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LES ÉtUDES DE L’AGEnCE J S J J S J J H J S J J S J J BEStAnDSAUFnAHME DER POLItIK DER öFFEntLICHEn HAnD zUGUnStEn DER GREnzüBERSCHREItEnDEn KULtURELLEn zUSAMMEnARBEIt UntER DEM GESICHtSPUnKt DER PRAKtIKEn UnD DER RAHMEnBEDInGUnGEn DER KOOPERAtIOn AUF DEn GEBIEtEn DER DARStELLEnDEn KünStE UnD DER zEItGEnöSSISCHEn BILDEnDEn KünStE J zUSAMMEnFASSEnDE VERSIOn DER StUDIE S J J J H J H J ISt EInE KULtURPOLItIK AUF DER POLItISCHEn EBEnE DES OBERRHEInJ H DEnKBAR? BEREICHS H J S J H Bei dieser Studie handelt es sich um eine Auftragsarbeit des elsässischen Kultur-Büros (Agence culturelle d’Alsace) ; integriert ist sie in die Weiterentwicklung ihrer Ressource-Funktion. Sie zielt darauf, dass ihre Partner – elsässische Region und Departements – sie inhaltlich zur Kenntnis nehmen mögen ; das Anliegen besteht darin, innerhalb des Oberrheingebiets ein Forum des Dialogs einzurichten und wirksame Absprachen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Kooperation in den Bereichen der darstellenden Künste und der bildenden Künste zu erreichen. Die im Elsass und im Oberrheingebiet ansässigen Künstler und die Akteure, die sich der zeitgenössischen Kunst und der darstellenden Kunst widmen und für diese werben, werden in die Diskussionen, die sich an diese Untersuchungsund Analyse-Phase anschließen wird, ebenfalls einbezogen. Herausgeber der Veröffentlichung : Francis Gelin Liste der benutzten Abkürzungen ADT : Agence de Développement Touristique CEAAC : Centre Européen d’Actions Artistiques Contemporaines CG 67 : Conseil Général du Bas-Rhin CG 68 : Conseil Général du Haut-Rhin CRA : Conseil Régional d’Alsace CRS : Conférence du Rhin Supérieur CUS : Communauté Urbaine de Strasbourg DCRI : Direction de la Coopération et des Relations Internationales DCS : Direction de la Culture et des Sports DRAC Alsace : Direction Régionale des Affaires Culturelles d’Alsace ETB : Eurodistrict Trinational de Bâle FEDER : Fonds Européen de Développement Régional FRAC : Fonds Régional d’Art Contemporain LaFT BW : Landesverband Freier Theater Baden-Württemberg LAKS BW : Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren in Baden-Württemberg RMT : Région Métropolitaine Trinationale du Rhin Supérieur Leiter der Agence culturelle d’Alsace Kleines deutsches Glossar Untersuchungen, Interviews, Analyse und Synthese : Adèle Lhoutellier Freie Gruppen : compagnies indépendantes Hochschule : école supérieure Kleinkunst : « petit art », correspond aux genres Forschungsbeauftragte du cabaret, spectacle musical, cirque Kulturamt : direction des affaires culturelles Kulturbus : « bus pour la culture » Kulturzentrum: centre culturel Kunsthalle : musée d’art Kunstverein/Kunsthaus : Association d’amateurs d’art Oberrhein : Rhin Supérieur Regierungspräsidium: préfecture de district Soziokultur : « culture sociale » (proche du terme « socioculturel » en français) Staatstheater : théâtre du Land (comprenant généralement opéra, ballet et théâtre) Stadttheater : théâtre municipal Tanztheater : théâtre dansé sommaire Liste der benutzten Abkürzungen und kleines deutsches Glossar 2 EINLEITUNG 4 Evaluierung des Engagements der öffentlichen Hand unter dem Gesichtspunkt der Praktiken und der Vorstellungen der kulturellen Akteure und des organisatorischen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs, in dem diese agieren 5 Untersuchungs-Methodologie und Felduntersuchung 6 KAPITEL 1 MANGELNDE KOHÄRENZ BEIM ENGAGEMENT DER ÖFFENTLICHEN HAND ZUGUNSTEN DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT IN DER OBERRHEINREGION 8 1:: Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen, oft zu unspezifisch ausgerichtet und ungenügende Koordination 8 2:: Die Erläuterungen von Seiten der Politik und der Verwaltungen 12 KAPITEL II DIE RHEINGRENZE HINSICHTLICH DER PRAKTISCHEN AKTIVITÄTEN DER KULTURELLEN AKTEURE : AKTIVITÄTEN, VORSTELLUNGEN, EINENGENDE RAHMENBEDINGUNGEN 13 1:: Bestandaufnahme der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zeitgenössischen bildenden Künste 13 Bildet sich eine grenzüberschreitende Dynamik heraus 13 Der Oberrhein : Ein Raum künstlerischer Zusammenarbeit, deren Sinn und Bedeutung unterschiedlich bewertet werden 14 2:: Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit bezüglich der darstellenden Künste 16 Eine mehr oder weniger intensive Zusammenarbeit, je nach der Funktion der Kunstgattunge 16 Die betriebswirtschaftliche Seite der darstellenden Künste, die Ausbildungsstrukturen und die verschiedenen Verbreitungsplattforme 17 KAPITEL III DIE MOBILITÄT DER KULTURELL INTERESSIERTEN PUBLIKUMSKREISE IM OBERRHEINGEBIET 20 1:: Ein grenzüberschreitendes Publikum, das zahlenmäßig schwer zu erfassen ist 20 2:: Zielsetzung Kommunikationsstrategie und Bemühungen um die Steigerung der grenzüberschreitenden Besucherzahlen : Instrumente und Strategien 21 3:: Kulturelle Hemmnisse und Probleme beim Personentransport 22 SCHLUSSFOLGERUNG 24 PERSPEKTIVEN UND ARBEITSABSCHNITTE 27 AUFLISTUNG VON VERÖFFENTLICHUNGEN 29 EINLEITUNG Die Untersuchung beinhaltet - ausgehend von einer Analyse der kürzlich realisierten oder der aktuellen grenzüberschreitenden Initiativen und Projekten - eine Evaluierung der von der öffentlichen Hand realisierten Politik zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit in der Oberrhein-Region. Erstellt wurde eine Beurteilung der ursprünglichen Anliegen und der Qualität der grenzüberschreitenden kulturellen Projekte, bewertet wurde die Kontinuität der Partnerschaften und der Businessmodelle der Projekte, die Mobilität der kulturell interessierten Öffentlichkeit und die Positionierung der deutschen, französischen und schweizerischen Körperschaften hinsichtlich der Ausarbeitung dieser grenzüberschreitenden Vorhaben. Auf der Grundlage einer gründlichen Felduntersuchung bietet diese Studie eine Bestandsaufnahme der Aktivitäten der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, hinsichtlich der Rahmenbedingungen und der Praktiken der Zusammenarbeit auf den Gebieten der darstellenden Künste und der bildenden Künste. Bei den Akteuren, die inhaltlich von unserer Studie betroffen sind, handelt es sich um die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen zur Verbreitung der Kunstproduktionen1, die Künstler und das Publikum. Es geht dabei um die Frage, in welcher Weise diese unterschiedlichen Akteure im grenzüberschreitenden Bereich des Oberrheins ihre Tätigkeit entfalten. Bezüglich dieser Aktivitäten könnten vier Faktoren gemessen werden : :: Die Mobilität der Künstler und der Öffentlichkeiten in der trinationalen Region. :: Die Positionierung und Integration der aus der trinationalen Region stammenden künstlerischen Produktionen bei den kulturellen Einrichtungen in genau dieser Region. :: Die Koproduktionen der Theatergruppen und die Events unter Beteiligung der kulturellen Einrichtungen und/oder Künstler aus den drei Ländern. :: Die seitens der Kultureinrichtungen und der kulturellen Akteure realisierte « grenzüberschreitende Kommunikation » unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der Mobilität der Publikumskreise innerhalb des Oberrheingebiets. Von grenzüberschreitender kultureller Kooperation wird hinsichtlich jedes Vorhabens gesprochen, das sich auf die Realisierung einer oder mehrerer derartiger Dimensionen dieser Art richtet. Von grenzüberschreitender kultureller Kooperation wird hinsichtlich jedes Vorhabens gesprochen, das sich auf die Realisierung einer oder mehrerer derartiger Dimensionen dieser Art richtet. 1 Die Studie konzentriert sich auf die Kooperationsvorhaben, deren Partner kulturelle Einrichtungen in öffentlicher Hand sind, das heißt Projekte, die mehrheitlich durch die Gebietskörperschaften finanziert werden. Die privaten Akteure der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit fallen also nicht in den Bereich dieser Studie. Da eines der Ziele dieser Herangehensweise außerdem in der Entwicklung von « Netzstrukturen » besteht, werden hauptsächlich professionelle Praktiken in den Mittelpunkt dieser Studie gerückt. Die sich aus dem Laienbereich entwickelnden grenzüberschreitenden Partnerschaftsbeziehungen werden nicht (oder nur am Rande) berücksichtigt. 4 Evaluation des Engagements der öffentlichen Hand unter dem Gesichtspunkt der Praktiken und der Vorstellungen der kulturellen Akteure und des organisatorischen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs, in dem diese agieren Es handelt sich darum, eine aktualisierte Bestandsaufnahme zu erstellen, indem eine quantitative und eine qualitative Herangehensweise an dieses Thema kombiniert wird. Die Zielsetzung besteht darin, die Blickwinkel auf dieses Thema zu diversifizieren, das heißt: Einschätzung der Aktivitäten der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Kooperation, Einschätzung der Kooperations-Praktiken der am kulturellen und künstlerischen Leben Beteiligten. In dieser Studie soll zugleich eine repräsentative Bilanz der zwischen 2005 und 2010 realisierten Projekte gezogen werden, betreffend die Maßnahmen der öffentlichen Hand und die politischen Rahmenbedingungen der kulturellen grenzüberschreitenden Kooperation. Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme sollen die im Oberrheingebiet in der grenzüberschreitenden Kooperation tätigen politischen, institutionellen und kulturellen Akteure aufgeführt werden, damit im weiteren Fortgang dann eine qualitative Analyse der Aktivitäten dieser verschiedenen Akteure erstellt werden kann. Wenn man die auf die Entwicklung der grenzüberschreitenden Kooperation zielenden Aktivitäten der öffentlichen Hand bewertet, so misst man ihre Wirksamkeit mittels eines Abgleichs der Ergebnisse und der diesen Maßnahmen zugrunde liegenden Ziele ; bewertet wird aber auch die Sachdienlichkeit dieser Initiativen der öffentlichen Hand. Diese Sachdienlichkeit kann bei Beachtung der Bedürfnisse der Nutznießer, das sind nämlich die Trägereinrichtungen der grenzüberschreitenden kulturellen und künstlerischen Projekte, bewertet werden. Diese Bedürfnisse werden notwendigerweise durch die jeweiligen Projekt-Modalitäten und die funktionalen Eigengesetzlichkeiten, wie sie in den Kulturbereichen auftreten, durch die wirtschaftliche, soziale und territoriale Umgebung, in der sich die Projektträger bewegen, bedingt. Zwecks Bewertung der Sachdienlichkeit der Bemühungen der öffentlichen Hand hat die Studie nach den Bedürfnissen, nach den Praktiken und den Vorstellungen der in die kulturelle grenzüberschreitende Arbeit involvierten Akteure gefragt. Worin bestehen die ursprünglichen Anliegen ihrer grenzüberschreitenden Vorhaben ? Welche Bedeutung messen sie der Ausarbeitung dieser Projekte bei ? Welche Schwierigkeiten traten bei der Realisierung auf ? Welche Bedeutung besitzt für sie die Entwicklung von Projektpartnerschaften ? Von welcher Grundhaltung aus bewerten sie die grenzüberschreitenden Projekte ? Ist der Oberrhein ihrer Ansicht nach ein für Kooperationen optimal beschaffenes Gebiet ? In diesem Dokument werden also mehrere Absichten gebündelt : Erstellen einer Bilanz der Bemühungen der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Kooperation und Studium der Praktiken und Vorstellungen der kulturellen Akteure, aber auch der einengenden strukturellen Rahmenbedingungen, denen sie unterworfen sind. 5 Untersuchungs-Methodologie und Felduntersuchung Die Untersuchung für den vorliegenden Bericht wurde – bei exakter wissenschaftlicher Analyse – in mehreren Abschnitten realisiert ; letztere folgen - mehr oder weniger ausgeprägt - aufeinander : :: Die Untersuchungen unter Verwendung offizieller Quellen (Web-Sites der öffentlichen Einrichtungen, offizielle Publikationen etc.). mit dem Ziel der Erfassung der institutionellen und kulturellen Partner der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Auflistung sämtlicher Maßnahmen der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitende n Kooperation und insbesondere der kulturellen Zusammenarbeit. Zudem wurde ein Projekt zwecks Auflistung der in den zurückliegenden fünf Jahren realisierten grenzüberschreitenden Projekte1 erstellt