- Kölner Freiwilligen Agentur

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- Kölner Freiwilligen Agentur
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Vorwort
Zwischen Herbst 2003 und Herbst 2004 hat die Kölner Freiwilligen Agentur
zehn Freiwillige in die Partnerstädte vermittelt. Sieben Freiwillige kamen aus
den Partnerstädten nach Köln. Alle haben viel zu erzählen. Über das Alltagsleben in Barcelona, Cork, Istanbul, Lille und Rotterdam. Über die Arbeit mit
behinderten Menschen, in Jugendinformationszentren, in der Theaterarbeit
und in der Produktion von Kunstwerken. Über ihre Erfahrung in einer fremden Kultur, die so manche Überraschung mit sich brachte.
Einige der Freiwilligen haben ihre Berichte schriftlich verfasst und machen
sie hier der Öffentlichkeit zugänglich.
Der internationale Freiwilligendienst wäre nicht möglich ohne die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer. Wir bedanken uns bei der GEW Stiftung
Köln, der Robert-Bosch-Stiftung, der Annemarie und Helmut Börner Stiftung,
der Europäischen Union, dem Arbeitsamt Köln, der Stadt Köln und insbesondere den Spenderinnen und Spendern, die mit kleinen und großen Beträgen
zum Gelingen der Freiwilligendienste beigetragen haben.
Ein herzliches Dankeschön sagen wir Sabine Joo für das Korrekturlesen und
Brigitte Singer für den Entwurf des Titelblatts.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!
Ulla Eberhard und Christine Eschbach
für die Kölner Freiwilligen Agentur
Zum Hintergrund
Das Projekt „Freiwilligenaustausch mit Partnerstädten“ richtet sich speziell an
junge Menschen aus Köln und aus den Partnerstädten. Junge KölnerInnen
zwischen18 und 25 Jahren leben ein halbes oder ganzes Jahr in einer Kölner
Partnerstadt und engagieren sich in einem sozialen, kulturellen oder ökologischen Projekten. Umgekehrt kommen junge Menschen aus den Partnerstädten nach Köln und helfen dort mit, wo sie gebraucht werden.
Die Freiwilligen erhalten während ihres Aufenthalts Unterkunft, Verpflegung
und ein monatliches Taschengeld. Sie sind versichert und haben Anspruch
auf „Urlaub“. Zu Reisekosten und Sprachkurs wird ein Zuschuss gewährt.
Vor, während und nach des Freiwilligendienstes wird pädagogische Begleitung angeboten.
Aus den 23 Kölner Partnerstädten hat die Kölner Freiwilligen Agentur zur Zeit
die folgenden ausgewählt: Barcelona, Cluj Napoca, Cork, Istanbul, Katowice,
Lille, Rotterdam, Tel Aviv und Thessaloniki.
Wenn Sie den internationalen Freiwilligendienst unterstützen wollen, hier ist
das Spendenkonto der Kölner Freiwilligen Agentur bei der Kölner Bank von
1867: Konto 421 030 049, BLZ 371 600 87
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Bericht aus Barcelona
Anna Schmidt, Barcelona Voluntaria
Berichte aus Cork
Lisa Bettray, Boomerang Youth Theater
Brigitte Singer, St. Laurence Cheshire Home
Bericht aus Istanbul
Wenke Niehues, Youth Association for Habitat and Agenda 21
Berichte aus Lille
Lambert Magseme-Lunani, Unis-Cité
Sabine Schwarz, Unis-Cité
Bericht aus Rotterdam
Moritz Alpert, Atelier van Lieshout
Bericht aus Köln
Eva Willach, Interview mit Nese Ünal aus Istanbul
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Anna Schmidt
Freiwilligendienst in Barcelona / Spanien
Einsatzstelle: Barcelona Voluntaria
Vom 1. März bis 31. August 2004
B- begegnung
A- ameisenhaufen
R- riesenabenteuer
C- cerveza
E- espana
L- lachen
O- offenheit
N- niemals nie
A- abknutschen
Barcelona, die Stadt, in die ich mich nach meinem ersten 2-tägigen Besuch
während einer Tour im Wohnmobil verliebt hatte...
Nach diesen 2 Tagen Aufenthalt hatte ich mir immer gewünscht, hierher noch
einmal zurückzukehren. 2004 war es dann soweit. Ich bekam die Chance, für
6 Monate in Barcelona zu leben und zu arbeiten.
Das wäre soweit alles wunderbar gewesen, wären da nicht die Sprachprobleme gewesen! Denn leider konnte ich bis zu diesem Moment nur das typische „Mallorca-Spanisch“, hatte mir allerdings nie Gedanken über dadurch
entstehende Probleme gemacht. Viel mehr war es für mich ein großer Erfolg, überhaupt nach Barcelona gehen zu dürfen, da sich viele Freiwillige für
diese wunderschöne Stadt beworben hatten. Ich dachte mir einfach : „ das
mit der Sprache, das wird sich sicher schon irgendwie ergeben“...Hat es
auch…
Ich habe in einer WG in Badalona, 20 Minuten von Barcelona entfernt, gewohnt, mit vier anderen Freiwilligen aus Italien, Frankreich, Lettland und Polen!! Man kann kaum beschreiben, was für eine unglaubliche Bereicherung
diese verschiedenen Kulturen waren bzw. sind. Trotz der anfänglichen Vorurteile untereinander, dass die Deutschen nur Bier trinken, die Franzosen nur
Croissants essen oder etwa die Polen immer klauen, hat sich doch schnell
gezeigt , dass dies eben die typischen Vorurteile sind, die wir aber schnellstens ausräumen konnten! Außer dem einen: die Italiener kochen tatsächlich
nur Pasta! Da wir nun in Barcelona lebten, haben wir alle mehr oder weniger
versucht, Spanisch zu sprechen.. Das verlief anfänglich immer auf „Zeichensprachenspanisch“, doch nach und nach haben es alle gelernt, teilweise
durch richtiges Vokabeln pauken, durch zuhören und eben durch die Leute in
unserer WG, da wir uns ständig gegenseitig korrigiert haben! Da merkte man
erst, was Spanisch für eine schöne Sprache ist☺.
Der erste Monat war für mich oftmals nicht einfach, man lässt sein altes Leben zurück und fängt eben ganz neu an, ohne die Sicherheit von Freunden
und Familie! Rückblickend würde ich es jetzt aber jedem empfehlen. Auch
wenn man die Sprachen des jeweiligen Landes nicht spricht. Es ist faszinie-
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rend, dass, wenn man eine Sprache reden muss, sie unglaublich schnell lernen kann.
Der zweite Monat war dagegen wesentlich entspannter. Mein Spanisch hatte
sich verbessert und dadurch die Beziehungen mit andern Leuten einfacher
gemacht. Eine große Hilfe waren in diesem Fall auch die Leute meiner Arbeitsstelle. Ich habe in einer Einrichtung für Multiple Sklerose Patienten gearbeitet. In dieser Tageseinrichtung wird für Betroffene Yoga, Zeichnen,
Massage, Töpfern und ein Fahrservice angeboten. Dort war ich die „Frau für
alles“! Da, bis auf 2 Personen, alle auf einen Rollstuhl angewiesen waren,
brauchten sie auch oft Hilfe, um zur Toilette zu gehen, Schuhe zu binden
oder sich die Jacke an zu ziehe, alltägliche Handgriffe, die für uns mehr als
normal sind, für die Patienten jedoch nicht. Natürlich war es zu Beginn nicht
einfach, da ich vorher nie mit Behinderten gearbeitet hatte. Doch Dank ihrer
Engelsgeduld, mir die Sachen nicht nur einmal sondern eben auch öfters zu
erklären, haben wir uns schnell gegenseitig vertraut und waren am Ende wie
eine richtige Familie, zu der ich noch immer guten Kontakt habe.
Zum Schluss ist da noch die traumhafte Stadt Barcelona! Eine Stadt, die nur
so sprüht vor Energie! Hier gilt das Motto, jeder Jeck ist anders! Es gibt eine
unglaubliche interkulturelle Vielfalt, so dass man die Leute, wenn man durch
die Stadt schlendert, selten Spanisch reden hört! Es gibt viele alternative
Menschen, die in den Parks auf ihren Trommeln Musik machen, Gedichte
vortragen oder einfach das Leben genießen! Hier findet man immer ein Moment Zeit, um mit einem Bekannten einen Kaffee zu trinken und dabei, wenn
kein anderes Thema vorhanden ist , eben stundenlang über das Wetter zu
reden! Die Leute sind offen und überhäufen ihr Gegenüber gerne mit Küssen
und guten Worten, so dass es für mich kein Wort gibt, was dieses Lebensgefühl dort beschreiben könnte. Ein besonderes Gefühl…
Auch deswegen ist Barcelona für mich noch immer eine traumhafte Stadt,
und ich bin mir sicher, dass ich nicht das letzte mal dort war…
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Lisa Bettray
Freiwilligendienst in Cork / Irland
Einsatzstelle: Boomerang Theatre Company
Vom 14. September 2003 bis 30. April 2004
„Hello Lisa, how are you?“ war die Standardbegrüßung am Morgen. Und fast
immer konnte ich sagen „Fine, thanks“. Mein Europäischer Freiwilligendienst
in Cork/Irland war eine unglaubliche Erfahrung. Die Arbeit, die Menschen,
das Land, die Kultur, meine Unabhängigkeit, die Liste der herausfordernden
und spannenden Dinge ist lang.
