- Erzherzog Johann: Erzherzog Johann
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1-2/2009 gedenke. johann. grenzenlos. steiermark. EUR 5,- ISSN 0039-1042 1-2/2009 Ganz weit weg einen Blick d´rauf werfen, langsam sich der Sache nähern, sich der Aussagekraft des Gesehenen bewusst werden, und dann ganz tief eintauchen. Eintauchen in die Steiermark und zugleich das, was sie besonders macht, emporheben, aufzeigen und für das Heute und Morgen festhalten. Darin finden sich Vom steirischen die steirischen berichte, die zurückblicken auf über 50 Jahre Geschichte. Von den steirischen berichten zum steirischen Kleider machen Leute, sagt ein Aphorismus. Das mag zu einem Teil wohl stimmen. Auch wir haben sie herausgeputzt, die steirischen berichte. Doch halt, achten Sie vielmehr auf Inhalte. Sie sprechen mit Ihnen, regen Ihre Gedanken und Fantasien an, zeichnen fantastische Abenteuer im Kopf. Das, ja genau das, wollen wir erreichen, mit jeder Ausgabe, die wir Ihnen gerne nach Hause bringen und Sie damit einladen, auch in naher Zukunft sie weiterhin zu lesen, die steirischen berichte. Vom All~Tag zu den steirischen berichten Prinzen Geschichte hat er geschrieben, Geschichten werden über ihn geschrieben. Er, der steirische Prinz, hat uns inspiriert. Seinen Gedanken haben wir aufgenommen für dieses und für künftige Hefte. Sie finden es im Blattinneren, in den Texten und Bildern, im gesamten Auftritt der steirischen berichte. Innovation, das ist, wofür Erzherzog Johann und das neue Kleid dieses Magazins stehen. Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern 8 Foto: L and Steiermark 5 Vorwort von Kurt Jungwirth gedenke. 6 Erzherzog Johann: Stationen seines Lebens im Überblick Silvia Renhart 7 Steiermark 2009: Erzherzog Johann - Ein Gedenken und ein Bedenken, Silvia Renhart 8 Erzherzog Johann 09 Interview mit dem 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer Gerald Gölles 10 Termintipps zum Erzherzog-Johann-Jahr 12 Geist & Gegenwart Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009 auf Schloss Seggau, Leibnitz 13 Erzherzog Johann auf Schritt und Tritt johann. 14 Der Mensch „Johann“ Silvia Renhart 15 Eure kaiserliche Hoheit – theurer, liebster, bester Mann. Anna Plochl und Erzherzog Johann Elke Hammer-Luza 18 „Gerichte mit Geschichte“ Hildegard Giselbrecht 20 Bücherecke 15 Foto: Steiermärkisches L andesarchiv 21 Die Erben des steirischen Prinzen Familiengeschichtliche Seitenblicke auf die Nachkommen Erzherzog Johanns Peter Wiesflecker 24 Wenn Gott mit mir, was gegen mich? Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit Ururenkelin Maria Cäcilia Trauttmansdorff Gertraud Schaller-Pressler steiermark. 52 Foto: Suppan 34 Erzherzog Johann und die Eisenstraße Gerhard Sperl 36 Tunnelbau auf Österreichisch TU Graz und Montanuniversität Leoben - gemeinsamer Lehrgang Gertraud Hopferwieser 38 Architektonische Spuren Martin Müller 40 Die Kammermaler des Erzherzogs Bettina Messner 42 Erzherzog Johann und die (Volks-)Musik Eva Maria Hois 26 Dynamischer Wirtschaftspolitiker, Reformer und Motor des Fortschritts 44 Die Steiermärkische Landesbibliothek Erzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Gerald Schöpfer 28 Innovation auch in turbulente Zeiten – Interview mit LR Christian Buchmann 30 Der „steirische Prinz“ und seine Bauern – Überlegungen abseits von Idealisierungen und Ideologisierungen Hans Putzer wissenschaft. kunst. kultur. 32 „Joanneischer Geist“ und die Gegenwart 33 Die Pflanzenwelt im Trockenen Kurt Zernig Christoph H. Binder grenzenlos. 45 Im gemeinsamen Interesse handeln Gestern wie heute Herausforderung Sabina Cimerman 46 Erzherzog Johann Wein und Kulturreise Claudia Pronegg-Uhl 47 Gradec – Marburg 48 Was geschah jenseits der steirischen Grenzen? Kurt Jungwirth 50 Andreas Hofer Monika Mader 52 Der Zufall machte ihn zum Prinzen der Steirer Patrizia D’Alessandro 54 Vier Frauen und ein Zugereister Corinna Steinert Titelbild: Erzherzog Johann am Hochschwab Foto: J. Koinegg, L andesmuseum Joanneum, Neue Galerie Graz am L andesmuseum Joanneum gedenke. johann. grenzenlos. steiermark. Erzherzog Johann 2009 „Gott kann die Geschichte nicht ändern, Historiker können es.“ Dieser Satz gilt nicht nur für Geschichtsforscher, das lässt sich in Jubiläumsjahren, die derzeit beliebt sind, leicht beobachten. Je näher die vergangenen Ereignisse noch sind, umso mehr mischen sich die Heutigen in die Vergangenheit ein. Fakten werden nicht nur zusammengetragen, sie werden je nach jetzigem Wissen und neuen Interessen auch interpretiert und dargestellt. Die Versuchung ist groß, moralisierend Geschichte zu schreiben. Es ist erstaunlich, wie genau manche Leute wissen, was man vor 30, 50, 100 oder mehr Jahren nicht hätte tun dürfen und was man hätte tun müssen. Solchen Sittenrichtern muss man mindestens zwei Überlegungen sagen. Erstens sollten sie keineswegs sicher sein, dass sie selber damals im Sinne ihrer heutigen Ratschläge gehandelt hätten, und zweitens ist es möglich, dass eine nächste und übernächste Generation wütend auf unser heutiges Agieren sein wird. Was wir heute mit zeitgeistiger Überzeugung für gut und richtig halten, kann in 50 Jahren als ein Bündel grober Verirrungen dastehen. 150 Jahre nach seinem Tod wird in der Steiermark Erzherzog Johanns gedacht. Es ist wohl kein Irrtum, ihn als eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einer außerordentlich bewegten Epoche zu verstehen. Aus unserer heutigen Sicht war jedenfalls seine frühe Zeit von Personen und Ereignissen in Europa geprägt, die auf längere Sicht die Welt veränderten. Persönlich hätte er sich sein Leben vermutlich leichter und angenehmer einrichten können, als er schließlich selber wollte. Dass ihn, den Fremden, Ereignisse und Entschlüsse in die Steiermark verschlugen, war wohl eine glückliche Fügung für das Land. 1959 gab es im Joanneum eine Gedächtnisausstellung für den Erzherzog im Stil einer ehrfürchtigen Huldigung. 1982, 200 Jahre nach seiner Geburt, wurde er in der großen Landesausstellung auf Schloss Stainz in weitere Horizonte gerückt. So stellten wir damals Büsten des steirischen Prinzen in Wien, in Frankfurt und in Florenz auf. Es wird interessant sein, wie das Jahr 2009 Erzherzog Johann sieht. Das vorliegende Heft der steirischen berichte soll Anregung zum Nachforschen und Nachdenken bringen. Foto: Jungwirth Kurt Jungwirth Impressum: Die „steirischen berichte“ sind ein Organ des Volksbildungswerkes. Wer Abonnent werden will … … hat es leicht! Die „steirischen berichte“ kosten im Jahr als Abo nur 15 Euro. Beziehen können Sie das Abo im Steirischen Volksbildungswerk, 8010 Graz, Herdergasse 3. Telefon 0 31 6 / 32 10 20 Fax 0 31 6 / 32 10 20-4 [email protected] Redaktionsteam: Mag. Gerald Gölles (Chefredakteur), Dr. Gertraud Schaller-Pressler, Dr. Silvia Renhart, Mag. Eva Heizmann, Dr. Gernot Peter Obersteiner Layout und Bildbearbeitung: Anita Schöberl, Hart bei Graz Druck: Medienfabrik Graz Medieninhaber und Herausgeber: Steirisches Volksbildungswerk Obmann: Prof. Kurt Jungwirth Geschäftsführer: Kamillo Hörner ZVR-Zahl: 968800187 Bankverbindung: Raiffeisenlandesbank Steiermark, Graz, Tummelplatz, Kontonummer: 7 27 28, Bankleitzahl 38000 Schauen Sie ins Internet, dort finden Sie Näheres über uns. www.steirische-berichte.at gedenke. Erzherzog Johann – Stationen seines Lebens im Überblick Anna-Plochl-Dirndl, Festtagstracht, gefertigt im Steirischen Heimatwerk Foto: Toni Muhr Neu kreierter Erzherzog-JohannAnzug (Ausschnitt) von Hubert Fink. Foto: Donner 6 1782 Johann Baptist wird als 13. Kind des 1819 Gründung der Steiermärkischen Großherzogs Leopold von Toskana und seiner Gattin Maria Ludovika in Florenz geboren (20. Jänner). 1790 Leopold II. übersiedelt als Nachfolger seines Bruders, Kaiser Josef II., mit seiner Familie nach Wien. 1792 Tod der Eltern (Vater 1. Feb./Mutter 15. Mai), Johanns älterer Bruder Franz besteigt den Thron. 1796 Beginn der militärischen Ausbildung. Ein Ausflug nach Mariazell bringt Johann zum ersten Mal in die Steiermark. 1800 Die Vorbereitung der Volksbewaffnung führt zur Bereisung Tirols. Übernahme des Armee- kommandos. Niederlage bei Hohenlinden. 1803 Weitere Reisen durch die Steiermark, Besteigung des Hochschwabs, Besuch von Vordernberg und des Erzbergs. 1804 Aufbau des Verteidigungssystems von Innerösterreich und Tirol. Erster Besuch in Graz. Erste Begegnung mit Andreas Hofer. 1805 Übernahme des Armeekorpskommandos in Tirol. Befohlener Rückzug der Armee nach Innerösterreich. Friede von Preßburg. Tirol geht verloren. 1807 Ankauf des Schlosses Thernberg (NÖ). Beginn seiner naturwissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Studien. 1808 Tätigkeit im Kriegsministerium. Aufbau der Landwehr in Innerösterreich. 1809 Johann leitet als Armeekommandant die militärischen Operationen in Oberitalien. Sieg bei Sacile. Befohlener Rückzug bis Preßburg. Johanns Armee kann bei Wagram nicht mehr eingreifen. Friede von Wien. 1811 Schenkung der Sammlungen und Gründung des Joanneums. Beginn der Kulturtätigkeit in der Steiermark. 1813 Vorwiegender Aufenthalt in Schloss Thernberg. Alpenbund. Johann als „Alpenkönig“ verdächtigt. 1815 Wiener Kongress. Kommando der Belagerungs armee von Hüningen (Schweiz). Übergabe der Festung. Reise nach England (über Paris). 1817 Wirtschaftliches Notjahr in der Steiermark. Gründung einer Kartoffelbeitragsanstalt. 1818 Ankauf des Brandhofes. Errichtung einer Leseanstalt am Joanneum. steirische berichte 1-2 /09 Landwirtschaftsgesellschaft. Begegnung mit Anna Plochl. 1820 Protektorat über den Steiermärkischen Musikverein. 1822 Erwerbung eines Radwerkes in Vordernberg. Beginn der Förderung der steirischen Eisen- industrie. Ankauf des Weingutes Pickern bei Marburg. 1828 Ankauf eines Grundstückes in Graz. Gründung der Wechselseitigen Brandschaden- Versicherungsanstalt. 1829 Trauung Erzherzog Johanns mit Anna Plochl auf dem Brandhof. 1832 1. Gewerbe- und Industrieausstellung in Graz. 1833 Errichtung des landwirtschaftlichen Versuchshofes in Graz. 1836 Erzherzog Johann wird zum Feldmarschall ernannt. 1839 Erzherzog Johanns Sohn Franz wird geboren. 1840 Kauf von Schloss und Herrschaft Stainz. Gründung der Montanschule in Vordernberg. 1842 Die Familie bezieht das Palais in Graz. Beginn des Baues der Eisenbahn Mürzzuschlag–Graz. 1843 Gründung des Historischen Vereines für Innerösterreich. 1844 Schloss Schenna in Südtirol angekauft. Eröff nung der Eisenbahnlinie Mürzzuschlag–Graz. 1845 Gründung der Realschule in Graz. Gründung des Montanistischen Vereines für Innerösterreich in Vordernberg. 1848 Ankauf des Blechwalzwerkes Krems in der Weststeiermark. Erzherzog Johann eröffnet als erster Kurator die Akademie der Wissen schaften in Wien. Eröffnung des konstituie renden Reichtages in Wien als Vertreter des Kaisers. Wahl zum deutschen Reichsverweser. 1849 Erzherzog Johann legt das Reichsverweseramt zurück. 1850 Rückkehr nach Graz. Bürgermeister von Stainz. 1852 Gründung des Steiermärkischen Forstvereines. 1854 Eröffnung der Eisenbahn über den Semmering. 1857 Einführung der Landarbeiter- und Dienstbotenordnung. 1859 Erzherzog Johann stirbt in Graz (11. Mai). 