und dann am Ende der Untersuchung vervollständigt. :: Mit den Akteuren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurden Interviews auf der Grundlage von Leitfäden geführt. :: Untersuchungen auf der Grundlage der Veröffentlichungen über die in den drei‚ Oberrhein-Ländern’ realisierten kulturpolitischen Strategien und hinsichtlich der Organisation der darstellenden Künste und der zeitgenössischen bildenden Künste, aber auch betreffend die Geschichte und die Thematik des Rechts im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Die Untersuchungsmethoden für dieses Dokument und die benutzten Quellen sind also vielfältiger Art. Das Ausgangsmaterial für diesen Bericht wurde vor allem im Rahmen zahlreicher Gespräche, an denen Akteure, die auf institutioneller, politischer und kultureller Seite in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit involviert sind, erarbeitet. Die Liste der zu Interviews eingeladenen Akteure entstand ausgehend von dieser Bestandsaufnahme, die bei der Interview-Vorbereitung zu erstellen war und aufgrund mehrerer Sondierungs-Interviews. Ausgehend von diesen ersten Interviews kamen mehrere andere Akteure ins Blickfeld der Analysen und einige Personen traten sogar in direkten Kontakt mit diesen ; zwischen dem 15. März und dem 2. Juli 2010 wurden 74 Personen2 befragt. Bei den Interviews wurden mehrere Formen der Gesprächsführung kombiniert. Auf der einen Seite wurden die Interviews auf der Basis eines Leitfadens mit der Zielsetzung der « Informationsbeschaffung », geführt, um die institutionellen Akteure der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit unter dem Gesichtspunkt der Institutionen, der Einrichtungen und der angebotenen Dienstleistungen für die grenzüberschreitende (kulturelle) Zusammenarbeit kennen zu lernen; es handelte sich um die Frage nach dem konzeptionellen Ursprung des Projekts und nach der Bedeutung dieser Institutionen und dieser Aktivitäten, es ging um die Funktion der Institutionen und die Verfahrensweisen bei der Realisierung dieser Förderprojekte. Zudem begann die Interview-Serie hinsichtlich der kulturellen und künstlerischen Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit einer « Informationsphase », in deren Rahmen die Interviewpartner gebeten wurden, ihr grenzüberschreitendes Projekt, ihr ursprüngliches Konzept vorzustellen, die von ihnen erbetenen Finanzierungsformen, etc. Die zweite Phase der Gespräche zielte methodisch vor allem auf ein tieferes Verständnis der Sachverhalte, um die praktischen Vorgehensweisen und Vorstellungen der institutionellen und kulturellen Akteure besser erfassen zu können. Es handelte sich darum, sich hinsichtlich der Überlegungen der Interviewpartner zur grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit gezielt zu informieren, die Bedeutung, die diese Akteure der Ausarbeitung der Maßnahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit beimessen, zu eruieren, Informationen über die Konzeption der grenzüberschreitenden Kulturprojekte und auch über die Schwierigkeiten, auf die sie stießen bzw. die sie als solche subjektiv wahrnahmen, zu erhalten. 1 Die von uns hier übernommene Definition von « grenzüberschreitendem Projekt » stellt einen semantisch weiten Begriff dar, wie vorhergehend dargelegt wurde. Gemeinschaftsproduktion der Partner der Oberrhein-Region, Vermarktungsbemühungen im Oberrheingebiet, Aktivitäten zwecks Mobilität der Künstler und des Publikums stellen insgesamt Aspekte dar, die uns veranlassen, ein Vorhaben als « grenzüberschreitend » zu charakterisieren. 2 Einige Personen wurden innerhalb einer Gruppe befragt. 6 Bei den in die Interviews einbezogenen Akteuren können mehrere Typen unterschieden werden : :: Die institutionellen Akteure der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit: Es handelt sich um das Personal der Verwaltungen der öffentlichen Hand, das für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit tätig ist (Eurodistrikte), um die Kultur-Abteilungen und die Abteilungen für internationale Beziehungen der Gebietskörperschaften (Generalräte, Regionalrat, Gemeindeverwaltungen, deutsche Regierungspräsidien , Schweizer Kantone). :: Die kulturellen und künstlerischen Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit : Dies betrifft die kulturellen Institutionen (Vermarktungsstrukturen und Standorte künstlerisches Schaffens), die grenzüberschreitend agieren, die Träger grenzüberschreitender Kulturprojekte, die Einrichtungen, die sich der künstlerischen Ausbildung widmen, die Künstler und die Kulturzeitschriften. Hinsichtlich der darstellenden Künste (Tanz, Musik, Theater) wurden die Direktoren der verschiedenen für die Kulturwerbung zuständigen Einrichtungen befragt, die Theatergruppen (Spielleiter und Schauspieler) und die Koordinatorin eines deutschen Kulturzentrennetzwerks. Was die Funktionen der im Bereich der zeitgenössischen Kunst tätigen Akteure betrifft, die im Rahmen dieser Untersuchung befragt wurden, so sind die Unterschiede geringer1 : Interviewt wurden mehrere Leiter französischer und Schweizer Kulturzentren, die Koordinatorin eines deutschen Netzwerks von Kulturzentren, ein Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der Museen. Diese Bewertung der Aktivitäten der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hinsichtlich der Praktiken und des Rahmens der Zusammenarbeit auf den Gebieten der darstellenden Künste und der zeitgenössischen bildenden Künste wird in drei Kapiteln präsentiert. Zum Abschluss dieser Darlegungen wird nach der Möglichkeit gefragt, aktuell eine Kulturpolitik auf der Ebene der trinationalen Region zu konzipieren, die das Ergebnis einer Absprache der institutionellen, politischen, kulturellen und künstlerischen Akteure sein sollte. Es stellt sich die Frage: Kann aufgrund der Macht der öffentlichen Hand - angesichts der unterschiedlichen Bewertung der Bedeutung der grenzüberschreitenden Beziehungen, angesichts der Entwicklungslogiken der kulturellen Aktivitäten und in Anbetracht einengender Rahmenbedingungen, denen die verschiedenen Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unterliegen - eine sachdienliche Politik initiiert werden, die zu intensivieren Austauschbeziehungen und dynamischeren kulturellen und künstlerischen Partnerschaften führt ? 1 Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich ergaben, Gesprächstermine mit den deutschen Akteuren zu vereinbaren, ergab sich innerhalb des Samples der kulturellen Akteure, die die zeitgenössische Kunst repräsentieren, ein gewisses Ungleichgewicht. Wir erhielten jedoch von mehreren Einrichtungen auf deutscher Seite aufgrund von E-Mail-Kontakten ausreichende Informationen hinsichtlich ihrer « grenzüberschreitenden Ambitionen ». :: Die politischen Akteure der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit : Vier politische Akteure (Abgeordnete und politische Mitarbeiter derselben) vom Conseil Régional d’Alsace (elsässischen Regionalrat) wurden befragt ; sie sind nämlich im Conseil Régional d’Alsace für die Bereiche der kulturellen Angelegenheiten und der grenzüberschreitenden Beziehungen zuständig. 7 Kapitel I MANGELNDE KOHÄRENZ BEIM ENGAGEMENT DER ÖFFENTLICHEN HAND ZUGUNSTEN DER KULTURELLEN ZUSAMMENARBEIT IN DER OBERRHEINREGION F r a n k r e i c h 1:: Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen, oftmals zu unspezifisch ausgerichtet und ungenügende Koordination Die Aktivitäten der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit betreffen derzeit mehrere Entscheidungsebenen : Die Ebene der Gebietskörperschaften, wie dies für die drei Länder der trinationalen Region gilt, die staatliche Ebene und die überstaatlichen Organisationen (Eurodistrikte, Oberrhein-Konferenz, Oberrheinrat und Europäische Union). Die Gesamtheit dieser Organisationen der öffentlichen Hand schlägt spezifische Maßnahmen zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Initiativen und insbesondere kulturelle Initiativen, die voneinander isoliert sind, vor. Diese Vielzahl von Akteuren trägt zu mangelnder Kohärenz des öffentlichen Engagements bei, was sich übrigens nicht spezifisch auf die kulturelle Zusammenarbeit bezieht. Organisationsstruktur der öffentlichen Hand Jeweilige Dienststellen Aktivität zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit Große und mittlere Städte :: Leitung der Kultur und der Kultur-Services :: Leitung der internationalen Beziehungen :: Keine spezifische Unterstützungs-Einrichtung vorhanden : punktuelle finanzielle Unterstützung für Projekte, die als förderungswürdig eingestuft werden :: Kooperationsvereinbarungen der Städte (Beispiel : Mulhouse/Freiburg im Breisgau) :: Projekt der Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt Strasbourg Horizons rhénans ; Träger ist die Stadt Strasbourg Generalräte von Bas-Rhin (CG 67) und des Haut-Rhin CG 68) :: Leitung der wirtschaftlichen Entwicklung des Territoriums (CG 67) :: Service der internationalen und der grenzüberschreitenden Aktivitäten (CG 68) :: Einrichtung für allgemeine Unterstützung : Hilfsmittel für örtliche grenzüberschreitende Aktivitäten :: Finanzierung der grenzüberschreitenden Einrichtungen (Eurodistrikte, CRS, Oberrheinrat, INFOBEST-Dienststellen,etc.) :: Leitung von Kulturangelegenheiten und Sport (CG 67) :: Leitung von Kulturangelegenheiten und kulturelles Erbe (CG 68) :: Finanzierung und Verträge bei Zielsetzungen zusammen mit kulturellen Einrichtungen hinsichtlich grenzüberschreitender Projekte 8 F r a n k r e i c h D E U T s c h l a n d Organisationsstruktur der öffentlichen Hand Jeweilige Dienststellen Aktivität zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit Conseil Régional d’Alsace (CRA, elsässischer Regionalrat) :: Direction de la Coopération et des Relations Internationales (Leitung der internationalen Kooperation u. der internationalen Beziehungen, DCRI) :: Technisches Sekretariat des europäischen Programms INTERREG IV Oberrhein :: Finanzierung der grenzüberschreitenden Einrichtungen (Eurodistrikte, Oberrheinrat, INFOBEST-Dienststellen,etc.) :: Keine verfügbaren Geldmittel für die Unterstützung der grenzüberschreitenden Projekte unabhängig vom INTERREG-Programm :: Leitung für Kultur und Sport (Direction de la Culture et des Sports, DCS) ; (Leitung der Kultur- u. Sportan-gelegenheiten) :: Unterstützungs-Einrichtung für grenzüberschreitende Kulturprojekte :: Unterstützungs-Einrichtung für Förderung der Mobilität der Künstlergruppen und der Kooperation internationaler Events :: Vereinbarung zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der darstellenden Kunst mit dem Schweizer Kanton Fribourg seit 2008 DRAC Alsace :: Dienststellen der territorialen u. grenzüberschreitenden Politikbereiche :: Keine spezifischen Geldmittel, die für die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit bestimmt sind :: Punktuelle Unterstützung grenzüberschreitender Projekte :: Vertrag mit dem Bundesland Baden-Württemberg zugunsten des Austauschs von Künstlern auf dem Gebiet der bildenden Künste Regierungspräsidien von Freiburg im Breisgau und Karlsruhe :: Dienststellen speziell für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit :: Keine Fördereinrichtung für grenzüberschreitende Projekte :: Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, grundlegende Ausrichtung und Ratschläge für die Projektträger :: Dienststellen, für die die kulturellen Angelegenheit zuständig sind :: Keine spezifische Einrichtung für die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit :: Punktuelle Unterstützung grenzüberschreitender Kulturprojekte, die als förderungswürdig eingestuft werden :: Dienststellen für internationale Beziehungen :: Dienststelle für Kulturangelegenheiten (Kulturamt) :: Keine spezifischen Geldmittel für die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit :: Punktuelle Unterstützung grenzüberschreitender Kulturprojekte, die als förderungswürdig eingeschätzt werden :: Die Träger der Kulturprojekte werden über bestehende Finanzierungsmittel Große und mittlere Städte (Karlsruhe, Freiburg im Breisgau, Baden-Baden) Technologie:: Kultur-Arbeitsgruppe Region Karlsruhe :: Initiierung