Die Arbeit bei der Boomerang Theatre Company ist sehr vielseitig. Am Anfang war ich hauptsächlich mit den wöchentlichen Theaterkursen für Kinder
und Jugendliche beschäftigt, wobei die Hauptorganisation und Vorbereitung
der Kursleiterin zufiel. Mit mir arbeiteten noch andere Europäische Freiwillige
bei Boomerang, die schnell zu Freunden und sehr wichtig für mich wurden.
Gemeinsam arbeiteten wir an nationalen und internationalen Jugendprojekten, wie z.B. „Stepping out into Europe“. Diese schwedisch-deutschitalienisch-irische Kooperation warf einen kritischen Blick auf die Schulsysteme der jeweiligen Länder. Als den Initiatoren dieser Zusammenarbeit lag
die Hauptverantwortung bei uns. Es wurde allerdings bald klar, dass die Motivation der irischen Gruppe nicht ausreichend war, um das Projekt zu tragen.
Insofern hatten wir Freiwillige mitunter Problem, das Projekt voranzutreiben.
Wir konnten es kurz vor meiner Abreise dann abschließen.
Boomerang Theatre Company trägt, zusammen mit einer nordirischen Theatergesellschaft, u.a. auch ein irisches Netzwerk namens YOU C.A.N.. Im
Namen dieser Einrichtung finden mehrmals im Jahr Seminare und Konferenzen statt. Ich hatte im Oktober 2003 die Möglichkeit, ein Seminar sowohl mit
vorzubereiten, als auch selber daran teilzunehmen. Das Seminar fand in einem Hotel an der Nordwestküste Irlands statt, und die Landschaft, kombiniert
mit meinem Tanzseminar, war ein gutes Erlebnis.
Während meiner Zeit bei Boomerang hatte ich mit vielen unterschiedlichen
Projekten zu tun. Das Arbeiten bei Boomerang war nicht einfach. Es brauchte einige Zeit und Kraft, um die Arbeitsweise und Organisation zu durchblicken und mich daran zu gewöhnen. Dabei blieben einige Unklarheiten und
Differenzen bis zum Schluss. Bei dem teilweise sehr stressigen und diffusen
System des Büros ist es für Freiwillige leicht, durch das Organisationsnetz zu
fallen. Gut für mich war auch, Freunde bei der Arbeit zu haben, so dass man
sich gegenseitig auffangen konnte.
Gemeinsam konnten wir dann auch Irland entdecken. Und dort gibt es viel
zum Staunen: tolle Küsten, Strände, aber auch Berge und Seen. Bemerkenswert an dieser Insel ist vor allem die Vielseitigkeit der Landschaften auf
so engem Raum. Und nach jeder kleinen Reise konnte ich es kaum bis zum
nächsten Ziel erwarten.
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Was meine Bekanntschaften angeht, so kann ich es immer noch nicht glauben, was für ein Glück ich hatte. Sowohl durch die Arbeit, als auch durch andere Freiwillige oder meine Mitbewohner habe ich in Cork viele nette und
offene Menschen getroffen, die Cork und meine Zeit dort für mich eigentlich
erst richtig lohnend gemacht haben. Und dies ist auch ganz klar meine beste
Erfahrung gewesen: In einer Stadt, wo dich niemand kennt, Leute zu finden,
die an dir interessiert sind, und die man als Freunde gewinnt. Und so hat der
europäische Aspekt meines Freiwilligendienstes viel zur gegenseitigen Toleranz und Offenheit gegenüber Fremdem und Neuem geführt.
Wenn man im Ausland lebt, ist das Tempo des Alltags und die Folge von Erfahrungen sehr schnell und intensiv. Selbs,t nachdem ich meinen Rhythmus
im Alltag gefunden hatte, war jede Woche anders als die vorigen. Und es ist
ein gutes Gefühl, stolz darauf sein zu können, alle großen und kleinen Herausforderungen auf irgendeinem Weg gemeistert zu haben.
Ich hätte am Ende auch noch ein paar Wochen länger bleiben können. Doch
es ist wie ein Freund dort beim Abschied zu mir sagte: „Wenn du gehst,
wenn es dir gerade am Besten gefällt, dann wirst du deine Zeit hier immer in
guter Erinnerung haben.“ Und er hatte recht.
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Brigitte Singer
Freiwilligendienst in Cork / Irland
Einsatzstelle: St Laurence Cheshire Home
Vom 24. Juli 2003 bis 23. Januar 2004
Mit einigen Turbulenzen bei der Fluglandung auf Cork konnte ich mich so
richtig auf das Abenteuer Freiwilligendienst in Irland einstellen. Ein halbes
Jahr raus aus Köln, das war für mich ein Traum, der nun in Erfüllung ging,
und ich war sehr gespannt auf diese Zeit.
Bereits nach kurzer Zeit lebte ich mich gut ein und bewohnte mit Thea, einer
Freilligen aus Dänemark, ein Apartment im St. Laurence Cheshire Home, das ein wenig außerhalb von Cork liegt.
Mit weiteren Freiwilligen aus ganz Europa unterstützten wir die „Residents“
des Wohnheims für Menschen „with special needs“, behinderte Erwachsene,
die auf Unterstützung angewiesen sind. Ich begleitete die Residents bei regelmäßigen Ausflügen und zum Einkaufen. Im „Activity Room“ halfen wir bei
allgemeinen Freizeitbeschäftigungen wie Handarbeiten, Backen, Briefe und
E-Mails schreiben, kleinere Geschenke basteln und Feiertage vorbereiten.
Regelmäßig unterstützten wir geschulte Lehrer und Therapeuten von externen Organisationen und Schulen bei Kursen im St.Cheshire Home. Diese
Kurse werden immer gerne von den Residents in Anspruch genommen, denn
sie sind sehr lehrreich, auch für uns Freiwillige war das oft so. Die Kurse beinhalteten z.B Malerei, Kunst im Sinne einer Skulptur für das Cheshire Home,
Musiktherapie, Meditation, Theater, Hauswirtschaft, kreatives Schreiben
u.v.m. Bei manchen Kursen dienten wir Freiwilligen mehr als Statisten aber
bei vielen wurden wir voll mit einbezogen, indem wir z.B. Bildentwürfe mit
den Residents entwarfen oder selber kleinere Rollen im Theaterstück übernahmen.
Jeder Tag war gefüllt mit vielfältigen Angeboten. Besonders beliebt war das
Bingospielen, bei dem die Residents kleine Preise gewinnen konnten. Bingo
ist eine Art Lotto, welches sehr beliebt ist bei den Iren und oft in riesigen Hallen mit mehreren hundert Teilnehmern gespielt wird. Wir haben es allerdings
nur auf maximal zwanzig Spieler gebracht.
Da ich bereits einige Erfahrungen im Zusammenleben mit Menschen mit Behinderungen in Deutschland hatte, konnte ich nun in Irland einige Vergleiche
machen.
Im allgemeinen ist die Situation ähnlich, obwohl man in Irland mittlerweile viel
mehr Einrichtungen finden kann die mit Rollstühlen zugänglich sind. Leider
ist es aber auch heute noch in manchen Familien so, dass die Behinderung
eines Familienmitglieds als Wertminderung der Familienehre gesehen wird
und die Betroffenen in Heime abgeschoben werden. Ich denke, in Deutschland ist man im privaten Bereich toleranter mit Behinderungen, nur im öffentlichen Bereich werden die besonderen Bedürfnisse noch zu selten erkannt.
Vielleicht liegt es aber auch an der Tatsache, dass die meisten öffentlichen
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Gebäude (Opera House, Shopping Centre, etc.) noch relativ jung sind im
Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen z.B. in Köln.
Die Lebenshaltungskosten in Irland sind ziemlich hoch, die billigste Zahnpaste war noch recht teuer und letztendlich war der Geschmack für mich ausschlaggebend, aber dafür musste ich dann auch schon 3,00€ bezahlen. Erstaunlicherweise waren jedoch die Preise beim Ausgehen für z.B 1Pint
(560ml) Guinness wesentlich günstiger als die vergleichbare Menge Kölsch
in Köln. Ein Einkaufstipp für alle sind sicherlich die Second Hand Shops und
Discounter, dort kann man sehr schöne Andenken besorgen. Ich persönlich
habe zwei dicke Kisten mit Büchern mit nach Hause genommen.
Beim „On Arrival Training” (dem Einstiegslehrgang) in Dublin lernte ich andere europäische Freiwillige kennen, die zur gleichen Zeit in ganz Irland im
Freiwilligendienst waren. Dieses Training und auch das „Mid Term Training“
(eine Halbzeitbilanz von den Freiwilligen) waren für mich eine besondere Bereicherung, da ich so auch hinter die Kulissen der Einsatzstellen der anderen
Freiwilligen schauen konnte, und auch ein wenig Hilfe durch die anderen bekam, als ich Probleme hatte, so wie ich anderen helfen konnte, ihre Probleme zu lösen. Außerdem hatten wir in diesen Tagen gute Möglichkeiten, auch
ein wenig mehr von irischer Kultur mitzubekommen. Auf dem Programm des
Trainings standen u.a. Besuche in einem Moorgebiet, einem sozialen Randgebiet in Dublin, einer irischen Tanzrunde und natürlich jede Menge Pubs.