1869 Überführung nach Südtirol – Schloss Schenna. Silvia Renhart Steiermark 2009: Erzherzog Johann gedenke. Ein Gedenken und ein Bedenken 150 Jahre ist es her (11. Mai 1859), dass Johann Baptist Erzherzog von Österreich, Förderer und Visionär der Steiermark, im Palais Meran in Graz – in den Armen seiner geliebten Anna – verstarb. Es wird berichtet, dass Anna Zeit ihres Lebens das Stück Tapete, auf welches Johanns letzter Blick fiel, fortan bei sich getragen haben soll. Diese große, tragische Liebe, von der heute noch landauf, landab gesprochen wird, trug sicherlich viel dazu bei, dass dieser Mythos „Johann“ noch so präsent ist. Natürlich leistete er zu einer Zeit, als die Steiermark – wie gesamt Innerösterreich – wirtschaftlich darniederlag, Ungewöhnliches. Als guter Netzwerker verstand er es, trotz der Widerstände aus Wien, die Menschen zu moti- vieren und anzuspornen. In zahlreichen Abhandlungen wird das Leben und Wirken Erzherzog Johanns beleuchtet und wird er seiner großen Bedeutung für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge und dergleichen werden das gesamte Gedenkjahr über abgehalten. Zahlreiche Bücher erscheinen und versuchen den bis heute sehr beliebten „steirischen Prinzen“ ins rechte Licht zu rücken. Beiträge in Film- und Printmedien widmen sich ihm und seinem Lebenswerk. Institutionen, deren Gründung auf ihn zurückgeht, beteiligen sich dabei genauso wie Vereine, Verbände und Schulen. So wurden beispielsweise von ihm begründet, unterstützt, auf- und ausgebaut: das Landesmuseum Joanneum, die Montanuniversität Leoben, die Technische Universität Graz, die Steiermärkische Landesbibliothek, das Steiermärkische Landesarchiv, die Landwirtschaftskammer und die Grazer Wechselseitige Versicherung. Johanns Spuren sind selbst im 21. Jahrhundert noch unauslöschlich und für die Steiermark prägend. So ist es nur natürlich, dass auch dieses Todesjahr zum Gedenken und auch Bedenken genutzt wird. Nach dem Motto „Nobody is perfect“ soll man wohl auch an die Persönlichkeit Johanns herangehen und eine objektive, wissenschaftliche Analyse anhand aller noch vorhandenen und zum Teil bis dato unpublizierten Fakten vornehmen. Eine Vereinnahmung bzw. Verurteilung von Vertretern „extremer Lager“ kann zwar nicht verhindert, aber unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussgrößen fassbarer gemacht werden. Das Jahresthema Die Volkskultur Steiermark GmbH betreut im Auftrag des Ressorts für Volkskultur (Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer) dieses Jahresthema und wirkt als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informations-, Koordinations- und Organisationsstelle für alle Vereine, Verbände und Institutionen, die sich beteiligen. Der Auftakt des Erzherzog-Johann-Gedenkjahres erfolgte am 20. Jänner anlässlich seines wiederkehrenden Geburtstages. Im von der Volkskultur Steiermark GmbH herausgegebenen ErzherzogJohann–Reisepass und auch auf der Homepage www.erzherzogjohann.steiermark.at werden die Termine aller Feierlichkeiten und Veranstaltungen präsentiert. Genau 50 Jahre ist es her, dass ein fünf Kilometer (!) langer Festumzug Erzherzog Johann zu Ehren als Abschluss des Steirischen Gedenkjahres 1959 durch Graz zog. Er war einerseits als letzte Dankeskundgebung an den großen Wohltäter des Landes gedacht, und andererseits sollte er auch Rechenschaft darüber ablegen, was aus dem Erbe Erzherzog Johanns in den vergangenen 100 Jahren erwachsen war. So wollen wir auch 2009 daran anknüpfen und haben alle steirischen Regionen zur Teilnahme aufgerufen. Es soll wie damals kein historischer Umzug sein, sondern die Darstellung der Landesteile im Hier und Heute sowie im Morgen – basierend auf dem „Input“, den dieser Mensch diesem Land beisteuerte. Erzherzog-JohannJahreslogo Foto: Volkskultur Steiermark GmbH Links: Die ErzherzogJohann-Statue erwacht 2009 und begleitet durch das Gedenkjahr. Foto: Volkskultur Steiermark GmbH Silvia Renhart 1-2/09 steirische berichte 7 gedenke. Erzherzog Johann 09 Interview mit dem 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer Die steirischen berichte widmen sich dieses Jahr dem Thema „Erzherzog Johann“. Die Hefte tauchen damit für die Leserinnen und Leser in die Landesgeschichte ein. steirische Das Jahr 2009 steht im Zeichen des „Steirischen berichte Prinzen“. Was ist der Anlass für dieses Gedenkjahr? Wie stehen Sie zum Gedenkjahr? LHStV. Erzherzog Johann war eine außergewöhnliche PerHermann sönlichkeit – er hat der Steiermark bleibende Werte Schützenhöfer hinterlassen, sowohl materielle als auch immaterielle. Sein 150. Todestag am 11. Mai gibt Anlass, seiner und seinem Lebenswerk zu gedenken. Doch wir wollen im Gedenken nicht in der Vergangenheit stehen bleiben. Vielmehr soll das Erzherzog-Johann-Jahr als Anregung gesehen werden, im Heute Visionen zu leben und Projekte mit Nachhaltigkeit zu starten und zu fördern. Es waren nicht zuletzt sein Weitblick und sein vernetztes Denken, die es ermöglichten, dass die Gründungen und Initiativen des „Steirischen Prinzen“ bis heute ihre Spuren ziehen. Die von Ihnen initiierte und im letzten Jahr gegründete Volkskultur Steiermark GmbH fungiert als Koordinationsstelle für das Erzherzog-Johann-Jahr. Wofür steht dieses junge Kompetenzzentrum? Was bietet diese Einrichtung den Steirerinnen und Steirern? Mit der Gründung der steirischen KLEINREGIONEN gelingt Großartiges. Foto: K leinregion Ökoregion K aindorf Die Volkskultur Steiermark GmbH soll sowohl für alle Steirerinnen und Steirer als auch für unsere Gäste Anlaufstelle für ihre Anliegen und Anfragen sein und so zur Lebendigkeit unserer Kultur beitragen. Neben dem Service- und Beratungsbereich betreibt die Volkskultur Steiermark GmbH mit ihrem Sitz im ältesten Gebäude der Grazer Sporgasse das Steirische Heimatwerk und das Steirische Volksliedarchiv. Im Erzherzog-Johann-Jahr wirkt die neue Gesellschaft als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informations-, Koordinations- und Organisationsstelle. Die Einbindung aller steirischen Regionen und eine enge Zusammenarbeit mit jenen Institutionen, die auf Erzherzog Johann zurückgehen, liegen mir bei dieser Arbeit besonders am Herzen. Im Tourismusland Steiermark verweisen dieses Jahr zahlreiche Aktivitäten, Ausstellungen und Veranstaltungen auf sein Lebenswerk. Welche dieser Ausflugsziele können Sie empfehlen? Dank des Engagements vieler einzelner Menschen und Einrichtungen ist es gelungen, in der ganzen Steiermark Aktivitäten zu initiieren, die auf diesen 8 steirische berichte 1-2 /09 großen „Wahlsteirer“ verweisen. Das Ergebnis ist ein vielfältiges Veranstaltungsangebot, das von Bad Aussee über Leoben, Mariazell und Graz bis nach Stainz reicht. Aber auch viele Orte, in denen Erzherzog Johann nicht unmittelbar gewirkt hat, haben sich seines Lebenswerkes angenommen und Veranstaltungen organisiert. Jede dieser Aktivitäten hat ihre Besonderheit, zeigt unterschiedliche Facetten aus seinem Leben auf, hat einen individuellen Zugang. Um Erzherzog Johann in seiner Vielfältigkeit erfassen zu können, kann ich nur empfehlen, so viele Veranstaltungsangebote wie möglich wahrzunehmen. Besonders erwähnen möchte ich außerdem, dass wir bei Steiermark Tourismus anlässlich des Gedenkjahres Sonderpakete für Ausflüge und Reisen geschnürt haben: Das Paket „Wir sind Erzherzog Auf den Spuren von Erzherzog Johann in der Steiermark“ führt zu vielen Orten, an denen er gewirkt und Spuren hinterlassen hat. Die „Rundreise - Auf den Spuren von Erzherzog Johann von Stainz nach Maribor und retour“ ist eine Wein- und Kulturreise, bei der Zusammenhänge damaliger Errungenschaften und heutiger Traditionen entdeckt werden können. Erzherzog Johann hat mit viel Weitblick in der Grünen Mark nachhaltig gewirkt. Viele bis heute weithin anerkannte Institutionen wie etwa die Montanuniversität Leoben, das Landesmuseum Joanneum und auch die Landwirtschaftskammer gehen auf sein Wirken zurück. Mit der Landwirtschaftskammer eng verbunden ist das Engagement für den ländlichen Raum. Gerade hier gelingt mit der Gründung der steirischen KLEINREGIONEN Großartiges. Welche positiven Beispiele und Innovationen gibt es hier? Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Steiermark zur lebenswertesten und innovativsten Region Europas zu machen. Der ländliche Raum ist einem starken Wandel und großen Herausforderungen unterworfen. Die Kleinregionen sind die ideale Struktur, um die kommunale Infrastruktur auch für die Zukunft abzusichern, da die Gemeinden gemeinsam stärker sind. Darüber hinaus engagieren sich die Kleinregionen bereits intensiv in den Bereichen Klimaschutz und erneuerbare Energien, da sie nahe genug beim Bürger sind, um in Zusammenarbeit mit bewährten Institutionen wie Landwirtschafts- und Wirtschafts- kammer realistische und sofort umsetzbare Projekte anzugehen. Ich denke hier an kreative Kleinregionen wie etwa die Ökoregion Kaindorf, das Almenland oder an die Kleinregionen im Vulkanland, wo der ländliche Raum sich zum innovativen Zukunftsraum mit Lösungsideen zur Energie- und Klimafrage entwickelt. In zahlreichen Kleinregionen werden auch die Betriebsansiedelungen oder die gemeinsame Nutzung von Veranstaltungshallen und Sportanlagen geplant und gemeinsam umgesetzt. Wir stehen hier am Beginn einer sehr guten Entwicklung. Überall in der Steiermark haben sich Kleinregionen gebildet, am Ende werden es rund 80 bis 90 Kleinregionen sein. Der Geburtstag Erzherzog Johanns am 20. Jänner 2009 bildete den Auftakt für dieses Gedenkjahr. Sie haben an diesem Tag einen Erzherzog-JohannAnzug mit Stolz getragen. Mit Stolz, weil er von einem Schneidermeister aus Gratkorn angefertigt wurde und so für Handwerk und steirische Arbeitsplätze steht. Auch das Steirische Heimatwerk ist ein Spezialist für steirische Trachten. Was gibt es dazu zu erzählen? Ich hege eine tiefe Bewunderung für Handwerkskunst und jene Menschen, die hinter jedem handgefertigten Produkt mit ihrem Können und ihrer Kreativität stehen. Handwerk hat sich im Laufe der Jahrtausende differenziert und spezialisiert, hat neue Berufe, Fertigungstechniken und Produkte hervorgebracht. Im Mittelpunkt steht aber immer der Mensch – ob er nun traditionelle Werkzeuge oder einen Computer bedient. Das Steirische Heimatwerk kann als ein Zentrum für Handwerkskunst bezeichnet werden. Als Verkaufsstelle für Kunsthandwerk und mit hauseigenem Schneidereibetrieb und individuell gefertigten Trachten spiegelt es die Identität unserer Regionen wider. Das Gedenkjahr wird mit dem steirischen Fest „Aufsteirern“ in Graz, am 20. September, einen würdigen Abschluss finden. „Aufsteirern ist das Fest für all jene, die steirisch denken, leben, reden, singen, tanzen oder einfach nur das typisch ‚Steirische’ lieben. Einen Tag lang wird die Grazer Altstadt zur Bühne, kurzum zum Dorfplatz, wenn zahlreiche Mitwirkende zu einem Streifzug durch die Vielfalt der weiß-grünen Volkskultur einladen.“ Wie stehen Sie zu diesem Fest? Was leistet dieser Tag für die steirische Volkskultur? 