grenzüberschreitender Kulturprojekte 9 Kantone :: Dienststellen für Kulturangelegenheiten S c h e i w z i n t e r n a t i O n a l e e b e n e :: Keine spezifische Unterstützungs-Einrichtung für die grenzüberschreitenden Kulturprojekte :: Kantonalübergreifende Geldmittel der Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Aargau zwecks Finanzierung der INTERREG-Projekte :: Punktuelle Unterstützung der grenzüberschreitenden Initiativen im Rahmen der kantonalen Subventionsprogramme :: Kantonale Lotteriefonds für die Unterstützung internationaler Kulturprojekte, die für den Kanton realisiert werden Stiftung PRO HELVETIA :: Unterstützung des künstlerischen Schaffens und der Verbreitung von Kunst u. Kultur im Ausland :: Kein spezifisches Programm für die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit Eurodistrikte REGIO PAMINA, StrasbourgOrtenau, Freiburg/Colmar und Centre-Alsace, trinationaler Eurodistrikt Basel Mehr oder weniger stark ausgeprägte Kompetenzen auf kulturellem Gebiet : :: PAMINA : Punktuelle Förderung der Kulturprojekte im Rahmen des Haushaltsmittel für grenzüberschreitende Kleinstprojekte (Agenda PAMINA 21) :: Strasbourg-Ortenau : Keine spezifische Einrichtung, aber klare Äußerungen in diese Richtung Oberrheinkonferenz (CRS) :: Arbeitsgruppe Kultur / Forum Culture :: Beginn der Realisierung grenzüberschreitender Kulturprojekte :: Organisation von Seminaren, die der Konzeption hinsichtlich der ausgewählten kulturellen Thematiken dienen :: Geldmittel für die Zusammenarbeit :: Geldmittel für die Förderung der Beziehungen der Theater in der Oberrhein-Region Oberrheinrat (Conseil Rhénan) :: Ausschuss Kultur – Jugend - Ausbildung :: Überlegungen hinsichtlich der ausgewählten kulturellen Thematiken :: Vorbereitung von Entschließungen und Empfehlungen, die an die Oberrheinkonferenz (CRS) und an die Gebietskörperschaften gerichtet werden Europäische Union :: Europäische Finanzierungsprogramme aus FEDER und insbesondere das Programm INTERREG IV Oberrhein 10 Bei den Gesprächen mit mehreren Mitgliedern der Arbeitsgruppe Kultur1 der Oberrheinkonferenz (CRS) zeigten sich außerdem interne funktionale Unstimmigkeiten, die insbesondere aus den Divergenzen unter den Mitgliedern hinsichtlich der Funktion und der Aufgabenstellungen der Gruppe resultieren. Die aus der Schweiz entsandten Mitglieder bedauerten, dass die seitens des Kulturforums initiierten Projekte « politische Projekte » seien und es sich um keine künstlerischen Projekte handele. Sie befürworten die Konzeption einer grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit, die auf natürliche Weise « von unten her » aufbauen solle, das heißt, ausgehend von den Künstlern und den Trägern der Kulturprojekte. Sie stellen sich damit gegen die Vorstellung, dass die öffentliche Hand aufgrund ihres Einflusses grenzüberschreitende Kulturprojekte entwickeln und selbst einleiten solle. Die öffentliche Hand solle – so diese strategische Sichtweise – die Realisierung der Projekte nur fördern und ihre Realisierung ermöglichen, erst nachdem sie in den Kreisen der Künstler und Kulturschaffenden ausgearbeitet worden sind. Auf europäischer Ebene unterstützt das INTERREG-Finanzierungsprogramm die Entwicklung kultureller Projekte unter Beteiligung deutscher, französischer und schweizerischer Akteure der Oberrhein-Region in begrenztem Maße. INTERREG II A 10% Kulturprojekte 90% Andere Projekte Im Rahmen des Programms INTERREG III A (2000-2006) : 131 finanzierte Projekte, darunter befinden sich 13 Kulturprojekte2. Die Träger der Kulturprojekte sind der Ansicht, dass dieses europäische Programm ihren Herangehensweisen oftmals nicht entspricht. Seine Auswahlkriterien und das ihm zugrunde liegende Prinzip, dass Geldzahlungen bei Vorlage von Rechnungen erfolgen, führen dazu, dass zahlreiche Kulturschaffende und Künstler von der Teilnahme Abstand nehmen oder abgeschreckt werden. Aufgrund dieser Untersuchung konnten einige Schwierigkeiten, auf die die Projektträgern als Nutznießer dieser Finanzierungen stießen, hervorgehoben werden ; es geht dabei darum, ein Projekt vorzuschlagen, dessen Weiterbestand gewährleistet und dessen Anliegen innovativ ist, die Schwerfälligkeit der Verwaltung muss überwunden werden, die Verwaltungskosten im Rahmen dieser Finanzierungen sollten gesenkt, die Projekt-Weiterführung nach der Unterbrechung der INTERREG-Finanzierung sollte gewährleistet werden. Diese von den Projektträgern und den Mitarbeitern des technischen INTERREG-Sekretariats erwähnten Schwierigkeiten tragen dazu bei, dass sich die Meinung verfestigt, dass die Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit durch die Europäische Union in geringem Maße zur Entwicklung von Koproduktionen bezüglich Events oder Künstler- und Kulturprojekten im Oberrheingebiet beiträgt. Letztendlich heißt das Folgendes : Selbst dann, wenn eine gewisse Koordination zwischen den verschiedenen Organisationen - insbesondere unter Mitwirkung der Oberrheinkonferenz (CRS) und über den Oberrheinrat (Conseil Rhénan) angestrebt wird –, stellt das Gesamtsystem der Aktivitäten der öffentlichen Hand auf der Ebene der grenzüberschreitenden Region derzeit ein mehrstufiges System dar; es führt hinsichtlich der Akteure der Kulturprojekte zu Schwierigkeiten bei deren Suche nach Informationen über mögliche Förderprogramme. 1 Zur Kultur-Arbeitsgruppe gehören die Mitglieder, die für die Kulturangelegenheiten zuständig sind und die den deutschen Verwaltungsbehörden angehören ((Regierungspräsidien), die französischen Mitglieder (CRA, CG 67 und CG 68) und die Schweizer Mitglieder ; sie tritt etwa viermal jährlich zusammen. Im Jahre 2006 wurde sie in Kulturforum (forum Culture) umbenannt. Sie organisiert nunmehr Seminare mit thematischen Schwerpunkten, mit dem Ziel zu informieren und bestimmte Fragen hinsichtlich der Kulturarbeit zu vertiefen. So wurden beispielsweise Seminare über « die Architektur im Oberrhein », « Kultur und Jugend », « Informationstechniken in der Kulturarbeit », etc. organisiert. 2 Die Daten stammen aus den Broschüren der Programmpräsentationen, die beim technischen Sekretariat des INTERREG-Programms der Région Alsace verfügbar sind. 11 2:: Die Erläuterungen von Seiten der Politik und der Verwaltungen Aufgrund unserer Felduntersuchung ergeben sich mehrere Aspekte, die dazu beitragen können zu erklären, weshalb im öffentlichen Engagement zugunsten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eine inkohärente Herangehensweise (‚Verzettelung’) feststellbar ist und diese Bemühungen recht bescheiden sind ; die Aktivitäten der öffentlichen Hand, wie sie von den meisten deutschen, französischenund Schweizer Gebietskörperschaften realisiert werden, fallen konzeptionell zu unspezifisch aus. Den auf politischer Ebene wahrnehmbaren Bekundungen betreffend die grenzüberschreitende Zusammenarbeit scheint es an Entschiedenheit und Kohärenz zu fehlen. Wenn man sich auf die Stellungnahmen, die seitens der elsässischen Institutionen (CG 67, CG 68, elsässischer Regionalrat, CRA) abgegeben werden, konzentriert, so spiegeln diese ein deutliches Interesse für das Projekt der Metropolregion Oberrhein (TMO)1 wider. In diesem Projekt manifestiert sich ein deutlicher Wille, eine neue Stufe der Kooperation, verbunden mit neuen Zielsetzungen, zu entwickeln. Aber die Gespräche mit mehreren politischen Akteuren (insbesondere des elsässischen Regionalrats, CRA), die an der Ausarbeitung dieses Projekts beteiligt sind, bestätigen die Einschätzung, dass sich dieses politische Vorhaben noch im Stadium der Konzeption befindet und dass sich die konkreten Mittel seiner Realisierung nach und nach abzeichnen. Außerdem scheint das TMO-Projekt, für das sich die elsässischen Gebietskörperschaften derzeit engagieren, die Zielsetzung der wirtschaftlichen Hervorhebung der trinationalen Region und seiner Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Raum in den Vordergrund zu rücken. Die Stellungnahmen der in die Ausarbeitung dieses Projekts involvierten Politiker betonen die Priorität der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies bestätigt die Einschätzung, dass die kulturelle Zusammenarbeit innerhalb der grenzüberschreitenden Regionalpolitik kein Gegenstand besonderer Bemühungen darstellt. Außerdem begünstigen die auf nationaler Ebene realisierten Reformen nicht die Intensivierung der grenzüberschreitenden Austauschbeziehungen. Insbesondere stellt auf französischer Seite die Überlegung betreffend die einheitliche Gebietskörperschaft des Elsass im institutionellen Gesamtzusammenhang ein Element dar, auf der das TMO-Projekt beruht; dies könnte zu einer verlangsamten Einbeziehung der regionalen Gebietskörperschaften in die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit führen. Andererseits gefährdet die auf nationaler Ebene realisierte Gebietskörperschaftsreform die Zuweisung der den Generalräten (CG) zustehenden Haushaltsmittel und verringert für die Kulturabteilungen der Generalräte die Möglichkeit, in stärkerem Maße Investitionen in die Strukturierung der grenzüberschreitenden Kulturbeziehungen zu tätigen. Schließlich behindert die Abschaffung der internationalen Kredite der DRAC (Regionaldirektion für die kulturellen Angelegenheiten des Elsass) seit 2007 ein wirksames und öffentlichkeitswirksames staatliches Engagement zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit. 1 Dieses Projekt wurde auf Initiative von CRS und des Oberrheinrates (Conseil Rhénan) realisiert, es wurde durch eine gemeinsame Erklärung der wichtigsten Akteure von französischer, deutscher und Schweizer Seite aus Anlass des 11. trinationalen Kongresses 2008 offiziell bekannt gemacht. In dieser Erklärung wird das folgende Ziel benannt : « Der Oberrhein-Raum soll innerhalb der europäischen und der internationalen Konkurrenz der Regionen eine erstrangige Funktion einnehmen ». Die Initiative ist integraler Bestandteil der Regionalpolitik der Europäischen Union, die die Regionen unterstützt, um ihre Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit auf europäischer und internationaler Ebene weiter zu entwickeln. Indem die dynamischen Entwicklungen aufgrund von Vernetzungen und Synergien besonders betont werden, zielt das Konzept der Metropolregion (TMO) für den Oberrhein auf eine neue Art von Steuerungspolitik (gouvernance), ausgehend von vier Pfeilern der Zusammenarbeit: ein politischer Pfeiler, ein wirtschaftlicher Pfeiler, ein wissenschaftlicher bzw. universitärer Pfeiler, ein « Zivilgesellschafts »-Pfeiler. 12 Kapitel II DIE RHEINGRENZE HINSICHTLICH DER PRAKTISCHEN AKTIVITÄTEN DER KULTURELLEN AKTEURE : AKTIVITÄTEN, VORSTELLUNGEN, EINENGENDE RAHMENBEDINGUNGEN 1:: Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zeitgenössischen bildenden Künste Bildet sich eine grenzüberschreitende Dynamik heraus? Die Bilanz der Initiativen im Bereich der bildenden Künste, denen das Merkmal grenzüberschreitender Zielsetzung zukommt, ist derzeitig bescheiden. Abgesehen von der Ausstellung la Regionale1 – ein Event, das seit zehn Jahren mehrere schweizerische, deutsche und französische Zentren zeitgenössischer Kunst in der trinationalen Region umfasst, ist es nur einigen wenigen punktuellen Projekten2 gelungen, die vorhandenen Strukturen und/oder die Künstler der drei Länder, die den Oberrhein-Raum bilden, in Projekte aktiv einzubinden. Dennoch werden grenzüberschreitende Ambitionen geäußert, insbesondere im Rahmen des elsässischen Netzwerkes zeitgenössischer Kunst Trans Rhein Art3. Das im Jahre 2006 auf Initiative des CRA (elsässischer Regionalrat) und DRAC Alsace (Regionaldirektion für kulturelle Angelegenheiten des Elsass’) geschaffene Netzwerk Trans Rhein Art engagiert sich seit seiner Gründung an der werbewirksamen Präsentation des regionalen Angebots zeitgenössischer Kunst, indem es Informationen allgemein zugänglich macht und gezielt informiert. Die Einrichtung von Partnerschaften zwischen den Tourismus-Ämtern von Bas-Rhin, Haut-Rhin (Agences de Développement Touristique du Bas-Rhin et du Haut-Rhin) und Trans Rhein Art wirkt in die gleiche Richtung wie die entschiedene Absicht der Netzwerkmitglieder, im Rahmen der Netzwerkaktivitäten früher oder später eine grenzüberschreitende Konzeption durchzusetzen. Wenn man sich für die kulturelle Zusammenarbeit im geografischen Raum von Frankreich, Deutschland und der Schweiz interessiert, ist die Bilanz der Initiativen im Bereich zeitgenössischer Kunst recht umfangreich. Zahlreiche Projekte und Kooperationen4 von Strukturen, die sich im Oberrheingebiet befinden und mit französischen, deutschen und/oder schweizerischen Strukturen kooperieren, können geplant werden. Selbst wenn sie nicht das Oberrheingebiet, wie es offiziell definiert wird, betreffen, so belegen sie unabweisbar eine Öffnung hin zu den Nachbarländern und stellen wichtige Teilaspekte der Weiterentwicklung der internationalen Kulturkooperation dar. Selbst wenn die Kultureinrichtungen international und insbesondere europäisch ausgerichtet sind, so ist für die Einrichtungen, die sich der Verbreitung zeitgenössischer bildender Kunst im Oberrheingebiet widmen, auf grenzüberschreitender Ebene nur eine geringe Weiterentwicklung feststellbar. Während die auf die werbewirksame Hervorhebung zeitgenössischer Kunst zielenden Herangehensweisen in unserer Zeit auf internationaler Ebene funktionieren, scheint die Oberrheinregion, deren außergewöhnliches Merkmal ja darin besteht, drei europäische Länder zu umfassen, kein geografischer Bereich regen intensiven Austauschs und intensiver Kooperationen zu sein. Welche Erklärung gibt es bezüglich der relativ geringen Mobilität der Künstler und der Mitarbeiter der Institutionen in diesem trinationalen Nahbereich ? 