die fachlichen Anforderungen hoch, die menschlichen und psychischen Belastungen auch. Dafür
verschafft die Arbeit direkt am und mit den Menschen gerade auch dem Pflegepersonal ein hohes Maß an
Zufriedenheit und Sinn. Der gesellschaftliche Nutzen ist unbestritten. Und auch im Blick auf das Gehalt hat
sich vieles zum Besseren gewendet. Die Sozialbranche zahlt zwar keine Spitzenlöhne, aber in der Regel
durchaus vertretbare Gehälter und bietet attraktive Rahmenbedingungen wie etwa sehr flexible Arbeitszeitmodelle.
Sozialarbeit ist in höchstem Maße personalintensiv und erfordert die Bereitschaft zu einem Mehr an Verantwortung, an Einsatz, an Blick auf den Nächsten, an Empathie und Zuwendung gegenüber den meisten anderen Berufsfeldern. Einrichtungen wie die Stiftung Liebenau und ihre Tochtergesellschaften, die auf katholischer Grundlage tätig sind, fordern von ihrem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege darüber
hinaus eine Orientierung am christlichen Menschenbild. Der Mensch wird in seiner Einzigartigkeit verstanden
als Ebenbild Gottes, mit einer unbedingten und unverlierbaren Würde in allen Lebenssituationen zwischen
Geburt und Tod.
Unsere Erfahrung seit vielen Jahrzehnten zeigt, dass gerade Menschen mit dieser Einstellung, mit dieser
Weite des Herzens, in hohem Maße geeignet sind, den Dienst am Menschen in meist schwierigen Konstellationen besonders gut zu erfüllen. Dieses Wissen führt auch zu einer gewissen Gelassenheit.
Es geht bei der Personalakquise nicht in erster Linie darum, Löcher im Dienstplan zu stopfen. Vielmehr
sollten es die richtigen Menschen sein, die für diese Arbeit gewonnen werden. Die Politik, viele Verbände und
Einrichtungsträger neigen in kritischen Situationen häufig zum Aktionismus und überbieten einander mit
Maßnahmen zur Image-Verbesserung. Aber so einfach geht das nicht.
Ein problematisches Image verbessert sich nicht durch eine große und teure Kampagne, sondern nur durch
nachgewiesene langjährige fachliche Qualität, eng verzahnt mit einer professionellen Kommunikation.
Und nicht jeder Auszubildende, der nur aufgrund einer besseren Bezahlung in den Sozialbereich wechselt,
bringt automatisch die benötigte menschliche Reife und Einstellung mit.
Anregungen aus der Politik, dem Personalmangel in der Pflege dadurch zu begegnen, dass Langzeitarbeitslose
oder Hartz-IV-Empfänger zu einem sozialen Dienst herangezogen werden, stoßen zu Recht auf Skepsis. Denn
die Menschen in den Heimen haben ein Recht darauf, von kompetenten und qualifizierten Profis versorgt zu
werden, die ihren Beruf gern und freiwillig machen. Und bei dem Einsatz von Pflegekräften aus dem Ausland
müssen auch Sprachprobleme gelöst und eine Kenntnis der kulturellen Werte und Traditionen sicher gestellt
werden. Sonst wird die Kommunikation mit älteren und behinderten Menschen nicht gelingen.
Einrichtungsträger sind sicher gut beraten, wenn sie nicht nur in der Krise agieren, sondern unabhängig von
aktuellen Trends sich im Laufe der Jahre kontinuierlich ein gutes Image bei ihrer Mitarbeiterschaft und in der
Branche aufbauen.
Verbände und die Politik haben dagegen die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu fordern beziehungsweise
umzusetzen, die eine echte Wertschätzung der Pflegeberufe glaubwürdig sichtbar machen. Darzustellen, dass
nicht jeder pflegen kann und dass professionelle Pflege eine hochqualifizierte Ausbildung und Lebens- und
Berufserfahrung benötigt, bleibt eine permanente Aufgabe der Mitarbeiter und ihrer beruflichen Vertretungen. Da können sie von der Ärzte-Lobby noch einiges lernen.
Wolf-Peter Bischoff
Chefredakteur
iiDas
letzte Wort
35
Spot an
Spot an
Ihre Meinung ist gefragt, Markus Walser!
Markus Walser
41 Jahre
verheiratet,
2 Kinder.
InternetProjektmanager
und
Programmierer
bei der
Teamwork
Kommunikation
und Medien
GmbH
Ihr größtes Talent?
Ihre Meinung zum „Anstifter“?
Ich bin immer für einen Spaß zu
Er ist informativ, und ich lese ihn
haben und bin anderen gegenüber
gerne, auch wenn es nicht um
aufgeschlossen.
Computer geht.
Welche Fähigkeit möchten Sie
Christliche Werte in der Gesell-
besitzen?
schaft sind für mich ...
Ruhig zu bleiben, wenn mal was
... ein wichtiger Bestandteil, mit
nicht so läuft.
denen jeder für sich selbst umgehen muss.
Wie halten Sie es mit der Religion?
Jeder Mensch sollte seine Reli-
Soziale Berufe sind wertvoll,
gion so leben können, wie er es
weil ...
Seit wann arbeiten Sie in der
will – aber ohne anderen damit zu
… es Menschen gibt, die unsere
Stiftung Liebenau?
schaden.
Hilfe benötigen: Schließlich ist
Seit dem 1. Juli 2010.
jeder Mensch wichtig.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Was lesen Sie am liebsten?
Auch mal was zu machen, was
Das Image sozialer Berufe könnte
Zeitschriften und Bücher zum
nicht immer gleich Geld einbringt.
verbessert werden, wenn ...
Thema Internet und Programmierung.
… die geleistete Arbeit auch entWas schätzen Sie an der Stiftung
Liebenau?
Welche Musik hören Sie gerne?
Dass hier den Menschen geholfen
Am liebsten rockige Lieder – die
wird, die Hilfe benötigen.
man laut hören kann.
Was gefällt Ihnen besonders an
Ihr Traum vom Glück?
ihrer Tätigkeit?
Immer eine glückliche und gesunde
Der Kontakt mit den Kollegen und
Familie.
mit den Kunden.
Haben Sie Vorbilder?
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit
Es gibt mehrere Menschen, die
erreichen?
bestimmte Eigenschaften haben,
Dass die Kunden und auch ich mit der
die mich beeindrucken.
erbrachten Leistung zufrieden sind.
sprechend honoriert würde.