HIV positiv? - DGB

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HIV positiv? - DGB
Newsletter der DGB-Jugend Ausgabe August / September 2004
A 8895
soli aktuell
HIV positiv?
Ich hab ALG II! »Hartz IV«
heißt die neue Krankheit, die
sich ab 1. Januar 2005 epidemieartig bei Jugendlichen ausbreiten wird. Ursache: Soziale
Ungerechtigkeit. Symptom:
Armut. Von Christian und
Detlef Raabe
um 1. Januar 2005 tritt das Sozialgesetzbuch II oder »Hartz IV« in
Kraft. Dieses Gesetz regelt die Umsetzung der durch die Hartz-Kommission
entwickelten und von Gewerkschaften und
anderen Organisationen heftig kritisierten
Ideen zur »Modernisierung des Arbeitsmarktes«.
Z
Kernpunkt: die »Zusammenführung« der
Arbeitslosenhilfe (Alhi) und der Sozialhilfe
zum Arbeitslosengeld II (ALG II). Während
die Alhi sich am vorherigen Einkommen des
einzelnen orientierte, wird sich das neue
ALG II in Höhe der Sozialhilfe bewegen –
egal, was man vorher verdient hat.
Die Regelleistung für einen Single beträgt 345 Euro (331 Euro in den neuen Ländern). Leben zwei zusammen in einer Be-
editorial
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
die Redaktion von Soli aktuell geht –
ganz ungewerkschaftlich – das erste
Mal seit drei Jahren in Sommerurlaub.
Die Bedingung für diese Unterbrechung war: In der Zeit zuvor doppelt
soviel arbeiten. Deswegen ist die Augustnummer auch gleich ein Doppelwhopper, der auch im September noch
schmeckt – mit doppelt Seiten, doppelt Informationen und doppeltgeilen
Sachen: Einen Comic gab es in der Soli
aktuell z.B. seit 1949 noch nicht – wenigstens, soweit wir das mit unseren 21
Jahren Redaktionsaltersdurchschnitt
beurteilen können. Wir wünschen frohe Ferien. Die nächste Nummer erscheint am 15. Oktober 2004.
darfsgemeinschaft, kann das Paar (beide
volljährig) bei Bedürftigkeit nur bis 622/596
Euro erhalten. Bei der Prüfung, ob Bedürftigkeit vorliegt, werden sämtliche Einkünfte angerechnet und die Verwertbarkeit des
Vermögens geprüft. Alles, was man für die
Not angespart hat, muss man grundsätzlich
erstmal verbrauchen, soweit es einen Freibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr übersteigt. Zusätzlich zu der Regelleistung werden die Kosten für Heizung und Unterkunft übernommen.
150?
Gut sollen
wir die Verpflichtung der
Agentur für
Arbeit finden,
dass alle unter
25 Jahre »in eine Arbeit, eine Ausbildung
oder eine Arbeitsgelegenheit« zu vermitteln sind (§ 3 Abs.2 SGB II). Allerdings hat
der Einzelne keinen Anspruch auf eine Arbeit oder Ausbildung – angesichts nach wie
vor über 150.000 fehlender Ausbildungsplätze und der nicht eingeführten Umlagefinanzierung nur zu verständlich.
Die zu schaffenden Arbeitsgelegenheiten sollen zwar »zur Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten« dienen. Es handelt sich aber immer nur um zusätzliche und im öffentlich Interesse liegende Arbeiten, durch die ausdrücklich kein Arbeitsverhältnis entsteht – das bedeutet für
die Betroffenen, dass sie obendrein keine
Möglichkeit der betriebliche Interessenvertretung haben. Zumutbar ist jede Tätigkeit,
die nicht gegen »die guten Sitten« verstößt
– untertariflich bezahlt werden gehört wohl
mittlerweile dazu.
Wenn sich Menschen zwischen 15 oder
25 Jahren diesen Angeboten verweigern,
wird das ALG II für drei Monate nicht nur
gekürzt wie bei allen anderen, sondern komplett gestrichen ( § 31 Abs. 5 SGB II ). Wer aus
diesem Grund kein ALG II erhält, bekommt
auch keine Sozialhilfe.
inhalt
3 ausbildung+beruf
Pakt schlägt sich, Pakt verträgt
sich: Flunkerei von Wirtschaft und
Bundesregierung
Schlüsselkompetenz Mediation:
Statt Lehrabbruch Gespräch in der
Berufsausbildung
4 debatte
CDU-Sozialpolitiker Norbert Blüm
im Gespräch
6 projekte
Auf der Suche nach dem gerechten
Mitgliedbeitrag für Studierende
Initiativen zur Verbesserung der
Arbeitsbedingungen junger Leute
in den Kinos
Neue Aufgaben betrieblicher
Studierendenarbeit bei der DB AG
8 comic
Reinhard Kleist: Dabei sein ist alles
10 thema
Israel: Ein ver-rücktes Ausbildungssystem und was wir von ihm lernen
können
12 jav-ratgeber
JAV-Wahl: Die Geschlechterquote
14 landesbezirke +
gewerkschaften
DBJR: Der Kinder- und Jugendhilfe
droht die Kleinstaaterei
»Schlagzeilen« – das Presse-ABC
für Jugendliche
GEW: Geplante Bildungsstandards
sind ungerecht
Kinderarbeit: IG Bau fordert Gütesiegel für »saubere Grabsteine«
Arbeitssuchende bis zum 25. Lebensjahr
werden mit der ganzen Wucht des »Reformgesetzes« getroffen. Gefordert wird
von den Suchenden alles, nur gefördert wird
mit diesem Gesetzeswerk keiner.
Der Glaubwürdigkeit des politischen
Handelns hätte es gedient, bei Verschärfung für die Stellensuchenden auch zu Lasten der Arbeitgeber Maßnahmen wie eine
Umlagefinanzierung für mehr Ausbildungsplätze einzuführen. ∏
Detlef Raabe ist bei der ver.di-Jugend für Sozialpolitik zuständig. Christian Raabe ist Fachanwalt für Sozialrecht in
Halle an der Saale.
08/09.04 soli aktuell 1
kurz + bündig
Ausbildung kostet
BAföG ■ Rund 777.000 Schüler und Studierende haben 2003 BAföG bekommen. Die
Zahl der staatlich unterstützten Studierenden stieg um 7% auf 482.000, die der
Schüler um 9% auf 295.000. Ein Studi bekam im Schnitt 370 Euro im Monat, ein
Schüler 303 Euro. Das entsprach etwa dem
Vorjahresniveau. Nicht alle erhielten das
ganze Jahr über Geld; 47% den Höchstsatz.
(Statistisches Bundesamt)
Schlafmützenurteil
Kündigung I ■ Ein Arbeitnehmer kann auch
dann noch gegen ein Kündigungsschreiben
klagen, wenn es ihm ein Mitglied seiner Familie versehentlich erst nach Ablauf der Klagefrist gegeben hat. Das entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Mainz.
Ein Arbeitnehmer sei für die Vergesslichkeit
des Angehörigen nicht verantwortlich.
LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 8 Ta 17/04
Kürzen verboten
Kündigung II ■ Wer sich nach seiner Kündigung innerhalb von sieben Wochentagen
bei der Arbeitsagentur als arbeitslos meldet, handelt nach einem Urteil des Dortmunder Sozialgerichts »unverzüglich«. Innerhalb dieser Frist dürfe die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld wegen verspäteter
Meldung nicht kürzen. Werde ein Arbeitnehmer Montag gekündigt, müsse er sich
bis zum Freitag melden, wenn in der Woche
keine Feiertage sind. Käme die Kündigung
am Freitag, habe man aber bis zum folgenden Donnerstag Zeit.
Sozialgericht Dortmund, AZ.: S33AL85/04
Riesenproblem
Drogen ■ CDU-Politiker wollen mit Drogenrazzien auf den Rauschgiftkonsum von Jugendlichen an Schulen reagieren. »Cannabis
ist an Schulen ein Riesenproblem«, begründet der Unions-Suchtexperte und Nichtkiffer Jens Spahn den Vorstoß. Die parlamentarische Staatsekretärin und Nichtraucherin
Marion Caspers-Merk (SPD) fordert hingegen erstmal rauchfreie Schulen.
Falsche Zahlen
Arbeitszeiten ■ In Deutschland wird deutlich länger gearbeitet als tarifvertraglich
vereinbart. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten habe
im vergangenen Jahr 42 Stunden betragen,
so das Ergebnis einer bundesweiten Untersuchung des Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO). Harald Schartau, NRWArbeitsminister (SPD): »Die plakativen Behauptungen, Deutschland sei Freizeitweltmeister, haben mit der Wirklichkeit wenig
zu tun.«
2 soli aktuell 08/09.04
Fit fürs Kapital
EU-Topf für Konkurrenz ■ Die Europäische
Kommission hat Vorschläge für die neue
Programmgeneration im Bereich allgemeine und berufliche Bildung, Jugend, Kultur
und audiovisuelle Medien angenommen.
Diese sollen die derzeitigen Programme ablösen (Laufzeit: 2007–2013) und zur Verwirklichung des Lissabonner Ziels beitragen, Europa bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt«
zu machen. Das Programm im Bereich Jugend heißt »Jugend in Aktion«, ist mit 915
Mio. Euro ausgestattet und richtet sich an
junge Menschen zwischen 13 und 30 Jahren.
Infos: www.youthforum.org (englische Version)
Na und?
Deutsche Fetties ■ Übergewicht bei Kindern ist weiter verbreitet als bislang
vermutet: Einer Studie im
norddeutschen Raum zufolFrau Künast
ge sind 42% der 10- bis 11Jährigen übergewichtig. Bislang war man lediglich von 27% ausgegangen. Verbraucherministerin Renate Künast (B90/Grüne)
sprach von alarmierenden Zahlen. Die Untersuchung zeigte darüber hinaus, dass
auch schon 23% der 5- bis 7-Jährigen zu viele
Pfunde mit sich herumschleppen. Ob hingegen Frau Künast Idealgewicht hat, erfährt
man aus der Studie nicht.
Nazis@school
Gesangslehrer Hitler ■ Neonazis wollen
nach Informationen der Hamburger Innenbehörde bundesweit in der Nähe von Schulen
250.000 kostenlose CDs mit rechtsextremer
Mucke verteilen. Die Aktion der Neonazis
laufe unter dem Titel »Projekt Schulhof«. Den
Angaben zufolge ist die Polizei angewiesen,
die CDs zu beschlagnahmen. Bei einem der
Liedtexte bestehe auch der Verdacht, dass
ein Straftatbestand erfüllt werde.
Wirtschaft hält Wort
Ausbildungspakt I ■ 1.700 junge Menschen
beginnen am 1. September in den Agenturen
für Arbeit eine Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung. Zunächst
wollte die Bundesagentur für Arbeit (BA)
nur 800 Auszubildende einzustellen. Aufgrund der angespannten Situation am Ausbildungsstellenmarkt wurde diese Zahl bereits im März auf 1.200 erhöht. Die BA sieht
sich »aufgrund ihrer besonderen Stellung
am Ausbildungsstellenmarkt verpflichtet,
ihren Beitrag zur Erfüllung des Paktes für
Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in
Deutschland zu leisten«.
Und hier auch!
Ausbildungspakt II ■ Trotz der schwierigen Haushaltslage verstärkt der DGB weiterhin seine Anstrengungen für die Berufsausbildung junger Menschen. »Wir werden
die Zahl der Ausbildungsplätze gegenüber
dem Ausbildungsjahr 2003/2004 um fast
50% steigern«, heißt es im Hause. Das bedeute einen Zuwachs von 20 auf 29 Ausbildungsplätze.
Kinderknackis
Türkei prüft ■ In türkischen Aydin sollen
sechs Kinder bis zu 22 Jahre ins Gefängnis,
weil sie einigen Altersgenossen Geld im
Wert von umgerechnet etwa 60 Cent gestohlen haben sollen. Wie die Zeitung »Milliyet« berichtete, liegt der Fall derzeit dem
Obersten Berufungsgericht in Ankara vor.