1 Siehe Web-Site der 10. Ausgabe des Events : www.regionale10.net ; am 21.08.2010 eingesehen. 2 Außerdem : Déplacements de compétences/Kompetenzverschiebungen Ausstellungsprojekt auf Initiative von Frac Alsace (Sélestat), la Kunsthalle Palazzo (Liestal) und der Vereinigung Accélérateurs de particules (Strasbourg) ; die Eventtage Ateliers Ouverts entre 2000 et 2006 ; die 9. Ausgabe der Ausstellung zeitgenössischer Kunst Mulhouse 00 im Jahr 2010. 3 Siehe auch Internet-Seite des Netzwerks : www.artenalsace.org am 6. September 2010 eingesehen. 4 Insbesondere die künstlerischen Kooperationen zwischen Stuttgart und Strasbourg, unter Vermittlung des CEAAC (Europäisches Zentrum für zeitgenössische künstlerische Aktivitäten), aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Bundesland Baden-Württemberg und DRAC Alsace initiiert ; punktuelle Zusammenarbeit zwischen Kunstzentren /Kunstvereine des Rheingebiets und den entsprechenden Strukturen in einem erweiterten Raum, der Frankreich, Deutschland und die Schweiz umfasst. 13 Der Oberrhein : Ein Raum künstlerischer Zusammenarbeit , deren Sinn und Bedeutung unterschiedlich bewertet werden Es gibt im Oberrheingebiet hinsichtlich der grenzüberschreitenden Kooperation betreffend die zeitgenössische Kunst mehrere Diskurse. Bei den Interviews traten hinsichtlich der Zweckdienlichkeit der Kulturpolitik und des Interesses für den Oberrhein als einem Bereich künstlerischer Zusammenarbeit unterschiedliche Positionen und Argumentationslinien zutage. Mehrere Leiter von Einrichtungen der zeitgenössischen Kunst, die interviewt wurden, sind der Ansicht, dass die Stadt Basel – aufgrund ihrer jährlich stattfindenden Art Basel und ihren zahlreichen Museen und Galerien – auf regionaler Ebene eine Art « Kulturhauptstadt » sei und dies treffe insbesondere für den südlichen Bereich des Oberrheingebiets zu. Es handelt sich um eine Hauptstadt zeitgenössischer Kunst, die eher eine dominierende Funktion ausübe, als dass sie ausstrahle; die französischen und die deutschen Akteure berichten davon, dass aufgrund des Reichtums und des Prestiges von Basel negative Konkurrenz-Einflüsse hinsichtlich der zeitgenössischen Kunst bezüglich des Angebots ihrer eigenen Einrichtungen feststellbar seien. Sie bedauern außerdem, dass die Schweizer Einrichtungen in Form einer « Insel » fungierten. Auszug aus einem Gespräch mit der Leiterin eines Kunstzentrums des Haut-Rhin, 16.04.2010 « In höherem Maße, als dass es ein Problem des Landes wäre, ist es eine Frage der Bedeutung oder des kulturellen Zentrums. Das heißt, es gibt Basel und um dieses Gebiet herum, ob es sich nun um Deutschland handelt, um die Schweiz oder Frankreich – sind wir ganz kleine Satelliten. Basel übt also ständig diese Anziehungskraft aus und es besteht der Wille, mit ihnen zu kooperieren, was aber auf der anderen Seite nicht unbedingt geteilt wird, denn Basel ist sich in gewisser Weise selbst genügend. » Die befragten Akteure berichteten auch über ihre Schwierigkeit beim Zugang zu den Schweizer kulturellen Strukturen. Die Unterschiede zwischen den finanziellen Mitteln der elsässischen und badischen Kunstzentren einerseits und den schweizerischen Kunstzentren andererseits wird auch als ein Aspekt bewertet, der bei Kunst- und Kultur-Ausstellungen die Kooperationen erschwere. Alle diese Aspekte tragen dazu bei, dass das Zentrum Basel im Oberrheingebiet eine dominierende Stellung einnimmt und die Entwicklung einer dynamischen grenzüberschreitenden Kooperation unter Einbeziehung französischer und deutscher Kunst-Milieus infrage stellt. Zudem sind die vorhandenen Gegebenheiten und Verwaltungsstrukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie sie durch die staatlichen und politischen Institutionen festgelegt sind, nicht notwendigerweise mit der besonderen Ausrichtung der Projekte der Ausstellungskuratoren kompatibel. In den Ausführungen der interviewten Leiter der Einrichtungen zeitgenössischer Kunst ist ein gewisser Wille erkennbar, sich aus den Rahmenbedingungen der institutionellen Partnerschaft und aus einer von politischen Entscheidungsträgern definierten kulturellen und künstlerischen Zusammenarbeit zu lösen. Der Wunsch, sich von einer Zusammenarbeit, die durch die Institution und durch die Politik getragen wird, zu emanzipieren, zielt in die gleiche Richtung wie die Vorstellung, dass sich die Projekte der kulturellen und künstlerischen Zusammenarbeit innerhalb des Kultur- und Kunst-bereichs entwickeln sollten. Hier wird eine gewisse Grundhaltung der Körperschaften in Frage gestellt, eine Grundhaltung, bei der sie selbst Projektinitiatoren sind. Auszug aus einem Gespräch mit einem Akteur der Kunstausbildung, 07.06.2010 « Vielleicht ist nicht genügend Bereitschaft zur Übergabe von Verantwortung vorhanden oder es fehlt an dem nötigen Vertrauen, das sich bei Partnern, die Projekte initiieren, bilden sollte. Und die Partner, die die Begründer des Projekts sind, die dafür sorgen, dass sich die Projekte zu einem gegebenen Zeitpunkt gut entwickeln, realisiert, bis zum Ende geführt werden, bis sie unter Umständen stillstehen, es sind die Beteiligten, es sind die Künstler oder die in den Vereinigungen besonders Aktiven. Das ist nicht die Einrichtung, nicht die Einrichtung muss dies alles bewältigen. Meiner Ansicht nach kommt es auf den eindeutigen Willen an, der alles voran bringt, deshalb muss man sich auf die Willensbekundungen stützen. Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sich dieses Engagement nicht ewig weiterführen lässt. Die Projektwünsche ändern sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, andere folgen. Gerade darin liegen meiner Meinung nach die unterschiedlichen Bewertungen begründet und hier, […] gerade hier stößt der Voluntarismus an seine Grenzen. Denn zu einem bestimmten Zeitpunkt setzt man sich an die Stelle derjenigen, die handeln müssen oder derjenigen, die bestimmte Wunschvorstellungen haben. » Diese Ausführungen belegen einen kritischen Blick auf eine Zusammenarbeit aus Gründen des Prinzips, das heißt, einer kulturellen Zusammenarbeit, die von den Beteiligten aus Politik und Verwaltung gewollt ist. Die befragten Ausstellungskuratoren sind – in gleicher Weise – auf der Suche nach einer gewissen Autonomie hinsichtlich der politischen und institutionellen Rahmenbedingungen, die die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit derzeit prägen. 14 Auch wenn sich bei den im Kulturbereich Aktiven offensichtlich kein Desinteresse auf grenzüberschreitendem Gebiet und hinsichtlich des kulturelles Kontextes, in den ihre Einrichtung eingebunden ist, zeigt, so rücken manchmal andere Prioritäten vor die Ausarbeitung von Nahbereichs-Partnerschaften. Neben der Priorität, die der Bestimmung der künstlerischen Identität der jeweiligen Kultur-Einrichtung eingeräumt wird, kann auch die derzeitige wirtschaftliche Instabilität der kulturellen Einrichtungen dazu führen, dass sich die Mitarbeiter stärker auf die Funktionsweise ihrer Einrichtung konzentrieren. Diese finanzielle Instabilität schränkt folglich ihre Bemühungen bei der Suche nach Kooperationspartnern im Außenbereich ein. Außerdem scheint die Tatsache, dass der Kulturschaffende in einem grenzüberschreitenden Raum ansässig ist oder dass er zu dieser Region gehört, für die Ausstellungskuratoren kein herausragendes Kriterium darzustellen, um sich für Künstler zu entscheiden, die sie präsentieren oder zwecks Partnerstrukturen gezielt auswählen. Auszug aus einem Gespräch mit einer Ausstellungskuratorin eines schweizerischen Kunstzentrums, 02.07.2010 « Für mich ist die Frage der trinationalen Region nicht besonders interessant, ich suche Individuen, ich suche Institutionen oder ich suche Projekte, die besonders interessant sind. » Die Künstlerpersönlichkeit und das künstlerische Projekt besitzen klar Vorrang vor der gezielten Hervorhebung eines geografischen Gebiets und seiner regionalen Künstler. Das grenzüberschreitende Oberrhein-Gebiet ist jedoch nach Ansicht einiger die Kultur gestaltender Teilnehmer von großem Interesse, da es Künstlermilieus, die aufgrund der Besonderheit ihrer Aktivitäten extrem unterschiedlich sind, im Nahbereich zusammenführt. Das auf die intensivierte Kooperation innerhalb dieses geografischen Raums ausgerichtete Hauptaugenmerk dieser kulturellen Akteure konzentriert sich nicht notwendigerweise auf die Koproduktion von Events oder auf Inhalte deutscher, französischer und schweizerischer Partner, sondern vor allem auf die gezielte beobachtende Auswertung und die gegenseitige Ergründung der verschiedenen institutionellen und künstlerischen Umfelder. Besonders für die französischen Kunstzentren und die deutschen und Schweizer Kunstvereine, die sich gemeinsam für die Weiterentwicklung und die Verbreitung zeitgenössischer Kunst einsetzen, gelten derzeit nicht die selben Verfahrensregeln1. Mehrere der interviewten Kuratoren hoben die Tatsache hervor, dass sich die Kunstvereine als alternative und autonome Strukturen von den französischen Kunstzentren unterscheiden. Einige Akteure sind der Ansicht, dass in den Arbeitsweisen und den Aktivitäten der französischen Strukturen die politische und institutionelle Führungsfunktion sehr deutlich hervortrete und den Spielraum der Ausstellungskuratoren hinsichtlich ihrer künstlerischen Planungen beeinträchtige, weil diese sie verpflichteten, kurzfristig zu agieren. In Bezug auf die zurückliegenden Kooperationen greifen mehrere Akteure auf diese Argumente zurück, um Vorbehalte hinsichtlich der Entwicklung gemeinsamer Projekte unter Beteiligung deutscher, französischer und Schweizer Strukturen vorzubringen. Die unterschiedlichen Strategien dieser Kultureinrichtungen können daher als Hemmnisse bei der Intensivierung der Austauschbeziehungen und der Koproduktionen zwischen deutschen und Schweizer Kunstvereinen und Kunstzentren im Oberrheingebiet gewertet werden. 1 Ein Blick auf die Ursprünge und die Geschichte der Kunstvereine erklärt die Selbstständigkeit im Funktionieren und in der Verwaltung, die diese Einrichtungen noch heute prägen. Zwecks Vertiefung der Thematik sei verwiesen auf : Marilyn Molinet, Une machine à vapeur… La plus haute idée de l’éducation : éléments fondamentaux de l’histoire des Kunstvereine, Revues Le Portique, 2007. 