1. LandeshauptmannStellvertreter Hermann Schützenhöfer bei der „Aufsteirern“ bietet Steirisches für alle Sinne: Auftaktveranstaltung Unsere Kultur zum Erleben, Anschauen, Kosten, zum ErzherzogSchmecken, Fühlen und Hören. Dieses Fest zeigt die Johann-Jahr. enorme Bandbreite auf, die das Steirische zu bieten Foto: L and Steiermark hat, und präsentiert das reiche Schaffen der unzähligen Vereine und Verbände. Diese Vielfalt, wie wir sie in der Steiermark erleben, spiegelt sich auch in Europa, ja weltweit, wider. So ist es mir ein besonderes Anliegen, in das Festprogramm jedes Jahr Gruppen aus den Nachbarländern einzubinden. Dieser länderübergreifende Austausch lässt uns Kultur in einem größeren Zusammenhang erleben und bildet einen wichtigen Beitrag zum „Aufsteirern“, dem Fest der Vielfalt, des Miteinander und der Begegnung. Wir danken für das Gespräch. Gerald Gölles 1-2/09 steirische berichte 9 gedenke. Termintipps zum Erzherzog-Johann-Jahr 26. April bis 31. Oktober 2009 Kulinarische Aktion „Anna kocht …“ Die Mitgliedsbetriebe der BÖG (Beste österreichische Gastlichkeit) kochen Gerichte aus der Zeit Erzherzog Johanns und nach Aufzeichnungen seiner Frau Anna Plochl In vielen steirischen BÖG-Betrieben Info: BÖG Steiermark, Tel. 0664 / 849 13 23, www.boeg.at 30. April bis 31. Oktober 2009 Ausstellung „modellhaft. Erzherzog Johann“ Jagdmuseum Schloss Stainz /Landesmuseum Joanneum, Schlossplatz 1, 8510 Stainz, Di–So 9–17 Uhr Info: Jagdmuseum Schloss Stainz, Tel. 03463 / 27 720, www.museum-joanneum.at 1. Mai bis 31. Oktober 2009 Ausstellung „Bürgerin – Bäuerin – Kuchldirn. Frauenalltag zur Zeit Erzherzog Johanns“ Österr. Freilichtmuseum Stübing, 8114 Stübing, täglich 9–17 Uhr (ab 14. 9.: montags geschlossen) Info: Österr. Freilichtmuseum Stübing, Tel. 03124 / 53700, www.stuebing.at 7. Mai bis 27. November 2009 Ausstellung „Erzherzog Johann – Mensch und Mythos“ Steiermärkisches Landesarchiv, Karmeliterplatz 3, 8010 Graz Mo, Di, Do 9–17 Uhr; Mi 9–19 Uhr, Fr 9–13 Uhr Info: Steiermärkisches Landesarchiv, Tel. 0316 / 877-4031, www.landesarchiv.steiermark.at 8. Mai 2009, 11 Uhr Akademische Feier „Erzherzog Johann – Begründer der TU Graz“ Festvortrag mit Enthüllung der Originalwerkzeuge für den Spatenstich zur „Alten Technik“ und akademische Ehrungen. Technische Universität Graz, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz Info: Technische Universität Graz, Tel. 0316 / 873 6001, www.tugraz.at 10 steirische berichte 1-2 /09 11. Mai 2009, 17 Uhr Gedenkgottesdienst anlässlich des 150. Todestages von Erzherzog Johann Baptist von Österreich Dom, Hofgasse/Burggasse, 8010 Graz Info: Volkskultur Steiermark GmbH, Tel. 0316 / 90 85 35, www.volkskultur.steiermark.at 16. Mai 2009, 17 Uhr „Erzherzog Johann und sein Glaube“ Festvortrag von Maria Cäcilia Trauttmansdorff Schloss Stainz, 8510 Stainz Info: Pfarre Stainz, Tel. 03463 / 22 37 20. bis 24. Mai 2009 Reise „Die Familie Erzherzog Johanns und die Toskana“ Unter der Leitung von Univ.-Prof. DI DDr. Gerhard Sperl (Historiker und Montanist) werden der Geburtsort Erzherzog Johanns und die Wirkungsstätten der Habsburger in der Toskana besichtigt. Reiseroute: Graz–Toskana–Graz Info: Österr. URANIA für Steiermark, Tel. 0316 / 82 56 88, www.urania.at 27. bis 29. Mai 2009 Pfingstdialog „Geist & Gegenwart“ – Der Geschmack Europas Der zum dritten Mal stattfindende Pfingstdialog ist vom joanneischen Geist geprägt und widmet sich in einer Spezialveranstaltung „Erzherzog Johann – Herausforderung 2020“. Schloss Seggau, Seggauberg 1, 8430 Leibnitz Tagungsbüro: die Organisation, Tel. 0316 / 69 55 80, www.geistundgegenwart.at 29. Mai bis 26. Oktober 2009 Ausstellung „Erzherzog Johann – Radmeister in Vordernberg“ Radwerk IV, Peter-Tunner-Straße 2, 8794 Vordernberg Mo–So 9–17 Uhr Info: Informationsbüro Steirische Eisenstraße, Tel. 03849 / 832, www.radwerk-vordernberg.at 4. Juni 2009, 9 Uhr „Erzherzog Johann und seine Brüder“ Wissenschaftliches Symposion „Erzherzog Johann: Tagebuch der Englandreise 1815/16“ Buchpräsentation Wartingersaal des Landesarchivs, Karmeliterplatz 3, 8010 Graz Info: Historische Landeskommission für Steiermark, Tel. 0316 / 877-3013, www.hlkstmk.at 18. bis 21. Juni 2009 Bergmannsschach „Erz im Feuer“ Erzherzog Johann und das Schachspiel der Berg- und Hüttenleut’ – Ein Spectaculum mit Musik Hauptplatz, 8700 Leoben Info: Museumsverbund Steirische Eisenstraße, Tel. 03842 / 4062-408, www.bergmannsschach.at 19. Juni 2009, 10 bis 17 Uhr „Zukunft braucht Herkunft: EH JOHANN – FH JOANNEUM“ FH JOANNEUM Kapfenberg, Werk-VI-Str. 46, 8605 Kapfenberg (Weiterer Termin: 26. Juni 2009, 16–21 Uhr, FH Joanneum Graz, Alte Poststraße 147, 8020 Graz) Info: FH JOANNEUM, Tel. 0316 / 5453-8835 oder 8816, www.fh-joanneum.at 24. Juni 2009, 18 Uhr Flott – Feurig – Steirisch Trachtenpräsentation, Volkstanzfest und Johannisfeuer – zum Namenstag Erzherzog Johanns Schloss St. Martin, Kehlbergstraße 35, 8054 Graz Info: Schloss St. Martin, Tel. 0316 / 28 36 55, www.schlossstmartin.at 25. Juli 2009, 20 Uhr „Er zwängt den Geist in keine Schranken.“ Erzherzog Johann – Eine Annäherung Reinhard Schlüter zeichnet im Stil eines Hörbildes den Lebensweg Erzherzog Johanns nach. Musikalische Foto: Johannes Gellner Volkskultur Steiermark GmbH. Umrahmung: Ausseer Bradlmusi Kurhaus, Kurhausplatz 144, 8990 Bad Aussee Info: Kulturreferat der Stadtgemeinde Bad Aussee, Tel. 03622 / 52511-99, www.badaussee.at 5. August 2009, 19.30 Uhr Vortrag: „Durch die Schladminger Tauern.“ Auf den Spuren der Reise Erzherzog Johanns 1810 Von OStR Prof. Mag. Harald Matz Schloss Trautenfels / Landesmuseum Joanneum, 8951 Trautenfels 1 Info: Schloss Trautenfels, Tel. 03682 / 222 33, www.museum-joanneum.at 7. und 8. August 2009 „Das Leben, ein Tanz – 2009. Erzherzog Johann von Österreich“ Gastspiel der Vereinigung Wiener Staatsopernballett im Ausseerland Kaiserzelt, 8992 Altaussee Tickethotline: Tel. 0664 / 422 11 12, www.ballett.at 9. August 2009, 11 Uhr Auftaktveranstaltung zur Reihe „Herbst mit den Bäuerinnen“ Eine Fülle von Hoffesten widmet sich im Ennstal und Ausseerland von August bis Oktober dem Leben und Wirken des steirischen Prinzen. Steinitzen-Alm, 8984 Pichl-Kainisch Info: „Herbst mit den Bäuerinnen“, Tel. 0676 / 94 59 817, www.herbst-baeuerinnen.at 15. bis 16. August 2009, jeweils ab 11 Uhr Säumer, Seiler und Kesselflicker: Salla, ein Dorf zur Zeit Erzherzog Johanns Ein weststeirisches Bergdorf verwandelt sich für zwei Tage in einen historischen Ort. Dorfplatz, 8592 Salla Info: Gemeinde Salla, Tel. 03147 / 206, [email protected] 18. August 2009, 20 Uhr „Wenn Du nur schon bey mir wärest…“ Franz Meran und Barbara Frischmuth lesen unveröffentlichte Briefe von Erzherzog Johann an Anna Plochl. Musikalische Umrahmung: Ausseer Geigenmusik Literaturmuseum Altaussee, Fischerndorf 61, 8992 Altaussee Info: Literaturmuseum, Tel. 0664 / 444 10 69, www.literaturmuseum.at 20. September 2009 „AUFSTEIRERN im Erzherzog-Johann-Jahr“ Das steirische Fest in Graz Grazer Innenstadt, 8010 Graz Info: Aufsteirern, Tel. 0316 / 22 52 38, www.aufsteirern.at 2. Oktober 2009 Tagung „Visionäre und Visionen in der Landwirtschaft“ LFZ Raumberg-Gumpenstein, Raumberg 38, 8952 Irdning Info: LFZ Raumberg-Gumpenstein, Tel. 03682 / 22 451-243, www.raumberg-gumpenstein.at 5. November 2009, 19 Uhr „Erzherzog Johann und die Religion“ Vortrag von Mag. Dr. Elke Hammer-Luza Info: Pfarrheim Stainz, 8510 Stainz Weitere Termine finden Sie unter www.erzherzogjohann.steiermark.at und im „Reisepass durch das Erzherzog-Johann-Jahr“. Reisepass anfordern: Volkskultur Steiermark GmbH, Sporgasse 23, 8010 Graz, Tel. 0316 / 90 85 35, [email protected] 1-2/09 steirische berichte 11 gedenke. Geist & Gegenwart Das Heft in der Hand haben junge Studierende beim vielsprachigen Pfingst-Dialog auf Schloss Seggau: Das interdisziplinäre Forum widmet sich Fragen zur Zukunft Europas und lädt zu internationalem Meinungsaustausch auf höchstem Niveau. Foto: Geist & Gegenwart Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009 auf Schloss Seggau, Leibnitz „Der Geschmack Europas“ soll nach dem Willen der Veranstalter beim dritten Pfingst-Dialog auf Schloss Seggau in aller Munde sein: Denn Fragen zur Ernährung, vom Überfluss bis zum Welthunger, von den Rohstoff- und den Lebensmittelpreisen, aber auch zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen stehen auf dem diesjährigen Programm. Und nicht zuletzt: wie Nicht-Europäern dieses Europa „schmeckt“. Die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen, sozialen und ethischen Herausforderungen werden wieder in Plenarveranstaltungen und „Insieme“Gruppen diskutiert werden. Neben vollwertiger Geistesnahrung wird aber auch konkret Essen auf den Tisch kommen und analySchloss Seggau, Foto: K irchengast siert: Nach dem Motto „Das Auge isst mit“ werden die Autoren des Buches „Food Design“, Honey & Bunny, die kulturell unterschiedlichen Farbreize von Speisen etwa in Asien (weiß) und Österreich (rot) aufzeigen. „Das Interesse am Pfingst-Dialog ist auch heuer besonders groß“, freuen sich die Organisatoren, „aufgrund der vielen Anmeldungen vor allem von Studierenden sind wir bereits um eine Erhöhung unserer Aufnahmekapazitäten bemüht.“ Und da sich „Geist & Gegenwart“ unter der Schirmherrschaft von Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari und Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer von Beginn an auch von „joanneischem Geist“ durchweht sieht, ist 2009 ein eigener Schwerpunkt zum Thema „Erzherzog Johann – Herausforderung 2020“ geplant. Wenn auch Sie auf den Geschmack Europas gekommen sind: Sie sind herzlich willkommen! Gertraud Schaller-Pressler 12 steirische berichte 1-2 /09 Das Symposium „Geist und Gegenwart“ steht heuer unter dem Leitwort „Der Geschmack Europas“. Dieses europäische Forum, das vom Land Steiermark und der Diözese Graz-Seckau in Kooperation mit dem Joanneum Research und dem Club Alpbach Steiermark veranstaltet wird, ist nicht nur zeitlich, sondern seinem Wesen nach mit dem Pfingstfest verbunden. Angesichts zunehmender sozialer und kultureller Erosionen darf man von diesem Pfingst-Dialog Impulse für mehr Humanität und mehr Geist in Europa und darüber hinaus erhoffen. Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau Der Pfingstdialog Geist & Gegenwart ist zu einer guten Tradition geworden – für den offenen Dialog zu wichtigen Fragen der Gegenwart und Zukunft über Grenzen hinweg und als Impulsgeber für Reform- und Innovationsprozesse. Also eigentlich ganz in der vorbildlichen Haltung Erzherzog Johanns, der für uns ständige Herausforderung ist. Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer Geist & Gegenwart – Der Geschmack Europas Pfingst-Dialog, 27.