Einige der Freiwilligen wohnten ebenfalls in Cork und so konnten wir uns regelmäßig zu einem Schnupperkurs in irischem Tanz oder zum Bummeln in
Cork mit anschließendem Besuch im irischen Pub treffen. Da mein 21. Geburtstag in meinen Freiwilligendienst fiel, konnte ich zum zweitenmal meine
Volljährigkeit mit meinen neuen Freunden feiern.
Ich konnte die Zeit in Irland auch nutzen, um einen Englischkurs an der Uni
zu besuchen und den „First Cambridge Exam“ zu machen. Dieser Sprachkurs gab mir eine weitere Möglichkeit, Leute kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen.
Die Arbeit im St. Laurence Cheshire Home hat mir sehr viel Spaß gemacht
und ich habe viel für mich und meine Zukunft gewinnen können. Mit einigen
der Residents schreibe ich noch regelmäßig Briefe und E-Mails, auch wenn
es leider seltener ist als ich mir ursprünglich vorgenommen habe.
Auch in Zukunft möchte ich bei meiner beruflichen Orientierung mit Menschen mit Behinderung arbeiten, und ich konnte dafür für mich persönlich
viele Erfahrungen aus dem Cheshire Home mitnehmen.
Alles in allem war es für mich eine gelungene Zeit, ich habe viele Kontakte zu
Menschen aus ganz Europa und besonders zu Menschen in Irland aufgebaut. Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse verbinden auch über die
Zeit des Freiwilligendienstes hinaus. .Anderen Interessierten am Freiwilligendienst in Cork gebe ich gerne weitere Tipps. Ich denke, jeder der die Möglichkeit hat den Freiwilligendienst zu nutzen, sollte diese Chance wahrnehmen.
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Wenke Niehues
Freiwilligendienst in Istanbul/Yalova in der Türkei
Einsatzstelle: Youth Association for Habitat and Agenda 21
Vom 15. November 2003 bis 14. August 2004
9 Monte Türkei - am Anfang noch eine unglaublich lange Zeit - manchmal
verging sie schneller - wenn man mal wieder so viel Neues erlebte und man
gar nicht dazu kam, all das Erlebte auch zu verarbeiten. Doch dann verging
sie auf einmal wieder schleppend langsam – sie schien fast stehen zu bleiben - und der Berg von Problemen, vor dem man stand, ließ sich einfach
nicht erklimmen. Doch irgendwann hat man selbst den geschafft und man
kommt, um ein paar Erfahrungen reicher, oben an – und ehe man sich versieht – genau dann, wenn es am schönsten ist, wenn alles gut läuft, man sich
so richtig schön eingelebt hat - dann heißt es wieder Sachen packen und
Abschied nehmen, die 9 Monate sind rum- es geht heimwärts.
So ein längerer Auslandsaufenthalt ist eine unheimlich reiche Zeit, man erlebt so viel, muss sich so vielen Situationen stellen. Man durchläuft so viele
Hochs und Tiefs. Und zwischendurch muss man sich immer mal wieder selber zwicken, damit man realisiert, dass man wirklich da ist, man es wirklich
gewagt hat und jetzt um so glücklicher ist.
Für mich hieß es am 15. November 2003 Abflug vom Köln/Bonner Flughafen
direkt in die Metropole, dem Herzen der Türkei, nach Istanbul. 9 Monate
lang wollte ich in einer NGO (Nichtregierungsorganisation) in Yalova, einer
kleinen, gemütlichen Stadt, eine Stunde von Istanbul entfernt, meinen europäischen Freiwilligendienst leisten.
Türkei, das hörte sich für mich so fremd an, so anders. Das Morgenland, der
Orient, der asiatische Kontinent, der Islam, Frauen mit Kopftuch und die kriselnde wirtschaftliche Lage. All das reizte mich. Obwohl ich hier auch türkische Freunde habe, muss ich zugeben, dass meine Assoziationen, die ich
zur Türkei hatte, nicht wirklich positiv waren. Aber gerade das waren die besten Vorraussetzungen, um selber einmal hinzufahren, selber zu erleben und
sich ein Bild zu machen. Und dann – ich werd es nie vergessen - gleich die
erste Härteprobe auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel.
Zusammen mit Hanna, der zweiten deutschen Freiwilligen, kamen wir am
Istanbuler Flughafen an. Natürlich wurden wir auch gleich von Jasmin, einer
Freiwilligen der türkischen Organisation, in Empfang genommen. Sie sollte
uns bis zum Hotel eskortieren, denn Taxifahren in Istanbul ist längst nicht so
eine komfortable, luxuriös Sache wie hier in Köln. Dazu sollte man vielleicht
auch wissen, dass Istanbul mit seinen, ich glaube offiziell 8 Mio. (inoffiziell 14
Mio. Einwohnern (die Zahlen variieren je nach dem, wen man fragt, zwischen
10 -18 Mio.)) ein echtes Verkehrsproblem hat. Sie sind gerade dabei, ihr
öffentliches Verkehrsnetz auszubauen, doch leider ist das bisherige Bahnnetz noch nicht wirklich vernetzt, so dass man in einem ständigen Verkehrschaos steckt. Mir kam es immer so vor wie ein Ameisenhaufen, hunderttausende von Autos und Bussen schoben sich in einem rasanten Tempo über
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die Straße. Unbeachtet der Verkehrsregeln, mit viel Gehupe, Geschick und
Dreistigkeit quetschten sie sich in jede noch so kleine Lücke, die sich auftat.
Auch wir bretterten in einem, für mein Empfinden, halsbrecherischen Tempo
über den 5- spurigen High-Way. Unser Gepäck türmte sich in dem viel zu
kleinen Kofferraum, nur gesichert durch eine kleine Spinne, die den weit aufstehenden Kofferraumdeckel unten halten sollte. Bei jedem Hubbel, bei dem
unser Gepäck erneut drohte aus dem Kofferraum zu fliegen, schlug mir mein
Herz bis zum Halse – das war immerhin mein komplettes Hab und Gut für die
nächsten 9 Monate!
Damals erschien mir diese Stadt, mit ihrem Meer von Autos, den Millionen
von Menschen und den nicht endenden Häusern, die sich nahtlos aneinander reihten, so was von chaotisch, undurchsichtig und unüberschaubar. All
diese fremden Gerüche, der ganze Lärm und Dreck, die viel zu hohen Bordsteine machten mir die Stadt nicht gerade sympathisch. Doch das sollte sich
bald ändern. Nach dem ersten eigenen „Ausflug“, bei dem man auch wirklich
da ankam, wo man auch hin wollte, erschien sie einem schon nicht mehr
ganz so erschreckend. Nach und nach lernt man, wie man am besten wo
ankommt, ohne 2 Stunden im Stau zu stecken, wo man billig einkaufen kann,
wo die ganzen Sehenswürdigkeiten sind und wo man am besten weggeht.
Auf einmal lernt man die ganzen Vorzüge, die Istanbul zu bieten hat, sehr zu
schätzen.
Wenn man da ist, spürt man das Leben. Zu jeder Tages- und Nachtzeit erhält
man alles Mögliche, was einem nur einfällt. Istanbul kann es, meiner Meinung nach, mit jeder westlichen Metropole aufnehmen. Hier trifft man die
Mädchen in kurzen Miniröcken neben den verschleierten Frauen an. Der
schreiende Straßenverkäufer steht direkt neben dem großen Einkaufszentrum. Nachts um 3 Uhr kann man selbst die Transvestiten in Taksim, auf der
Ausgehmeile von Istanbul, antreffen. Hier ist alles möglich. Was im Rest der
Türkei allerdings nicht der Fall ist. Istanbul hat für jeden etwas zu bieten, und
man kann sicher sein, dass es an jeder Straßenecke etwas Neues zu entdecken gibt.
Aber eigentlich habe ich ja gar nicht in Istanbul, sondern in Yalova gelebt.
Aber auch in Yalova konnte man bei klarem Wetter über das Marmarameer
hinweg, am anderen Ufer Istanbul sehen. Und nachts funkelten die Lichter
von Istanbul über das Meer.
Yalova - im Nachhinein bin ich froh, dass ich anstelle von Istanbul in Yalova
„gelandet“ bin. Denn diese Stadt ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Noch
heute sitze ich manchmal in meinem Zimmer und sehne mich nach dem
Meer, neben dem ich gewohnt habe und jeden Morgen zur Arbeit gegangen
bin, zurück. Am Anfang erschien mir das ganze noch als ein angenehmer
Nebeneffekt, aber mit der Zeit verstand ich all die Yaloveraner, die, wenn
man sie fragte, warum sie z.B nach der Uni nach Yalova zurückgekehrt sind,
prompt antworteten: „Wegen dem Meer. Ich brauche das Meer!“ Dieses
Meer mit seinen immer schlagenden Wellen hat etwas Beruhigendes, etwas
Unumstößliches, Unendliches. Egal wie groß einem die eigenen Probleme
und Sorgen erscheinen mögen, wenn man an diesem Meer spazieren geht,
merkt man, dass dieses Meer auch noch in Jahrzehnten seine Wellen schlagen wird,.und die Welt vielleicht doch nicht so sehr aus den Fugen geraten
ist, wie man vorher noch gedacht hatte.