15 2:: Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit bezüglich der darstellenden Künste Eine mehr oder weniger intensive Zusammenarbeit, je nach der Funktion der Kunstgattungen Bei einer Bestandsaufnahme der grenzüberschreitenden Projekte im Bereich der darstellenden Künste werden die Unterschiede zwischen den Kunstgattungen recht deutlich sichtbar, hinsichtlich der Austauschbeziehungen und der grenzüberschreitenden Initiativen, der Projekt-Erfolge und der Weiterführung der Projekte. Im Bereich der Tanzkultur ist derzeit fast keinerlei Koproduktion bei Events unter Beteiligung von Einrichtungen und/oder deutschen, französischen oder Schweizer Künstlertruppen im trinationalen Bereich feststellbar1. Außerdem scheint die Mobilität der Tanzgruppen ganz gering entwickelt zu sein. Insbesondere die elsässischen Tanzgruppen wirken im Oberrhein-Umkreis nicht (oder in nur sehr geringem Maße). Es ist jedoch hervorhebenswert, dass sich interessante grenzüberschreitende Initiativen über die Oberrhein-Verwaltungsgrenzen hinaus entwickelt haben, beispielsweise das Interjura-Festival ; grenzüberschreitend ist eviDanse2 in ein umfassenderes Projekt der Herausbildung eines Netzwerks kultureller Akteure im grenzüberschreitenden französisch-schweizerischen Bereich integriert. Aufgrund der Sprachbarriere scheint das Theater hinsichtlich grenzüberschreitender Koproduktionen und der Mobilität der Kunstschaffenden innerhalb des Oberrheingebiets eher weniger begünstigt zu sein. Dennoch konnten einige Kooperationen realisiert werden, innerhalb der zwei « Nischen » des Theaterschaffens, dem zweisprachigen Theater und der Kleinkunst. In der Untersuchung fiel der Blick auf etwa zehn kleine Theatertruppen, die im Oberrheingebiet in der bilingualen ‚Nische’ tätig sind, die sich aufgrund einer begrenzten Nachfrage aber kaum weiter zu entwickeln scheint. Die sich an ein junges Publikum wendenden bilingualen Theatertruppen, sind derzeit eher in deutschen Schulen und Bibliotheken aktiv, als dass sie ihre Werke auf konventionelle Weise aufführen. Sie berichten übrigens von den Schwierigkeiten, dass sie sich aufgrund von Zeitmangel keine neuen Aufführungsplattformen erschließen könnten. Die Kleinkunst (in der Gattung Kabaretts, Karneval und Musikshow) scheint ebenfalls ein Gebiet darzustellen, das für die Zusammenarbeit und die Mobilität des Publikums Entwicklungspotentiale bietet. Die Aufführung von Musik-Events und Vorführungen von Theaterkabarett der Choucrouterie (Strasbourg) in Deutschland, das grenzüberschreitende Festival Novemberlicht (Bühl) und der Erfolg der Kabarettaufführungen im Elsass vor deutschem Publikum bestätigen diese Einschätzung. Die auf kulturelle Produktionen zielenden Kooperationen oder die Koproduktionen der großen Theater im Oberrheinbereich sind derzeit nur von marginaler Bedeutung. Auf die gleiche Weise wie die Ausstellungskuratoren zeitgenössischer Kunst heute Kooperationen jenseits der Oberrheingrenzen zu bevorzugen scheinen, entscheiden sich die Direktoren der französischen Einrichtungen, die punktuell deutsche Theaterstücke aufführen und/oder bei Theatervorführungen mit deutschen Theatern Koproduktionen realisieren, nicht zugunsten lokaler Kreationen bzw. lokale Projektpartner. Aufgrund der Erfahrungen mit mehreren Musik-Events bzw. Musikveranstaltungen lässt sich einschätzen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Musik am einfachsten zu realisieren und auch vielversprechend ist. Die grenzüberschreitenden Festivals Musica (Strasbourg), Jazz d’Or (Strasbourg), Stimmen (Lörrach) arbeiten seit vielen Jahren an Austauschprojekten der Künstler diesseits und jenseits des Rheins und sorgen dafür, dass die entsprechenden Publikumskreise angesprochen werden. Das Festival Ramp’Art festif (Wissembourg) bietet ebenfalls ein Programm an, in dem französische und deutsche Musikgruppen hinsichtlich der Zusammenführung ihrer örtlichen Besucherkreise zusammengefasst werden. Einige Vereinigungen (Dominicains de Haute-Alsace Guebwiller, Europop, Aperock) werben außerdem regelmäßig mit grenzüberschreitenden Events und Konzerten. Trotz dieser kontinuierlich durchgeführten grenzüberschreitenden Projekte stößt die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der darstellenden Kunst auf strukturelle Hemmnisse. Außer der sprachlichen Barriere bereiten die die wirtschaft -liche Rentabilität betreffenden Gesichtspunkte und die Strukturierung der Produktionen der darstellenden Kunst nach Ansicht der die Kulturevents gestaltenden Personen – Schwierigkeiten, die dem intensiveren Künstleraustausch in der Oberrhein-Region im Wege stehen. 1 Seit dem Festival MOBIL[E] - a regio dance festival, einem im Jahre 2002 organisierten großen Event (dem von INTERREG III finanzierten Event folgten keine weiteren Veranstaltungen) gab es auf dem Gebiet der Tanzkunst wenig grenzüberschreitende Projekte. 2 Es fand im Frühjahr 2010 statt und wurde aus Haushaltsmitteln für kulturelle Zusammenarbeit des Territoriums Belfort und der Republik und dem Kanton Jura unterstützt. 16 Die betriebswirtschaftliche Seite der darstellenden Künste, die Ausbildungsstrukturen und die verschiedenen Verbreitungsplattformen In Deutschland und der Schweiz sind die unabhängigen Theatergruppen (freie Gruppen) und die Theaterensembles der Städte (Stadttheater) und die regionalen Ensembles (Staatstheater) in völlig unterschiedliche wirtschaftliche Zusammenhänge integriert. Man muss die Funktionsweisen dieser zwei‚ Parallelbereiche’ des Kunstschaffens exakt einschätzen, um zu begreifen, worin sie sich strukturell von den französischen Kreationszusammenhängen und Verbreitungsformen unterscheiden. Im Bereich des deutschen Theaterwesens stellen die sehr zahlreichen Stadt- und Staatstheater Theaterstätten dar, zu denen Ensembles gehören (Oper, dramatisches Ensemble und manchmal Ballett), die durch geringe Mobilität geprägt sind und denen Schauspieler und technische Mitarbeiter angehören. Diesen von den öffentlichen Körperschaften (den Städten und Bundesländern) sehr stark und systematisch unterstützten Einrichtungen ist es grundsätzlich möglich, ihre Produktionen zu finanzieren. Wie in der Studie von Herrn Robert Lacombe1 hervorgehoben wird, ist es für die deutschen regionalen und städtischen Theaterensembles folglich nicht erforderlich, Tourneen zu organisieren, um die Kosten ihrer eigenen Produktionen zu amortisieren. Neben dem diese Einrichtungen auszeichnenden autonomen Management ist die Tatsache zu erwähnen, dass in der Programmplanung wenig Raum für die Aufnahme von Kreationen, die aus dem Außenbereich an sie herangetragen werden, verbleibt. Dadurch werden die Möglichkeiten der französischen und Schweizer Theatertruppen und Gruppen, auf Tourneen seitens deutscher städtischer oder regionaler Theater empfangen zu werden, ganz erheblich eingeschränkt. Demgegenüber wird an den Orten, die im Elsass2 den darstellenden Künsten gewidmet sind, meistens sehr wohl darauf geachtet, dass nationale und ausländische Kunstschaffende mit ihren Produktionen zu Gastspielen eingeladen werden. Allerdings werden deutsche Theaterproduktionen ausgehend von Staatstheatern oder Stadttheatern – von diesen Einrichtungen in sehr geringem Maße als Gäste empfangen. Die von den französischen Verantwortlichen vorgetragenen Erklärungen bestehen im Hinweis auf die zu hohen Kosten für deutsche Aufführungen und es wird auf die Unterschiede im Planungsrhythmus zwischen französischen Theater-Ensembles und Bühnen verwiesen. Über die wechselseitigen Willensbekundungen zur Zusammenarbeit hinaus scheinen sich die Organisations- und Management-Modelle der deutschen Staatstheater und der Stadttheater nur schwer mit der betriebswirtschaftlichen Realität der französischen Theater- und Kulturzentren vereinbaren zu lassen. Diese strukturellen Unterschiede müssen als wichtige Aspekte bewertet werden; dieser Sachverhalt erklärt teilweise die geringe Anzahl von Theater-Kooperationen bei Produktionen und Koproduktionen hinsichtlich der öffentlich finanzierten deutschen Theater und den französischen Theatern und Bühnen im Oberrheingebiet. Die wirtschaftlichen Realitäten der unabhängigen Theatertruppen in Deutschland (freie Gruppen) und insbesondere im Bundesland Baden-Württemberg unterscheiden sich sehr deutlich von denjenigen der Theaterensembles. Man zählt derzeit im Bundesland etwa 220. Die freien Gruppen bilden eine unabhängige Kulturszene und gehören zu einer Gesamtheit sehr unterschiedlicher künstlerischer Milieus ; dazu zählen das zeitgenössische Theater, das Theater für das junge Publikum, Objekt-Theater, Marionettentheater, Tanztheater, Zirkus, Kabarett etc. Sie werden aus städtischen Mitteln finanziert, können aber auch Finanzmittel erhalten vom Landesverband Freier Theater Baden-Württemberg e.V.3 (LaFT BW), von der Vereinigung, die mit der Verwaltung der regionalen Fonds für unabhängige Theater betraut ist (1 Million Euro im Jahr 2009). 1 Robert Lacombe, Le spectacle vivant en Europe, modèles d’organisation et politiques de soutien, édition La Documentation Française, 2004, Seite 156. 2 Relais culturels, La Comédie de l’Est - Centre Dramatique National, La Filature - Scène Nationale, Théâtre Le Maillon, etc. 3 Siehe die Einzelheiten der Förderleistungen (Projektunterstützung, Unterstützung regionaler Festivals, Unterstützung bei der Konzeption, Unterstützung bei der Verbreitung) auf der Internet-Seite : www.laks-bw.de 17 Im Allgemeinen arbeiten sie hinsichtlich der Kreation und der Verbreitung unter sehr prekären Verhältnissen. Zum Merkmal dieses Bereichs gehört oftmals, das die Mitglieder mehreren Tätigkeiten nachgehen ; diese Problematik ergibt sich teilweise aus einem Sozialsystem, das weniger vorteilhaft als das französische System ist. Dem französischen System der Arbeitslosenversicherung für die Künstler und Techniker mit Zeitvertrag steht auf deutscher Seite nichts Vergleichbares gegenüber. Daher sind die unabhängigen deutschen Künstler gezwungen, den Rhythmus ihrer Vorstellungen zu erhöhen, um ihre künstlerische Aktivität rentabel zu gestalten und /oder sie müssen auf « Broterwerbsjobs » zurückgreifen. Die kleinen französischen und deutschen Theatertruppen scheinen hinsichtlich des betriebswirtschaftlich notwendigen Quantums von Theateraufführungen ganz unterschiedliche Gesichtspunkte zu beachten haben. Folglich sind die Rhythmen der künstlerischen Produktion bei französischen Theatertruppen und deutschen Gruppen nicht identisch. Die französische Arbeitslosenversicherung, selbst wenn sie zu einem hohen Prozentsatz bezahlter Stunden zwingt, ermöglicht den aus Zeitarbeitnehmern bestehenden Theatergruppen eine adäquate Planung für Probenzeiträume und Kreationsphasen. Eine Schauspielerin vom Gavroche Theater (Strasbourg)1 verweist beispielsweise auf die von ihr erlebte Schwierigkeit, als sie mit einer deutschen PartnerTheatergruppe, Theater Spektakel, eine gemeinsame Kreationsphase vereinbaren wollte. Diese unterschiedlichen Rhythmen erleichtern nicht die Koproduktionen der kleinen französischen und deutschen Theatertruppen innerhalb des Oberrheingebietes. Der Leiter des Landesverbandes Freier Theater Baden-Württemberg, LaFT BW2, bestätigt außerdem, dass einige Theatergruppen zwecks Vorführung ihrer Produktionen regelmäßig Mietzahlungen für die städtischen Aufführungssäle und die Privattheater leisten. Diese Anmietungspraxis für Aufführungsräumlichkeiten ist in Frankreich extrem selten. Es wird erforderlich sein, den Anteil badischer Theatergruppen genauer zu evaluieren, die derzeit von diesem System des « Anmietens von Aufführungsräumlichkeiten » betroffen sind und ihr künstlerisches Angebot (Genre, Repertoire, Qualität) muss charakterisiert werden. Es scheint jedoch offensichtlich zu sein, dass die elsässischen Theatertruppen hinsichtlich der Entwicklung ihrer Aufführungen im deutschen Raum nicht einplanen können, Mietzahlungen zu leisten und ihre Einnahmen lediglich über den Verkauf von Eintrittskarten abzusichern. Strukturelle Unterschiede bestehen auch zwischen den Ausbildungsstrukturen und der kulturellen Entwicklung in der trinationalen Oberrheinregion, die die Strukturierung und die Kontinuität der grenzüberschreitenden Projekte erschweren. Beispielsweise trifft Mission Voix Alsace – eine Vereinigung, die sich hauptsächlich auf die Förderung des Laienchors und auf die Ausbildung von Fachleuten bei der Anleitung von Laien konzentriert - heute bei der Suche nach Partnereinrichtungen in Deutschland und der Schweiz auf ein pädagogisches Förderkonzept, das hinsichtlich der künstlerischen Laienaktivitäten und der professionellen Praktiken sehr unterschiedlich konzipiert ist. Die Direktoren der Kulturzentren, die im Rahmen dieser Untersuchung befragt wurden, bestätigen außerdem, dass es in Deutschland und der Schweiz keine Struktur gebe, die dem elsässischen Netzwerk kultureller Zentren3 vergleichbar sei. Die französischen und deutschen Theatertruppen, die im Rahmen dieser Untersuchung befragt wurden, bestätigen jedoch, dass es im badischen Raum und in Rheinland-Pfalz eine bestimmte Zahl städtischer Theatersäle oder Privattheater gebe, in denen unabhängige Theatertruppen bei ihren Tourneen gastieren könnten. An diesen Orten ist kein fest angestellter Regisseur vorhanden und es gibt keine Ausstattung und keinen Techniksupport, die als so leistungsfähig bewertet werden können, wie dies bei den örtlichen elsässischen Bühnen der Fall ist, was die in die Programmplanung involvierten Theatertruppen dann veranlasst, auf ihrer Gastspielreise ihr eigenes Aufführungsmaterial mitzuführen. 