–29. Mai 2009, Schloss Seggau, Leibnitz ReferentInnen: Wolfgang Benedek, Sihem Benesedrine, Warnfried Dettling, Christian Felber, Benita FerreroWaldner, Franz Fischler, Barbara Gerl-Falkovits, Mariella Gruber, Franz Harnoncourt-Unverzagt, Mats Hellstroem, Honey & Bunny, Waldemar Hummer, Dieter Hundt, Valentin Inzko, Egon Kapellari, Monika Kircher-Kohl, Michael Krüger, Richard Kühnel, Jadran Lenarcic, Manfred Lütz, Joseph Marko, Reinhard Marx, Meinhard Miegel, Leopold Neuhold, Fred Ohenhen, Bernhard Pelzl, Klaus Poier, Manfred Prisching, Susanne Scholl, Kurt Scholz, Margit Schratzenstaller, Hermann Schützenhöfer, Ali Soleiman, Dieter Spoeri, Hans Staud, Herwig Sturm, Lojze Wieser. Teilnahmekosten, Anmeldung & Info: Tagungsbüro Geist und Gegenwart, c/o die Organisation, Opernring 12/1, 8010 Graz, Tel: +43/(0)316 /69 55 80, [email protected], www.geistundgegenwart.at Erzherzog Johann auf Schritt und Tritt gedenke. Fotos: DieGrazGuides Der Jahresregent Erzherzog Johann erweitert heuer auch das Angebot von DieGrazGuides – Fremdenführerclub für Graz und die Steiermark. Bereits zum 13. Mal laden die engagierten FremdenführerInnen zu ihrer beliebten Aktion „Graz für Grazer“ und widmen dabei gleich zwei unterschiedliche Spaziergänge dem Leben und nachhaltigen Wirken des steirischen Prinzen. Den 30 Mitgliedern von DieGrazGuides liegen nicht nur Gäste von auswärts sondern auch die GrazerInnen und SteirerInnen am Herzen. Um deren Wissensdurst nach spannenden, unbekannten, oft kuriosen Aspekten der Stadt zu stillen, präsentieren DieGraz Guides von Mai bis Ende September „Graz für Grazer“ im Detail. Da lockt eine Fahrt im Cabrio Bus ins „grüne Graz“ mit seinen Parks, Schrebergärten und paradiesisch bepflanzten Innenhöfen. Kastner&Öhler offenbart historische Substanz und heitere Geschichten abseits vom Shopping. „Europa in Graz“ beleuchtet identitätsstiftende äußere Einflüsse in Vergangenheit und Gegenwart. Das Jahr der Astronomie veranlasst DieGrazGuides, den Spuren Johannes Keplers zu folgen ... . Und Erzherzog Johann? In zwei Spa- ziergängen – garniert mit Zitaten und amüsanten Anekdoten – wird der volksverbundene Mensch und wissenschaftliche Visionär Johann Baptist von Österreich näher vorgestellt. Dabei ergeben sich erstaunliche Parallelen zwischen seiner und unserer Zeit. Unter dem Titel „Wissen für jedermann“ geht es von der Technischen Universität zur Kunstuniversität, während „Neue Ideen für das Land“ zu zahlreichen, noch heute florierenden Gründungen des Erzherzogs quer durch die Innenstadt führt. Ein Folder mit den genauen Terminen der Aktion „Graz für Grazer“ liegt ab Ende April bei der Graz Tourismus Information, Herrengasse 16, auf. Natürlich können alle Führungen bei DieGrazGuides auch individuell gebucht werden. Weitere Informationen: DieGrazGuides – Fremdenführer-Club für Graz und die Steiermark, Telefon: 0316 / 58 67 20, Fax: 0316 / 57 53 10, E-Mail: info@ grazguides.at; www.grazguides.at Gewinnen Sie eine Erzherzog-Johann-Führung durch Graz Sie haben gewonnen Wie gefallen Ihnen die neuen steirischen berichte? Wir laden Sie ein, uns darüber Ihre Meinung schriftlich mitzuteilen. 5 Bücher „Wie’s g’wesn is“ wurden mit den steirischen berichten 6/2008 verlost. „Wie’s g’wesn is. Vom Leben auf dem Land“. Inge Friedl/Neues Land. 176 Seiten. Styria 2008, 24,95 Euro. Erhältlich auch über NEUES LAND, Reitschulgasse 3, 8011 Graz, Tel. 0316 82 63 61-11, [email protected] oder www.neuesland.at. Unter allen Einsendungen verlosen wir 15 Eintrittskarten für die von den GrazGuides zur Verfügung gestellte Erzherzog-Johann-Führung am Samstag, 16.Mai 2009, in Graz Beginn: 11.00 Uhr Treffpunkt: Hauptplatz/Rathauseingang Kennen lernen können Sie dabei auch das Redaktionsteam der steirischen berichte. Bitte schicken Sie uns Ihre Antwort bis spätestens 30. April 2009 per Post, Fax oder E-Mail an Steirisches Volksbildungswerk 8010 Graz, Herdergasse 3 Fax (0 31 6) 32 10 20-4 [email protected] Die Gewinner der Bücher sind Eintrittskarten und Informationen zur Führung erhalten Sie mit der Post. Die Preise können nicht übertragen oder in bar abgelöst werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ihre eingereichten Angaben werden vertraulich behandelt und ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben. Mit der Teilnahme am Wettbewerb stimmen Sie zu, dass Ihr Name im Rahmen der steirischen berichte veröffentlicht wird. • • • • • Frau Helga Kopeinig aus Graz in der Steiermark Herr DI Josef Suppan aus Graz in der Steiermark Frau Ingrid Paul aus Jagerberg in der Steiermark Frau Maria Stahl aus Stohlberg in Deutschland Herr Dipl.-Bwt. Josef-H. Hasenmüller aus Berlin in Deutschland 1-2/09 steirische berichte 13 Der Mensch „Johann“ johann. Leopold Kupelwieser, Erzherzog Johann im Rock mit grünem Aufschlag, 1828. Foto: Neue Galerie Graz am L andesmuseum Joanneum 14 Aufgrund seines Standes erfuhr Erzherzog Johann eine umfassende (globale) Erziehung – beeinflusst und geprägt durch verschiedene Kulturkreise und Mentalitäten Europas. Als Kind seiner bewegten Zeit war er nicht nur von den Naturwissenschaften, sondern auch vom Gedankengut der Aufklärung, dem Fortschrittsglauben sowie von der beginnenden Industrialisierung angespornt und vom allgemeinen Aufkeimen des Interesses am Volksleben inspiriert. Er zeichnete Erlebnisse und Geschichten auf seinen Reisen durch die Alpenländer auf. Gerne durchstreifte er auch als einfacher Jäger die Steiermark und gesellte sich unters gemeine Volk. Durch seine Heirat mit der Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl und das Tragen der einfachen Jägerkleidung auf seinen Streifzügen fand er die gewünschte Nähe zu den Menschen des Steirerlandes. Mit 14 Jahren bereits interessierte und beschrieb er steirische berichte 1-2 /09 auf einer Reise nach Mariazell Land und Leute. Am Abhange des Riedenberges. Hier sind die Häuser schon mit Stroh gedeckt, auch viele halb mit Holz und halb mit Stein gebaut … Die Bauerntracht ist verschieden und hat ihren eigenen Geschmack; man glaubt sich in eine andere Welt versetzt. Genaue Kenntnis des Landes, der Bewohner, deren Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie der Leistungen der öffentlichen Einrichtungen erlangte er durch eine statistische Landesaufnahme. Darauf baute und begründete er seine Reformen. Vision und Inspiration holte er sich auf seinen zahlreichen Studienreisen durch Europa und Kontakten zu bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit. 1801 beschrieb er auf seiner Reise durch Salzburg und Tirol Bauernhäuser, Lebensweise, Mahlzeiten, Tracht, Charakter, Körperbeschaffenheit, Religion, Volksspiele, Volkslied, Musik und Liebesleben der Bevölkerung. 1802 führte ihn sein Weg durch die Steiermark, wo er sich Jodler und Volkslieder vorsingen ließ und damit seine Liedersammlung begründete. Bereits 1804, als er noch mit seinen militärischen Plänen befasst und auf Tirol konzentriert war, bereitete er eine Arbeit über „Sitten, Gebräuche und Charakter der deutschen Alpenbewohner“ vor. Zugleich erteilte er Naturforschern, Zeichnern und Antiquaren den Auftrag zu forschen und zu sammeln. Nach seiner „Verbannung aus Tirol“ durchwanderte und beschrieb er im August 1810 die Ausseer und Schladminger Alpen: Die Almhütten sind niedrig aber geräumig; die heftigen Winde, welche hier herrschen und oft den Boden furchen, lassen kein hohes Gebäude zu. Die Dächer sind flach und mit Steinen beschwert … Abends waren Geiger und Pfeifer da und von Schladming kamen Bauern mit ihren Alpenhörnern („Wurzhörnern“). Sie sind wie Posaunen gemacht, von Lärchenholz mit Bast umgeben und geben einen reinen, angenehmen aber zugleich traurigen Ton … Im Oktober 1810 durchstreifte er die untersteirischen Weingegenden und schrieb Beobachtungen über Weinbau, Weinlesefeste, Pressen, Keller und Winzerbräuche nieder. Dies gab ihm anscheinend Anstoß, fortan für die Steiermark tätig zu sein, und begeistert schrieb er 1811 in sein Tagebuch: Aus den Gebirgen entspringen die Wasser, die die Ebene beherrschen, dort ist noch der Menschheit Kern, von da muß Rettung kommen! Silvia Renhart „Eure kaiserliche Hoheit – theurer, liebster, bester Mann.“ johann. Anna Plochl und Erzherzog Johann Die Beziehung zwischen Erzherzog Johann und Anna Plochl ist mit Sicherheit die bekannteste Liebesgeschichte der Steiermark, birgt sie doch alle Bestandteile einer märchenhaften Romanze in sich: Ein Kaisersohn und eine Postmeisterstochter verlieben sich ineinander, trotzen im ländlichen Idyll allen Widerständen und dürfen nach jahrelanger Prüfung endlich den Bund für das Leben schließen. Spätestens seit dem Kinofilm „Erzherzog Johanns große Liebe“ war dieses kitschig-süße Bild in einer breiten Öffentlichkeit festgeschrieben. In der Realität zeigte sich die Beziehung des Habsburgers zu seiner mehr als 20 Jahre jüngeren Gefährtin aus dem Bürgerstand freilich viel facettenreicher und mit einer Reihe von Problemen belastet, unter denen vor allem die junge Frau zu leiden hatte. Die Postmeisterstochter Nanni Anna Maria kam als ältestes Kind des Postmeisters Jakob Plochl und seiner Frau Maria Anna, geb. Pilz, am 6. Jänner 1804 in Aussee zur Welt. Sie hatte zwölf Geschwister, wobei ihre Mutter nach der Geburt des jüngsten Kindes 1821 verstarb. Familie Plochl besaß in Aussee ein bürgerliches Haus und galt als durchaus angesehen. Erzherzog Johann lernte die Postmeisterstochter im Sommer 1819 am Toplitzsee kennen und fand an dem jungen Mädchen Gefallen. Im den folgenden Jahren trafen die beiden immer wieder zufällig zusammen und kamen einander näher. Im Sommer 1822 tat der Habsburger schließlich den entscheidenden Schritt und erklärte sich der Bürgerstochter. Die Verbesserung seiner finanziellen Situation durch eine Erbschaft sowie der Ankauf von Realitäten in Vordernberg trugen daran nicht unwesentlichen Anteil. Nachdem sich das Paar bald einig war, suchte Johann Anfang 1823 bei seinem kaiserlichen Bruder, Franz I., um die Heiratserlaubnis an. Der Kaiser erteilte zwar seine grundsätzliche Zustimmung, wollte die Heirat jedoch bis auf Weiteres aufgeschoben wissen. Wie stellte sich diese Situation nun für Anna Plochl dar? Die junge Bürgerstochter hatte bei der ersten Zusammenkunft mit dem Erzherzog sicher niemals daran zu denken gewagt, in eine nähere Beziehung mit dem so viel höherstehenden und älteren Mann zu treten. Tatsächlich knüpfte das lebenslustige Mädchen zunächst Bekanntschaft zu einem jungen Mann ihres Standes. Es war dies der Leobener Bäckermeisterssohn Vinzenz Pfeifer, der als AngeZeitgenössische stellter in einem Vordernberger Radwerk arbeitete. Genre-Darstellung Die beiden korrespondierten nicht nur miteinander, „Anna als Postillion“ 1-2/09 steirische berichte 15 sondern tauschten auch kleine Geschenke aus; unter anderem besaß Vinzenz von Anna eine Rose und einen Ring. Wie lange dieses Verhältnis gedauert hatte und aus welchen Gründen es letztlich zerbrach, wissen wir nicht; der Bürgerssohn galt jedoch als leichtlebiger Frauenheld. Nachdem Anna dem Erzherzog diese Episode erzählt hatte, setzte der Habsburger alles daran, die Spuren der ehemaligen Beziehung zu beseitigen, um das Ansehen seiner Auserwählten nicht zu gefährden. Über Vermittlung des Bäckermeisters Pfeifer übergab der junge Mann alle von Anna herrührenden und diese unter Umständen kompromittierenden Gegenstände an den Habsburger. Damit nicht genug, wurde Vinzenz Pfeifer auch der Abschied aus Vordernberg nahe gelegt. Mit Hilfe von Erzherzog Johann erhielt er einen Studienplatz an der Bergakademie in Schemnitz, die Reise- und Aufenthaltskosten übernahm der Habsburger. Trotz aller Diskretion blieben das Werben von Erzherzog Johann, die plötzliche Abreise Vinzenz Pfeifers und die letztlich gescheiterten Hochzeitsvorbereitungen in Aussee nicht unbe- merkt. Klatsch und Tratsch blühten, wobei vorzugsweise Anna Plochl die Zielscheibe des Spotts bildete. Neider und Übelwollende gab es genug, die ihr vor- warfen, sich anmaßend über ihren Stand erheben zu wollen. Das Gerede zog so weite Kreise, dass sogar Staats kanzler Metternich in Wien von seinen PoHerrenhaus lizeispitzeln genaue Berichte über die Person der in Vordernberg Postmeisterstochter einforderte. Aus einer Foto: StL a gewissen Naivität und schwärmerischen Verliebtheit heraus gelang es Anna anfangs, sich ihren Optimismus zu bewahren. Doch zum Druck der Umgebung kam zunehmend auch der Druck innerhalb ihrer eigenen Familie. Jakob Plochl sorgte sich um den Ruf seiner ältesten Tochter – und suchte zugleich handfeste materielle Vorteile für sie herauszuholen. Erst im September 1823 fand dieser unhaltbare Zustand ein Ende, und Anna sollte mit Zustimmung ihres Vaters als Wirtschafterin des Erzherzogs tätig werden. Damit begann ein neues Kapitel in ihrem Leben, das für sie – neben der ersten Freude über die erreichte Zweisamkeit mit einem geliebten Menschen – sehr viele Schattenseiten aufweisen sollte. johann. 