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Außerdem eignet sich dieses Meer auch wunderbar zum Fischen. Und was
gibt es besseres als mit ein paar Freunden zusammen beim Abendessen
frisch gefangenen und gegrillten Fisch zu essen? Dabei darf der Raki, ein
türkischer Anisschnaps, natürlich auch nicht fehlen. Mit meinen Freunden
hatte ich sehr viel Glück, denn ich bin von Anfang an in eine “Clique“ reingerutscht. Mein Freundeskreis bestand fast nur aus Türken. Sie waren, oder
waren zumindest früher mal, Tänzer bei TUFAG, einem großen Volkstanzklub, in Yalova. Am Anfang habe ich mich bei ein paar Proben bei ihnen versucht, allerdings nur kurzzeitig. Aber immerhin habe ich viele Mitglieder dieses Klubs kennen gelernt mit dem Erfolg, dass ich relativ schnell in Yalova
bekannt wurde Dazu mag auch der Fakt beitragen, dass sich Neuigkeiten
wie ein Lauffeuer in der Türkei verbreiten, denn die Lieblingsbeschäftigung
beim ständigen türkischen Teetrinken ist der Austausch von Klatsch und
Tratsch, und zwar sowohl bei Frauen und Männern.
Am besten sitzt man dazu noch in einen der vielen kleinen Cafes und zieht
gemütlich an seiner Nargile (Wasserpfeife) oder spielt Tavla (Backgammon).
Sowieso ist das Teetrinken ein türkisches Phänomen. Guter türkischer Tee
dauert 20-30 Minuten, bis er richtig durchgezogen ist, da dies relativ zeitintensiv ist und die Türken doch eher spontane Menschen sind, hat z.B. jedes
Büro, Geschäft oder auch Laden seinen persönlichen Cayci (Teemacher).
Den braucht man nur kurz anzurufen – meistens besteht sogar eine Hausverbindung- und 2 Minuten später wird einem und seinem Gast der Tee serviert. Am Anfang habe ich mich noch gewundert, warum an manchen Häusern ganz normale Telefone hängen bis ich herausfand, dass sie zum Teebestellen waren!
Auch in meinem Büro war das Teetrinken ein fester Bestanteil der Arbeit.
Und wenn mein Kollege mich z.B. zu sich rief, um etwas zu besprechen,
dann war er immer ganz verwundert und schon fast empört, dass ich nach
der Besprechung, wie es so meine deutsche Art war, mich natürlich sofort an
die Arbeit machen wollte, und nicht noch auf eine Tasse Tee, die er mir beim
Cayci bestellte, blieb.
Ja, meine Arbeit: Wie schon gesagt, ich arbeitete in einem Büro, das sich in
enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung darum bemühte, mit verschieden Projekten die lokale Situation von Yalova zu verbessern. Es ging
um nachhaltige Entwicklung.
Eine sehr spannende Sache, so hörte es sich jedenfalls für mich in der Beschreibung an. Doch, als ich hoch motiviert dort ankam hieß es erstmal –
Tee trinken! Was auch sonst ;-)
Die ersten paar Monate habe ich damit verbracht Türkisch zu lernen und herauszufinden, was mein Büro denn überhaupt alles so macht, denn feste Aufgaben hatte ich erstmal keine. Ich stieß auch eher auf Verwunderung, als ich
nach einiger Zeit um mehr Arbeit bat – ich wollte doch etwas tun: Mit anpacken und mit gestallten! Gefordert werden! Doch es erwies sich gar nicht so
leicht, passende Aufgaben auf Englisch für mich zu finden. Doch nach und
nach fanden sich einige Aufgaben für mich. So schrieb ich z.B. kurze Artikel
für einen Internet-Rundbrief über Projekte in Yalova, machte viel Internetrecherche und beteiligte mich an Jugendprojekten.
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Am Anfang war die Sprache auch noch ein großes Handicap, obwohl ich einen hervorragenden Türkisch Sprachkurs besuchte. Aber Türkisch ist wirklich schwierig, es hat einen komplett anderen Aufbau als das Deutsche oder
romanische Sprachen. Es befolgt zwar seine relativ einfachen grammatischen Regeln sehr konsequent, aber es hat eine komplett andere Logik. Und
bis ich mich erst mal in diese Logik rein gedacht hatte, verging einige Zeit.
Ich muss sagen, dass es sehr faszinierend ist, denn Türkisch ist eine sehr
kompakte, sehr kurze und bündige Sprache. Und längst nicht immer eindeutig, was mich manchmal, als an das präzise Deutsche gewöhnte, verwirren
konnte. Außerdem ist es reich an Wörtern mit sehr viel Bedeutung. Eins meiner Lieblingswörter war Insallah ( was so viel bedeutet wie: So Gott will! Hoffentlich!) Zum Glück war diese sprachliche Barriere hauptsächlich auf die
Arbeit beschränkt, denn es ist wirklich unglaublich, wie viel man sich nur mit
ein paar „Signalwörtern“, Gestik und Mimik „unterhalten“ kann.
Ich habe die Türkei und die Türken als ein sehr offenes und warmherziges
Volk kennen gelernt, mit großer Neugierde nähern sie sich allem Neuen.
Manchmal wurde ich, als eher distanzierte Deutsche, dabei auch regelrecht
überrumpelt!
Sie nehmen einen sofort in ihre Mitte auf, obwohl man auch immer irgendwo
der „Gast“ bleibt. Sie machen sich gleich Sorgen um einen, wie man so als
20 jähriges Mädchen so weit weg von zu Hause und seiner Familie, so ganz
alleine bleiben kann. Familie hat noch einen ganz anderen Stellenwert in der
Türkei. Der Familienverband ist sehr viel stärker, was sehr schön ist, was
aber z.B. die Suche nach einer neuen Mitbewohnerin zur Hälfte meines Aufenthalts sehr erschwer hat. Denn insbesondere die Mädchen leben bis zur
Ehe bei ihren Familien. Ausnahme ist natürlich der Besuch einer Uni oder
das unvermeidliche Arbeiten in einer anderen Stadt.
Die Türkei hat eine sehr reiche Kultur und in ihrer Annährung an den Westen,
sollte sie darauf achten, dass sie sich diese auch bewahrt.
Natürlich gab es auch Situationen, in denen ich schlucken musste und meine eigenen Ansichten zurück stecken musste, z.B. ist es mir als Deutsche
sehr schwer gefallen, mit dem unheimlich starken Nationalstolz und, in meinen Augen, der fast kulthaften Verehrung von Atatürk umzugehen. Auch bei
den ausgeprägten Frauenbildern, auf die ich manchmal (durchaus seltener
als ich erwartet hatte) gestoßen bin, fiel es mir manchmal schwer, dies zu
akzeptieren.
Eine frühere Freiwillige, die auch in der Türkei war, hat in ihrer Dokumentation geschrieben: „Die Türkei ist ein Land, das man gleichzeitig lieben muss
und hassen muss.“ Ich glaube da kann ich ihr nur zustimmen. Denn mit all
seinem Lärm, Intransparenz, Vetternwirtschaft und chaotischem Leben ist es
manchmal ganz schön schwer und Nerven aufreibend, sich zurechtzufinden,
aber auf der anderen Seite auch sehr, sehr Interessant und intensiv. Ständig
passiert etwas Unvorhergesehenes oder man erlebt etwas Neues. Das Leben in der Türke ist aus meiner Sicht ein sehr schnelles und reiches Leben.
Ich glaube, entweder man lässt sich mitreißen und taucht ein in das bunte
Treiben, oder man versucht, standhaft zu sein - gegen den Strom - doch
dann wird man, denke ich, überrollt.
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Ich jedenfalls freue mich schon auf meinen nächsten Besuch in der Türkei,
wenn ich all meine Freunde wiedersehen werde.
Vielen Dank noch mal an denjenigen, die diesen Aufenthalt für mich möglich
gemacht haben. Ich werde noch oft an diese Zeit, mit einem Lächeln auf den
Lippen, zurückdenken.
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Lambert Magseme-Lunani
Freiwilligendienst in Lille /Frankreich
Einsatzstelle: Unis-Cité
Vom 1. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004
Als ich mich für Lille bewarb, wußte ich wenig über die Stadt. Die Einsatzstelle war die einzige Möglichkeit, nach Frankreich zu gehen. Ich hatte immer
gewünscht, die französische Sprache zu lernen, aber in der Schule hatte ich
genug mit Latein und Deutsch zu kämpfen. Daher hatte ich nie die Motivation
gefunden, noch eine weitere Sprache zu lernen. Da ich nun mit der Schule
fertig war, und ich nicht sofort mit dem Studium beginnen wollte und durch
einen Freund auf die Kölner Freiwilligen Agentur stieß, die eine Einsatzstelle
für Lille anbot, dachte ich nicht lange über mein Glück nach und schickte
meine Bewerbung. Zu dieser Zeit hatte ich null Ahnung von der französischen Sprache. Es stellte sich heraus, dass der Wunsch und die Bereitschaft
lernen zu wollen den Mangel wett machte. Meine anfänglichen Gründe, den
Freiwilligendienst zu machen, waren also: die Sprache zu lernen und ein
Zeitlang meinen Lebensraum zu verändern. Ich hatte keine klaren Vorstellungen was mich erwartete. Die Organisation, für die ich tätig sein würde,
wurde vorgestellt, und sie schien ziemlich interessant zu sein. Das ich mit
vielen Jugendliche arbeiten würde war auch ein recht beruhigender Aspekt.