Vor drei Jahren sollen die sechs Kinder, die
damals zwischen elf und 15 Jahre alt waren,
im westtürkischen Aydin zwei andere Kinder mit einem Messer bedroht und ihnen eine Million Türkische Lira (56 Cent) abgenommen haben. Ein Gericht verurteilte die
sechs zu Haftstrafen von zehn bis 22 Jahren,
obwohl die bestohlenen Kinder ihre Beschwerden während des Prozesses zurückzogen. Nun soll das Oberste Berufungsgericht in Ankara entscheiden, ob die Verurteilungen rechtmäßig waren.
Sex und Handys
Norwegische Kuscheljugendliche ■ Jugendliche Handynutzer haben norwegischen Forschern zufolge deutlich früher und
mehr Sex als andere. Ein Team vom Soziologischen Institut der Universität Oslo hatte
das Verhalten von 10.000 Jugendlichen untersucht. Zwei Drittel der Befragten mit
häufiger Handy-Nutzung im Alter zwischen
13 und 18 Jahren gaben an, dass sie ihren ersten Geschlechtsverkehr hinter sich haben.
Bei den Jugendlichen mit geringer HandyNutzung waren es dagegen nur 8 bis 9%.
Neues Gesicht
DGB-Jugend-Personalie ■
Neuer Ausbildungsexperte
beim DGB-Bundesvorstand, Abteilung Jugend,
und damit Nachfolger des
Herr Frank
legendären Lothar Judith,
ist Marco Frank. »Franky« hat eine Ausbildung als Schriftsetzer absolviert, Abi nachgemacht und in Kassel studiert. Der DiplomSozialpädagoge und Magister der Politologie war zuletzt ver.di-Jugendbildungsreferent in Hessen.
ausbildung + beruf
Pakt schlägt sich…
…Pakt verträgt sich: Die Gewerkschaften sehen im neuen
»Ausbildungspakt« eine große
Flunkerei von Wirtschaft und
Bundesregierung.
ie Lage am Ausbildungsstellenmarkt hat sich nach Einschätzung
der Gewerkschaften weiter verschlechtert. »Damit zeigt sich einmal
mehr«, so DGB-Vorstandsmitglied Ingrid
Sehrbrock im Juli, »dass Beschwörungen
guten Willens und freiwillige Verabredungen nicht reichen, um die Zukunft junger
Menschen, ihre Ausbildung und damit die
Sicherung des Fachkräftenachwuchses zu
bewältigen.«
»An der prekären Ausbildungssituation
hat bislang auch der Ausbildungspakt nichts
ändern können«, kommentierte IG MetallVorstandsmitglied Erwin Vitt die Zahlen der
Bundesagentur für Arbeit.
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen liege mit 430.500 weiterhin deutlich
unter dem Vorjahreswert (- 24.400 Lehrstellen). Vitt: »Die Ausbildungsbilanz 2004 wird
miserabel ausfallen.«
Schuld daran trügen die Arbeitgeber
und die Bundesregierung, die mit dem Verzicht auf die Ausbildungsplatzumlage ein
dem Problem angemessenes Instrumentarium aus der Hand gegeben hätten.
D
»Die Zahlen lassen nur einen Rückhöher liegen«. Damals standen 35.000 Beschluss zu: Der Ausbildungspakt war die
werber ohne Lehrstelle da.
falsche Weichenstellung«, sagte Vitt. Das
Gegen Einschätzungen, nach denen der
Nachsehen hätten jetzt die jungen MenAusbildungspakt vor dem Scheitern stehe,
schen, die im Herbst keine Lehrstelle antrewehren sich Vertreter der Wirtschaft. »Alle
ten könnten.
Signale besagen, dass wir die Zusage über
Der Rückgang an Ausbildungsplätzen
30.000 neue Lehrstellen und 25.000 Einberuht nach Gewerkschaftsangaben zum
stiegspraktika einlösen werden«, erklärte
größten Teil auf einem Wegfall an betrieblider Abteilungsleiter für berufliche Bildung
chen Stellen. Der Metaller: »Während es immer mehr Bewerber
Ausbildungssituation Juni 2004
gibt, ziehen die Unternehmen
BewerberInnen
Ausbildungsstellen
sich zurück und halten an ihrer
gesamt unvermittelte betriebliche unbesetzte
restriktiven Einstellungspraxis
Ost
188.604 97.286
60.896
20.167
fest.«
West
458.955 181.965
360.284
82.153
Mit 647.600 Bewerbern haben
Gesamt 647.559 279.251
421.180 102.320
sich bei den Agenturen für Arbeit
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
erneut mehr Interessenten gemeldet als im Vorjahr (+ 15.400).
Ende Juni waren 102.300 Ausbildungsplätze
beim Deutschen Industrie- und Handelsnoch unbesetzt. Als unvermittelt zählten
kammertag (DIHK), Geerd Woortmann.
279.300 Bewerber (+ 2.400). Die rechneriWie das vor sich gehen soll, zeigt ein Besche Lücke zwischen unbesetzten Ausbilschluss des Bundeskabinetts im Juli: Unterdungsstellen und nicht vermittelten Bewernehmen, die Jugendlichen ohne Lehrstelle eibern ist damit weiterhin deutlich größer als
ne einjährige Einstiegsqualifizierung bieten,
vor einem Jahr.
werden mit einem Zuschuss von monatlich
Alarm schlägt auch das Bundesinstitut
bis zu 300 Euro gefördert. Praktika sollen mit
für Berufsbildung (BiBB). Dessen Generalbis zu 192 Euro staatlicherseits finanziert wersekretär Helmut Pütz erklärte, der Pakt
den. Auch sind mehr zweijährige Lehrverträbringe nichts. Die Zahl unvermittelter Bege vorgesehen – eine Form der »Schmalspurwerber werde Ende September im Vergleich
ausbildung«, wie sie von der Gewerkschaftszum Vorjahr »genauso hoch oder noch
jugend heftig bekämpft wird. ∏
betriebsgeheimnis
Schlüsselkompetenz
Statt Lehrabbruch Gespräch organisieren: Mediation in der Berufsausbildung.
Mediation als berufliche Dienstleistung, d.h. die
Vermittlung zwischen zwei Konfliktparteien
durch einen Dritten, wird nicht nur in den USA,
sondern vermehrt auch in Deutschland angeboten: Im Familien- und im Strafrecht wird sie seit
Jahren praktiziert, sie wird eingesetzt bei Konflikten im Umweltbereich und bei Wirtschaftsangelegenheiten. Und in Schulen vermitteln
Schüler als »Konfliktlotsen« bei Auseinandersetzungen zwischen ihren Mitschülern.
Dass Mediation auch bei den in Kammern,
Berufsschulen und Betrieben als Instrument zur
Konfliktbewältigung immer stärker ins Blickfeld
rückt, liegt zum einen an dem Anteil vorzeitig
gelöster Ausbildungsverträge während der Berufsausbildung: Konflikte mit Ausbildern sind
der Hauptgrund, den Auszubildende für ihren
Ausbildungsabbruch angeben. Zum anderen
sind es berufliche Anforderungen insbesondere
in den personenbezogenen Dienstleistungsbe-
rufen, die bereits während der Ausbildung die
Vermittlung »mediativer Kompetenz« als Bestandteil der Sozialkompetenz sinnvoll erscheinen lassen.
Die Berufsbildungsforschung hat das seit
geraumer Zeit auch in Deutschland expandierende Tätigkeitsfeld »Mediation« bisher kaum
zur Kenntnis genommen. Diese Lücke hat ein
vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB)
zum Thema »Mediation: Qualifikationsentwicklungen, Qualifizierungsbedarf und Verberuflichung in einem wachsenden innovativen Beschäftigungsfeld« durchgeführtes Forschungsprojekt jetzt geschlossen. Auf der Grundlage
der Untersuchungsergebnisse ergeben sich gegenwärtig folgende konkrete Ansatzpunkte für
eine aussichtsreiche Integration von Mediation
in die Berufsbildung:
∂ Mediation als Schlüssel- bzw. Sozialkompetenz, die in die Standard-Berufsfeldpositionen
klassischer dualer Ausbildungsberufe aufgenommen werden kann
∂ Mediation als spezielle Zusatzqualifikation
für jene Berufe, bei denen Information, Beratung und Supervision als berufstypische oder
betriebsübliche Spezialqualifikation gefragt
sind (z.B. Tätigkeitsgebiete wie Gemeindestationen, Jugendhilfe und alle ambulanten Dienste
im Gesundheits- und Sozialwesen)
∂ Mediation als den Standard-Berufsbildpositionen der betrieblichen Ausbildungen ähnliche
Generalqualifikation für schulische Berufe im
Gesundheits- und Sozialwesen (z.B. Erzieher,
Familien- und Heilerziehungspfleger u.ä.)
∂ Mediation als Zusatzqualifikation für personenbezogene Dienstleistungsberufe unterhalb
der Facharbeiterebene (z.B. Sozialhelfer, Sozialassistent),
∂ Die Vermittlung mediativer Kompetenz gerade auch bei der Qualifizierung von Ausbildern
und Berufsschullehrern.
Mit dem Projekt soll Mediation als innovatives Tätigkeitsfeld aus der Sicht der Berufsbildung betrachtet und im Hinblick darauf untersucht werden, ob und wo sich Mediation als beschäftigungswirksame Zusatz- bzw. Querschnittsqualifikation identifizieren und in die
Berufsbildung integrieren lässt. ∏
Infos: BiBB, Kirsten Vollmer, Tel.: 0228 / 10 72 326,
E-mail: [email protected]
08/09.04 soli aktuell 3
debatte
Entsolidarisierung ist ein Virus
Soll man als Jugendlicher in die
Gewerkschaft eintreten? Soll
man sich engagieren? War früher alles besser? Soli aktuellMitarbeiter Stefan Wirner
fragte den CDU-Jugendgewerkschafter Norbert Blüm.
Herr Blüm, Sie haben am 3. April, am Aktionstag gegen den Sozialabbau, in Köln vor
den Demonstranten gesprochen. Was waren Ihre Beweggründe, dort als Redner aufzutreten?
Es geht ums Eingemachte. Der Sozialstaat
wird in Frage gestellt. Zu den besonderen
Erlebnissen gehört ja auch, dass ich ausgepfiffen wurde. Doch ich überstehe so etwas
relativ unbeschädigt, denn ich bin bei Arbeitgeberveranstaltungen ausgepfiffen
worden, bei Gewerkschaftsveranstaltungen, und nur einer von beiden kann Recht
haben.
Haben in Köln viele gepfiffen?
Es war Rambazamba. Aber ich will hier nicht
auf Mitleid machen, ich bin so etwas gewohnt.
Oder in der Rentenpolitik, auf so eine Sache
wie der Riester wäre ich
nie gekommen. Es geht
mit der Riester-Rente
zum ersten Mal ein freiwilliger Beitrag in die
Nettolohnquote ein. Dadurch sinkt die Rentenerhöhung auch bei denjenigen, die sich gar keine
Privatversicherung leisten können. Deren Rente
sinkt paradoxerweise.
Vielleicht hat man vergessen, dass es etwa Verkäuferinnen gibt, die sich
trotz staatlicher Förderung keine Riester-Rente leisten können. Mit
anderen Worten: Die
Schwächeren zahlen eine Rechnung für eine
Leistung, die sie gar nicht
erhalten. Die Rente der
Verkäuferin sinkt, weil ihr Verkaufschef eine
Privatversicherung abschließt.
Kollege Blüm
durch. Und komischerweise hat die Bundesregierung den Paragrafen ja nie zurückgenommen, und die Gewerkschaften erinAuch unter der Regierung Helmut Kohls
nern sich auch nicht mehr daran.
wurden harte Reformen in die Wege geleiVerstehen Sie die Leute, die da gepfiffen
Bei der Rente habe ich in der Tat Refortet. Sie haben den Streikparagrafen 116
haben? Es hat ja wohl mit der Politik der
men durchgeführt, die sehr schmerzhaft
AFG geändert, die Selbstbeteiligung bei
Regierung zu tun, der Sie früher angehörwaren. Die Umstellung von brutto auf netMedikamenten erhöht und Verschlechteten unter Helmut Kohl.
to etwa, die die SPD auch mitgemacht hat,
rungen beim Kündigungsschutz durchgeIch finde es kurzsichtig. Die da pfeifen, weil
also dass die Rentenanpassung nicht mehr
setzt.
ich in der Regierung Kohl Sozialpolitik geden Bruttolöhnen folgt, sondern den NetBeim Streikparagrafen haben die Gewerkmacht habe, die sollen mir mal einen Fall satolöhnen. Das war eine frühe Form der deschaften die Leute
gen, der vergleichmographischen Komponente. Wenn die
belogen. Ich habe
bar wäre mit dem,
Jungen mehr zahlen, können die Alten nicht
Schmerzen: »Der größte Verlust
noch die Flugblätter
was jetzt geschieht.
unbelastet bleiben, das verlangt die Solidafür den Sozialstaat ist die weltweite
der IG Metall vor
Nehmen wir das
rität.