1 Gespräch mit einer Schauspielerin des Gavroche Theaters, Strasbourg am 17. Mai 2010 2 Gespräch mit dem Leiter des LaFT BW, Baden-Baden am 10. Mai 2010 3 Dieses Netzwerk besteht aus Theatersälen, die über ein ständiges technisches Personal und Verwaltungspersonal verfügen, die eine multidisziplinäre Planung anbieten und von den Gemeinden finanziert werden, den CG 67 und 68 und dem CRA. Diese Kulturzentren bilden für die kleinen Theatergruppen besondere Aufführungsorte von großer Bedeutung. 18 Man kann jedoch die Meinung vertreten, dass im Oberrheinbereich eine gewisse wechselseitige Unkenntnis bezüglich der Realitäten der Verbreitung der darstellenden Künste vorhanden sei, bei den unabhängigen französischen Theatertruppen und den deutschen Gruppen einerseits und zwischen den elsässischen Vermarktern und den badischen Vermarktungsstrukturen andererseits. Im Rahmen dieser Studie konnte auf deutscher Seite ein Netzwerk von Kulturzentren, das mehrere Kunstgattungen und eine Vielfalt kultureller Aktivitäten fördert, erfasst werden; die Kulturzentren, von denen es in Baden-Württemberg 51 gibt und die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren Baden-Württemberg (LAKS BW)1, könnten Gastspielorte für die Aufführung für unabhängige Theatertruppen darstellen und potentielle Projektpartner für die Kulturzentren aus dem Gebiet des Elsass’ sein. Selbst wenn sie sich aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Funktion, ihrer finanziellen und technischen Ressourcen von den elsässischen Kulturzentren unterscheiden, besitzen sie gemeinsame Interessen. 1 Die LAKS BW (siehe Web-Site: www.laks-bw.de), die sich in Pforzheim befindet., erfüllt mehrere Aufgaben : Informieren der soziokulturellen Zentren und der Träger der soziokulturellen Projekte über abrufbare Fördermittel, Unterstützung der Einrichtungen und Akteure bei ihren Subventions-Anträgen und insbesondere beim Bundesland ; Organisation von Informationsseminaren und Diskussionen für die Mitglieder der Vereinigung ; Vertretung der Kulturzentren, Darstellung ihrer Arbeit und ihrer Interessen im bereich der Öffentlichkeit und der Politik. Am Ende dieses zweiten Kapitels ist es wichtig, zu präzisieren, dass eine gewisse Anzahl von Akteuren der zeitgenössischen Kunst und der darstellenden Künste, die sich intensiv mit der Herangehensweise der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit befassen, die Meinung vertreten, dass sie derzeit diesen Arbeitsbereich ihrer beruflichen Tätigkeit kaum weiterentwickeln können. Andere Prioritäten treten hinsichtlich dieser grenzüberschreitenden Ambitionen in den Vordergrund. Diese Kulturschaffenden betonen die Tatsache, dass ihren Initiativen zur Weiterentwicklung des Angebots für das grenzüberschreitende Publikum, zwecks Organisation von deutschen und schweizerischen Präsentationen, Planung von Koproduktionen, etc. aufgrund der bescheidenen Finanzmittel Grenzen gesetzt seien und durch die vielfältigen Ziele, denen sie verpflichtet sind, eine Einschränkung erfolge. Auszug aus einem Gespräch mit dem Direktor eines Kulturzentrum des Haut-Rhins, 16.04.2010 « Das ist es also, was wir machen und was wir machen konnten. Aber unsere Priorität ist trotzdem das französische Publikum, das Publikum aus der Nähe, aus dem Nahbereich. Wir sind ja nur ein kleines Team, es gibt vier in der Verwaltung tätige Personen, wir erreichen also schnell die Grenzen hinsichtlich der Steigerung der Besucherzahlen. Aber was wir realisiert haben, ja, was wir gemacht haben, ist gut. Aber wir können da nicht erheblich zulegen. » Die kulturellen Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bestätigen außerdem, dass bei den grenzüberschreitenden Herangehensweisen bestimmte Kenntnisse erforderlich seien2, deren Aneignung viel Zeit beanspruche und persönliches Engagement erfordere ; es fehle ihnen die Möglichkeit, dies in isolierter Vorgehensweise weiter zu entwickeln. Eine große Mehrheit der Kulturschaffenden, die sich für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einsetzen, berichtet außerdem über ihren subjektiven Eindruck, dass sie von den öffentlichen Körperschaften nicht symbolisch und finanziell unterstützt würden. Obwohl auf einige erfolgreiche und kontinuierlich weitergeführte grenzüberschreitende Projekte verwiesen werden kann, lässt sich aufgrund dieser Äußerungen und bei Berücksichtigung der einengenden Rahmenbedingungen, über die sich die Kulturschaffenden äußerten und die sie bewerten, sagen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf den Gebieten des darstellenden Künste und der zeitgenössischen bildenden Künste derzeit auf keiner stabilen Grundlage steht. 2 Erfassen der potentiellen Kultur-Partner, Kennenlernen der Strukturen für die Verbreitung ausländischer Produktionen, Erfassen der möglichen finanziellen Mittel, Erfassen der Netzwerke der Strukturen der ausländischen Presse etc. 19 Kapitel III DIE MOBILITÄT DER KULTURELL INTERESSIERTEN PUBLIKUMSKREISE IM OBERRHEINGEBIET Die Frage der Mobilität der Publikumskreise wird an dieser Stelle aus der Sichtweise und unter Berücksichtigung den praktischen Tätigkeit der Kulturschaffenden erörtert. Dieser Teil beinhaltet keine soziologische Herangehensweise an die Thematik der « grenzüberschreitenden Publikumskreise », was es ermöglicht, eine Typologie der mobilen Publikumskreise – je nach deren Auswahlkriterien und sozialen Merkmalen innerhalb der trinationalen Oberrheinregion zu erstellen. Hier steht eher die Frage im Vordergrund, die von den kulturellen Einrichtungen entwickelten Aktivitäten zur verstärkten Reisebereitschaft der Besucher im Oberrheingebiet zu erfassen, und auch die Hemmnisse zu benennen, die der Mobilität entgegenstehen, wie dies die Kulturschaffenden im Zuge der Interviews darlegten. 1:: Ein grenzüberschreitendes Publikum, das zahlenmäßig schwer zu erfassen ist Die aus Anlass dieser Untersuchung angesprochenen kulturellen Einrichtungen berichten darüber, dass sie hinsichtlich des grenzüberschreitenden Publikums - das heißt eines Publikums, das innerhalb des trinationalen Raums beweglich ist – über wenige Informationen verfügen. Die kulturellen Einrichtungen haben neben den gelegentlich verfügbaren Informationen über die Herkunft der Besucher und der Abonnements aufgrund von Ticketverkäufen – im allgemeinen keine Maßnahmen getroffen, um die Attraktivität ihres Kulturangebots bei diesem kunstinteressierten Publikum zu bewerten, so dass eine genaue Erfassung der Mobilität der Publikumskreise in der Oberrheinregion fehlt. Die seitens der Verantwortlichen der Kultureinrichtungen übermittelten Daten beinhalten daher oftmals Annäherungswerte und sind empirischer Art. Auch wenn keine exakten Datenbestände vorliegen, so ist dies dennoch nicht gleichbedeutend mit einem fehlenden Interesse der Kultureinrichtungen betreffend die Publikumskreise der Nachbarregionen. Besonders einige große Kultur-Institutionen scheinen die Entwicklung ihrer ausländischen Besucherzahlen sehr aufmerksam zu registrieren und verweisen gern auf die Steigerung dieser Besucherzahlen. Die Leitung der Opéra National du Rhin schätzt aufgrund ihrer Abonnentenzahlen für die Theatersaison 2009/2010, dass ihr deutsches und Schweizer Publikum etwa 18% des Gesamtpublikums darstellt und verweist auf eine konstante Steigerung dieser Besucherzahlen seit mehreren Jahren. Die Leitung des Theaters Le-Maillon verzeichnet ebenfalls eine Steigerung der Auslands-Abonnements (hauptsächlich deutsche Theaterbesucher betreffend) : 12 waren es im Jahre 2004, 79 in den Jahren 2006-2007, 110 für 2007-2008 und 250 Abonnements für 2009-20091. 1 Die Daten stammen aus dem Dossier mit dem Titel « Le-Maillon, son action en faveur du théâtre et du public allemands » (« Le-Maillon, seine Aktivitäten zugunsten des deutschen Theaters und des deutschen Publikums »), Mitteilung seitens der Theaterleitung. 20 2:: Zielsetzung Kommunikationsstrategie und Bemühungen um die Steigerung der grenzüberschreitenden Besucherzahlen – Instrumente und Strategien Aufgrund mehrerer Beispiele zeigt sich ein erfolgreiches Engagement der Kultureinrichtungen bei der Ausarbeitung einer « grenzüberschreitenden Kommunikation » und in Richtung eines spezifischen Publikums, nämlich von Besuchern, die das grenzüberschreitende Angebot nutzen. Der im Jahre 1999 eingerichtete « Pass für Museen » stellt ein sinnvolles Instrument zur Förderung der Mobilität der Besucherkreise hinsichtlich der Museen in der Oberrhein-Region dar. Er ermöglicht derzeit freien Zugang zu den 180 Mitgliedsmuseen der Vereinigung, zu allen ständigen und zeitweiligen Ausstellungen. Die Entwicklung der Zahl der verkauften « Pässe für Museenv » belegt unbestreitbar den Erfolg des Projekts : Im Jahre 1999 wurden 7574 « Pässe » verkauft, im Jahre 2004 waren es 28142, und im Jahre 2009 belief sich die Anzahl auf 317321. Man kann jedoch die Frage hinsichtlich der wirklichen Bedeutung dieses « Passes für Museen » aufwerfen, bezogen auf die Mobilität der Museumsbesucher im Oberrhein-Gebiet. Es ist ein Ungleichgewicht bei der Zahl der Pass-Inhaber auf deutscher, französischer und Schweizer Seite feststellbar2. Zudem sei angemerkt: Selbst wenn eine Studie zu den Besucherzahlen diese Äußerungen nicht abstützt, so bestätigen der Direktor der Stiftung Pass Musée und mehrere Leiter kultureller Einrichtungen, die interviewt wurden, dass sich die Besucherströme der « Pass »-Inhaber eher in Richtung der Schweiz bewegen, in etwas geringerem Maße nach Deutschland ; die Zahlen für Frankreich fallen dagegen deutlich geringer aus. Die grenzüberschreitenden Kulturveranstaltungskalender stellen Instrumente dar, die für die Verbreitung von Kulturinformationen im grenzüberschreitenden Bereich sehr wichtig sind. Wird jedoch aufgrund der Vielzahl dieser Kulturveranstaltungskalender3 eine optimale Werbewirkung und ein wirklicher Erfolg für jedes dieser Instrumente der grenzüberschreitenden Kommunikation gewährleistet ? Die Tatsache, dass mehrere der interviewten Kulturschaffenden diese Informationsplattformen nicht kannten, verweist darauf, dass die Verbreitung dieser Werbeträger und die Entwicklung dieser Instrumente nicht optimal sind. Neben den Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, die Informationen über die Planungen der Kultur-Events im Oberrheingebiet bekannt zu machen und neben den auf den Kartenverkauf ausgerichteten Initiativen haben einige Kultureinrichtungen in eigener Initiative einen Kommunikationsplan mit grenzüberschreitenden Informationen erstellt. Diese Investition wird derzeitig hauptsächlich von großen Kultureinrichtungen, wie dem Maillon-Theater oder den Musées de Strasbourg, getätigt. Diese Kultureinrichtungen erstellen daher spezifische Kommunikationsinstrumente und realisieren zwecks Steigerung der Besucherzahlen aus Deutschland eine Arbeit vor Ort. Le Maillon organisiert außerdem seit sieben Theatersaisons Transportserviceleistungen für sein deutsches Publikum, indem es den Theatergästen zwischen Offenburg und Wacken (dem Ort der Vorstellungen) einen « Kulturbus » zur Verfügung stellt. Aufgrund dieser Untersuchung kann jedoch bestätigt werden, dass bei der Realisierung einer grenzüberschreitenden Informationsstrategie spezifische Kompetenzen erforderlich sind, deren Aneignung nicht für alle kulturellen Akteure gesichert ist. Für die Übersetzung der Informationsträger müssen kompetente Übersetzer (mit sprachlichem Know-how und besonderen Kenntnissen auf künstlerischem Gebiet) eingeschaltet werden, die die Kultureinrichtungen manchmal nur unter großen Schwierigkeiten anwerben können. Die Ausgaben für die Übersetzungsarbeiten werden außerdem oftmals als Hemmnis für die Erstellung eines zweisprachigen Informations-Angebots eingeschätzt. Wenn man die vorhandenen Medienstrukturen nutzen will und die Besucherkreise aus den Nachbarländern, die gewonnen werden sollen, erfassen möchte, so bedeutet dies, dass man in erheblichem Maße zusätzliche Arbeitszeit investieren muss ; einige Akteure des kulturellen Bereichs können diese nach eigenen Angaben nicht aufbringen. Derzeitig sind nur einige große Kultureinrichtungen des Elsass’4 in der Lage, für die Bewältigung dieser Tätigkeiten qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Halten wir schließlich noch fest, dass von den Kultur-Informationsstellen, die sich für die Steigerung der Besucherzahlen aus Deutschland und der Schweiz einsetzen, heute hauptsächlich die Besuchergruppen der Schüler und Studenten angesprochen werden. 