Vorbereitungen sind gut und notwendig, aber zuviel davon kann die Anfangsfreude stark dämpfen. Ich ging zum Glück weder in die Bibliothek, um Bücher
über Lille zu lesen noch kaufte ich lästige Reiseführer (man bekommt in Lille
alles davon im Übermaß). Ich machte aber eine Sache, ich kaufte ein paar
Reclam-Bücher, halb französisch halb deutsch, mit denen ich anfing, mich in
die Sprache einzuschulen, außerdem lieh ich mir von Freunden französische
Schulbücher aus. Ich war wirklich so gut gegenüber der Sprache gewappnet
und hatte zum Teil vergessen, dass ich nicht nur wegen der Sprache nach
Frankreich ging. Schließlich hatte ich mich auch engagiert, Menschen zu helfen. Zum Glück wurde ich früh genug daran erinnert; und ich fand heraus,
dass mangelnde Sprachkenntnisse kein Hindernisse darstellt, um Hilfe zu
leisten.
Ich kam also am 1 Oktober 2003 in Lille an. Ich hatte gedacht, dass ich von
älteren Personen vom Bahnhof abgeholt werden würde und war angenehm
überrascht, zwei junge lächelnde Fräulein auf mich warten zu sehen. Nach
einem Bienvenu en France café gingen wir vom Bahnhof aus zu der Wohnung, welche ich noch mit zwei anderen Freiwilligen – einem Jungen aus
Deutschland und einem Mädchen aus Norwegen - bewohnen würde. Die
Wohnung war groß genug für uns drei, und in Zukunft sollte es als Treffpunkt
vieler Freunde dienen. Was ich an der Wohnung, der Wohngemeinschaft und
den Besuchern so sehr mochte, war, zusammen mit Jugendlichen zu sein,
die schon in ihrem Leben sowohl entscheidende Situationen gemeistert hatten als auch große Persönlichkeit besaßen ( Nabor: obgleich fast blind, ist er
so erstaunlich selbständig, geduldig und immer mit dem Leben in Einklang.
Ibrahim: nur 21 Jahre, aber schon Asylbewerber, ohne eine einzige Person
seiner Familie in Frankreich, hat nichts, kein Heim, kein Geld; nur die Hoffnung, dass man ihm eine Aufenthaltsgenehmigung gibt. Dennoch ist er in
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seiner ganzen Verzweiflung so hilfsbereit, dass man sich fragt, ob bei ihm
der Egoismus-Sinn nicht existent ist. Kaja: Die Verkörperung einer engagierten Persönlichkeit.) Ich hatte das Glück mit diesen Menschen eine sehr enge
Freundschaft zu führen und viel Neues zu entdecken. Es gab aber nicht nur
diese Gemeinschaft. Wir arbeiteten mit so vielen und verschiedenen Einrichtungen, wo wir auf Menschen trafen, welche sich für Randgruppen einsetzten
und unsere Hilfe dankend begrüßten.
Lille wurde für das Jahr 2004 zur Kulturhauptstadt Europas gewählt. Ich lebte
in Lille, während eines kulturellen Frühlings. Abgesehen von den ganz großen Ereignissen, - die an den Wochenenden Tausende von Menschen, sowohl Einheimische als auch Engländer, Belgier, Holländer und sogar Deutsche anlockten - gab es in gemütlichen kleinen Ecken, Cafés und Bars sowohl innovative als auch traditionelle Szenen. Unis-Cité sah es als eine gute
Gelegenheit, sich aktiv an den kulturellen Vorgängen in Lille zu beteiligen
und bot uns Freiwilligen diverse Möglichkeiten, Lille als Kulturhauptstadt zu
entdecken. Die erste Woche, in der wir uns untereinander kennenlernten,
wurde mit einem Theaterbesuch eröffnet, danach folgten Modern-Dance
Workshop, Museumsbesuch mit abschließenden Malworkshop. Uns wurde
gezeigt, dass bei unserem gesamten Freiwilligendienst Kultur eine große
Rolle spielen würde. Unis-Cité gab uns dann auch Karten ( Crédit Loisir) mit
denen wir in Vorführungen, die normaler weise 10 Euro kosteten, für 1Euro
und ein paar Cents hineinkamen. Wir konnten die Karten fürs Theater, Konzerte, Museen oder Ausstellung jeglicher Art, Kino usw benutzen. Für uns,
die ausländische Freiwilligen, war der Crédit Loisir auch eine weitere Möglichkeit, sich mit den französischen Freiwilligen zu treffen, Freundschaften zu
knüpfen und unsere Sprachkenntnisse zu üben und zu verbessern.
Nach der ersten gemeinsamen Woche wurden wir in zwei Gruppen unterteilt.
Es gab in der ersten Gruppe, die im Oktober begann, drei ausländische
Freiwilligen, Ibrahim, ein Asylbewerber aus Sierra Leone und die restlichen
waren Franzosen. Insgesamt waren wir 13; zwei Gruppen, aus sieben und
sechs Leuten, wurden gebildet, die auch unterschiedliche Projekte hatten.
Hin und wieder gab es aber überkreuzende Projekte, in denen wir zusammen
arbeiteten, ( z.B Nomades de Rubens). Unis-Cité ist weitläufig bestimmt
durch die Gruppenarbeit. Wir mußten uns erst als eine Gruppe verstehen,
(Arbeitsteilung, persönliche Meinung durchsetzen oder sich der Mehrheit unterordnen, Gruppenmotivation...) um in unseren Projekten wirksam und erfolgreich zu sein. Von nun an ging jede Gruppe seinen eignen Weg, obgleich
wir uns jeden Freitag trafen, um über das politische und soziale System
Frankreichs zu diskutieren. Es kamen z.B. Vertreter sozial engagierter Assoziationen zu uns, um ihren Aufgabenbereich zu präsentierten, oder wir gingen zu sozialen Einrichtungen wie das Ausländeramt und diskutierten dort
über Einwanderungsprobleme.
Das erste große Projekt meiner Gruppe fand in einem Bürgerzentrum einer
Gemeinde namens Hellem statt. Wir gingen innerhalb von drei Monate dreimal in der Woche nach Hellem - wobei es in den drei Monaten manche kleinere Nebenprojekte für die Dauer von einer Woche oder paar Tagen gab.
Unsere Aufgabe bestand darin, zusammen mit einem Zuständigen des Bürgerzentrums, uns mit den in Hellem geborenen, oder als Kinder nach Hellem
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gezogenen und noch bis heute dort lebenden alten Menschen zu treffen und
ihr Leben zu dokumentieren. Wir mußten erstens der Gemeinde unser Vorhaben erklären und nach Personen suchen, die gerne mitmachen würden.
Nachdem wir genügend Leute gefunden hatten, fingen wir an, sie zu interviewen. Wir hatten drei Kriterien, die als Fragen dienten: das Arbeitsleben
(Hellem als eine Gemeinde im Norden von Frankreich wurde von der Kohleund Schwermetallindustrie geformt, nachdem viele Industriebetriebe pleite
gingen, wurde Hellem von Arbeitslosigkeit und Landflucht befallen); die kleinen Händler und ihre Kunden; und die Gemeindefeste. Wir nahmen alles,
was sie uns erzählten, auf, kopierten es auf Rohlingen und archivierten es.
Innerhalb dieser Tätigkeit sollten wir noch versuchen, die Beziehungen zwischen der älteren und der jüngeren Generation aufzufrischen. Wir mußten
uns, als die Jüngeren, Spiele ausdenken, die die verschiedenen Sinne ( Geschmacks-, Seh-, Hörsinn) beanspruchen würden und gleichzeitig ein Training für das Gedächtnis waren. Am Ende der drei Monate organisierten wir in
einem Café eine große Zusammenkunft, wo jede interessierte Person kommen konnte, um das, was wir ausgearbeitet hatten zu erleben und sich mit
den beteiligten Menschen auszutauschen ( Stammtisch). Das Projekt hieß
daher: Café Mémoire. In der gesamten Zeit des Projekts bekamen wir immer
wieder Hilfe und Rat von professionellen Sozialarbeitern, die bis zum Ende
des Unternehmens immer ansprechbar waren.
Unser darauf folgendes Projekt Nomades de Rubens war das Projekt, welches das weiträumigste war. Unis-Cité hatte mit den Vorbereitungen schon
2003 begonnen. An dem Projekt waren sowohl das größte Museum Lilles (
Musée des Beux-Arts), ca. 8 andere Städte, Gaz de France ( größter Geldgeber von Unis-Cité ) als auch soziale und kulturelle Einrichtungen beteiligt.
Eine unserer Aufgaben bei der ganzen Vielfalt war es, eine kleine wöchentliche Zeitung herauszugeben, welche über die Aktivitäten der 8 beteiligten
Städte berichten sollte. Die Städte hatten sich vorgenommen, mit Blick auf
Rubens und seine Epoche, Kunstwerke im Barock-Still zu schaffen oder einfach alte neue zu interpretieren. Die Werke wurden dann im Rathaus präsentiert. Eine Stadt, z.B. Villers-Outréaux, machte drei Kostüme nach drei Bildern von Rubens. Eine andere Stadt, Cateau-Cambresie, ließ wiederum Erwachsene und Kinder Bilder von Rubens kopieren (mit unterschiedlichen Materialien, unter der Leitung eines Kunstlehrers) und sang noch dazu einen
alten Chorgesang aus der Barockzeit.