Schwächung der Arbeiterbewegung
Augen, in denen es
Beispiel LohnfortDer eingeführte Krankenversicherungsim Zeitalter der Globalisierung.«
hieß: »Kein Streik
zahlung im Krankbeitrag der Rentner ist ein solidarischer Beimehr in Deutschland«. Nachweislich wird in
heitsfall. Dass es damals energische Proteste
trag der Älteren. Doch das System war daDeutschland immer noch gestreikt. Worauf
der Gewerkschaften gab, als wir das verändurch nie gefährdet. Die Riester-Rente alder Paragraf 116 reagieren sollte, war, dass
dern wollten, das verstehe ich. In der Sache
lerdings ist eine Systemveränderung. Das ist
nicht die Bundesanstalt für Arbeit für alle
aber kann ich das heute noch vertreten. Dass
eine auf den Kopf gestellte Solidarität.
Streikfolgen aufjemand im Krankheitsfalle etwas weniger
Schon im Neanderkommen kann. Die Ansichten: »Die Gewerkschaften haben tal schützten die
Einkommen hat, als wenn er beschäftigt ist,
Gewerkschaften
das halte ich für zumutbar. Doch die LohnStarken die Schwaauf nationaler Ebene gehandelt, aber
bezahlen vielleicht
fortzahlung im Krankheitsfall ist ein Teil der
chen. Das ist der
die Musik spielt auf dem Weltmarkt.«
9.000 KolbenherGeschichte der Arbeiterbewegung. Deshalb
seit Tausenden von
steller, wenn sie streiken. Doch wenn ich
waren die Gewerkschaften besonders zornig.
Jahren geltende Grundsatz einer solidaridiesen Bereich bestreike, liegt innerhalb
Aber auf die Idee, ans Krankengeld zu
schen Entwicklung.
von acht Tagen die deutsche Automobilgehen, wäre ich nie gekommen. Das ist ein
Den befristeten Arbeitsvertrag gab es
industrie flach, ein paar Tage später die Zuelementarer Unterschied. Beim Krankenschon vorher, ich habe ihn arbeitsrechtlich
lieferer. Diese Arbeitsteilung – die Gewerkgeld geht es um Langzeitkranke. Um Krebserleichtert, weil ich davon ausgegangen bin,
schaften zahlen die Streikenden, und die
kranke, um Leute mit Herzinfarkt, und ich
dass er eine Brücke ist. Wenn einer mal drin
Bundesanstalt, die Beitragszahler zahlen
habe noch keinen Krebskranken gesehen,
ist, ist es eben schwerer ihn hinauszuwerden Rest – hält keine Regierung der Welt
der montags blau macht.
fen, als ihm schon vorher die Tür zuzuma-
4 soli aktuell 08/09.04
debatte
sie meinen, sie würden aufholen, wenn sie
chen, so dass er gar nicht hineinkommt.
ein Billiglohnkonkurrenz bilden.
Diese Brückenfunktion wird nun aber langDer internationale Aspekt muss stärker
sam zur Normalfunktion. Die Brücke verliert
in den Vordergrund gestellt werden. 95 ProAnschluss und endet in der Luft. Das läuft
zent der auf internationalem Parkett wechaus dem Ruder, wenn einer von vier Arbeitselnden Dollarbillionehmern unter 25
nen haben mit ProJahren nur noch eiSelbstanklage: »Bei der Rente habe
duktion und Waren
nen befristeten Arich Reformen durchgeführt, die
nichts zu tun. Die
beitsvertrag hat. Am
sehr schmerzhaft waren.«
sind reine SpekulatiEnde einer solchen
on. Nike etwa, der viel bewunderte SportarEntwicklung steht der Tagelöhner. Wie soll
tikelhersteller, von den Jungen bevorzugt
denn jemand, der nur einen befristeten Argekauft, das ist nur noch ein Logo. Die stelbeitsvertrag hat, eine Familie gründen? Der
len gar nichts mehr her. Das ist eine reine
kriegt ja nicht mal einen Kredit bei der SparMarketinggesellschaft. Die kleben da »Nikasse.
ke« darauf und beuten Frauen in der Dritten
Das gilt auch für den Kündigungsschutz.
Welt aus.
Der damalige Präsident der Handwerkskammer, Späth, rechnete mit 300.000 NeuDas hört sich so an, als seien Sie Attac-Miteinstellungen, wenn wir den Kündigungsglied.
schutz änderten. Auf die warte ich heute
Mit denen muss die Gewerkschaft zusamnoch.
menhalten. Das würde auch Attac guttun,
Wie sehen Sie die Rolle der Gewerkschaften
denn es ist ja nicht mit Kundgebungen gein der gegenwärtigen Auseinandersetzung?
tan. Das wird das Kunststück der Politik
Es heißt ja immer, die Gewerkschaften seisein: Den großen Trend der Globalisierung
en die »Blockierer« und die »Besitzstandauffangen und die Identifikation mit dem
wahrer«.
Unternehmen, deshalb Mitbestimmung
und Sozialpartnerschaft.
Was mich stört, ist, dass alles alte zu
Und da frage ich mich, ob diese FusioniQuatsch erklärt wird. Wandel unter humatis im DGB der Weisheit letzter Schluss ist.
nen Bedingungen ist immer eine Mischung
Das führt zu weit weg von den konkreten
aus Erhalten und Verändern. Und es gibt SaEinsatzorten der Gewerkschaften. Starker
chen, die erhalten werden müssen. Jeder reDachverband DGB fürs Allgemeine und bedet jetzt von Eigenverantwortung. Die da so
triebsnahe Einzelgewerkschaften, das ist
reden, sollten das mal bei sich ausprobieren,
die notwendige Doppelstrategie.
der Herr Esser und der Herr Breuer. Die predigen Wasser und trinken Wein.
Warum sind Sie in die Gewerkschaft eingetreten?
Es herrscht in Teilen der Gesellschaft ein gewerkschaftsfeindliche Stimmung.
Ich bin seit 55 Jahren Mitglied der IG Metall.
Ich habe mehrere Ausschlussanträge überDeswegen gehe ich ja auf Kundgebungen,
lebt. Ich habe mit 14 im ersten Lehrjahr für
auch wenn es schwer fällt. Der größte Verdie Jugendvertretung bei Opel kandidiert.
lust für den Sozialstaat ist die weltweite
Aber ich habe bald
Schwächung der Arverstanden, dass
beiterbewegung im
Selbstbewusstsein: »Ich bin schon
man das ArbeitsZeitalter der Globahochgejubelt worden, und am
recht kennen muss,
lisierung. Gewerknächsten Tag war ich mit Hut zwei
dass Arbeitnehmerschaften haben auf
Zentimeter unter dem Teppich.«
vertretung
kein
nationaler Ebene geSpiel ist, sondern etwas Ernsthaftes. Mir ist
handelt, aber die Musik spielt auf dem Weltrelativ früh aufgegangen, dass es nicht ohne
markt. Deshalb müssen die Gewerkschaften
Gewerkschaften geht.
auch ihre Strategien verändern. Wir brauchen internationale Spielregeln. Es kann
Wie stehen Sie zu der Einführung einer Ausdoch nicht sein, dass man mit Kinderarbeit
bildungsplatzabgabe?
Geschäfte machen kann. Der am meisten
Mich stört diese Absahnerphilosophie der
ausbeutet, gewinnt im Wettbewerb. Das
Großbetriebe. Der anständige Handwerkskann nicht die soziale Marktwirtschaft sein.
meister bildet aus, anschließend kommen
Was können die Gewerkschaften dagegen
die Großbetriebe und sahnen ab. Die
tun?
Großen lassen bei den Kleinen ausbilden.
Das halte ich für unanständig.
Man muss die sozialen Standards durchsetMit der Abgabe habe ich meine Schwiezen. Das trifft weiter auch auf Widerstand in
rigkeiten, weil ich nicht weiß, wie man dem
der Dritten Welt, denn die sagen, Lohneinzelnen Betrieb vorschreiben soll, was seidumping ist unsere einzige Rettung. Das ist
ne Sollgröße ist. Es besteht die Gefahr, dass
auch von denen kurzfristig gedacht, wenn
viele Betriebe ihre Verpflichtung einfach
abkaufen. Ich würde sagen, das ist ein klassisches Feld für die Mitbestimmung, die Betriebe und für die Tarifpartnerschaft. Ich bin
nicht für mehr Staat. So ein Betriebsrat kann
das besser entscheiden, ob der Betrieb noch
einen einstellen kann. Auch die Tarifpartner
sind näher dran. In der Baubranche sieht es
ganz anders aus als in der Automobilbranche, das lässt sich schwer über den Staat regeln.
Sie sind ja auch Kritiker so mancher christdemokratischer Pläne. Wie kommt das in
Ihrer Partei an?
Die Kopfpauschale halte ich für Unsinn. Das
habe ich ja auch laut gesagt. Ich mache meine Meinung nicht davon abhängig, wie die
Mehrheiten im Saal sind. Die Kopfpauschale entspricht nicht meinen Vorstellungen
von Solidarität. Jeder zahlt 200 Euro Kopfpauschale, egal ob er viel verdient oder wenig. Auf den steuerlichen Sozialausgleich
kann man sich nicht verlassen. Woher das
Geld nehmen? Das kann doch nicht Solidarität genannt werden.
Manche fürchten ja jetzt schon das Reformtempo, wenn die CDU an die Macht
kommen sollte.
In der Frage der Kopfpauschale haben Edmund Stoiber und Horst Seehofer gut gestanden.
Die sind bei der CSU, Sie bei der CDU.
Ich habe gelernt, mich nicht nach dem Beifall zu richten. Ich bin schon hochgejubelt
worden, und am nächsten Tag war ich mit
Hut zwei Zentimeter unter dem Teppich.
Man muss da kämpfen, wo man steht.
Die Bundesregierung sagt, ihre Politik sei
alternativlos, aus der Union kommen Vorschläge, noch schärfer anzusetzen am Sozialstaat. Ist das nicht eine Gefahr für die
Demokratie, wenn in dieser Frage überhaupt keine Opposition mehr vorhanden
ist?
Entsolidarisierung ist wie ein Virus. Aber ich
glaube, dass die Krankheit auch wieder vorbeigeht. Siehe Neue Ökonomie. Vor fünf
Jahren hieß es, kauf Aktien, da wirst du Millionär. Da redet heute niemand mehr davon.
Sind Sie vom Saulus zum Paulus geworden?
Ich bin, der ich war, aber ich habe dazugelernt. Ich war immer ein Mann des Sozialstaats. Ich brüste mich nicht mit den damaligen Kürzungen, aber sie waren aus meiner
Sicht notwendig. Ich habe aber nicht nur
gekürzt, ich habe etwa auch das Arbeitslosengeld für die Älteren verlängert. Der Blüm
lässt sich nicht in die Schablone Hexer oder
gute Fee pressen. ∏
08/09.04 soli aktuell 5
projekte
Wer zahlt mehr?
Wer zahlt weniger?
Auf der Suche nach dem gerechten Mitgliedsbeitrag für
Studierende. Von Andreas
Schackert
In Nordrhein-WestfaAchtung, Gewerkschaften:
Studierende reagieren schnell beim Geld.
len beschloss der Gewerkschaftstag jüngst,
nur noch 2,50 Euro pro
Monat zu nehmen – genauso viel wie ver.di. Alur gewerkschaftlichen Studierenlerdings kann es Studiedenarbeit gehört auch das Thema
renden, die bei ver.di
der Mitgliedsbeiträge – die meisMitglied werden und im
ten Studierenden haben im Monat nicht
Nebenjob mehr als 250
mehr zur Verfügung als ein SozialhilfeempEuro im Monat verdiefänger. Da wird die Frage des Mitgliedsbeinen, passieren, dass die
trages zur Glaubensfrage: Sollen studentiVerwaltungsstelle statt
sche Mitglieder den ermäßigten Beitrag
2,50 Euro lieber ein Prozahlen? Oder gar nichts? Oder doch ein Prozent vom Bruttoeinzent ihres Einkommens – wie alle anderen
kommen nimmt, auch
auch?
wenn das laut Satzung
zwar bei Arbeitslosen,
Bei den DGB-Gewerkschaften gibt es aus
nicht aber bei Studieverschiedenen Gründen hierfür keine einrenden möglich ist.
heitliche Linie. Zuerst fehlt es an einer or∂ In Rheinland-Pfalz
ganisationsübergreifenden Abstimmung.