1 Im Jahre 2009, wurden in der Schweiz 14289 « Pässe » verkauft, in Deutschland 11359 und in Frankreich 6084 « Pässe ». Diese Daten wurden dem Jahresbericht 2009 entnommen, der von der Leitung der Vereinigung bereitgestellt wurde. 2 Idem. 3 Unter anderem : Die Kulturagenda (das Ergebnis einer Partnerschaft zwischen den Dernières Nouvelles d’Alsace und der Badische Zeitung), das Internetportal trans-culture.net, die Monatspublikation Transversalles, die Web-site und die gedruckte Version von artline.org, REGIOINKA – das Kulturmagazin für die PAMINA-REGION, etc. 4 Insbesondere die nationale Bühne von La Filature (Mulhouse), das TNS und das Theater Le-Maillon. 21 3:: Kulturelle Hemmnisse und Probleme beim Personentransport Da die Sprache ein Hemmnis für die Entwicklung von Theater-Koproduktionen darstellt und die Mobilität der Theatertruppen im grenzüberschreitenden Bereich erschwert, berichten die für die Informationsstrategie zuständigen Interviewpartner über die Schwierigkeit, die ausländischen Publikumskreise für ihre Theatervorstellungen als Besucher zu gewinnen. Zwecks Überwindung der sprachlichen Barriere wird von einigen elsässischen Kulturein-richtungen1 in der Weise verfahren, dass bei ihren Theateraufführungen deutschsprachige Übersetzungen (« Über-Titel ») angeboten werden. Aufgrund dieser Felduntersuchung kann außerdem festgehalten werden, dass die diesseits und jenseits des Rheins vorhandenen unterschiedlichen Erwartungen und kulturellen Praktiken die geringe Reisebereitschaft der kulturell interessierten Publikumskreise im Oberrhein-Gebiet erklärbar machen. Mehrere im Elsass für die Kultur-Event-Planungen zuständige Personen bestätigten im Rahmen der Interviews, dass die deutschen und die französischen Besucher keine identischen kulturellen Erwartungshaltungen aufwiesen. Das deutsche Publikum sei eher an Laienkabarett interessiert, an Musik-Shows, an Karnevalveranstaltungen etc. - der Kleinkunst. Daraus leitetet sich für mehrere Kulturschaffende die Überlegung ab, sich intensiver mit den kulturellen Gewohnheiten und Erwartungen im Rahmen der Schulbildung zu befassen, um im Laufe der Zeit die Reisebereitschaft der kulturell Interessierten und potentiellen Kultur-Event-Besucher zu steigern und die Gemeinsamkeiten der deutschen und französischen Publikumskreise zu fördern. Außerdem begünstigen die Straßenverkehrsanbindungen und das Eisenbahnnetz im grenzüberschreitenden Bereich die Mobilität der potentiellen Kultur-Event-Besucher nicht. Die fehlenden Verkehrsverbindungen zwischen deutschen und französischen Städten (Mulhouse/Freiburg, Strasbourg/Freiburg, Colmar/Freiburg, Strasbourg/Karlsruhe, etc.) werden oft als ein erhebliches Hemmnis hinsichtlich der Entwicklung kultureller Beziehungen der beiden Länder dargestellt. Die Vertreter der Kultureinrichtungen, die sich in den Städten befinden, die mittels Zugverkehr nicht erreichbar sind, sind der Ansicht, dass diese fehlende Anbindung an Streckennetze für die Werbewirkung ihrer kulturellen und künstlerischen Planungen in der trinationalen Region sehr abträglich sei. Die sinnvolle Raumordnung und Gestaltung der regionalen Verkehrsstruktur wird daher manchmal als eine der vorrangig zu bewältigenden Aufgaben dargestellt, zwecks Bereitstellung günstiger Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit. Außerdem bewirkt die dominierende Stellung von Basel als Zentrum kultureller Aktivitäten – unter dem Gesichtspunkt des Gesamtangebots von Kunst und Kultur der im südlichen Oberrheingebiet ansässigen Einrichtungen -, dass alle Vorhaben, die auf die Steigerung der ausländischen Besucherzahlen zugunsten dieser Einrichtungen zielen, nur unter Schwierigkeiten umsetzbar sind. Auszug aus dem Gespräch mit dem Leiter eines Kulturzentrums im Haut-Rhin, 16.04.2010 « [Was wir machen], stellt eine Art Wassertropfen im Ozean dar, angesichts des außerordentlichen Angebots, das es in Basel gibt. Wenn man genau überlegt, gibt es für die Baseler – mit Ausnahme der französischsprachigen Kreise - kaum Gründe, sich in die Randgebiet zu bewegen, angesichts der vielen Angebote, die sie bei sich vorfinden. » 1 Insbesondere das TNS, das Theater Le-Maillon, die Opéra National du Rhin, die nationale Bühne La Filature. 22 SCHLUSSFOLGERUNG Bei der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit im Bereich des Oberrheingebiets sind derzeitig mehrere Diskrepanzen und widersprüchliche Zusammenhänge feststellbar; diese beeinträchtigen einerseits die Möglichkeit und die Sachdienlichkeit einer Kulturpolitik auf der Ebene des Oberrheingebiets ; es wird aber auch deutlich, dass Verbesserungswünsche und Perspektiven vorhanden sind. Aufgrund dieser Untersuchung lässt sich die plausible These aufstellen, dass eine erste Diskrepanz auf der Ebene der grundlegenden Sichtweisen der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit der institutionellen und politischen Akteure in der trinationalen Region feststellbar ist. Den Verfechtern der Konzeption einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die « von unten her » zu initiieren sei, steht die von französischer Seite vertretene Ansicht gegenüber, bei der die Gebietskörperschaften eine stärker anregende Funktion einnehmen. Es hat den Anschein, dass die Diskussion über die Funktion der Gebietskörperschaften für die Entwicklung der Austauschbeziehungen und grenzüberschreitenden Kulturprojekte dazu führt, dass sich die deutschen, französischen und schweizerischen mit den Kulturangelegenheiten befassten Akteure inhaltlich voneinander entfernen. Diese Diskrepanz der Grundrichtungen der öffentlichen Aktivitäten im Oberrheingebiet sollte so eingeschätzt werden, dass die Erarbeitung einer harmonischen Politik der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit auf der Ebene des Oberrheingebiets ein schwieriges Unterfangen darstellt. Außerdem führt die sehr starke Zersplitterung der seitens der öffentlichen Hand realisierten Aktivitäten zwecks grenzüberschreitender (kultureller) Zusammenarbeit und die Vielzahl der Entscheidungsebenen dazu, dass die Abstimmungsverfahren zwischen den institutionellen und politischen Akteuren, die in die grenzüberschreitende Kulturarbeit involviert sind, sehr komplex verlaufen. Trotz der Koordinationsversuche innerhalb der trinationalen Region- im Rahmen der Kultur-Arbeitsgruppen der überstaatlichen Instanzen von Oberrheinkonferenz (CRS) und Oberrheinrat (Conseil Rhénan), sind die Ergebnisse der Absprachen zwischen den französischen, deutschen und Schweizer Körperschaften hinsichtlich der kulturellen Zusammenarbeit derzeit wenig befriedigend. Der schwache Besuch der Sitzungen, die internen Meinungsverschiedenheiten und manchmal auch die Probleme der zeitlichen Verfügbarkeit der in diesen Arbeitsgruppen vertreten Personen verhindern die Realisierung eines kontinuierlichen Reflexionsprozesses zwecks Ausarbeitung einer Kulturpolitik, die auf die Intensivierung der kulturellen und künstlerischen Austauschbeziehungen in der trinationalen Region ausgerichtet ist. Im Rahmen der Felduntersuchung dieser Studie konnte eine zweite Diskrepanz nachgewiesen werden ; sie ergibt sich aufgrund der Unterscheidung zwischen einer Zusammenarbeit dem Grundsatz nach und einer Zusammenarbeit, die sich ausgehend vom künstlerischen Projekt entwickelt und es als solches in den Vordergrund stellt. Die Willensbekundungen der meisten kulturellen und künstlerischen Akteure, sich von den institutionellen Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu emanzipieren, verläuft konträr zur Vorstellung, dass die öffentlichen Körperschaften bei der Ausarbeitung und der Strukturierung der kulturellen Beziehungen diesseits und jenseits der Rheingrenze eine zentrale Funktion zu erfüllen hätten. Der Bestimmung der Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit (Partnerschaften, Vereinbarungen und Verträge zur kulturellen Zusammenarbeit, Einrichtungen zur Unterstützung und Förderung) aufgrund des Einflusses der öffentlichen Institutionen entspricht bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eine « top down » Herangehensweise1, die oftmals mit den Eigengesetzlichkeiten der Vorhaben der kulturellen und künstlerischen Akteure in Widerspruch steht. Die Feststellung einer Diskrepanz zwischen den institutionellen Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit und den Praktiken und Eigengesetzlichkeiten der Träger der grenzüberschreitenden Kulturprojekte lässt daher Zweifel aufkommen hinsichtlich der Sachdienlichkeit einer stärkeren Einflussnahme der öffentlichen Hand bei der Strukturierung der grenzüberschreitenden kulturellen Austauschbeziehungen. Sollte bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den Bereichen des darstellenden Künste und der bildenden Künste einer « bottom-up » Herangehensweise2 der Vorzug gegeben werden? 1 Ansatz « von oben nach unten ». 2 Ansatz « von unten nach oben ». 24 Wenn man sich die Frage hinsichtlich der Voraussetzungen einer Politik zugunsten der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit auf der Ebene des Oberrhein-Gebiets stellt, so werden in dieser Untersuchung dennoch die vorhandenen Wünsche der kulturellen Akteure deutlich und die Schwierigkeiten, auf die sie treffen; diese müssen in Betracht gezogen werden, damit die günstigen Voraussetzungen für die Entfaltung der kulturellen und künstlerischen Initiativen, die das Merkmal der grenzüberschreitenden Zielrichtung aufweisen, gebündelt werden. Im Ergebnis dieser Befragung ist eine deutliche Schwierigkeit für die Träger der Projekte erkennbar, Informationen über die Fördergelder, die seitens der zahlreichen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit involvierten Entscheidungsebenen der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, zu erhalten. Die fehlende Transparenz bezüglich der von der öffentlichen Hand betriebenen Politik der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit trägt nach Ansicht der Kulturschaffenden unzweifelhaft dazu bei, dass die Weiterentwicklung ihrer Initiativen behindert wird und sich ihre auf die kulturelle Zusammenarbeitet gerichteten Ambitionen abschwächen. Vor dem Hintergrund eines nicht vorhandenen zentralen Managements und bei unzureichender Zugänglichkeit zu Informationen über Fördermöglichkeiten müssen also unbedingt Voraussetzungen geschaffen werden, die eine bessere Unterstützung der Träger grenzüberschreitender Kulturprojekte bei ihrer Erschließung von Finanzierungsquellen gewährleisten. Durch diese Studie konnten beispielsweise in Deutschland gelegene Standorte für Kultur-Events (bestimmte Kulturzentren) erfasst werden, die offensichtlich den elsässischen Theatergruppen und den für die Vermarktung zuständigen Verantwortlichen bisher unbekannt waren. Dies bestätigt die Einschätzung, dass in den drei Ländern des Oberrhein-Gebiets Anstrengungen unternommen werden müssen, damit Informationen über strategische Ziele, über Funktionsweisen und Interessenlagen der dort agierenden kulturellen Einrichtungen gezielt bereitgestellt werden. Die Förderung der Austauschbeziehungen und die Organisation von Meetings der sachkundigen Personen aus den darstellenden und der bildenden Künsten stellt in diesem Sinne einen notwendigen Abschnitt für die Intensivierung der kulturellen und künstlerischen Partnerschaften im Oberrheingebiet dar und ist auch die Voraussetzung derselben. Eine andere grundlegende Schwierigkeit, die seitens der Akteure der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit direkt oder indirekt angesprochen wird, bezieht sich auf die Informationen über potentielle Partner in den Nachbarländern und die dortigen Kulturevent-Standorte. Im Rahmen dieser Studie wird nachgewiesen, dass es dafür Erklärungen struktureller Art, bezogen auf die wirtschaftliche Faktoren und die Organisation der Künstlermilieus und der Kultur-Event-Locations, gibt. Neben dieser Schwierigkeit bei der Erfassung der Partner ist eine wechselseitige Unkenntnis der Realitäten der künstlerischen Kreation und der Verbreitungsmodalitäten diesseits und jenseits des Rheins zu konstatieren. 