16 steirische berichte 1-2 /09 Die Hausfrau des Erzherzogs Am 20. September 1823 führte Johann seine Anna nach Vordernberg – um sie nach wenigen Tagen bereits wieder allein zu lassen. Die vielfältigen Geschäfte des Habsburgers ließen es nicht zu, längere Zeit in Ruhe an einem Ort zu verweilen. Das hieß für Anna, dass sie lernen musste, Wochen und sogar Monate in einsamer Zurückgezogenheit zu verbringen. Für ein junges Mädchen, das gewohnt war, im Kreis einer großen Familie mit vielen Kindern zu leben, musste das eine gewaltige Umstellung bedeuten. Selbstverständlich trug Johann dafür Sorge, dass Anna in seiner Abwesenheit Gesellschaft hatte, allerdings nur durch einen von ihm ausgewählten Personenkreis. Mit anderen, ihm nicht vertrauenswürdig erscheinenden Menschen sollte sie hingegen keine engeren Kontakte pflegen. Zum Leidwesen Annas hatte der Erzherzog auch Vorbehalte gegen ihre Schwestern und gegen ihren Vater, so dass sie hin- und hergerissen war zwischen der Liebe zu ihrer Familie und dem Pflichtbewusstsein gegenüber Johann. Der Habsburger handelte dabei natürlich aus reifer Überlegung, wusste er doch nur zu gut, wie rasch Anna in ihrer ohnehin unsicheren Position durch unbedachte Handlungen gänzlich desavouiert werden konnte. Für das damals 19jährige Mädchen waren die Bevormundungen des Erzherzogs jedoch schwer zu ertragen. Anna sah sich wegen der ständigen, bisweilen übertrieben scheinenden Bedenken immer wieder um jede Freude und Zerstreuung gebracht, um so mehr, da sie bisher eine begeisterte Tänzerin gewesen war, die kaum einen Ball ausgelassen hatte. Der schon in die Jahre gekommene Erzherzog mied hingegen nach Möglichkeit solche Veranstaltungen, die er als höchst verderblich und gesundheitsschädlich ansah. Hier zeigten sich die Wesensunterschiede, aber auch die Altersdifferenz zwischen dem ungleichen Paar besonders augenfällig, was auch Anna bewusst war: Willst Du mir denn gar die Freude nicht mehr erlauben, daß ich nicht mehr tanzen soll. […] Du wirst Dir halt denken, jung, jung! Leider freylich jung, darum auch noch gerne lustig. Erzherzog Johann hatte in der Wahl seiner Gefährtin ein unverdorbenes Geschöpf aus dem Volk gesucht, das er in gewisser Weise noch nach seinen Vorstellungen formen konnte. In diesem Sinn versuchte er auch auf Anna einzuwirken, vor allem, was einfache und schlichte Lebensführung betraf. Auch wenn die Bürgerstochter alles andere als anspruchsvoll war, hatte sie doch eine gewisse Freude an Putz und Zierrat, was der Erzherzog jedoch nicht verstehen wollte. So rügte er sie in harten Worten, dass sie sich bei einem Ausflug nach Graz unterstanden hatte, drei Hüte mitzunehmen: Für Dich wäre ein Gewand für alle Tage und immer das näm- liche, eines für Visiten oder ein Überrock und Dein schwarzer Mantel hinlänglich gewesen, denn das viele Kleiderwechseln ist eine unzeitige Eitelkeit, die ich nicht will. Wegen dieser und ähnlicher Zurechtweisungen vergoss Anna viele Tränen. Sie hatte mitunter das Gefühl, von den Freunden und Vertrauten des Habsburgers überall überwacht und kontrolliert und wie ein Kind mit Warnungen überhäuft zu werden. Andererseits wollte sie ihrem „Herzensmann“ alles recht machen und ängstigte sich, seinen Unwillen hervorzurufen. War Erzherzog Johann endlich ein paar Tage zu Hause, so gestaltete sich das Zusammenleben zwischen Anna und ihm auch nicht immer erfreulich. Wiewohl das Paar ständig brieflich miteinander in Verbindung stand, trat während der langen Abwesenheiten doch eine gewisse Entfremdung auf, die es immer wieder abzubauen galt. Zugleich durfte aber auch nicht zu viel Nähe aufkommen, peinlich genau musste darauf geachtet werden, dass man trotz aller Bedürfnisse über das kameradschaftliche Verhältnis nicht hinausging. Der Erzherzog wurde durch diese allseits unbefriedigende und peinigende Situation in schwere Depressionen gestürzt und glaubte, durch sein Versprechen gegenüber Anna Schuld auf sich geladen zu haben. In der ersten Jahreshälfte 1824 war Johann in so düsterer Stimmung, dass er in seinen Tagebüchern sogar Selbstmordgedanken äußerte. Bis aufs äußerste angespannt und oft krankhaft gereizt, war er von Selbstzweifeln zerfressen und stellte bisweilen sogar Annas Liebe in Frage. Diese fühlte sich mit der düsteren Schwermut ihres Gefährten oft überfordert, zumal sie ja selbst mit der bestehenden Lage alles andere als glücklich war. Es zeugt von der Charakterfestigkeit des Paares, dass es diese schwere Zeit miteinander meistern konnte. In der Tat hat es den Anschein, als ob Anna und Johann nach dem ersten Jahr ihres Zusammenlebens immer besser lernten, miteinander umzugehen und sich an ihre Situation zu gewöhnen. Wie in jeder Beziehung wechselten auch hier bessere und schlechtere Tage einander ab, letztlich sollten sich die Gegensätze zwischen den beiden aber immer mehr abschleifen. Freilich ist zu erwarten, dass die junge Anna hier mehr Zugeständnisse machen musste als ihr Radmeister. Die trotzig zur Schau gestellte Prinzipientreue des Erzherzogs beeindruckte letztlich auch seinen kaiserlichen Bruder, der 1829 endlich seine Zustimmung zur Heirat bekräftigte. Am 18. Februar heirateten Anna und Johann in der Kapelle des Brandhofes, nachdem sie fünfeinhalb Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt hatten. Die Frau ohne Namen johann. Die Eheschließung mit Erzherzog Johann bedeutete für Anna freilich nur die Legitimierung ihrer Beziehung und keine Aufnahme in die Familie des Habsburgers. Es sollte noch lange dauern, bis sie in Wien überhaupt Zutritt zur kaiserlichen Hofburg erhielt. Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, wie sich die im ländlichen Aussee aufgewachsene Frau, die keine angemessene Erziehung genossen hatte und keine Erfahrung mit höfischer Etikette besaß, hier fühlen musste. Gerade in den ersten Jahren waren sicherlich alle Augen auf sie gerichtet und jede Ungeschicklichkeit ihrerseits wurde peinlich genau notiert – und wohl auch ausführlich kommentiert. Dazu kam die Verlegenheit, dass man anfangs nicht wusste, wie man die Frau des Erzherzogs überhaupt anreden sollte. Erst 1834 erhielt sie den Titel einer Freifrau von Brandhofen zuerkannt. So nimmt es nicht wunder, dass Anna die Zeit am liebsten in ihrer steirischen Heimat verbrachte. Aber auch hier bewegte sie sich in gewisser Weise zwischen den Welten: Zum Bürgerstand gehörte sie nicht mehr, und selbst der Land- adel behandelte sie nicht als ihresgleichen. Neben diesen äußeren Zurücksetzungen litt Anna unter der anfänglichen Kinderlosigkeit ihrer Ehe, erst 1839 stellte sich der lang erwar- tete Sohn ein. Es scheint, dass Anna durch ihre Mutterschaft eine gewisse Eigenständigkeit erlangte, die sich bisweilen auch mit einem energischen Auftreten paarte – allerdings nur innerhalb der eigenen vier Wände, die sie als ihre Welt ansah. In der Öffentlichkeit, wie etwa in Frankfurt 1848, fühlte sie sich gänzlich fehl am Platz: Ich bin für die hiesige Welt viel zu einfach […]. Auch ihre Standeserhöhung zur Gräfin von Meran 1850 sollte daran nichts mehr ändern. Nach dem Tod von Erzherzog Johann 1859 lebte Anna vor allem in Graz, wo sie als Wohltäterin in Erscheinung trat; am 4. August 1885 starb sie in ihrem Geburtshaus in Aussee. Anna Freiin von Brandhofen. Johann, Anna und beider Sohn Franz. Foto: StL a Elke Hammer-Luza Verwendete Quellen und Literatur (in Auswahl): Johann Erzherzog von Österreich, Der Brandhofer und seine Hausfrau. 3. Aufl., bearb. u. eingel. von Walter Koschatzky, Graz 1978. Renate Basch-Ritter, Anna Plochl. Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte, Graz 2005. Elke Hammer, Anna Plochl und Erzherzog Johann – Kehrseiten einer „lieblichen Romanze“. In: MittStLA 48 (1998), 299–332. 1-2/09 steirische berichte 17 johann. „Gerichte mit Geschichte“ Fotos: Giselbrecht Es ist rund 150 Jahre her, dass Anna Plochl, die bürgerliche Ehefrau des Erzherzogs Johann von Österreich, ihren Gemahl mit viel Gefühl und Liebe „bekochte“. Kein Wunder, dass es fast ein Jahrhundert dauerte, bis erzherzögliche Gerichte nachgekocht werden, denn massige Mengen von Schmalz und 18 Eiern hinterließen einen bombigen Eindruck. Werden die Mengen aber auf vier Personen umgerechnet, so verlieren die Gerichte viel an Kalorienschreck. Erst mussten Umrechnungen von Loth, Quintel, Vierting, Pfund, Seidel und Maß vorgenommen werden, bis sich die Mengen aus der Anna-Plochl-Küche nachempfinden lassen. Die reiche Ernährung adeliger und bürgerlicher Zeit mag vielleicht auch an der Lebensfreude, die uns aus Volkstänzen und Walzern entgegenschwingt, zu tun haben. Germspeisen, Salsen und Sulzen, Bratensäfte und Brieschen finden sich zum Abendmahle ein, bitte zu Tisch auch für Fasansuppe und Ente mit kleinen Zwiebeln. Mit Chips oder Pommes Frites hätte die Adelsküche keine großen Schlagzeilen gemacht, umso spannender die Gerichteküche, in der viele internationale und traditionelle Speisen aus der Pfanne gezaubert wurden. So verraten Pastete à la Plochl und Parmesankrustenbraten französisch-italienische Kochneigungen, ohne dass bei den teuren Zutaten gespart wurden, hatte dennoch der Wert der Wirtschaftlichkeit im Haushalt eine bedeutende Stellung. Nicht zu vergleichen mit dem „Arme-LeuteEssen“ der Bauersleut’, die noch in jenen Tagen mit Hungersnöten und Missernten kämpften. Gerichte Trends in der Biedermeierküche waren vor allem Rahm und eierreiche Speisen, sogar an Zucker hatte man sich nichts vom Mund abgespart. Aus dem Erzherzog-Johann-Kochbuch ist herauszulesen, dass es vor allem das Brot war, dem eine besondere Wertschätzung zukam. So wurde Brot in Form von Mehlspeisen, Pofesen, Semmelbrösel, Panadel (Semmelbrei, Weißbrotsuppe) veredelt. Auf Panier hatte man in diesen Tagen noch eher verzichtet, doch war die Fleischzubereitung, auf Wurzelwerk aufgesetzt, nicht aus der Küche wegzudenken. 