Dann ist der Beitrag auch ein schwieriges
gibt es für sozial schwaThema, weil besondere Konditionen für eiche Studierende die
ne Gruppe immer auch Begehrlichkeiten
Möglichkeit, am Jahrebei anderen Mitgliedsgruppen wecken:
sende den gezahlten
Warum die und nicht wir? Und bei IG BAU,
Beitrag zurückzuerhalNGG, GdP oder Transnet ist das Interesse
ten. Ein schönes Weihan Studierenden gar so gering, dass sie bei
nachtsgeld – aber ein
der Festlegung der Beiträge ganz fehlen.
kluger Mittelweg? Das
Hier liegt es im Ermessen der VerwaltungsMitglied muss erst einstellen, den Mindest- oder einen anteiligen
mal die Beiträge erbrinBeitrag zu nehmen.
gen – trotz Finanzschwäche – und wird jeWelche Beitragshöhe angemessen ist,
des Jahr neu zum Bittund warum, das müssen die meisten Einzellässt sich kaum aus dem Stegreif beantworsteller. Die IG BAU macht’s anders: Zumingewerkschaften erst einmal für sich endten: Sind vier Euro pro
dest die arbeitslosen
gültig klären. In jedem Fall ist es vernünftiMonat – wie die GEW
Mitgliedern und die
Wieviel die Mitgliedschaft
ger, wenn ein Festbeitrag für Studierende
sie verlangt – zuviel?
Azubis werden auf Ankostet und warum…
am Ende steht – statt der Festlegung auf
Soll man darauf setzen,
trag von Beitragszahden in der Organisation üblichen Prozentdass die Studierenden von der Wichtigkeit
lungen befreit – im Vorhinein.
satz.
einer Gewerkschaftsmitgliedschaft überDoch auch geringeSolange Gewerkzeugt sind und dafür auch schmerzhaft hore Beiträge werfen Fra…das müssen die meisten
schaften progressive
he Beiträge in Kauf nehmen? Oder soll man
gen nach der BeitragsEinzelgewerkschaften erst
Steuersätze verteidisie lieber mit günstigen Beiträgen locken
gerechtigkeit auf. Bei
einmal für sich klären.
gen, um Geringverdieund durch gute Angebote halten, bis sie
der IG Metall zahlen
ner weniger zu belasten als hohe Einkomrichtig verdienen und mehr zahlen können?
Studierende am wenigsten: 2,05 Euro. Aber
mensgruppen, sollten sie bei der BeitragsIn der GEW ist man sich nicht einig darüber:
Arbeitslose zahlen nur 1,53 Euro. Haben sie
∂ Der Landesverband Baden-Württemberg
bemessung darauf Rückauch ein Viertel weniger Einkommen als
sicht nehmen, dass ein
Studierende? Ähnliche Spannungsverhältermöglicht auf eigene Kosten allen StudieProzent von 550 Euro mehr
nisse gibt es auch bei anderen Gewerkrenden beitragsfreie Mitgliedschaft und
sein können als ein Proschaften.
verzeichnet regelmäßige Mitgliederzuzent von 1.500. ∏
wächse. Die Gegner erklären: Was nichts
Es ist offensichtlich: Einfacher für gemeinkostet ist nichts wert – auch Studierende
Andreas Schackert ist Sprecher des
same Studierendenarbeit sind klare Versollen nach ihren Möglichkeiten zur SoliLandesausschusses Studierender in
der GEW Brandenburg.
hältnisse. Wie viel die Mitgliedschaft kostet
dargemeinschaft Gewerkschaft beitragen.
∂
6 soli aktuell 08/09.04
Sascha Rheker / Attenzione
Z
projekte
Vom Prakti zum Angestellten
Best Practice: Neue Aufgaben
betrieblicher Studierendenarbeit am Beispiel der DB AG.
ie Deutsche Bahn AG hat ein neues
Programm entwickelt, mit dessen
Hilfe Praktikanten viel stärker als
bisher in die Personalentwicklung des Konzernes einbezogen werden. Motivation ist
die Erkenntnis, dass Praktikanten mit den
Abläufen des Unternehmens vertraut gemacht werden und durch die Beobachtung
über einen längeren Arbeitszeitraum auch in
der Qualität ihrer Arbeit besser eingeschätzt
werden können als ein Neubewerber.
Zielgruppe des Programms: studentische Praktikanten. Derzeit sind bundesweit
200 solcher Praktikanten zeitgleich bei der
Bahn beschäftigt – ob im Rahmen eines regulären Praktikumssemesters oder aus eigenem Antrieb neben dem Studium. Die
Deutsche Bahn will sie fast wie Bewerber
um einen Arbeitsplatz behandeln und in
sieben Schritten bis zur Einstellung führen.
Nachdem die Gewinnung und die Auswahl nach strengen Kriterien erfolgen, soll
die Bindung an den Konzern durch Workshops, Exkursionen, Stammtische und Mailverteiler erfolgen. Angepeilt ist ein institutionalisiertes Betreuungssystem von der
Einstiegsinformation über die fachbe-
D
reichsspezifische Betreuung bis zur Evaluation, die am Ende eines jeden Praktikums
steht. Wer aus Sicht des DB-Konzerns geeignet scheint, wird nach Ende des Praktikums nicht nur mit geeigneten Stellenangeboten versorgt, sondern von Fall zu Fall
auch mit Geburtstagsgrüßen und Eintrittskarten für Fachmessen, wird weiterhin zu
Stammtischen und Seminaren eingeladen
und bei der Vergabe von Diplomarbeiten
bevorzugt.
Die DB AG lässt sich also die Nachwuchsarbeit einiges kosten, muss sich aber
fragen lassen, ob sie nicht die übliche Probezeit in ein schlechtbezahltes Praktikum
verlagert – auf Kosten der Arbeitnehmer.
Die Bedeutung des Programms reicht
aber auch über den Bereich der DB AG hinaus, da zu erwarten ist, dass andere große
Unternehmen künftig ähnliche Programme
auflegen oder bereits durchführen.
Mit der stärkeren Einbindung von Praktikanten in den Betrieb und der Vereinfachung des Übergangs vom Studium in den
Beruf wird die Bedeutung der gewerkschaftlichen Ansprache von Praktikanten
im Betrieb noch offensichtlicher. Mangelndes Interesse des Betriebsrates an Praktikanten, »die ja nach ein paar Wochen wieder weg sind«, ist hier völlig absurd.
Vielmehr darf angesichts frühzeitiger
Integration in den Betrieb nicht verpasst
werden, rechtzeitig das Bewusstsein dafür
zu schärfen, dass auch im Konkreten die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers und
die Interessen des Betriebes nicht immer
deckungsgleich sind. Ferner sollten Form
und Inhalt der betrieblichen Angebote unter dem Aspekt der gesetzlichen Mitbestimmung betrachtet und Möglichkeiten,
sich als Betriebsrat einzubringen, wahrgenommen werden. Soweit eine Einflussnahme auf Art und Inhalte dieser Angebote für
Praktikanten nicht möglich ist, sollten diese
zumindest durch eigene Angebote (persönliche Ansprache, Informationsveranstaltungen etc.) ergänzt werden.
Gewerkschaftliche Angebote und Arbeit
zum Thema Praktikum sind bis heute rar. Mit
gezielter Institutionalisierung der Überführung von Praktikums- in Arbeitsverhältnisse wird aber der hohe Stellenwert des
Praktikums als Moment der beruflichen Ausbildung verdeutlicht. Dass einige starke Parallelen zur normalen betrieblichen Ausbildung gezogen werden können, kann für eine
stärkere Praktikumsbetreuung nur von Vorteil sein. Weil das Praktikum immer stärker
den Übergang in den Beruf bildet, darf es hier
nicht länger an gewerkschaftlichen Anstrengungen fehlen. ∏
Andreas Schackert
i n i t i at i v e n
Alles klar im Kino?
Im Winter letzten Jahres haben die Kinounternehmen CinemaxX und UFA die
geltenden Tarifverträge gekündigt und
den Arbeitgeberverband verlassen. Von
den sich verschlechternden Arbeitsbedingungen sind vor allem prekär beschäftigte Studierende betroffen.
Die Arbeitsbedingungen in den Kinos sind von
einer massiven Arbeitsverdichtung geprägt.
Durch Personalabbau nimmt der Stress am Arbeitsplatz zu, die Schichten sind nicht frei einteilbar. Dadurch nimmt die Belastung zu, die
Vereinbarkeit des Jobs mit dem Studium sinkt.
Die Gewerkschaft ver.di hat mit dem KinoNetzwerk auf die veränderten Bedingungen in
den Kinos reagiert. Gerade in den Multiplex-Kinos konnte der gewerkschaftliche Organisationsgrad – auch unter den studentischen Aushilfen – erhöht werden. Durch die Hilfe von ver.di
sind zahlreiche neue Betriebsräte gegründet
worden.
Die Verankerung von Betriebsräten und von
ver.di in den Kinobetrieben ist ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Die gekündigten Tarifverträge hatten neben
Entgelt-Bestandteilen vor allem Fragen der Arbeitsplatzsicherheit zum Inhalt. So waren folgende Regelungen eingebaut:
∂ Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich auf
Dauer abzuschließen, nur 10% der Belegschaft
darf mit befristeten Verträgen beschäftigt werden
∂ verlängerte Kündigungsfristen für ältere Beschäftigte
∂ Teilzeitbeschäftigten sind freiwerdende Vollzeitarbeitsplätze bevorzugt anzubieten
∂ die vereinbarte durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag festzuschreiben
∂ im Entgeltrahmentarifvertrag sind verschiedene Regeln zur Eingruppierung und Entgelthöhen getroffen worden.
Diese tariflichen Absicherungen passten
den Arbeitgebern nicht mehr ins Konzept. Bei
CinemaxX laufen seither Verhandlungen für einen Haustarifvertrag, mittlerweile begleitet von
Arbeitskampfmaßnahmen. Die Löhne der Beschäftigten im CinemaxX sind bereits entspre-
chend gekürzt worden. So verdienen z.B. Beschäftigte in Berlin, Dresden, Bremen, Göttingen, Halle und Magdeburg statt 7,41 Euro nur
noch 6 Euro, in anderen Standorten sind die Löhne auf 6,50 Euro gekürzt worden. Weitere Verschlechterungen werden folgen. So hat das Unternehmen bereits Kürzungen bei den Urlaubstagen und bei der Mindestschichtlänge (auf 2
Stunden/Tag) angekündigt.
Mit Warnstreiks und anderen Arbeitskampfmaßnahmen haben CinemaxX-Beschäftigte bundesweit gegen den Rückzug des Unternehmens aus dem Tarifwesen demonstriert.
Ende Mai legten die Berliner Beschäftigten zur
besten Kinozeit samstags zwischen 19 und 20
Uhr den Betrieb lahm: nichts ging mehr.
Eine gewerkschaftliche Organisierung, dies
zeigt das Beispiel CinemaxX, ist auch für studentische Beschäftigte wichtig und sinnvoll.
Nur so besteht die Möglichkeit, bessere Arbeitsbedingungen zu bekommen. Für die Gewerkschaften bedeuten organisierte Nebenjobber zudem auch schon aufgeklärte Vollzeit-Arbeitnehmer von morgen. ∏
Daniel Taprogge
Infos unter www.kinonetzwerk.verdi.de
08/09.04 soli aktuell 7
comic: reinhard kleist
8 soli aktuell 08/09.04
comic: reinhard kleist
08/09.04 soli aktuell 9
thema
Lohn? Nebensache
Israel: Ein ver-rücktes Ausbildungssystem – und was
wir davon lernen können.