25 Die Aspekte , die günstig für die weitere Entwicklung der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit sind Die feststellbaren Schwächen, die die Weiterentwicklung der kulturellen Zusammenarbeit hemmen :: Einige positive und kontinuierlich gestaltete grenzüberschreitende Initiativen. :: Die Bemühungen der öffentlichen Hand sind stark aufgesplittert und fallen bescheiden aus. :: Erfolgreiche Aktivitäten der grenzüberschreitenden Informationspolitik und der zahlenmäßigen Entwicklung von Besucherkreisen, die von den großen kulturellen Einrichtungen initiiert wurde. :: Die Förderangebote sind zu unspezifisch und manchmal ungeeignet (INTERREG Oberrhein). :: Interesse an der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit aufgrund der Stellungnahmen der in der Politik, in den Institutionen und in der Kultur wirkenden Akteure. :: Kulturelle Initiativen werden von der öffentlichen Hand in geringem Maße unterstützt. :: Es besteht eine Diskrepanz zwischen den Rahmenbedingungen der institutionellen und politischen Zusammenarbeit und den Eigengesetzlichkeiten beinhaltenden Projekten der kulturellen Akteure. :: Eine kulturelle Zusammenarbeit, die nicht auf Strukturen basiert, sondern hauptsächlich auf dem Engagement von Einzelpersonen ; ferner ist es schwierig, sich hinsichtlich der Projektpartner zu orientieren. :: Andere Prioritäten der politischen Agenda (insbesondere im Elsass die Frage der einheitlichen Gemeinde, der wirtschaftlichen Entwicklung des Oberrheins). Punkte, die derzeitig die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit ermöglichen können Die aktuellen Hemmnisse, die möglicherweise noch längere Zeit weiter bestehen werden :: In Deutschland gelegene Standorte für die Aufführung von Kultur-Events, die seitens der Informations-verantwortlichen und der elsässischen Theatergruppen bisher noch nicht wahrgenommen wurden und auf die in dieser Studie hingewiesen wird. :: Aufgrund der Raum- und Verkehrsplanung wird die Mobilität der Besucherkreise von Kultur-Events nicht begünstigt. :: Darstellende Kunst : Kulturelle Nischen, die in für die Förderung der Mobilität der Publikumskreise : Tanz, Musik (Jazz), bilinguales Theater, Kleinkunst. :: Strukturelle Hindernisse bezüglich des Managements und der Organisation der darstellenden Künste, die in diesen Gebieten agieren. :: Die kulturell dominierende Stellung von Basel und die geografische Randlage der Schweizer Kultur-Institutionen. :: Bildende Künste : Im Bereich der künstlerischen Kreation und der Ausstellungen müssen unterschiedliche Milieus angesprochen und andere Herangehensweisen umgesetzt werden. 26 PERSPEKTIVEN UND ARBEITSABSCHNITTE INFORMATIONSAUSTAUSCH, INFORMATIONSPOLITIK 1:: Intensive Bemühungen im Sinne des wechselseitigen Verständnisses hinsichtlich der realen Bedingungen des Kunstschaffens und der Verbreitungsformen in den Bereichen der darstellenden Künste und der zeitgenössischen Künste im Oberrheingebiet, wobei insbesondere weitere Zusammenkünfte der KulturExperten stattfinden sollten Zeitgenössische bildende Künste :: Gezielte, sensibilisierende Information der Künstler, der Ausstellungskuratoren und der Akteure, die an der Verbreitung bildender Kunst beteiligt sind, betreffend die grundsätzliche Ausrichtung und der Funktionsweisen der Vermarktungsstrukturen im Oberrheingebiet. Darstellende Künste :: Gezielte sensibilisierende Informationen für die Theatergruppen, die Künstler, die Theater und für die Verantwortlichen der Standorte der Aufführung darstellender Kunst im Allgemeinen, hinsichtlich der unterschiedlichen Formen des Kulturmanagements in Deutschland, Frankreich und der Schweiz (freie Theatergruppen und Theater-Ensembles). :: Bemühungen für die Vernetzung der elsässischen Kulturzentren und der deutschen Kulturzentren (unter Vermittlung des LAKS Baden-Württemberg). :: Bemühungen um die Vernetzung der für die Verbreitung der Kulturproduktionen zuständigen Stellen und der deutschen, französischen und schweizerischen Theatergruppen diesseits und jenseits der Grenze. :: Orientierung der elsässischen Theatergruppen in Richtung potentieller Aufführungsorte, die im Raum Baden vorhanden sind. 2:: Bemühungen im Sinne eines besseren gegenseitigen Verständnisses der Vorgehensweisen hinsichtlich der in den drei Ländern des Oberrheingebiets von der öffentlichen Hand auf kulturellem Gebiet realisierten Politik :: Unterstützung der Austauschbeziehungen zwischen den Mitarbeitern, die in den deutschen, französischen und Schweizer Körperschaften verantwortlich mit den Kulturangelegenheiten befasst sind, damit die sachdienlichen Informationen über die grundsätzlichen praktischen Herangehensweisen zugunsten der künstlerischen Kreationen und der Verbreitung der Kunstund Kulturproduktionen allgemein verfügbar und zielgruppenspezifisch bekannt sind. 3:: Verstärkte Bemühungen in Richtung koordinierender Absprache unter den kulturellen Akteuren und den institutionellen und politischen Verantwortlichen, damit sie sich mit den praktischen Aktivitäten und der grundlegenden Bedeutung der grenzüberschreitenden kulturellen Aktivitäten kompetent befassen können :: Realisierung des Meinungsaustauschs unter den Körperschaften und den kulturellen Akteuren, damit die Diskrepanzen zwischen ihren jeweiligen Funktionsweisen und ihren Vorstellungen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit klar erörtert werden. :: Gezielte sensibilisierende Information der politischen und institutionellen Akteure hinsichtlich der besonderen Eigengesetzlichkeiten der Vorhaben, die ihren Kultur- und Kunstprojekten mit grenzüberschreitender Ausrichtung zugrunde liegen. :: Verstärkte Einbeziehung der kulturellen und künstlerischen Akteure in die Funktionsweise der bestehenden grenzüberschreitenden Institutionen, wie etwa in die Oberrheinkonferenz oder den Conseil Rhénan (Oberrheinrat). 27 UNTERSTÜTZUNG 1:: Es ist dafür zu sorgen, dass hinsichtlich der Modalitäten der von der öffentlichen Hand entwickelten Aktivitäten zugunsten der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit eine größere Klarheit und Transparenz gewährleistet wird :: Bemühungen zwecks besserer Koordination der Maßnahmen der öffentlichen Hand zugunsten der grenzüberschreitenden Kulturkooperation. :: Entwicklung einer die bestehenden Fördereinrichtungen betreffenden Kommunikationsstrategie in Richtung der kulturellen Akteure, damit die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden (kulturellen) Zusammenarbeit gewährleistet wird. :: Orientierung der Träger der grenzüberschreitenden kulturellen Projekte bei ihrer Suche nach Fördermitteln. 2:: Bemühungen in der Richtung, dass sachdienliche Informationen verbreitet und verfügbar gemacht werden und die erforderlichen Kompetenzen zwecks Weiterentwicklung der Projekte, denen das Merkmal grenzüberschreitender Aktivitäten zukommt, bereit stehen :: Verbreiten und Verfügbarmachen von Informationen zugunsten der kulturellen Akteure, hinsichtlich der Strukturen zur Vermarktung der Kulturproduktionen und der ausländischen Medienstrukturen und zwar mittels Erstellung einer Datei über gemeinsame Vermarktungsmöglichkeiten und Öffentlichkeitsarbeit. :: Weiterentwicklung der Zweisprachigkeit in den kulturellen Einrichtungen, indem spezifische Instrumente zur Verfügung gestellt werden (Material für die Übersetzerdienstleistungen in Theatern [« Über-Titel »], sprachliche Kompetenzen…) und für diese geworben wird. :: Verbreiten und Verfügbarmachen von Informationen über kulturelle Netzwerkstrukturen, damit zwecks Vernetzung der kulturellen Akteure bei der Suche nach Projektpartnern (insbesondere für die « kleinen kulturellen Akteure ») günstige Voraussetzungen geschaffen werden. :: Den kulturellen Akteuren sind erforderliche Informationen über die juristische Seite des Managements der grenzüberschreitenden Projekte bereit zu stellen. 28 AUFLISTUNG VON VERÖFFENTLICHUNGEN Artikel und Studien :: Xavier DUPUIS et Alix SARRADE, Un panorama des Centres d’Art, étude réalisée pour les Association Française de Développement des Centres d’Art DCA, Groupe d’études et de Recherches sur les Organisations Culturelles, Université Paris Dauphine, 2006. :: Marilyn MOLINET, Une machine à vapeur… La plus haute idée de l’éducation : éléments fondamentaux de l’histoire des Kunstvereine, Revues Le Portique, 2007 :: Michael STANGE, La coopération culturelle transfrontalière, une étude sur les projets culturels transfrontaliers dans le programme Interreg IIIA, Relais Culture Europe/Mission Opérationnelle Transfrontalière, 2004. Zeitschriften :: L’Europe de la Culture et les collectivités territoriales, Revue de L’Observatoire, N° 7, Hiver 1993-1994 Universitäre Studien :: Gabriel BRAEUNER, La coopération culturelle transfrontalière en Alsace, mémoire de fin d’études, IEP Grenoble, 1991 :: Jean-Christophe COUR, La coopération culturelle transfrontalière, une nouvelle dynamique transrégionale ?, mémoire de fin d’études, IEP Strasbourg, 1992 :: Joëlle KRIEGER, Die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz in der Euroregion Oberrhein, mémoire de maîtrise, Université Marc Bloch, Strasbourg, 2005 Web-sites Werke :: Jean-Claude KAUFMANN, L’entretien compréhensif, Armand Colin, 2004 :: Robert LACOMBE, Le spectacle vivant en Europe, modèles d’organisation et politiques de soutien, édition La Documentation Française, 2004 :: Mireille PONGY, Guy SAEZ, Politiques culturelles et régions en Europe, L’Harmattan, 1994 :: Alain QUEMIN, L’art contemporain international : entre les institutions et le marché (le rapport disparu), éditions Jacqueline Chambon/Artprice, 2002 :: Gérard TRABAND, Effacer la frontière ? Soixante ans de coopération franco-allemande en Alsace du Nord, la Nuée bleue, 2008 :: Birte WASSENBERG, La coopération transfrontalière franco-germano-suisse dans l’espace du Rhin Supérieur de 1975 à 2000, P.I.E Peter Lang, 2007 :: Web-Sites von Eurodistrict PAMINA : www.eurodistrict-regio-pamina.com :: Web-Site des Baseler trinationalen Eurodistrikts : www.eurodistrictbasel.eu :: Web-Site von Regio TriRhéna : www.regiotrirhena.org :: Web-Site der Regio Basiliensis : www.regbas.ch :: Web-Site der Ausstellung la Regionale : www.regionale10.net :: Web-Site des Netzwerks Trans Rhein Art : www.artenalsace.org :: Web-Site der LAKS BW e.V : www.laks-bw.de :: Web-Site des LaFT BW : www.laftbw.de :: Guide juridique de la coopération culturelle transfrontalière, DRAC Alsace, Presses Universitaires de Strasbourg, 1995 29 LES ÉtUDES DE L’AGEnCE Agence culturelle d’Alsace 1 espace Gilbert Estève route de Marckolsheim BP 90025 F- 67601 Sélestat Cedex Tél. : 00 33 (0)3 88 58 87 58 Fax : 00 33 (0)3 88 58 87 50 www.culture-alsace.org [email protected] J