Außerdem waren wir während des Projekts für eine Internet-Seite zuständig,
auf der zum größten Teil das selbe wie in der Zeitung stand. Die ersten beiden Aufgaben, die wir hatten, waren nicht gerade berauschend. Die Städte,
über die wir berichten sollten, waren bis zu einer Stunde entfernt von Lille,
sie arbeiteten ziemlich abgeschlossen und ohne uns immer auf dem Laufenden zu halten. Wir bewegten uns wenig, wußten uns nicht die Arbeit einzuteilen und waren insgesamt frustriert. Bevor unsere Stimmung sich endgültig
verschlimmert hätte, bekamen wir den Auftrag, ein Spiel zu entwickeln, mit
deren Hilfe die Besucher der Ausstellung spielerisch in die Welt Rubens eingeführt werden konnten. Von da an begann wohl der beste Teil des Projekts.
Unsere Ideen waren gefragt, wir entschieden, wie das Spiel aussehen sollte,
für wieviel Spieler, wie groß, welche Aufgaben, e.t.c. Wir hatten am Ende
ziemlich viel Spaß.
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Die Idee von Nomades de Rubens: Menschen aus unterschiedlichen Städten
und Sozialstatus zusammen zu bringen und ihnen dadurch zur Kommunikation mit Fremden und in fremder Umgebung anzuregen war bewundernswert. Es hat auch gefruchtet, nur hatte man die Rolle der Freiwilligen nicht
klar genug definiert. Wir hatten manchmal Zeiten, wo wir nichts Konstruktives
zu tun hatten und es auch nichts zu tun gab, dennoch wollten unsere Referentinnen das einfach nicht einsehen.
Ich habe die beiden Hauptprojekte vorgestellt die 2/3 meines Dienstes abdeckten. Wir arbeiteten noch in einem Altersheim; wir unterstützten eine FairTrade-Organisation `Artisan du Monde‘ bei ihrem Versuch dem normalen
Bürger die Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die Industrienationen
bewusst zu machen. Ich kann nicht alles wiedergeben, was ich erlebt und
gelernt habe und habe daher noch viel ausgelassen: z.B. Menschen mit denen ich zusammen arbeitete; die Krise in meiner Gruppe, die dazu führte,
dass drei Mitglieder gegen Ende der Dienstzeit die Gruppe verließen; der
rege Austausch mit Menschen unterschiedlichen Alters, Sozialstandes, Mentalität, Berufe ( Künstler, Beamte, Geschäftsleute, Vereinsgründer) u.s.w.
Auch habe ich nicht über die Tätigkeiten der anderen zwei Gruppen, wovon
manche sich von der unsrigen stark unterschieden, geschrieben; sowie über
die Festivals in Lille und einfach die Freude, die wir insgesamt miteinander
hatten.
Was gäbe es noch zu sagen, außer dass jeder auf seine eigne Art seine Erfahrungen machen muss. Gut war, dass ich nicht hoffnungslos auf mich
selbst gestellt war. Besonders als ich ein französisches Visum beantragen
mußte. Ich bekam unverzichtbare Hilfe von meiner Gruppe und von der Referentin (vor allem Nairouz), welche den gesamten Prozeß erleichterte. Die
Hilfsbereitschaft meiner Gruppe, der Bezugsperson und auch der Mitglieder
der anderen Gruppen war bemerkenswert. Das, was mir bei Unis-Cité am
meisten gefallen hat, war, dass sie uns wirklich die vollkommene Verantwortung für die Projekte überließen. Wir müßten kritisch über uns selber und unseren Einsatz entscheiden, wir konnten den Rahmen der Projekte überschreiten, und die Referentin war bei Fragen jederzeit behilflich. Was von
uns gefordert war, war die Bereitschaft auf unterschiedlichen Gebieten - ob
Körperarbeit oder Organisation, ob es Ideen finden für mögliche Projekte oder einfach kritisch und konstruktiv die eigene Meinung äußern - mit vollem
Einsatz dabei zu sein. Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass alles perfekt war. Es gibt massenhaft viele Selbsthilfegruppen in Lille, und manchmal
sieht man nicht den Sinn darin, sich in einem schon überfüllten Raum noch
unbedingt rein zu zwingen. Und manchmal sind die Leute, für die man was
machen will, vollkommen gleichgültig bis gelangweilt von unserem Einsatz.
Die Frage ist dann: was mache ich falsch? Aber, es erwartet eine spannende
Zeit, in der das Leben sich einem in allen Facetten anbietet. Unis-Cité ist
noch jung, der Freiwilligendienst in Frankreich ist noch ein Kind, daher sollte
man auf Veränderungen und Neuerungen gefaßt sein.
Mais, je vous assure, c´est en tout cas une expérience formidable.(Subjonctif
?!!)
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Sabine Schwarz
Freiwilligendienst in Lille / Frankreich
Einsatzstelle: Unis-Cité
Vom 28. Januar bis 5. Juni 2004
Als ich in Lille ankam, wurde ich herzlich von 10 Freiwilligen, die schon in
Lille waren, begrüßt. Sie halfen mir meine Sachen in die Wohnung zu tragen.
Die ersten Tage hatte ich frei, um mich erst einmal einzuleben. Alle Freiwilligen von Unis-Cite (die Organisation, mit der ich zusammengearbeitet habe)
fuhren ein Wochenende nach Brüssel zu dem großem Unis-Cite Treffen. Dort
trafen sich alle Freiwilligen, die in Frankreich einen Freiwilligendienst geleistet haben.
Unis-Cite ist eine Organisation, die so etwas Ähnliches wie eine Vermittlungsagentur ist. Sie arbeitet mit verschiedenen Institutionen zusammen und
vermittelt die Freiwilligen an diese Institutionen.
Mein erstes Projekt
Mein erstes Projekt bestand aus einem kleinen sozialen Supermarkt, den
meine Gruppe und ich anstreichen sollten. Wir erhielten Anweisungen, in
welcher Farbe wir die Wände und Türrahmen anstreichen sollten. Ich konnte
nicht wirklich alles verstehen, was wir zu tun hatten, aber die anderen in meiner Gruppe haben mir alles noch einmal erklärt. Wir haben ca. 8 Wochen für
dieses Projekt gebraucht, und wir waren sehr stolz und zufrieden, als wir fertig waren. Wir hatten viel Spaß, aber es war auch sehr anstrengend.
Mein zweites Projekt
Mein zweites Projekt bestand darin, die Erinnerungen von älteren Menschen,
die in einer Fabrik gearbeitet hatten, die schon seit langem geschlossen war,
zusammenzutragen. Diese Fabrik soll jetzt in ein Jugendzentrum umgebaut
werden, und damit man weiß, was das Gebäude vorher war, sollte eine Zusammenfassung der Erinnerungen erstellt werden. Wir bekamen Fragen, die
wir den Leuten in einem Interview stellen sollten. Eine Adressliste von den
Arbeitern, die in dieser Fabrik gearbeitet hatten, haben wir bekommen, und
wir sollten die Leute kontaktieren. Nachdem die Interviews zu Ende waren,
haben wir sie im Computer gespeichert.
In diesem Projekt konnte ich nicht sehr viel machen, denn ich konnte keine
Fragen auf Französisch stellen und habe auch nicht verstanden, was die
Leute erzählt haben. Ich war zwar bei den Interviews dabei, aber habe die
Daten nicht in dem Computer übertragen.
Ich habe in dieser Zeit eine Photo Collection von der Gegend, in der die Fabrik steht, zusammengestellt.
Das vierte Projekt
In dem vierten Projekt haben wir mit der Organisation, die Fil a Fil heißt, zusammen- gearbeitet. Fil a Fil organisierte ein Spielfest und ein Nachbarschaftsfest, das auf der Straße stattfinden sollte. Wir haben zuerst das
Nachbarschaftsfest organisiert. Wir haben Informationszettel erstellt, sie ver19
teilt und Plakate aufgehängt. Das Nachbarschaftsfest war sehr schön. Es
waren zwar nicht alle Nachbarn anwesend, aber immerhin waren ein paar
dort. Wir haben gegrillt, Getränke verteilt und mit den Kindern gespielt. Für
das Spielfest haben wir dann auch wieder Informationszettel erstellt, verteilt
und Plakate aufgehängt. Wir haben Wegweiser gebaut, angemalt und sie
dann in den Straßen aufgestellt, damit die Leute und Kinder wussten, wo die
einzelnen Spielstationen waren. Jeder von uns Freiwilligen stand an einer
Station und hat mit den Kindern gespielt. Es hat Riesenspaß gemacht, und
wir hatten einen schönen Tag.
Meine positiven Erfahrungen
Ich hatte sehr viel Spaß in Lille. Seit meiner Ankunft in Lille habe ich jeden
Tag genossen. Ich habe viele verschiedene Menschen und eine andere Kultur kennen gelernt. Außerdem habe ich sehr viele Freunde in Lille gefunden,
mit denen ich immer noch Kontakt habe. Dadurch, dass ich den sozialen Bereich kennen gelernt habe, habe ich mich sehr verändert. Ich bin viel offener
und glücklicher geworden. Das Zusammenarbeiten mit meiner Gruppe hat
mich auch weiter gebracht. Durch meine Gruppe habe ich gemerkt, dass es
sehr wichtig ist, sich gegenseitig zu helfen, vor allem, weil ich die Sprache
nicht so gut sprechen konnte. Dadurch habe ich auf jeden Fall meine französischen Kenntnisse erweitern können. Es war für mich auch sehr gut, dass
zwei andere deutsche Freiwillige in Lille waren. Mit denen konnte ich nämlich
über die kulturellen Unterschiede sprechen . Da ich Basketball spiele, wollte
ich es auch unbedingt in Lille spielen und habe auch ein Team gefunden. Es
war eine super Erfahrung mit den französischen Mädels zu spielen, denn die
Sprache war zwar anders, aber die Sportart und die Struktur ist dieselbe.