Von Yoram Bar-Kovetz
ir, eine Gruppe Erwachsener, sitzen im Zimmer des Schulleiters.
Der Tisch ist gedeckt mit aromatisch duftendem, starken arabischen Kaffee,
leichten Getränken und Keksen.
»Diese Schule besuchen 240 Schülerinnen und Schüler. 210 haben einen Arbeitsplatz, aber nur 20 Prozent von ihnen bekommen auch ein Gehalt«, sagt der Schulleiter.
»Verstehe ich Sie richtig, dass 80 Prozent der Schüler arbeiten und keinen Lohn
erhalten?«, will der stellvertretende Regionalbeauftragte des Ministeriums für Industrie, Handel und Beschäftigung wissen.
»Ja, so ist es«, bestätigt der Schulleiter
und wendet den Blick für einen kurzen Moment beschämt ab.
ne Berufsschule – weniger als sechs Prozent der Schüler des
Jahrgangs.
Die israelische Wirtschaft befindet sich
derzeit in einer tiefen
Krise, genau wie in allen anderen Ländern,
wo die Vermögenden
tun, was sie wollen.
Die Arbeitslosenrate
betrug im Jahre 2003
10,9 Prozent. Dies ist
die höchste Rate seit
zwölf Jahren.
Trotz dramatiMacht den Arbeitgebern Beine: Yoram Bar-Kovetz
schem Rückgang der
werden (wenn auch der gezahlte Lohn in
Zahl der Jugendlichen, die im Rahmen der
ihren Ursprungsländern als hoch gilt).
Berufsausbildung arbeiten, steigt die Zahl
der arbeitenden Kinder und Jugendlichen.
In diesem Umfeld bekunden die BerufsGemäß offizieller Statistik arbeiten derzeit
schulen Mühe, Arbeitsplätze für ihre
34.000 Kinder und Jugendliche. Doch eine
Schüler zu finden. Dutzende von Betrieben
Umfrage des »geo-kartographischen InstiDraußen vor dem Fenster übt eine Tanzhaben in den letzten Jahren ihre Tore getuts« geht von mehr als 200.000 arbeitengruppe der Schule die traditionelle arabischlossen. Die Unternehmer verlegen die
den Kindern und Jugendlichen (im Alter von
sche Debka. Die Bewegungen der Tänzer
Produktion nach Jordanien, in die Türkei
zwölf bis 18 Jahren)
sind perfekt aufeinoder in den Fernen Osten, wo die Arbeit beander abgestimmt, Ministeriumsmitarbeiter: »Verstehe ich aus!
kanntlich billig oder sogar sehr billig ist.
Nach Berichten
weit besser jeden- Sie richtig, dass 80 Prozent der Schüler
Angesichts dieser düsteren Situation
falls als die Be- arbeiten und keinen Lohn erhalten?«… des parlamentarihaben Beamte im Ministerium für Industrie,
schen Forschungsstandteile des BeHandel und Beschäftigung damit begonund Informationszentrums sind Kinder und
rufsbildungssystems, zu dem diese Schule
nen, Berufsschüler an Firmen zu unentgeltJugendliche vorwiegend in Mc-Jobs begehört, wie der dafür zuständige Vertreter
licher Beschäftigung
schäftigt, d.h. mit
des Ministeriums für Industrie, Handel und
zu vermitteln, offeneinfachen Arbeiten,
Beschäftigung feststellen muss.
…»Ja, so ist es«, bestätigt der Schuldurch die sie keiner- leiter und wendet den Blick für einen bar aus der Über1980 besuchten rund 65.000 Schülerinzeugung, dass sich
lei Fertigkeiten ernen und Schüler eine Berufsschule, also fast
kurzen Moment beschämt ab.
die Jugendlichen auf
werben. Typische
30 Prozent der 15- bis 18-Jährigen.
diesem Weg wenigstens die Mindestzahl
Beschäftigungsfelder sind Fastfood-Ketten,
In Israel wird die Berufsschule mit 18
der für das Berufsdiplom erforderlichen
Restaurants, Cateringfirmen, Festhallen, TeJahren abgeschlossen, da die Jugendlichen
Stunden erarbeiten können. Lohn? Eine
lemarketing, Straßenverkauf, Märkte (Lastdann zum Militär müssen. Der Militärdienst
übertriebene Erwartung!
tragen) etc. Tausende arabische Kinder sind
ist Pflicht, drei Jahre für Jungen und zwei
Die höheren Stellen im Ministerium
zudem in der Landwirtschaft beschäftigt,
Jahre für Mädchen. Nur wenige Schüler
nehmen dies stillschweigend in Kauf. Dasund Hunderte von Jungen und Mädchen
führen ihre Studien im Rahmen spezieller
selbe Ministerium ist auch für die Einhalbieten ihren Körper im Sexbusiness feil.
Schulprogramme im 13. und 14. Schuljahr
tung der Arbeitsgesetze verantwortlich. InsNoch vor wenigen Jahrzehnten war die
weiter und schließen mit einem Technikergesamt vier Beamte haben den Auftrag, die
»produktive« Arbeit in der israelischen Gediplom ab.
Einhaltung der Jugendarbeitsgesetze zu
sellschaft ein geheiligter Wert. Die »BlueHeute besuchen rund 15.000 Schüler eiüberwachen! Vier Beamte auf 6,5 Millionen
collar«-Arbeiter, wie sie ihrer blauen HemEinwohner. Gleichzeitig kritisiert der Fiden wegen genannt werden, zeigten mit
wa s i s t da s ?
nanzminister den öffentlichen Dienst und
Stolz ihre fettverschmierten und von körfordert die Gesundschrumpfung des »aufperlicher Arbeit zerfurchten Hände.
geblähten und ineffizienten Apparats«.
Heutzutage wird körperliche Arbeit als
So kommt es zur absurden Situation,
minderwertig empfunden. Unternehmer
Histadrut Hanoar Haowed Wehalomed: die
Organisation der lernenden und arbeitenden
dass in einem Teil der Berufsschulen Hunzögerten nicht, Hunderttausende von ausJugend und zugleich die größte Jugendbewederte von Schülern einen Beruf erlernen
ländischen Arbeitskräften ins Land zu bringung in Israel. Sie ist die offizielle Vertreterin
und auch praktische Arbeit leisten, aber keigen, die großteils zu unmenschlichen Beder arbeitenden israelischen Jugend. ∏
nen Lohn dafür erhalten.
dingungen und niedrigem Lohn beschäftigt
W
Histadrut
10 soli aktuell 08/09.04
jav-ratgeber
Während Ausbildungsplätze in den
technisch-industriellen Berufsschulen bzw.
die Möglichkeit, einen praktischen Beruf zu
erlernen, vor 30 Jahren noch sehr begehrt
waren, nehmen die Berufsschulen heute
vorwiegend jene Jugendlichen auf, die aus
dem »normativen« und vom Erziehungsministerium überwachten Schulsystem ausscheiden. Dementsprechend schlecht ist
der Ruf der Berufsschüler.
Ein anderer Teil der Schüler entscheidet
sich für die technisch-industriellen Berufsschule, um die Berufsausbildung mit Arbeit
zu verbinden und ein zusätzliches Einkommen für die eigene Familie zu erzielen.
Das Berufsbildungssystem in Israel als
Ganzes abzuschreiben wäre indes verfrüht.
Es gilt zu bedenken, dass es noch einige Firmen gibt, die der Berufsbildung einige Bedeutung beimessen. Vertreter der IG Metall
besuchten im März eine Berufsschule der israelischen Flugzeugindustrie. Die Schule ist,
wie es sein sollte, direkt an den Betrieb angeschlossen. 360 Schüler erwerben dort einen gefragten Beruf, arbeiten auf dem Beruf
während der Ausbildung und werden nach
dem Militärdienst wieder im Betrieb aufgenommen.
Die Hanoar Haowed Wehalomed ist in fast
allen technisch-industriellen Berufsschulen
durch Jugendleiter vertreten, die sich fast
im Alleingang um die gesellschaftlichen Aktivitäten und die informale Erziehung kümmern. Die Jugendleiter geben mindestens
eine Unterrichtsstunde pro Woche und
Klasse. Der Unterricht dreht sich um aktuelle Themen und Gesellschaftliches, wobei
der Jugendleiter sozialkritisches Denken zu
fördern versucht.
Zudem organisieren und leiten die Jugendleiter Klassenausflüge, Führungsseminare und den gesetzlich festgelegten Erholungsurlaub. Zusätzlich überwacht die Histadrut Hanoar Haowed Wehalomed die
Einhaltung der Jugendarbeitsgesetze und
klärt die Jugendlichen über ihre Rechte auf.
So unterzeichneten die israelische Flugzeugindustrie und die Histadrut Hanoar
Haowed Wehalomed vor wenigen Wochen
einen Gesamtarbeitsvertrag, der die Arbeitsbedingungen für Jugendliche in den
nächsten fünf Jahren regelt. Ein erweiterter
Erholungsurlaub und ein tägliches Mittagessen sind Bestandteile des neuen Vertrages, doch der wichtigste Erfolg ist die Tatsache, dass es im Jahre 2004 in Israel noch
Unternehmen gibt, die bereit sind, einen Jugendarbeitsvertrag zu unterzeichnen.
Die Gewerkschaft für Jugendliche ist nur
dann berechtigt, gegen Arbeitgeber vorzugehen, die Jugendliche ohne Lohn beschäftigen, wenn die Betroffenen eine formelle
Klage beim zuständigen Gewerkschaftsvertreter einreichen. Doch die Jugendlichen stehen unter Druck, nicht zu klagen.
Als Gewerkschaft wird von uns kompromissloser Einsatz für die Rechte der Arbeitnehmer erwartet, gleichzeitig ist es
aber auch unsere Aufgabe, das (schmutzige) Bad nicht mit dem Kind auszuschütten.
Eine öffentliche Auseinandersetzung mit
dem Problem könnte zur endgültigen Liquidierung des Berufsbildungssystems in
Israel führen.
Der Gesetzgeber hat hierzu Vorkehrungen getroffen. Zwei Gesetze regeln die Jugendarbeit: das Jugendarbeitsgesetz und
Jugendausbildungsgesetz. Beide Gesetze
stammen aus dem Jahre 1953, sind aber nach
wie vor aktuell. Das Problem liegt natürlich
in deren Durchsetzung: Der gesetzlich vorgeschriebene Mindeststundenlohn für Erwachsene (ab 18 Jahren) liegt derzeit bei 3,23
Euro. Damit es sich lohnt, Jugendliche im
Rahmen der Berufsausbildung zu beschäftigen (oder damit es sich »wirtschaftlich rechnet«, wie die glühendsten Verfechter des
Kapitalismus sagen), hat der Gesetzgeber
den Arbeitslohn für Jugendliche auf 60 Prozent des Mindeststundenlohnes für Erwachsene festgesetzt.
Die israelische Demokratie zeigte sich in
den letzten Jahren nicht von ihrer besten
Seite. Seit der Ermordung des israelischen
Ministerpräsidenten Yitzchak Rabin im November 1995 hat die Regierung schon fünfmal gewechselt. Diese Instabilität zeitigt
deutliche Folgen für sämtliche Regierungs-
dgb-jugend-seminare
Zum Thema Israel
1. Die deutsch-israelischen Beziehungen in
Vergangenheit und Gegenwart, 5. bis 15. September 2004. 2. Israel und die Krisenregion
Nahost, 15. bis 17. Oktober 2004. Seminarorte:
Oer Erkenschwiek und Haus der Gewerkschaftsjugend Oberursel. Infos: Haus der Gewerkschaftsjugend, Tel.: 061 71 / 59 03 0,
E-mail: [email protected], www.hdgj.de ∏
ämter, die Abteilung für Berufsausbildung
im Ministerium für Industrie, Handel und
Beschäftigung mit eingeschlossen: Es existiert weder ein langfristiger Plan noch eine
Strategie, und die Beamten sind mit dem Erhalt ihrer eigenen Arbeitsplätze beschäftigt. Die Staatsbeamten, die für die Beschäftigung und Berufsbildung zuständig
sind, fürchten um ihre eigene Beschäftigung.