18 steirische berichte 1-2 /09 Krapfen wie Schneeballen und Spagatkrapfen waren auf dem „Speiszettl“ angeführt. Hirn, Milz und Leber galten damals als geheime Liebesextrakte. So änderte sich im Laufe der Jahrzehnte das Image von Innereien, und sie finden heute seltener den Eintritt in die Menüauswahl. Steirische Küche am Hof war bekannt für Markigkeit und Kraft! Das Kochbuch – „ein heiliges Buch“ Alle Ehre den Dirnd’ln der damaligen Zeit, da wurden Rezepte penibel genau in das Kochbuch eingetragen. Ein gut geführtes Kochbuch war für eine junge Frau quasi wie ein Bewerbungsbrief an den Zukünftigen. Vergleicht man die Zeilen der Rezepte aus der Zeit von Anna Plochl, so ist es lustig zu erlesen, mit welcher Muße die Gerichte beschrieben wurden. Zum Beispiel die Hühnerpüreesuppe: Eine alte Henne, eine junge Henne, Rindsuppe, ein abgezogenes Kalbshirn, im Mörser gestoßen, 20 abgezogene gestoßene Mandeln, mit Obers angefeuchtet, eine ganze abgeriebene, in Obers geweichte Semmel, 6 Eidotter von hartgesottenen Eiern, ebensoviel Butter, wenig Mußkatnuß, als Einlage Semmelcroutons oder Konsumé. Die Art der Zubereitung gleicht fast einer kleinen geheimen Geschichte, um deren Kräuter und Zutaten sich der Hochadel berät. In Anna Plochls Kochbuch verstecken sich zwischen den Zeilen geheime Liebesbeweise. Wohl wissend, dass niemand in das Kochbuch einsehen darf, außer ihrem Liebsten. Je nach Seelenstimmung verwendete Sie das Kochbuch wie einen stillen „Postillion d’amour“ (Liebesbotschafter): Wenn schon Entfernung macht, daß du auf mich vergisst, so denke dann und wann, die unterschrieben ist. Nany Nach einem Rezept „Tiroler Strudel“ schrieb die auch mit dem Spitznamen „Nany“ genannte Anna Plochl: Lustig wohlauf in Steuerinnen Brauch, und der meinige auch. Geduld im Leiden, sonst mutig und schweigen, nicht ohne Noth klagen, mehr denken als zagen. Hildegard Giselbrecht Frühlingssuppe von Anna Plochl johann. Aus dem Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl Original Rezept: Kleinste junge gelbe Rübchen, Petersilwürzchen, 3 Hände voll gezupfter Salat, ebensoviel Sauerampfer, 1 Handvoll Kerbelkraut, ebensoviel grüne Petersilie, wenig zu dünnen Stückchen geschnittenen jungen Porre, in kurze Stäbchen geschnittener Schneidespargel, 1 Seidel feinste grüne Erbsen, Consommé, Salz, Muskatnuß, gebähte Semmel, 1 Maß gute Suppe Quelle: Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl. Erhältlich im Kammerhof Museum Bad Aussee (Tel: 0676 83 62 25 20) und im Steirischen Heimatwerk in 8010 Graz, Sporgasse 23 (Tel..: 0316 82 71 06) Heute: H. Giselbrecht mit ihrer Familie Wächst unterirdisch – schmeckt überirdisch Ein schweres Unterfangen war das, bis sich die Erdäpfel über die Anden von Peru nach Europa durchringen konnte. Der Wert der Anerkennung stieg mit zunehmenden Hungersnöten, und so erging 1767 vom Kaiser eine Instruktion über den Anbau und die Verwendungsmöglichkeiten der Erdäpfel in Österreich. Noch während theresianischjosefinischer Zeit wird im Hofdekret festgestellt, dass Untertanen 2 Gulden für das Tagwerk zur Aufmunterung des Anbaus der Erdäpfel bekommen, vor allem in rauhen Gegenden, wo sich Misswachs des Getreides eingestellt hat. 1810 schreibt Erzherzog Johann in sein Tagebuch, dass er einen Bauern getroffen hat, der minutiöse Berichte über den Anbau und den Ertrag der Erdäpfel verfasst hat. Paul Adler vlg. Christoph, Grundbesitzer in Mühlreith, nähe Bad Mitterndorf – stand dem Erzherzog als Berater bei. 1816 und 1817 bereiste Erzherzog Johann die Obersteiermark und verteilte Erdäpfel an Hungerleidende. Durch die von ihm gegründete Kartoffelbeitragsgesellschaft und die Landwirtschaftsgesellschaft, die nachfolgend der heutigen Landwirtschaftskammer gleicht, konnte der Erdäpfelanbau gefördert werden. Er wirkte damals als großer Aufklärer, denn der Anblick der Not, die Hilflosigkeit der Bauern, ihre Betriebe aus eigener Kraft ertragreicher zu gestalten, ließen sein Konzept reifen: Das Ziel ist die wirtschaftliche und moralische Unterstützung des alpenländischen Raumes. 1831 ist der Erdäpfelanbau weitgehend durchgedrungen. 10 dag junge Karotten, zu Stäbchen geschnitten, 5 dag junge Petersilwurzeln, 2 Händevoll Zupfsalatblätter, 1 handvoll Sauerampferblätter, 1 Handvoll Kerbelkraut, 1 handvoll grüne Petersilie, ½ Handvoll grüner Porre, in Scheibchen geschnitten, 1 Handvoll grüner dünner Spargel, in kleine Stücke geschnitten, ¼ l junge grüne Erbsen, Salz, weißer Pfeffer, 1 Messerspitze Muskatnuß, Eierstich, in Butter angeröstete Semmelstückchen, ¾ l Rindsuppe, Karotten und Petersilwurzeln in guter Suppe bissfest kochen, Porre, Spargelstückchen, Erbsen, dazufügen und köcheln. Zuletzt die gehackten Kräuter beigeben und kurz mitsieden. Eierstich bereiten: 2 Eier fest versprudeln, salzen und würzen, in gebutterte Förmchen gießen und im Wasserbad stocken lassen. Die Suppe über in Butter gerösteten Semmelstückchen und dem zierlich zerteilten Eierstich anrichten. Hildegard Giselbrecht Ihr Habsburger könnts vielleicht besser regieren, aber kochen können Anna Plochl wir Plochls besser! Dipl.-Päd. Hildegard Giselbrecht ist im Bezirk Liezen Fachberaterin für Urlaub am Bauernhof, Ernährung und Erwerbskombination. Bild unten: Blüten der Kartoffel (Solanum tuberosum) Foto: kk In der Eintracht Vieler liegt die Kraft, die das Gute bewirkt. Dazu beizutragen ist eines Erzherzog Johann, 1846 Jeden Aufgabe. 1-2/09 steirische berichte 19 Bücher zum Thema johann. Zahlreiche „Klassiker“ zu Leben und Wirken Erzherzog Johanns sind fast nur mehr im Antiquariat zu erwerben oder in Bibliotheken zu benützen. „Der Brandhofer und seine Hausfrau“, herausgegeben von Alfred Wokaun 1959 und seither von Walter Koschatzky mehrfach neu aufgelegt, gehört ebenso dazu wie die umfassende, aber leider nur bis zum Jahre 1811 reichende Biographie aus der Feder von Viktor Theiss („Leben und Wirken Erzherzog Johanns“, Neuauflage 1981) und die Festschrift „Erzherzog Johann von Österreich. Sein Wirken in seiner Zeit“ zum 200. Geburtstag anno 1982 herausgegeben von Othmar Pickl. Wohlfeil antiquarisch zu haben sind auch die material- und informationsreichen Kataloge zu den Gedächtnis- bzw. Landesausstellungen der Jahre 1959 (Graz, Joanneum) und 1982 (Stainz; hrsg. v. Grete Walter-Klingenstein und Peter Cordes). Mit „Erzherzog Johann. Mythos und Wirklichkeit“ hat sich 1982 der inzwischen verstorbene Publizist Günther Nenning beschäftigt, in romanhafter Form – neben anderen – schon 1950 Hans Gustl Kernmayr („Erzherzog Johanns große Liebe“) und 1980 der langjährige Kulturredakteur der „Südost-Tagespost“ Wolfgang Arnold unter dem Titel „Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman“. Der Grazer Leopold Stocker Verlag hat diesen Roman nunmehr in zweiter Auflage herausgebracht; für ein Publikum, das abseits von Jahreszahlen, aber auch einen literarischen Zugang zur Persönlichkeit des steirischen Prinzen sucht, sehr empfehlenswert, wollte der Autor doch „das Romanhafte im Leben dieses volkstümlichsten aller österreichischen Erzherzoge, diese … so stark verkitschte Liebesgeschichte mit der Postmeisterstochter Anna Plochl auf das richtige Maß reduzieren“. Standardwerk ist und bleibt Hans Magenschabs Biographie des Erzherzogs, 1981 noch mit dem Untertitel „Habsburgs grüner Rebell“ erschienen, 2008 in überarbeiteter und textlich umgruppierter Gestalt zu „Erzherzog Johann. Bauer, Bürger, Visionär“ mutiert. Der reich bebilderte Band von Renate Basch-Ritter, „Anna Plochl. Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte“ führt als „Porträt einer außergewöhnlichen Frau“ Leben und Nachwirkung der aus dem Bürgerstande stammenden Ehefrau Erzherzog Johanns vor. 1998 brachte Victoria von Haan das Reisetagebuch ihres Vorfahren Leopold von Haan als Begleiter Erzherzog Johanns 1837 in Russland und der Türkei mit Dokumenten aus dem Familienarchiv Meran kombiniert heraus, und im Frühsommer 2009 wird die Historische Landeskommission für Steiermark eine Auswahl aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns über seine EnglandReise 1815/16 präsentieren, als er wichtige Aufschlüsse über die Industrialisierung Großbritanniens gewann und später in der Steiermark umsetzen ließ. Und auch die Ergebnisse der heurigen Symposien zu Leben und Wirken Erzherzog Johanns werden in Buchform vorgelegt werden, um weitere Forschungen anzuregen. Gernot Peter Obersteiner LEOPOLD STOCKER VERLAG ISBN 978-3-7020-1228-1 Charlotte Keil-Meran FRANZ MERAN Renate Basch-Ritter Anna Plochl Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte. Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz, 2005 (ISBN: 3-201-01845-7) Erzherzog Johann/Leopold von Haan Eine russisch-türkische Reise im Jahre 1837. Aus den Handschriften der Tagebücher erstmals hrsg. von Victoria von Haan. Verlag Karolinger, Wien und Leipzig 1998 (ISBN 3-85418-083-7) Hans Magenschab Erzherzog Johann. Bauer, Bürger, Visionär Styria, Wien–Graz–Klagenfurt 2008 (ISBN 978-3-222-13255-1) Wolfgang Arnold Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman 2. Auflage, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart 1980 (ISBN 978-3-7020-0365-4) 20 steirische berichte 1-2 /09 Der Sohn im Schatten von Erzherzog Johann 120 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Hardcover � 29,90 Charlotte Keil-Meran, die Urenkelin von Franz Meran, hat mit viel Liebe zum Detail und Wissen über ihre Vorfahren ein Buch zusammengestellt, das Franz Meran aus dem Schatten seines Vaters Erzherzog Johann heraustreten lässt. Es zeigt Franz Meran als liebenden Ehemann, fürsorglichen Vater, leidenschaftlichen Jäger und intelligenten Verwalter seiner Güter. Daneben wird auch auf die nachfolgenden Generationen der Familie Meran eingegangen, die mittlerweile mehr als 1.000 Mitglieder zählt. Leopold Stocker Verlag 8011 Graz, Hofgasse 5, Tel.: 0316/821636, Fax: 0316/835612 E-Mail: [email protected] Internet: www.stocker-verlag.com Die Erben des steirischen Prinzen johann. Familiengeschichtliche Seitenblicke auf die Nachkommen Erzherzog Johanns Die direkte Nachkommenschaft Erzherzog Johanns umfasst heute mehr als 900 Personen. Sie sind über alle Kontinente verteilt und naturgemäß in den unterschiedlichsten Berufen tätig. Ihr zweiter Stammvater ist neben dem steirischen Prinzen dessen einziger Sohn Franz (1839–1891), der 1844 Namen und Titel eines Grafen von Meran erhalten hatte. Die Ehe Johanns mit der bürgerlichen Postmeisterstochter Anna Plochl war unbeschadet ihrer kirchenrechtlichen Gültigkeit nach dynastischen Gesichtspunkten nur eine sog. morganatische Ehe, d. h. sowohl Anna als auch ihrem gemeinsamen Sohn kam ein anderer Rang zu als ihn der Ehemann und Vater besaß. Erzherzog Johann hatte zur Versorgung Annas den Brandhof ausgesetzt, gleichzeitig sollte ihr der Adel verliehen werden. Doch erst fünf Jahre nach der 1829 erfolgten Eheschließung regelte man am Wiener Hof die künftige Stellung der erzherzoglichen Gemahlin. Mit kaiserlichem Handschreiben vom 14. März 1834 wurde ihr und etwaigen Kindern aus ihrer Ehe mit dem Erzherzog der Freiherrenstand mit dem Namen von Brandhofen verliehen. Nach der Geburt seines Sohnes beschäftigte sich Johann nicht nur mit der Frage, welcher Name und welcher Rang seinem Sohn künftig zukommen sollten, sondern natürlich auch mit der finanziellen Sicherstellung. Bereits 1840 nahm der Erzherzog mit dem Wiener Hof Verhandlungen darüber auf, die 1847 in der Errichtung eines Fideikommisses mündeten, das jedoch 1853 vom Erzherzog widerrufen und 1855 neuerlich errichtet wurde. Dieses gebundene Vermögen, das nur in männlicher Linie nach dem Recht der Erstgeburt vererbt werden sollte, umfasste das Palais Meran in Graz, Gut Schenna mit dem Gut Ober- und Unterthurn bei Schenna und ein Kapital von 700.000 Gulden, das überwiegend in Staatsschuldverschreibungen angelegt war. Die 1840 erworbene Herrschaft Stainz wie auch der Brandhof waren freier Besitz. Auch die Suche nach einem passenden Namen für das neue Geschlecht gestaltete sich schwierig. Es war der steirische Archivar Josef Wartinger, der den Erzherzog auf die mittelalterlichen Herzöge von Andechs-Meranien hinweisen sollte. Der Herzogstitel rührt allerdings nicht vom tirolischen Meran her, sondern von der Bezeichnung für die küstenländischen Besitzungen dieser Familie. Trotzdem war ein Bezug zu Tirol gegeben, da die Habsburger als Nachkommen der tirolischen GörzMeinhardiner auch von den Andechs abstammten. Am 29. April 1844 (Diplom vom 30. Dezember 1845) erhob schließlich Kaiser Ferdinand I. den aus der morganatischen Ehe mit der Freyin von Brandhofen entsproßenen Sohn Franz [seines Onkels] in den österreichischen Grafenstand mit dem Namen eines Grafen von Meran, Freyherrn von Brandhofen. Sechs Jahre später wurde auch Anna Plochl von Ferdinands Nachfolger Franz Joseph I. in den Grafenstand erhoben. Links: Die Witwe Erzherzog Johanns, Anna Gräfin Meran, mit ihren Enkeln Karoline, Rudolf und Albrecht im Jahre 1879. StLA Der Sohn des Erzherzogs Die Stellung des Sohnes des steirischen Prinzen am Wiener Hof war delikat. Als Sohn eines Habsburgers war er unzweifelhaft ein habsburgischer Dynast, zugleich jedoch der Spross aus standesungleicher Ehe und damit nicht Mitglied des kaiserlichen Hauses. Als kaiserlicher Offizier – er quittierte den Dienst im Rang eines Majors – und vor allem als Geheimer Rat, der er seit 1881 war, besaß er Zutritt bei Hof. Seiner Herkunft aus kaiserlichem Geblüt trug man seitens des Hauses Habsburg auch insofern Rechnung, als ihm und seinem Haus 1861 ein erblicher Sitz im Herrenhaus, dem Oberhaus des österreichischen Reichsrates, verliehen wurde. 