Was mich aber auch besonders in Lille beeindruckt hat, sind die wunderschönen alten Häuser und dass man überall Denkmähler sieht, die an die
Geschichte erinnern sollen.
Meine negativen Erfahrungen
Eines meiner negativen Erfahrungen waren die, dass ich mich am Anfang
meines Freiwilligendienstes nicht richtig ausdrücken konnte. Dies war sehr
frustrierend und ich fühlte mich wie ein kleines Baby, das versuchte, etwas
sagen zu wollen aber es nicht konnte. Was ich auch nicht so toll fand, war,
dass ich erst am Ende des Monats Geld bekam und ich mich mit Mühe und
Not einen Monat lang über Wasser halten musste. Was mir noch sehr
schwer gefallen ist, war die Trennung von meiner Familie und Freunden. Ich
hätte niemals gedacht, dass ich sie so sehr vermissen würde.
Den Sprachkurs, den ich absolviert habe, war nur einmal in der Woche und
der hat mir fast gar nicht geholfen. Ich hätte viel öfter zur Schule gehen müssen, denn ich bin der Meinung, dass alleine das Sprechen und Hören einer
Sprache zwar hilft, sie zu lernen, aber es viel besser ist, auch etwas von der
Theorie zu lernen. Dass ich in so etwas, wie in einem 9 qm großen Studentenzimmer wohnte, hat mir auch nicht so besonders gut gefallen, denn meine
Nachbarn waren nicht so nett, wie ich es mir gewünscht hätte.
Aber alles in allem würde ich es jedem empfehlen, einen Auslandsaufenthalt
zu absolvieren, denn dadurch öffnen sich viele Türen und man weiß, wo man
im Leben steht.
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Moritz Alpert
Freiwilligendienst in Rotterdam / Niederlande
Einsatzstelle: Atelier van Lieshout
Vom 15. September 2003 bis 14. März 2004
Vom 15.9.2003 bis zum 15.3.2004 habe ich in Rotterdam im Atelier van Lieshout (AVL) meinen Europäischen Freiwilligendienst geleistet und kann durchweg nur positiv über meine Erfahrung berichten. Ich bin dort sehr gut aufgenommen worden und habe viele Freunde gewonnen, mit welchen ich bis
heute guten Kontakt halte. Trotz oder gerade wegen der besonderen örtlichen Begebenheiten – AVL ist mitten im Rotterdamer Hafen – wollte ich am
Ende gar nicht mehr weggehen und so kam es, dass ich 2 Monate länger
dort blieb, um mit einen normalen Arbeitsvertrag zu arbeiten. Gearbeitet habe ich von Anfang an sehr viel, aber es war überhaupt kein Problem, da mir
die Arbeit dort sehr viel Spaß brachte. Außerdem konnte ich morgens lange
schlafen, da ich ja direkt über der Werkstatt gewohnt habe. Für viele Leute
wirkt dieser Ort so menschenverlassen wie er abends und nachts ist, sicher
seltsam angsteinflößend. Aber durch die anderen Kollegen, die dort ebenfalls
wohnten, hatte man abends in den stürmischen Rotterdamer Nächten immer
eine gute und feucht fröhliche Zeit. Ich muss sagen, wenn es dieses Projekt
nicht gegeben hätte, ich wäre wahrscheinlich nicht an einem Freiwilligendienst interessiert gewesen. Ich habe dort sehr viel handwerkliche Fähigkeiten erlernt und war Teil eines weltweit bekannten und vielleicht in dieser
Form einzigartigen Betriebs. Das hat mir im Nachhinein sehr viel gebracht.
Ich werde diese Zeit auf jeden Fall nie vergessen.
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Nese Ünal
Freiwilligendienst in Köln
Einsatzstelle: Hövi-Land, Kirchengemeinde Höhenberg/Vingst
Vom 15. November 2003 bis 14. August 2004
Das Interview führte Eva Maria Willach, die Mentorin, am 24. August 2004.
MentorInnen sind persönliche BegleiterInnen, die den Freiwilligen von der
Kölner Freiwilligen Agentur zur Seite gestellt werden.
Nese Ünal war Internationale Freiwillige aus Kölns Partnerstadt Istanbul, Studentin der Statistik, 21 Jahre.
Aufgaben der Freiwilligen: Kinderbetreuung im Keller für Kids, Spielebus,
Höviland-Sommerferiencamp
Was war Deine Motivation für den Internationalen Freiwilligendienst?
Ich habe schon in Istanbul als Freiwillige Kinder betreut. Ich wusste also
schon, wie man mit Kindern arbeitet, wie man guten Kontakt zu ihnen findet.
Ich wusste also auch schon was Freiwilligendienst heißt. Ein Freund erzählte
mir von der Möglichkeit ins Ausland zu gehen. Ich war auch in Istanbul noch
nicht ganz eingelebt, und der Wechsel aus einer kleineren, ruhigeren Stadt in
diese Großstadt war schwer für mich. Es war mein erstes Studienjahr in Istanbul. Ich wollte auch von diesem ganzen Rummel, dem Verkehr, allem dort
entfliehen. Außerdem wollte ich neue Menschen kennen lernen. Als ich also
von dieser Gelegenheit hörte, dachte ich, das ist was für mich. Ich mag Freiwilligendienste. Ich habe also die Möglichkeiten erkundet und mich dann mit
Habitat, der Partnerorganisation der Kölner Freiwilligen Agentur in Verbindung gesetzt. Ich wollte nach Deutschland, weil ich bereits ein wenig
Deutsch im Gymnasium gelernt hatte. Außerdem wusste ich, dass in
Deutschland viele Landsleute leben. Ich hatte aber keine Ahnung, wie viele
Türken in Köln leben. Vielleicht dachte ich, dass ich von ihnen Hilfe bekommen kann. Ich weiß es nicht genau. Ich war neugierig auf die Deutschen. Es
kommen so viele Touristen aus Deutschland in mein Land.
Von den angebotenen Projekten habe ich mir dann Hövi ausgesucht. Ich las
von dem großen Sommercamp mit 500 Kindern und es klang wirklich interessant für mich. Andrea, eine Freiwillige aus Köln in Istanbul, hat mir alles
erklärt und mich darin bestärkt nach Köln zu kommen. Ich hatte noch Bedenken wegen meiner geringen Deutschkenntnisse, aber sie sagte, ach, das ist
nicht so schwierig, Du kannst das machen, Du sprichst gut Englisch. Sie ist
mit mir zu Habitat gegangen und hat den Leuten dort auch erklärt, dass ich
geeignet bin. Sie hat meinen Lebenslauf gelesen. Außerdem hat Ulla Eberhard von der Kölner Freiwilligen Agentur meinen Lebenslauf gelesen und
Andrea gebeten, mit mir Kontakt zu halten. Danach ging alles sehr schnell.
Es dauerte nur einen Monat, bis mein Antrag genehmigt war.
Was hat Dir in Deiner Einsatzstelle Hövi gut gefallen?
In Hövi bin ich ganz anderen Kindern als in Istanbul begegnet. Ich habe dort
im Keller für Kids Kinder vieler Nationalitäten betreut, viele Kinder aus
Migrantenfamilien, die ganz andere Probleme mitbringen. Es war für mich
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sehr schön zu sehen, dass ich ihnen helfen konnte. Ich konnte es in ihren
Augen sehen und fühlen, dass ich sie erreichte und ihnen etwas geben konnte. Ich habe das Gefühl, dass ich ihnen mein Bestes gegeben habe. Ich habe
mich wirklich sehr bereitwillig für den Kontakt mit den Kindern geöffnet, obwohl ich nicht gut Deutsch sprach. Mit den türkischen Kindern war es natürlich einfach, aber mit den anderen war es wirklich schwierig, weil ich am Anfang nicht genug Deutsch konnte. Aber sie haben auch ohne Worte verstanden, dass ich sie liebe, und sie liebten mich auch. Sie haben geweint, als ich
wegging.
Auch im Spielebus habe ich gerne gearbeitet. Mir macht es große Freude,
wenn ich sehe dass Kinder glücklich sind, wenn sie spielen, um mich sind.