In diesen Tagen ist das Generaldirektorium des Ministeriums für Industrie, Handel
und Beschäftigung mit Stabsarbeit beschäftigt: Der neue Generaldirektor zeigt
Interesse am Berufsbildungssystem für Jugendliche und möchte nun unerwartet Pläne sehen. Die Fachkräfte im Ministerium
betrachten die Histadrut Hanoar Haowed
Wehalomed als Partner bei der Umsetzung
dieser Pläne. ∏
Yoram Bar-Kovetz ist Koordinator für Jugendgewerkschaftsfragen bei Histadrut Hanoar Haowed Wehalomed.
Kontakt: E-mail: [email protected]
reform der berufsbildung?
Israel arbeitet schon dran
Die Hanoar Haowed Wehalomed hat längst einen Plan zur Rettung des Berufsbildungssystems ausgearbeitet. Das israelische Berufsbildungssystem beruht auf mehr als 60 Berufsschulen. Sollte sich der Staat für Reformen bzw.
für eine echte Wende in diesem Bereich entscheiden, wären folgende Schritte zu unternehmen: Verfeinerung der Infrastruktur, Ermutigung der Arbeitgeber, Jugendliche zu beschäftigen (und sie für ihre Arbeit zu bezahlen)
und vor allem Aufbesserung des angeschlagenen Selbstverständnisses des Berufsbildungssystems gegen innen und außen.
Ein weiteres Vorhaben, das die Lehrlingsausbildung aufwerten könnte, betrifft den Jugendaustausch zwischen Israel und Deutschland. Im Rahmen eines solchen Projekts sollen
Jugendliche aus beiden Ländern die Gelegenheit erhalten, an zwei- bis dreiwöchigen Weiterbildungskursen in einer breiten Auswahl von
Berufen im Partnerland teilzunehmen.
Stellt euch für einen Moment den Schüler
vor, der die eingangs erwähnte Berufsschule be-
sucht, ein Schüler, der derzeit keinen Lohn für
seine Arbeit erhält. Und stellt ihn euch nach einem zweiwöchigen Praktikum in einer Mercedes-Benz-Garage oder in einem VolkswagenBetrieb vor. Seid versichert, dass er das – symbolische – Diplom, das er erhalten wird, einrahmen und über seinem Bett an die Wand hängen
wird, nachdem er es stolz seinen Lehrern und
potentiellen Arbeitgebern gezeigt hat.
In diesem Sinne werfe ich euch nun den Ball
zu, liebe Leser dieser wichtigen Zeitung. Nehmt
die Herausforderung an! Erste Kontakte sind
bereits geknüpft, und demnächst soll ein Vorprogramm mit unseren Kollegen von der IGMetall-Jugend beginnen. Gerüchten zufolge
soll der Generaldirektor des Ministeriums für
Industrie, Handel und Beschäftigung seine Mitarbeiter bei jedem internen Gespräch mit folgendem Hinweis rügen: »Das deutsche Modell!
Ich möchte, dass ihr das deutsche Modell übernehmt!«
Recht hat er. ∏
Yoram Bar-Kovetz
08/09.04 soli aktuell 11
jav-ratgeber
Voll kompliziert: ª + º = JAV
Eine wichtige Aufgabe bei der
Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV): Die
Ermittlung der Geschlechterquote.
immer die Zahl der weiblichen und männlichen Azubis/jugendlichen Arbeitnehmer,
die am Tag der Einleitung der Wahl tatsächlich im Betrieb beschäftigt sind, zu Grunde
zu legen.
Im Gegensatz zu der Bestimmung der
Anzahl der zu wählenden JAV-Mitglieder
spielt die »Regelzahl« keine Rolle. Hier kann
sich eine andere Zahl ergeben als die, die für
die Berechnung der JAV-Größe zu Grunde
liegt.
is zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im
Jahr 2001 gab es hinsichtlich der
Zusammensetzung der JAV keinerlei Vorgaben des Gesetzgebers. Heute muss der
Wahlvorstand mit dem neu gefassten § 62
Berechnung der Mindestsitze
Abs. 3 berücksichtigen, dass das jeweilige
Die Berechnung der Mindestsitze erfolgt
Geschlecht, das unter den Azubis und junach dem d’Hondtschen Höchstzahlensysgendlichen Arbeitnehmern in der Mindertem. Dazu wird die Anzahl der
heit ist, mindestens entsprebeschäftigten Frauen und Mänchend seinem zahlenmäßigen
ner nebeneinander gestellt und
Verhältnis in der JAV vertreten
jeweils durch eins, zwei, drei,
sein muss. Allerdings nur in
vier usw. geteilt (§ 5 Abs. 1 S. 3
dem Fall, wenn die JAV aus minWahlordnung, WO, 2001). Die
destens drei Mitgliedern beso ermittelten Teilzahlen wersteht.
Der JAV-Ratgeber.
den als Zahlenkolonne unterDurch die Einführung der Mit Wolf-Dieter Rudolph
einander geschrieben. Die
zustehenden Mindestsitze ist
Höchstzahlen sind dafür entscheidend, wie
die Arbeit der Wahlvorstände nicht einfaviele Sitze dem jeweiligen Geschlecht zucher geworden. Die neue Aufgabe des Wahlfallen. Dabei werden unter den gefundenen
vorstandes bei Wahl einer mehrköpfigen
Teilzahlen so viele Höchstzahlen ausgesonJAV: in jedem Fall die Zahl der Mindestsitze
dert und der Größe nach geordnet wie JAVzu ermitteln.
Mitglieder zu wählen sind (§ 5 Abs. 2 S.1 WO
Die konkrete Feststellung der jeweiligen
2001).
Anzahl der Mindestsitze sollte immer am
Das Minderheitengeschlecht erhält so
Tag der Wahleinleitung vorgenommen werviele Sitze zugeteilt, wie Höchstzahlen auf
den. Eingeleitet wird die JAV-Wahl immer
es entfallen (§ 5 Abs. 2 S. 2 WO 2001).
mit Erlass des so genannten Wahlausschreibens. Wer sich die entsprechenden
Achtung:
Musterwahlausschreiben einmal ansieht,
Entfällt die niedrigste in Betracht kommenwird feststellen, dass das Wahlausschreide Höchstzahl auf beide Geschlechter zuben im so genannten vereinfachten als auch
gleich, muss der Wahlvorstand mittels Losim klassischen Wahlverfahren immer die
entscheid die Vergabe dieses Sitzes vorAngabe der Mindestsitze des Minderheinehmen.
tengeschlechts enthalten muss.
B
Ermittlung der Geschlechterquote
Vor Erlass des Wahlausschreibens ist die
Geschlechterquote zu ermitteln, wobei hier
die Wählerliste, die getrennt nach den Geschlechter aufzustellen ist, eine wesentliche
Hilfe darstellt. Um die am Tag X möglichst
genaue Anzahl der im Betrieb vorhandenen
weiblichen und männlichen Azubis/jugendlichen Arbeitnehmern zu ermitteln, sollte an
diesem Tag immer eine Abgleichung der
Wählerliste mit der Arbeitgeberseite/Personalabteilung erfolgen. Von daher sind die
entsprechenden Informationen auch rechtzeitig vom Arbeitgeber anzufordern und am
Tag der Berechnung noch einmal kritisch zu
überprüfen.
Bei der Ermittlung der Mindestzahl ist
12 soli aktuell 08/09.04
Beispiel 1
Die Ermittlung der Beschäftigtenzahl ergibt
58 Azubis/jugendliche Arbeitnehmer. Die
Belegschaft setzt sich nach Geschlechtern
wiefolgt zusammen: 40 Männer und 18
Frauen. Gemäß § 62 Abs. 1 BetrVG ist ein
fünfköpfiges Gremium zu wählen. Die Ermittlung der Mindestsitze geschieht wiefolgt:
geteilt durch 1
geteilt durch 2
geteilt durch 3
geteilt durch 4
geteilt durch 5
Männer
40
20
13,33
10
8
Frauen
18
9
6
4,5
3,6
Vier Sitze fallen auf die Männer und ein
Sitz auf die Frauen. Von daher steht fest,
dass dem Minderheitengeschlecht (hier die
Frauen) in der zu wählenden JAV ein Mindestsitz zusteht.
Beispiel 2
Auch in diesem Beispiel wird von 58 Azubis/jugendlichen Arbeitnehmern und einer
fünfköpfigen JAV ausgegangen. Die Anzahl
der Männer beträgt 28 und die Anzahl der
Frauen 30. Die Berechnung sieht wiefolgt
aus:
geteilt durch 1
geteilt durch 2
geteilt durch 3
geteilt durch 4
Männer
28
14
9,33
7
Frauen
30
15
10
7,5
Auf die Männer entfallen in diesem Beispiel zwei, auf die Frauen drei Sitze.
Da die Männer im vorliegenden Fall die
Minderheit in der Belegschaft darstellen,
stehen ihnen zwei Sitze in der neu zu
wählenden JAV zu.
Kein Vertretungsanspruch
des Mehrheitsgeschlechts
Am letzteren Beispiel wird deutlich, dass
allein der Umstand, dass zwei männliche
Azubis weniger als Frauen der Belegschaft
angehören, der »Gruppe« der Männer zwei
Mindestsitze garantiert. Das in der Mehrheit befindliche Geschlecht (hier die Frauen) hat demgegenüber keinen Anspruch
darauf, dass es in der JAV vertreten ist.
Hier ist allein der Wählerwille ausschlaggebend. Im vorliegenden Fall ist es daher
º
jav-ratgeber
möglich, dass die JAV nur aus Männern besteht.
Wichtig: Die Mindestsitze können nur dann
an das Minderheitengeschlecht vergeben
werden, wenn sich auch entsprechend viele Kandidaten zur Wahl gestellt haben. Kandidiert also niemand für die jeweilige Minderheit, fallen diese Sitze dem anderen Geschlecht zu.
Mindestsitze: Nicht in jedem Fall
Allerdings steht dem Minderheitengeschlecht nicht in jedem Fall ein bzw. mehrere Mindestsitze zu. Gemäß §5 Abs. 2 WO
2001 werden unter den gefundenen Teilzahlen so viele Höchstzahlen ausgesondert und der Größe nach geordnet, wie
JAV-Mitglieder zu wählen sind. Nach §5
Abs. 2 S.2 WO 2001 erhält das Geschlecht
in der Minderheit so viele Mitgliedersitze
zugeteilt wie Höchstzahlen darauf entfallen.
Entfällt keine Höchstzahl auf das Minderheitengeschlecht, so steht diesem auch
kein Mindestsitz zu:
Beispiel 3
Auch hier hat die Ermittlung des Wahlvorstands 58 Azubis/jugendliche Arbeitnehmer
ergeben, wobei sich die Belegschaft wie
folgt aufteilt: 49 Männer und neun Frauen.
Die entsprechende Berechnung ergibt folgendes Bild:
geteilt durch 1
geteilt durch 2
geteilt durch 3
geteilt durch 4
geteilt durch 5
geteilt durch 6
Männer
49
24,5
16,33
12,25
9,8
8,16
Frauen
9
4,5
3
2,25
1,8
1,5
Hier ergibt sich – wenn auch knapp:
Dem Minderheitengeschlecht steht kein
Sitz zu. Was aber geschieht bei einer gleichmäßigen Aufteilung der Geschlechter?
Beispiel 4
Die Azubis/jugendlichen Arbeitnehmer teilen sich in 29 Männer und 29 Frauen auf. In
diesem sicherlich in der Praxis seltenen Fall
ist keine Berechnung durch den Wahlvorstand erforderlich. Die Bestimmung des § 15
Abs. 2 BetrVG geht immer von einer Minderheit aus.
Achtung: Der Wahlvorstand sollte die Ermittlung sorgfältig vornehmen. Hintergrund
ist genau wie bei der Ermittlung der Größe
des zu wählenden Gremiums gemäß §6 BetrVG, dass sich der Wahlvorstand mit der
Feststellung der Mindestsitze zwingend festlegt. Eine spätere Änderung dieser einmal ermittelten und im Wahlausschreiben aufgenommenen Mindestzahl ist auch bei erheblichen Änderungen der Zusammensetzung der
ª
Belegschaft hinsichtlich der Geschlechter
nicht vorgesehen und nicht mehr möglich.