Dort, wo der Spielebus eingesetzt ist, leben Kinder in sehr üblen sozialen
Verhältnissen. Sie haben kaum Spielsachen. Du kannst Dir das nicht vorstellen. Ihre Gesichter strahlen, wenn der Spielebus kommt. Es hat mich glücklich gemacht, sie zu sehen, mit ihnen zu spielen. Wenn wir ihnen Fahrräder
oder Spielsachen ausgaben, dann waren sie einfach glücklich. Obwohl ich
nur 7 Monate mit dem Spielebus unterwegs war, haben sie mich kennen gelernt und sich gefreut, wenn sie mich wieder sahen, sie wollten mit mir spielen. Ich hatte mehr Schwierigkeiten erwartet. Ich war überglücklich, dass sie
mich so gut aufgenommen haben. Die Verbindung zu den Kindern hat sie
und mich genährt. Natürlich gab es auch einige schwierige Situationen mit
Kindern, sie sind nicht immer gut drauf. Am Anfang haben sich die türkischen
Jungens auf Türkisch über mich lustig gemacht, immer die Jungens, ich weiß
auch nicht warum. Sie wussten nicht, dass ich sie verstehe, weil ich nicht wie
eine Türkin aussehe mit meinen blonden Haaren und blauen Augen. Ich war
über die Schimpfworte, die sie zu mir sagten schockiert, sie fluchten. Aber
als sie merkten, dass ich sie verstehe, dann haben sie auf Deutsch weitergemacht, weil sie dachten ich verstehe sie nicht. Aber ich habe sie natürlich
auch verstanden, wenn sie mich auf Deutsch beschimpften. Das ist das Erste, was ich hier gelernt habe, deutsche Schimpfwörter. Sie haben mich wohl
getestet und meine Grenzen ausprobiert. Ich habe auch diese Kinder immer
gut behandelt. Ich habe oft gelacht und zu diesem Jungen gesagt, was für
ein netter Kerl er ist, dass diese Wörter gar nicht zu ihm passen, und dass er
das genau weiß. Das hat sie dann manchmal noch ärgerlicher gemacht. Aber
danach kamen sie dann und spielten mit mir.
Du hast in der Kirchengemeinde gelebt. Gibt es also dazu noch etwas,
was Du gerne sagen möchtest?
Ich hatte eine sehr schöne kleine Wohnung, wo ich tun und lassen konnte,
was ich wollte. Das war wirklich sehr gut. Leute konnten bei mir übernachten.
Ich hatte auch einen Computer mit Internet zur Verfügung. Also keinerlei Einschränkungen, das war toll, dafür bin ich dankbar. In der Nähe meiner Wohnung war noch ein Kindergarten. Ich wachte früh auf durch die Stimmen der
Kinder. Ich wohnte direkt neben der Kirche St. Elisabeth, die eine besondere
Bedeutung für mich erlangt hat. Jedes Mal wenn ich nach dem Aufstehen
aus dem Fenster schaute, sah ich diese Kirche, ich hörte immer die Glocken.
Es ist was Religiöses. In Istanbul hat mich der Klang der Muezzins besonders morgens um 5 Uhr immer ein wenig gestört und geängstigt. Ich hatte
also immer morgens ein blödes Gefühl bezüglich Religion. Aber als ich herkam hörte ich die Glocken, das gefiel mir, ich spürte dabei keine Angst. Ich
mag auch die Leute, die dort in der Kirche arbeiten, ich weiß dass sie da
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sind, dass sie dort arbeiten, das war ein gutes Gefühl. Und manchmal hatte
ich das Gefühl, dass Gott bei mir ist. Ich bin auch in die Kirche gegangen und
habe öfter gebetet. Das ist noch ein ganz anderer Aspekt meines Freiwilligendienstes. Ich bin muslimisch aufgewachsen, aber ich bin hier an den
meisten Sonntagen in die Kirche gegangen und habe gebetet. Ja, ich bin
wohl ein religiöser Mensch. Ich bete gerne zuhause, in der Kirche oder in der
Moschee, es spielt keine Rolle für mich, wo.
Hast Du in Hövi Kontakt zu Gleichaltrigen gehabt?
Ja, klar, meine Kollegen sind teilweise sehr freundschaftlich mit mir gewesen.
Aber sie waren alle ein wenig älter als ich.
Und in der Gemeinde gibt es auch Jugendliche in meinem Alter. Ich konnte
mit denen nicht soviel anfangen, weil sich die Mädchen über Einkaufen und
die Jungen über Autos unterhalten haben. Was soll ich mit denen reden?
Das interessiert mich einfach nicht so sehr. Ich möchte gerne über meine
Erfahrungen sprechen und auch von ihnen hören. Das hat nicht geklappt. Ich
will gar nicht sagen, dass das mit der sozialen Schicht zu tun hat. Es ist deren Leben, und ich habe dahin nicht genügend Anknüpfungspunkte.
Wie ging es mit andern Menschen?
Ich hatte gute Kontakte zu älteren Leuten. Ich habe die Erdiks kennen gelernt, meine
Türkisch-deutschen „Großeltern“ hier, auch meine Deutschlehrerin Sabine in
Vingst. Mit denen konnte ich mehr Dinge teilen, als mit den jungen Leuten in
Hövi. Oder mit Ulla von der Kölner Freiwilligen Agentur oder den Mentoren.
Auch andere Freiwillige erzählen, dass es für sie kein Problem ist, zu anderen Ausländern Kontakt zu finden, aber zu den Deutschen sei es unmöglich.
Was sind die Vorteile des Mentorensystems?
Ja, die Freiwilligen in der Türkei haben auch jeder einen persönlichen Mentor. Das ist das Beste am Freiwilligendienst. Ohne Mentorin wäre ich in der
ersten Krise nach Hause gefahren. Die Mentorin gibt Dir Energie für alles
hier. Sie gibt dir das Gefühl, dass du nicht allein bist. Ich brauchte die Mentorin, um meine ganzen behördlichen Dinge hier in Köln zu regeln. Und es ist
gut, dass es verschiedene Mentoren in der Gruppe gibt, die unterschiedliche
Fähigkeiten haben. Die Beziehung zwischen Mentor und Freiwilligem ist sehr
wichtig. Wenn das nicht klappt, sollte man das sofort sagen und wechseln.
Auch schafft es die Mentorin dir die Stadt, in der du lebst, näher zu bringen.
Außerdem gibt es einem die Idee, dass nicht alle Deutschen gleich sind.
Du bist keine Deutsche für mich. Ich habe nicht erwartet, dass wir so guten
Kontakt haben würden.
Was hast Du in den 9 Monaten in Köln vermisst?
Ich habe meine Familie sehr vermisst. Und ich habe das Meer vermisst. In
Istanbul gehe ich immer ans Meer, wenn es mir nicht gut geht. Das Meer gibt
mir meine Kraft wieder. Ich kann nicht gut in einer Stadt ohne Meer leben. Ich
habe auch meine Freunde, das soziale Leben an der Universität sehr vermisst. Ich habe es auch vermisst, Türkisch im Alltag zu sprechen, jedes Wort
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zu verstehen. Ich habe es so satt, immer darum zu bitten Englisch mit mir zu
sprechen.
Ich habe auch das Kino und das Theater vermisst. Einfach hinzugehen und
alles zu verstehen. Auch das türkische Essen habe ich vermisst. Das ist noch
etwas anderes als Döner und Kebab. Das essen wir in der Türkei gar nicht
sooft.
Ich habe auch die Feste vermisst, die Bayram Feste, wenn die Familie sich
trifft.
Und ich habe die hässlichen, überfüllten Busse von Istanbul vermisst.
Wenn ich nach Istanbul zurückkomme werde ich sofort ans Meer gehen und
einen Tee, einen richtigen türkischen Tee, trinken.
Was war Deine beste Erfahrung in Köln?
An Bayram im November hast Du mich gefragt, was Bayram ist. Ich habe
Deine Hand geküsst und Du hast mir ein süßes Teilchen geschenkt. Das war
so schön, das werde ich nie vergessen. Das war genau das, was ich in dem
Moment brauchte.
Auch der Karneval war sehr schön hier. Auch die Weihnachtsfestlichkeiten
in Deiner Familie.
Was war die schlimmste Erfahrung?
Neben den privaten Erfahrungen mit meinem Freund in Istanbul war das
schlimmste wirklich das Sprachproblem. Das habe ich vorher nicht gedacht,
dass mich das so stören würde. Und als ich bei der Arbeit nicht Türkisch
sprechen durfte. Das war wirklich schwer.
Was glaubst Du, welche Stärken hast Du gewonnen durch Deinen Aufenthalt hier?
Ich bin sehr froh darüber, deshalb sag ich das gerne. Ich war nicht so ein
starkes Mädchen, als ich kam. Jetzt fühl ich mich viel stärker, ich weiß was
ich will und ich kann jetzt sagen, was ich brauche. Das ist für mich und mein
zukünftiges Leben sehr wichtig. Ich habe gelernt, wie man mit Leuten umgeht. Jeder ist anders, das muss man einbeziehen. Ich bin auch für die
schwierigen Erfahrungen bereit, für die schlechten Antworten. Was immer
kommt, ich bin bereit. Ich fühle mich wirklich stark.
Es fühlt sich so an, als hätte ich in 9 Monaten einen Reifeprozess von 7 Jahren erlebt. Meine Mutter ist auch eine sehr starke Frau. Sie weiß und sagt,
was sie will, besser als mein Vater das kann. Vielleicht war ich früher eher
wie mein Vater, ruhiger, aber jetzt bin ich auch so stark geworden, wie meine
Mutter.
Wenn Du Dich schlecht fühlst, weil jemand Dich nicht gut behandelt, dann
muss man aufbegehren, wenn Du Zwänge fühlst, dann musst Du Dich wehren, Nein sagen können. Und das kann ich jetzt.
Danke, Nese, für dieses Interview.
(Das Interview wurde in Englisch geführt und anschließend aus dem Englischen von Eva Willach übersetzt. Hier sind Teile des Interviews wiedergegeben.)
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