Hinweis: Ob diese von vielen Praktikern
kritisierte Regelung letztendlich auch Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. So
hat das Landesarbeitsgericht Köln (mit Beschluss vom 13. Oktober 2003, Az.: 2 Ta BV
1/03) die Regelung wegen Verstoßes gegen
den Gleichheitssatz für verfassungswidrig
gehalten. Von daher wird das Bundesverfassungsgericht – in einigen Jahren – dazu
eine klärende Aussage machen. Solange
die Verfassungsrichter sich nicht abschließend geäußert haben, muss die Regelung
jedoch ohne Wenn und Aber angewendet
werden. ∏
s u p e r- u r t e i l e
Jüngere Leute I
Beim Inline-Skating handelt es sich es sich nicht
um eine gefährliche Sportart im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Hier der Fall:
Die 61-jährige (!) Klägerin ist bei der Beklagten,
die einen Verbrauchermarkt betreibt, beschäftigt. Am 7. Februar 2002 – an diesem Tag war
»Altweiberfassnacht« – kam die Klägerin in einem Faschingskostüm und mit Inline-Skates zur
Arbeit. Während ihrer Mittagspause zog sie
ihren Handgelenksschutz aus und fuhr mit den
Inline-Skates zur Toilette. Vor der Eingangstür
zum Toilettenvorraum stürzte die Klägerin, da
dort Wasser auf dem Boden stand. In Folge des
Sturzes brach sie sich das rechte Handgelenk
und war bis zum 6. April 2002 arbeitsunfähig.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage Entgeltfortzahlung für die ersten sechs Wochen ihrer
Arbeitsunfähigkeit verlangt. Sie hat einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, so das Landesarbeitsgericht Saarland, da sie den Unfall nicht
im Sinne von § 3 I EFZG verschuldet hat. Verschulden bedeutet nach der genannten Vorschrift nicht bereits jedes fahrlässige Verhalten
im Sinne von § 276 BGB. Schuldhaft handelt danach vielmehr nur, wer gröblich gegen das von
einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt, was
der Klägerin hier nicht vorgeworfen werden
kann.
Beim Inline-Skating handelt es sich nicht um
eine gefährliche Sportart im Sinne der Rechtsprechung, bei deren Ausübung eine Entgeltfortzahlung nicht in Betracht kommt. InlineSkating kann man wie Rollschuhfahren lernen
und trainieren, das Verletzungsrisiko lässt sich –
außer durch den Verhältnissen angepasste Fahrweise – insbesondere durch das Tragen von
Schutzkleidung minimieren.
Die Klägerin musste nicht damit rechnen,
dass sie auf dem kurzen Weg zur Toilette einen
Unfall mit so gravierenden Folgen erleiden könnte. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt,
dass mit nassem Boden in einem Toilettenvorraum und auch vor einer Eingangstür zu diesem
Raum stets gerechnet werden muss. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der
Benutzung von Rollschuhen und Inline-Skates
seit vielen Jahren besonders geübt ist. ∏
LAG Saarland, Urteil vom 2. Juli 2003 – 2 Sa 147/02
Jüngere Leute II
Jüngere Frauen, die greise Beamte heiraten, haben nach deren Tod kaum Aussicht auf nennenswerten Unterhalt vom Staat. Die so genannten
nachgeheirateten Witwen, die Beamte erst in de-
ren Ruhestand geehelicht hatten, müssen vielmehr drastische Kürzungen des Unterhalts hinnehmen und sich zudem eigene Einkünfte anrechnen lassen. Im konkreten Fall bekomme die
Witwe vom Land Niedersachsen zu Recht nur
rund 24 Euro im Monat. Die Frau hatte im Alter
von 64 Jahren einen damals 89-jährigen Pensionär des Landes Niedersachsen geheiratet. Als
der Mann im vergangenen Jahr starb, betrug die
Höhe seiner Pension knapp 3.200 Euro im Monat. Einer »regulären« Witwe hätten davon 60%,
also monatlich rund 1.900 Euro Witwengeld zugestanden. Als das Land ihr stattdessen nur 24,11
Euro brutto überwies, zog die »nachgeheiratete«
Beamtenwitwe vor Gericht.
Doch ihre Klage hatte keinen Erfolg. Dem
Dienstherrn eines Beamten sei nicht zuzumuten,
die Versorgung »nachgeheirateter Witwen« zu
übernehmen, hieß es im Urteil. Konkret dürfe das
Witwengeld wegen des großen Altersunterschiedes zunächst um 25% auf rund 1.430 Euro gemindert werden. Weiterhin führe das hohe Alter des
Mannes zum Zeitpunkt der Eheschließung zu einer Halbierung des geminderten Betrages auf
rund 715 Euro. Und schließlich müssten die eigene
Alters- und Betriebsrente der Witwe angerechnet
werden, so dass der monatliche Unterhaltsbetrag
von 24,11 Euro brutto völlig korrekt sei. ∏
Verwaltungsgericht Lüneburg, Az.: 1 A 159/04
08/09.04 soli aktuell 13
landesbezirke + gewerkschaften
Föderal: gut und schön
Die Kinder- und Jugendhilfe in
die Kleinstaaterei zu schubsen,
ist keine Modernisierung, sagt
der DBJR.
it Sorge hat der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) Bestrebungen
wahrgenommen, die Kinder- und
Jugendhilfe in die Zuständigkeit der Länder
zu legen. Anlass sind Äußerungen vom Verhandlungsführer der Länder, Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sowie
erste Ideen der Kommission von
Bundestag und Bundesrat zur
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (»Föderalismuskommission«), die
in die Öffentlichkeit gelangten. »Die Landesparlamente
sollten vor allem in wichtigen sozialpolitischen Bereichen wie etwa
der Jugendhilfe mehr Kompetenz bekommen, um so auf kürzerem Weg als bisher den
Kommunen helfen zu können«, sagte Stoiber Seine Aussage »Wir haben viel zu hohe
Standards im Kinder- und Jugendhilferecht«
zeigt auf, in welche Richtung es dabei gehen
soll: weitere Einsparungen zu Lasten von
Kindern und Jugendlichen in Deutschland.
M
Dagegen wendet sich der DBJR, die Arbeitsgemeinschaft von 45 Jugendverbänden und Landesjugendringen mit ca. sechs
Millionen Kindern und Jugendlichen als Mitgliedern.
Die zentrale Zuständigkeit des Bundes
für die Kinder- und Jugendhilfe ist nach Auffassung des DBJR unverzichtbar:
∂ Kinder und Jugendliche müssen die gleichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen vorfinden – unabhängig davon,
wo sie leben. Nur der Bund kann sicherstellen, dass in ganz
Deutschland ein qualifiziertes
Angebot für Eltern und Kinder
bereitsteht
∂
Wenn Familien für den
Job umziehen, müssen sie
sich auf die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe verlassen
können – mit gleichen Standards in
der ganzen Republik. Eine Zersplitterung
der Rechte mit Nord-Süd-Gefälle oder OstWest-Schieflage hemmt die Bereitschaft zur
Mobilität in der Bevölkerung und damit die
wirtschaftliche Entwicklung insgesamt
∂ Die Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe darf nicht auf der Strecke bleiben,
wenn 16 unterschiedliche Maßstäbe gesetzt
Ins Rampenlicht
Das Medienhandbuch für die Praxis:
»Schlagzeilen« – das Presse-ABC für Jugendliche.
icht nur was für Merkel, Schröder,
Catterfeld & Co: Schlagzeilen machen. Gerade Jugendliche sollen
mitmischen. »Rein ins Rampenlicht« lautet
die Devise des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR). Zeitung, Hörfunk, Fernsehen
und Internet – junge Menschen sollen mutig in die Medien. Das Handwerkszeug dazu
bietet ein neues Medienhandbuch mit Tipps
und Ideen, Tricks und Kniffen für eine aktive Pressearbeit – Titel: »Schlagzeilen – Presse-Praxis für Jugendliche«.
»Schlagzeilen« erscheint im Rahmen der
bundesweiten Kampagne »Projekt P –
misch dich ein«. »P« steht für Politik und
Partizipation. Die Kampagne wird von einem Aktionsbündnis getragen, zu dem sich
der DBJR, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die
Bundeszentrale für politische Bildung zusammengeschlossen haben. Projekt »P« will
N
14 soli aktuell 08/09.04
die Partizipation von Kindern und Jugendlichen an den für sie wichtigen politischen
Prozessen und Entscheidungen stärken.
Kinder und Jugendliche an Konzeption, Planung und Projektrealisierung zu beteiligen,
ist das zentrale Ziel.
Auf 112 Seiten liefert das Handbuch das
Medien-Einmaleins: vom Outfit einer Pressemitteilung bis zum Themen-Tipp, vom
O-Ton fürs Radio bis zum Fernsehinterview, von der Pressekonferenz bis zum perfekt inszenierten Medien-Event. Und dazu
gibt es jede Menge Ideen, wie man Politiker mit ins Boot und in die Verantwortung
holt, um eigene Ziele und Projekte zu verwirklichen und Entscheidungen zu beeinflussen. ∏
Das Medienhandbuch kann direkt beim DBJR schriftlich
angefordert werden. Hierzu muss dem DBJR lediglich ein
mit 1,44 Euro frankierter DIN A 4-Rückumschlag geschickt werden. Adresse: Deutscher Bundesjugendring,
Mühlendamm 3, 10178 Berlin, Stichwort: »Schlagzeilen«
werden. Es braucht in ganz Deutschland
vergleichbare Standards, um maximale Wirkung und Effektivität zu erzielen. Die Kinder- und Jugendhilfe schöpft ihr Potenzial
nur dann aus, wenn organisatorisch und
fachlich nicht an den Ländergrenzen Halt
gemacht wird
∂ Nationale Gesetze und europäische Verordnungen müssen jugend- und familiengerecht werden. Dies gelingt nur, wenn es eine
Interessenvertretung der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene gibt, bei der die
Fäden zusammenlaufen. Die bundesweit
agierenden Träger der Jugendhilfe benötigen
Ansprechpartner auf Augenhöhe: beim
Bund. Dort müssen sie auch weiterhin die Interessen der Kinder und Jugendlichen einbringen können. Dort müssen auch weiterhin die Entscheidungen fallen.
Mit diesen Forderungen hat der DBJR
die Aktion »Stopp: Kein Kaputthauen. Kein
Scherbenhaufen. Kein Kleinklein.« gestartet. Alle Parlamentarier des Bundestages
und die Verantwortlichen in Ländern haben
Briefumschläge erhalten, aus denen ein rotes Stopp-Schild aus Pappe fällt. ∏
Das Positionspapier des DBJR und anderen Organisationen zur aktuellen Föderalismusdebatte im Internet:
www.dbjr.de/index.php?m=14&id=153
i n i t i at i v e n
Alle gemeinsam
Das Bündnis »Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag« ruft zur diesjährigen Herbstkampagne auf: »Arbeitgeberverbände forcieren
ihre Angriffe auf die Tarifverträge, insbesondere die Arbeitszeit. Es ist ein Versäumnis,
dass sich die bundesweiten Organisationen
nicht bereits vor dem 3. April darauf verständigt haben, wie es danach weiter gehen soll
mit den Protesten«, heißt es in dem Schreiben.
Diese Kampagne sei Bestandteil einer
langfristigen Auseinandersetzung, ob und in
welcher Weise Grundinteressen auf ausreichende Löhne und Sozialleistungen durchgesetzt werden könnten: »Wir wollen die Rücknahme der Agenda 2010, den Sozial-, Bildungs- und Lohnabbau stoppen und ihn nicht
sozialverträglich mitgestalten.«
Die Initiatoren beabsichtigen, »eine neue
soziale Bewegung zu stärken und eine bessere Ausgangsposition für die nächsten Runden
zu schaffen«. ∏
Infos: Bernd Riexinger, E-mail: [email protected],
oder Sabine Leidig, E-mail: [email protected],
www.alle-gemeinsam-gegen-sozialkahlschlag.de
landesbezirke + gewerkschaften
Mehr Auslese
GEW kritisiert geplante
Bildungsstandards als sozial
ungerecht. Sie zementieren die
miserablen Pisa-Ergebnisse.
ie Kultusministerkonferenz (KMK)
hat im Juli in Berlin die neuen Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9) und für
die Grundschule (Jahrgangsstufe 4) vorgestellt. Nach Ansicht der GEW-Vorsitzenden
Eva-Maria Stange verspielen die Kultusminister damit die Chancen, die die Standards bieten. Denn helfen würden sie nur
dann, wenn sie rechtzeitig zur Feststellung
von Kompetenzdefiziten eingesetzt und
durch zusätzliche individuelle Fördermaßnahmen ausgeglichen werden. In den Klassen 4 und 9 seien Bildungsstandards jedoch überflüssig. Zu diesem Zeitpunkt
D
könnten Unterstützungsleistungen nicht
mehr greifen.
Die Standards würden vielmehr dazu
missbraucht, Schüler scheinbar gerechter
als Haupt-, Realschüler oder Gymnasiasten
einzuordnen beziehungsweise sie in den
Beruf oder weiterhin auf die Schule zu
schicken. Dadurch würden soziale und ethnische Benachteiligungen verstärkt. Dies
sei der falsche Weg und unterstreiche die
schlechten Ergebnisse der Schulstudie Pisa,
kritisiert die GEW. Diese hätte bereits gezeigt, dass in Deutschland die soziale Herkunft der Kinder ihre Bildungschancen stärker beeinflusse als in vergleichbaren Industriestaaten.
»Die Standards müssen endlich in ein
Gesamtkonzept eingebettet und von unabhängigen Wissenschaftlern begleitet werden«, verlangt Stange. Damit die Standards
Nicht nur Turnschuhe
Kinderarbeit, das Geschäft mit dem Tod: IG BAU fordert
Gütesiegel für »saubere Grabsteine«. Vor allem für Zuhause.
on den nach Deutschland importierten Grabsteinen kommen 80
Prozent aus Indien, dem Land mit
dem höchsten Anteil von Kinderarbeit in der
Welt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen
bei der Steinbrucharbeit sind miserabel: Die
Hilfsorganisation Misereor hat nachgewiesen, dass bei der Grabstein-Produktion Kinderarbeit keine Ausnahme ist. Aber auch die
Erwachsenen bekommen für ihre Arbeit nur
Hungerlöhne – 0,16 Euro pro Tag beträgt der
gesetzliche Mindestlohn im Granit-Bundesstaat Tamil Nadu.
»Mit den Niedrigstlöhnen von Kindern
und Steinbrucharbeitern in Schuldknechtschaft zwingen skrupellose Geschäftemacher den hiesigen Steinbruchfirmen eine unschlagbare Konkurrenz auf«, erklärte IG
BAU-Bundesvorstandsmitglied Rolf Steinmann. Die IG BAU wie auch die SteinmetzInnung fordern daher ein Gütesiegel für
»saubere Grabsteine«. »Arbeitgeber, Handel
und kritische Verbraucher müssen gegen
diese menschenverachtende Ausbeutung
Stellung beziehen«, forderte der Gewerkschafter.
Auch die Bundesregierung warnt: »Kinderarbeit zerstört Zukunftschancen. Wenn
Kinder arbeiten müssen, können sie nicht in
die Schule gehen und verpassen die Chance
V
auf eine bessere Zukunft. Damit sich
Schwellen- und Entwicklungsländer nachhaltig entwickeln können, müssten gerade
dort alle Kinder ausreichende Bildung erhalten«, so die Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, im »Zwischenruf« der Juli/August-Ausgabe der IG
BAU-Mitgliederzeitschrift »Der Grundstein/Der Säemann«.
Da kann die Ministerin gleich mal zu
Hause Entwicklungshilfe leisten: Am 20. Juli haben mehrere hundert Auszubildende
des Maler- und Lackiererhandwerks in Hamburg gegen Arbeitgeberforderungen demonstriert, die in den laufenden Tarifverhandlungen die Ausbildungsvergütungen
um bis zu 30 Prozent absenken wollen. Die
Arbeitszeit für Auszubildende soll auf 40
Stunden verlängert und das zusätzliche Urlaubsgeld von 25 Prozent auf 15 Prozent reduziert werden.
»Die Arbeitgeber sind sich für keine noch
so dreiste Forderung zu schade«, sagte IG
BAU-Bundesvorstandsmitglied Andreas
Steppuhn, Verhandlungsführer der Gewerkschaft für die Branche. »Azubis sind aber keine Billigarbeitskräfte. Wir werden den Arbeitgebern zeigen, dass sich die Auszubildenden zu wehren wissen«, so Steppuhn. ∏
in den Schulen umgesetzt werden können,
sei es notwendig, auch die Lehrkräfte in den
Prozess einzubeziehen. Wichtig sei vor allem, Regeln zu schaffen, die für alle Schulen
Gültigkeit besitzen.
Die vorgelegten Bildungsstandards sind
nach Ansicht der GEW-Vorsitzenden nicht
umsetzbar. Sie fordert, die Hauptschulstandards für das Fach Deutsch zurückzunehmen. Grundsätzlich überarbeitet werden
müssten die Regeln für die erste Fremdsprache. Die für das Fach Mathematik seien
immerhin für die weitere Diskussion geeignet. Dem Stand der fachlichen Diskussion
entsprächen die Grundschulstandards.
Trotzdem müssten auch hier Schwächen
ausgeglichen werden.
Ab dem Schuljahr 2004/2005 werden alle 16 Länder die Standards einführen. ∏
Infos zu den Bildungsstandards: www.kmk.org
kräftig aufgepustet
99 Luftballons für
ein soziales Europa
Am 9. Juli 2004 endete die 14-tägige »Tour
d’Europe« von 21 jungen Gewerkschaftern
aus sechs europäischen Ländern vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Mit 99 roten
Luftballons ließen die Teilnehmer die Botschaften und Wünsche von tausenden Jugendlichen in den Himmel steigen, die sie auf
ihrer Reise von Berlin über Warschau, Wien,
Prag, Bonn und Amsterdam eingesammelt
hatten. »Wir wollen ein soziales Europa«, sagte der IG BAU-Bundesjugendsekretär Sven
Gehrdau in Brüssel. »Junge Leute fühlen sich
zu wenig über Europa informiert, insbesondere in den Beitrittsländern haben viele den
Eindruck, nur Bürger zweiter Klasse zu sein.«
Auf Initiative der IG BAU-Jugend hatten
sich Auszubildende und jungen Arbeitnehmer aus der Bau- und Landwirtschaft zusammengetan, um »das größer gewordene Europa zu entdecken und die Informationslücken
zu schließen«.
Unterstützt wurde die Reise von den teilnehmenden Gewerkschaften und aus einem
Jugendprogramm der Europäischen Kommission. Mit einem bunt bemalten Reisebus
machten die Jugendlichen in sechs europäischen Ländern Station und führten an InfoPoints Gespräche mit anderen jungen Menschen, sammelten deren Meinungen und Forderungen über das gemeinsame Leben in Europa. ∏
www.tour-d-europe.org
08/09.04 soli aktuell 15
tipps + termine
Absender: DGB-Bundesvorstand, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
w e b -t i p p d e s m o n at s
Die Befürworter der Einführung von mehr
zweijährigen Ausbildungsberufen mit abgesenktem Anforderungsniveau erhoffen sich
einen positiven Effekt auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Zugleich sollen
damit benachteiligte Jugendliche gefördert
werden, die sonst keinen Ausbildungsplatz
bekommen würden.
Alles Quatsch, befindet selbst das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB). In einer
Expertise sprechen sich die Bundesausbildungswissenschaftler dafür aus, diese beiden Ziele differenzierter zu betrachten. In
pointierter Weise zeigen sie, dass die Reduzierung von Ausbildungsinhalten sowie das
Absenken des Qualifikationsniveaus mit einer Reihe von Konsequenzen für das deutsche Bildungssystem verbunden sind.
Schließlich werden die Erfolgsaussichten
von Einfachberufen eingeschätzt und Defizite in der aktuellen Diskussion aufgezeigt.
Letzter Aufruf: Kommt
zur Herbstakademie der DGB-Jugend! Titel dieses
Jahr: »Das ›neue
Europa‹: Privatbesitz – Betreten verboten?« Diese Frage wird vom 29. September bis
zum 3. Oktober in der DGB-Jugendbildungsstätte Flecken
Zechlin beantwortet werden. Weiterer Diskussionsstoff:
Europa der Märkte oder der Menschen? Beginnt mit Europa der Krieg um Jobs? Wem gehören Wasser, Schule, Krankenhaus? Wird Europa eine Zwei-Klassen-Demokratie? Was
will die Militärmacht Europa?
+
A 8895
Online-Protest: Von Olaf
Schwede, dem Star der
nördlichen Gewerkschaftsjugend,
erreicht uns die Nachricht: Das
Internetportal »Bildung ist keine
Ware« ist nun aktuell online. Wer
Seiten hat, die man verlinken
kann, möge sich über die Internetadresse an den quirligen Jugendsekretär aus Hamburg wenden.
+
Infos: Daniel Wucherpfennig, Tel.: 030 / 21 24 03 12, E-mail: daniel.
[email protected], www.dgb-jugend.de/
herbstakademie. Anmeldungen: Fax: 033 923 / 74 01 4, E-mail:
[email protected]
www.bildung-ist-keine-ware.de
Fachtag »Förderung schulmüder und schulverweigernder Jugendlicher«. Wer in der Schule einschläft,
www.bibb.de/dokumente/pdf/leitartikel_
pennt auch sonst: Die Fachveranstaltung mit Projektmesse
zweijaehrige-ausbildungsgaenge_beitrag2.pdf
wird vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt. Zur Projektmesse werden 34 Projekte des »Netzwerks Prävention
von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung« aus ganz
Steuerklau: Der KommuniDeutschland ihre Arbeitsansätze vorstellen.
kationskonzern Vodafone
Infos und Anmeldung: Netzwerk Prävention von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung,
Deutsches Jugendinstitut, Außenstelle Halle, Ulrike Richter, Tel.: 0345 / 68 17 821, E-mail:
ist in die Kritik geraten, weil das
[email protected], www.dji.de/schulmuedigkeit
Unternehmen einen Buchverlust
aus der Übernahme des deutschen Mobilfunkanbieters ManContest: Zum vierten Mal
Soaps: Wieso sind Jugendlinesmann in Höhe von 50 Mrd.
lobt das Bündnis für Demoche so fasziniert von tägliEuro abschreiben will. Dadurch
kratie
und
Toleranz
den
Wettbechen
Seifenopern?
Aus welchen
hätte das Unternehmen auf dem
werb
»Aktiv
für
Demokratie
und
Gründen
sitzen
täglich
zwölf Mio.
Papier einen riesigen Verlust und
Toleranz« aus. Bewerben können
Menschen vor diesen Fernsehsewürde in den nächsten Jahren
sich Initiativen und Organisatiorien? Eine neue Untersuchung
rund 20 Mrd. Euro Steuern spanen, die Projekte, Aktionen oder
gibt Aufschlüsse über Motivation
ren. Attac macht mit dieser KamKonzepte entwickelt haben, die
und Folgen des Konsums dieser in
pagne auf die Steuerpraxis großer
sich
für
Demokratie
und
eine
inSerienform gegossenen WerbeUnternehmen aufmerksam und
terkulturelle Gesellschaft sowie
spots.
setzt sich dafür ein, Steuergegen
Rassismus
einsetzen.
Jeannine Simon: Wirkungen von Daily
schlupflöcher zu schließen.
+
impressum
Namentlich gekennzeichnete Artikel
geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder.
Verantwortlich für den Inhalt:
Ingrid Sehrbrock
Herausgeber:
DGB-Bundesvorstand, Abt. Jugend,
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin,
Tel.: 030 / 240 60 172, Fax: -409
E-mail:
[email protected]
Internet:
www.dgb-jugend.de
Druck:
toennes druck+medien gmbh, Erkrath
Redaktion:
Jürgen Kiontke
Grafik:
Heiko von Schrenk
Aboverwaltung:
Daniela Linke, Tel.: 030 / 240 60 166,
E-mail: [email protected]
Gefördert aus Mitteln des Kinder- und
Jugendplans des Bundes (BMFSFJ)
+
www.attac.de/vodaklau
+
+
Bewerbungsschluss: 30. September 2004.
Infos: www.buendnis-toleranz.de/
Anlage13501/ Flyer.pdf
Soaps auf Jugendliche. Verlag Reinhard
Fischer, München 2004, 284 S., 22 Euro
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∂
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