1-2/09 steirische berichte 21 Fernab der rigiden Strenge des Hofzeremoniells lässt sich in feinen Nuancierungen die tatsächliche Stellung ausmachen, die der Graf am Wiener Hof einnahm. 1869 wurde Franz Meran in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen, der bis heute als einer der vornehmsten abendländischen Ritterorden gilt und dem neben den Prinzen des kaiserlichen Hauses und katholischen ausländischen Souveränen und Dynasten die höchsten Würdenträger des Wiener Hofes und Herren des alten und vornehmlich hohen Adels der Donaumonarchie angehörten. Zu Familienfeiern im Kaiserhaus wurde Franz Meran wiederholt zugezogen, vor allem dann, wenn sie einen intimeren Charakter besaßen, so etwa anlässlich der Vermählung der Kaisertochter Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator 1890 in Bad Ischl, wo der Kreis der geladenen Gäste, zu denen auch der Graf gehörte, bewusst eng gezogen worden war, so dass man gleichsam en famille war. Franz Graf Meran Franz Merans persönlicher Wirkungskreis blieb StLA weitestgehend auf die Steiermark beschränkt, von Reisen und den gesellschaftlichen Verpflichtungen, die ihn an den Wiener Hof führten, abgesehen. Jenen Institutionen, die sein Vater in der Steiermark ins Leben gerufen hatte, war auch er verbunden, etwa der Wechselseitigen Versicherungsanstalt, deren Präsident er war, oder dem Landesmuseum Joanneum. Das Grazer Stadtpalais, das Salzkammergut und der Brandhof mit seinen ausgedehnten Revieren waren die bevorzugten Aufenthaltsorte des ersten Grafen Meran. Ein schweres Magenleiden machte zahlreiche Kuraufenthalte im Süden notwendig. In Abbazia ist Franz Meran am 27. März 1891 wenige Tage nach seinem 52. Geburtstag gestorben. Ebenso wie seine Eltern haben auch Franz Meran und seine Gemahlin Theresia Gräfin Lamberg (1836–1913), die er 1862 geheiratet hatte und dank der sich dem Sohn des steirischen Prinzen zahlreiche Verbindungen zu Familien des österreichischen Hochadels erschlossen, ihre letzte Ruhestätte im Mausoleum von Schenna gefunden. Das Meransche Fideikommiss und der damit verbundene erbliche Herrenhaussitz, die Herrschaften Stainz und Brandhof und das südsteirische Weingut bei Marburg gingen auf seinen ältesten Sohn Dr. Johann Graf Meran (1867–1947) über. Wie seinen Vater finden wir auch ihn an führender Stelle in den von Erzherzog Johann begründeten Institutionen. So war auch dieser Graf Meran Prä- johann. 22 steirische berichte 1-2 /09 sident der Grazer Wechselseitigen Versicherung und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Auch seine besondere Leidenschaft gehörte der Jagd. Vor allem der Brandhof, auf dem er und seine Frau Ladislaja Gräfin Lamberg alljährlich ihre mehr als 40 Enkelkinder zum Sommeraufenthalt versammelten, und die ausgedehnten Reviere in Ungarn, die seine Gemahlin in die Ehe eingebracht hatte, boten den entsprechenden waidmännischen Rahmen. Johann Meran war zudem Gründungsmitglied und späterer Ehrenpräsident des steirischen Waldbesitzerverbandes, langjähriger Landesoberschützenmeister von Steiermark und Ehrenmitglied der steirischen Jägerschaft. Im Unterschied zu ihm hatte sein jüngerer Bruder Franz (1868–1949) eine Karriere als Militär eingeschlagen. Am Ende des alten Österreich finden wir ihn als Direktor des k. k. Gestüts in Piber, ehe er mit Kriegsende als Oberst pensioniert wurde. Aus dem Erbe nach seinem Vater war ihm eines der drei sog. Meran-Häuser in der Elisabethstraße zugefallen. Franz Meran war seit 1902 mit Marie Prinzessin von und zu Liechtenstein, der Tochter des sog. „roten Prinzen“ Aloys Liechtenstein verheiratet, der zu den Wegbereitern der christlichsozialen Bewegung in Österreich gehört hatte. Aus dieser Ehe stammten sechs Kinder, von denen im Übrigen Sohn Albrecht (geb. am 26. April 1908) 2008 seinen hundertsten Geburtstag feierte und damit nicht nur der erste Nachkomme Erzherzog Johanns ist, der ein so hohes Alter erreicht hat, sondern überhaupt der erste habsburgische Dynast, der auf ein volles Jahrhundert Lebenszeit zurückblicken kann. Franzens jüngerer, mit Johanna Prinzessin Auersperg verheirateter Bruder Rudolf (1872–1959) schlug nach einem rechtswissenschaftlichen Studium die Laufbahn eines Verwaltungsbeamten ein, die ihn mehrfach in Spitzenpositionen einzelner Kronländer der Monarchie führen sollte. So war er Landespräsident der Bukowina und schließlich Statthalter von Tirol und Vorarlberg. Der jüngste der vier Enkel Erzherzog Johanns, Albrecht Meran (1874–1928), war ursprünglich ebenfalls Militär, studierte dann jedoch Theologie und wurde 1902 zum Priester geweiht und 1904 zum Kuraten der Herz-Jesu-Kirche in Grundlsee bestellt, die er bis zu seinem Tod betreute. Anna (1864–1935), die älteste Tochter des ersten Grafen Meran, wurde 1892 die Frau von Alfons Stefenelli von Prenterhof und Hohenmauer, eines Offiziers des Grazer Hausregiments IR 27 König der Belgier, und heiratete 1896 in zweiter Ehe den 1917 geadelten kaiserlichen Offizier Johann (von) Radey, dessen Vater Franz Landeshauptmannstellvertreter von Steiermark gewesen war. Ihre Nachkommen leben heute in Kanada. Ihre Schwester Marie (1865– 1933) blieb unverheiratet. Karoline (1870–1944), die jüngste Enkelin Erzherzog Johanns, wurde 1893 die Gemahlin des niederösterreichischen Adeligen Heinrich Freiherrn von Doblhoff-Dier. Dieser Zweig johanneischer Deszendenten ist heute erloschen. Noch zu seinen Lebzeiten hatte Familienchef Johann Meran die Verwaltung von Stainz seinem ältesten Sohn Franz übergeben, der seinem Vater später auch im Besitz von Schenna und Brandhof folgte. Aus der Ehe von Johann Meran und Ladislaja Lamberg stammten insgesamt zehn Kinder, vier Söhne und sechs Töchter. Zwei Söhne, Philipp und Hans, wurden von ihrer Mutter mit Teilen ihres ungarischen Besitzes ausgestattet, der nach 1945 verloren ging, darunter die für ihre Jagdreviere bekannte Herrschaft Csákbéreny, die Philipp Meran zugefallen war. Sein Sohn Philipp, der langjährige Leiter des steirischen Jagdmuseums, hat in seinen zahlreichen Büchern zum Thema Jagd den steirischen Jagdherren, Jägern und Revieren ein bleibendes Denkmal gesetzt. Ein starker Familienzweig Unter den Nachkommen Erzherzog Johanns ist jener Zweig, der von seinem gleichnamigen Enkel, dem zweiten Familienchef, herrührt, der an Mitgliedern stärkste. Seine älteste Tochter Maria Theresia wurde 1912 die Gemahlin von Karl Graf Kottulinsky auf Neudau. Beider Sohn Dipl.-Ing. Hans Kottulinsky gehörte von 1945 bis 1949 und von 1953 bis 1959 dem österreichischen Nationalrat an. Maria Anna Meran heiratete 1919 Friedrich Freiherrn Mayr von Melnhof, dem die Salzburger und oberösterreichischen Besitzungen dieser steirischen Familie zugefallen waren. Ihr Sohn Dipl.-Ing. Friedrich Mayr-Melnhof war von 1983 bis 1986 Salzburger Agrarlandesrat. Dessen Tochter Doraja Eberle ist gegenwärtig als Landesrätin Mitglied der Salzburger Landesregierung. Zu den Nachkommen von Friedrich MayrMelnhof und Marianne Meran zählen auch der deutsche Wirtschaftsminister Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und Marianne Fürstin SaynWittgenstein, die Grande Dame der Salzburger Gesellschaft. Über ihre Schwiegertochter, die Schauspielerin Sunnyi Melles, die zwischen 1990 und 1993 die Rolle der Buhlschaft im Jedermann übernommen hatte, lässt sich sogar ein Bogen von den Nachkommen Erzherzog Johanns zu den Salzburger Festspielen schlagen, so man diese Verbindung nicht über den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, den Sohn von Ladislaja Meran, ohnehin herstellen könnte. Diese war seit 1928 mit dem späteren Leiter der Kulturabteilung des Landes Steiermark Eberhard (Graf de la Fontaine und d’) Harnoncourt-Unverzagt verheiratet. Beider Sohn Franz ist heute – wie vor ihm sein Onkel Franz Meran, sein Groß- und Urgroßvater – Aufsichtsratsvorsitzender der Grazer Wechselseitigen Versicherungen und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Mit seinem Bruder, dem gedenke. Liturgiewissenschafter und Universitätsprofessor Familientreffen Philipp Harnoncourt, finden wir einen Nachkommen in den 1960er Jahren. StLA Erzherzog Johanns unter den derzeitigen Mitgliedern des Grazer Domkapitels. Der Besitz von Schenna, Stainz und dem Brandhof blieb auch unter Dr. Franz Meran (1891–1983) in der Hand des Familienchefs vereinigt. Dieser hatte als Oberleutnant am 1. Weltkrieg teilgenommen und anschließend Rechtswissenschaften studiert, ehe er die Verwaltung des Stainzer Familienbesitzes übernahm. Zwischen 1934 und 1938 war Franz Meran Mitglied des Steiermärkischen Landtages, vor 1938 zudem Präsident des steirischen Forstvereines, Obmann des Forstausschusses der Kammer für Landund Forstwirtschaft, Obmann des Zentralkomitees österreichischer Waldbesitzerverbände und Vizepräsident der österreichischen Landwirtschaftsgesellschaft. Nach 1945 fungierte er als Obmann des Verbandes steirischer Waldbesitzer, war seit 1951 Präsident und später Ehrenpräsident des Steirischen Jagdschutzvereines, Präsident der Grazer Wechselseitigen Versicherung und durch ein Vierteljahrhundert (1946–1971) Präsident des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Das Land Steiermark würdigte die Verdienste des Stainzer Schlossherrn durch die Verleihung der höchsten Landesauszeichnung, des Ehrenringes des Landes Steiermark. Franz Meran war seit 1923 mit Wilhelmine Prinzessin Auersperg verheiratet. Beider Sohn Johann (1934– 1978) übernahm 1972 von seinem Vater Stainz und den Brandhof. Die von ihm und seiner Frau, der gebürtigen Stainzerin Ingrid Messner, eingeleiteten Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen ermöglichten eine breitere Nutzung von Schloss Stainz, in dem heute das Bauernmuseum und steirische Jagdmuseum untergebracht sind. Heute ist sein älterer Sohn Franz Besitzer von Stainz und Chef des Hauses Meran, während dessen jüngerem Bruder Friedrich der Brandhof zugefallen ist. Gut Schenna in Südtirol wird heute von der ältesten Schwester des gegenwärtigen Familienchefs, Dr. Johanna Spiegelfeld-Meran, und ihrem Mann Franz Spiegelfeld verwaltet. Peter Wiesflecker Peter Wiesflecker, Aus der Geschichte der Familie Meran. In: Eleonore Steinbauer (Hg.), Stainz. Aus der Vergangenheit in die Gegenwart, Stainz 2009, 82–89. Ders., „Mein Sohn würde dadurch der erste seines Stammes und Namens werden …“. 1-2/09 steirische berichte 23 johann. „Wenn Gott mit mir, was gegen mich?“ Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit Ururenkelin Maria Cäcilia Trauttmansdorff Der Wahlspruch Erzherzog Johanns steirische Frau Trauttmansdorff, Sie befassen sich seit längeberichte rem mit dem Thema „Erzherzog Johann und sein Glaube“ – auf welche Quellen und Familienerzählungen können Sie zurückgreifen? Es gibt eigentlich sehr wenige Familienerzählungen, das beste Dokument ist der Brandhof selber – hier hat Erzherzog Johann seinen Glauben am deutlichsten dokumentiert, würde ich sagen. Vor allem mit dem Bau der Kapelle: In diesem Raum und im angrenzenden großen Saal gibt es an der Wand und an den gemalten Fenstern Spruchbänder mit Worten aus der Heiligen Schrift, die ihm offenbar Orientierung für sein Leben gegeben haben. Dass man sich an der Bibel angehalten hat, war ansonsMaria Cäcilia ten aber zu Erzherzog Johanns Zeit ganz unüblich. Trauttmansdorff Foto: Schaller-Pressler Woher hatte er diese ungewöhnliche Gestaltungsidee, Bibelsprüche auf Spruchbändern an der Wand zu verewigen? Er dürfte sie in England kennen gelernt haben, denn wie ich selbst erst kürzlich erfahren habe, ist es etwas typisch Anglikanisches, Bibelsprüche in Bauten anzubringen. Für uns Kinder waren sie so etwas wie ein stummer Religionsunterricht. Inwieweit hat Erzherzog Johann sich selbst um die Ausgestaltung seiner Hauskapelle gekümmert? rechtes Bild: Kapelle Für die Kapelle hat er vom Wiener Bildhauer Innenansicht Böhm seinen Namenspatron, Johannes den Täufer, 3 Fotos: K ellner schnitzen lassen. Vom selben Künstler stammt auch ein Vortragskreuz für eine Dankwallfahrt mit seinem ganzen Hausgesinde nach Mariazell, das heute noch bei Familienwallfahrten mitgetragen wird. Solche Zeichen zu setzen war ihm ganz wichtig. Am Hauptaltar steht – in Anlehnung an den Fischer-von-Erlach-Altar in Mariazell – ein weiteres Kreuz auf einer Weltkugel, angefertigt aus vergoldetem Gusswerker Eisen. Gusswerk hat zu dieser Zeit ein sehr bedeutendes Kunsthandwerk gehabt und schwarze Eisenkreuze produziert, die in der ganzen Gegend aufgestellt wurden; bis Weichselboden hinaus und ebenso bis weit 24 steirische berichte 1-2 /09 hinter den Seeberg. Überall sieht man sie, und interessant: Sie rosten nicht. Links in der Kapelle sehen Sie eine Muttergottes aus dem 15. Jahrhundert, die aus dem Schloss Thernberg, einem früheren Besitz des Erzherzogs, stammt. Der Tabernakel wurde nach einem Entwurf von Schnorr von Carolsfeld angefertigt. Er ist aus Zedernholz. Erzherzog Johann hat einmal im Auftrag der Regierung eine Orient-Reise unternehmen müssen und dabei auf der Rückreise den Patriarchen von Antiochien kennen gelernt. Er erzählte ihm vom Bau der Kapelle, worauf hin ihm der Patriarch das Zedernholz als Geschenk dafür mitgab. Was bedeutet diese Kapelle seinen Nachkommen? Das Beten in dieser Kapelle hat uns, also meine Generation, in der Jugend sehr stark geformt. In den großen Ferien hat es täglich Messen gegeben, denn meine Großmutter und auch noch meine Eltern haben in den Sommermonaten immer einen Priester eingeladen, der dort seinen Urlaub verbringen konnte. Es ist natürlich keiner von uns gezwungen worden, die heilige Messe zu besuchen, aber wir haben es gerne getan. Im Sommer waren von den 45 Enkeln meiner Großmutter oft bis zu 30 am Brandhof oben. Der Brandhof war auch immer von einer starken, natürlichen religiösen Atmosphäre geprägt. Unsere Großmutter hat uns immer eine halbe Stunde vor dem Mittagessen zusammengefischt und mit uns – immer vor dem Hintergrund ihres sehr starken Glaubens – religiöse Gespräche geführt; auch darüber, wie man mit verschiedenen Lebenssituationen fertig wird. Ein Tischgebet war selbstverständlich. Und Mariazell war für uns wie auch für die nächste und übernächste Generation der Ort, wo man gerne hingepilgert ist. Oft haben meine Vettern und Cousinen gesagt: So, morgen gehen wir nach Mariazell. Das war ein vier- bis viereinhalbstündiger Weg, und wir mussten früh aufstehen, dass wir rechtzeitig zur Acht-Uhr-Messe dort waren. Ist Erzherzog Johann regelmäßig gewallfahrtet? Das kann ich nicht sagen. Die Wallfahrten haben zu dieser Zeit gerade erst wieder begonnen. Unter Kaiser Josef II. waren sie ja verboten. Zu Erzherzog Johanns Zeiten hat man sich allerdings nicht mehr daran gehalten. Es gibt übrigens ein schönes Bild, wo Erzherzog Johann auf einer Wallfahrt zu sehen ist: kniend, den Gnadenort schon in der Weite erblickend. Dieses Motiv wird in Mariazell auch als Postkarte verkauft. Und wie sieht es aus mit persönlichen Glaubensaussagen Erzherzog Johanns? Man hat zu dieser Zeit nicht so viel über Religion in der Gesellschaft gesprochen – auch in meiner Kindheit war das noch nicht üblich. So wie man auch über intimere persönliche Dinge nicht ge- johann. Votivbild mit dem Brandhof. sprochen hat. Es war vielmehr eine Selbstverständlichkeit, dass man aus dem Glauben heraus gehandelt hat. Und der Glaube ist so vorgelebt worden, dass man nicht viel darüber sprechen musste. Ein Ausspruch von Erzherzog Johann ist allerdings ziemlich bekannt, den er vor dem Bau der Kapelle tätigte: „Am Hause meines Herrn will ich selbst mit Hand anlegen.“ Er hat auch tatsächlich selbst als Maurer mitgearbeitet. Außerdem hat er gesagt: „Beim Bau des Brandhofs soll die Kapelle die Mitte des Hauses ausmachen.“ Offensichtlich war es ihm sehr wichtig, dass eben der Herrgott den HauptPlatz in seinem Haus hatte – mit der Kapelle als einem Ort der Geborgenheit für eine zukünftige große Familie. Ich danke für das Gespräch. Gertraud Schaller-Pressler … darum gehe ich bald auf den Brandhof arbeiten, wie jeder andere, an dem Haus meines Gottes, an dem schönsten Teil meines Gebäudes; da arbeite ich als Maurer wie jeder andere und denke dabei an den Gott, dem ich so vieles zu danken habe, Friede, Ruhe und sie meine Th: N: [teure Nani], die er mir gab, um mich sonderbar zum Guten zu führen. Sein Wirken Erzherzog Johann v. Österreich. Zeit, Festschrift, hrsg. v. O. Pickl, Graz 1982. in seiner 1-2/09 steirische berichte 25 Dynamischer Wirtschaftspolitiker, Reformer und Motor des Fortschritts Erzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte steiermark. Dabei kam ihm sein großes Wissen zugute. Schon früh war er an Natur, Technik und Wirtschaft interessiert und hatte mit wissenschaftlicher Akribie Sammlungen angelegt. Warum waren Reformen in Österreich bitter notwendig? Eine der ersten Erzherzog Johann war ein nachhaltiger Erneuerer, Dampfmaschinen. dessen Leistungen bis heute spürbar sind. Mehrere Foto: kk Zufälle bewirkten, dass der 1782 in Florenz geborene Prinz in die Steiermark kam. Die Toskana war unter der habsburgischen Verwaltung eine hoch entwickelte Region. Hier hatte sich die Wirtschaft gut entfaltet und man war im Bank- und Manufakturwesen sehr fortschrittlich. Erzherzog Johanns Vater hatte als toskanischer Großherzog Pietro Leopoldo viele Reformen durchgeführt. Nach dem Tod seines Bruders Josef II. musste der Großherzog nach Wien, um als Kaiser Leopold II. ein schweres Erbe anzutreten. Er regierte nur kurz, 1792 starb er überraschend; doch es war ihm gelungen, die Reformen seines Bruders mit Augenmaß weiter zu führen. Erzherzog Johann war das 13. Kind von Leopold II. – damit war klar, dass er weder für die Kaiserwürde, noch für die des Großherzogs der Toskana bestimmt sein würde. Dies relativiert auch seinen formellen Thronverzicht, den er wegen seiner unstandesgemäßen Heirat erklären musste. Johann war für eine militärische Karriere vorgesehen. In der von den Wirren der Napoleonischen Kriege geprägten Periode wurde er Feldmarschall und Generaldirektor für das Genie- und Fortifikationswesen. Es gab blutige Schlachten und die nüchterne Erkenntnis, dass man Napoleons strategischen Fähigkeiten nicht gewachsen war. Auch politisch gab es für Erzherzog Johann Misserfolge: Sein Engagement für den erfolglosen Tiroler Freiheitskrieg und den „Alpenbund“ wurden vom Hof abgelehnt, und Kaiser Franz I. verbot ihm, sich in Tirol aufzuhalten. Dies bewirkte Johanns Hinwendung zur Steiermark, wo er sich – ohne offiziellen Auftrag dazu – für viele Reformen einsetzte. 26 steirische berichte 1-2 /09 Während sich in England bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Industrielle Revolution und der Liberalismus durchgesetzt hatten, war Österreich noch bis 1848 von der bevormundenden Wirtschaftspolitik des Merkantilismus geprägt. Es herrschte ein Klima der Unfreiheit, bis 1848 war die Zeit des „Vormärz“ und des Biedermeier von Repression gekennzeichnet. Das geistige Leben war von internationalen Strömungen abgeschottet, selbst Erzherzog Johann hatte Probleme mit der Zensur, wenn er sich ausländische Bücher besorgte. Staatliche Eingriffe behinderten die freie Entfaltung, dazu kamen noch die mächtigen Zünfte, die bei uns erst 1859 abgeschafft wurden. Sie beherrschten den Markt, verhinderten Konkurrenz und waren innovationsfeindlich. Aber auch die Struktur der Landwirtschaft war antiquiert; denn es gab noch bis 1848 die Grunduntertänigkeit. Hier waren fast alle europäischen Staaten fortschrittlicher. Man litt aber auch unter den Missernten von 1816 und 1817, die zu Hungersnöten führten. Dazu kamen noch die ökonomischen Probleme, welche mit den Franzosenkriegen verbunden waren. Viele Manufakturen waren zugrunde gegangen. Die für die Steiermark wichtige Eisenindustrie litt unter den durch die Kriegswirren verstopften Absatzwegen. Doch es gab auch Strukturprobleme: Die steirische Eisenindustrie war lange im Spitzenfeld Europas angesiedelt, doch durch die Industrielle Revolution geriet die Steiermark ins Hintertreffen. Die Welt stand im technologischen Umbruch, aber man hielt noch an veralteten Produktionsmethoden fest und hatte den Anschluss verpasst. Aber auch die Finanzsituation des Staates spitzte sich zu; die Lasten der Kriege und die ungünstigen Konditionen der Friedensschlüsse brachten einen Ruin der Staatsfinanzen. Im Jahr 1811 kam es sogar zum österreichischen Staatsbankrott. Mutig und kreativ gegen die Krisen Gerade in der Krise bekämpfte Erzherzog Johann den Niedergang mit mutigen Initiativen. So kann es als Lehrstück aufgefasst werden, dass er gerade im dramatischen Jahr 1811 das Joanneum als Lehrund Forschungsanstalt begründete, die später Keimzelle der Technischen Universität in Graz war. Er setzte auch Initiativen zur Schaffung der späteren Montanuniversität. 1827 war er wesentlich an der Wiedererrichtung der Grazer Universität beteiligt, die, bereits 1585 begründet, unter Josef II. zum Lyzeum abgesunken war. Johann setzte Marksteine in Richtung einer modernen Wissensgesellschaft. Es ist deutlich, dass ihm die Hebelwirkung von Forschung und Entwicklung bewusst war und er seiner Zeit vorauseilte. Heute entspräche dies den Zielsetzungen der „Lissabon-Strategie“. Er setzte sich auch für die Kunst ein. So war er Protektor des Steiermärkischen Musikvereines: Daraus ging später die Hochschule bzw. Universität für Musik und darstellende Kunst hervor. Er wusste auch um die Bedeutung moderner Interessenvertretungen und trug zu den Grundlagen für die ab 1848 nach ausländischen Vorbildern begründeten Handelskammern bei, aber auch die Vorläufer der Landwirtschaftskammer tragen seine Handschrift. Er war auch Begründer der Grazer Wechselseitigen Versicherung. Er setzte sich für die Modernisierung der Eisenerzeugung ein und wirkte selbst in Vordernberg als Radmeister. Er kümmerte sich auch um die soziale Situation der Arbeiter und setzte sich für die Bruderladen der Berg- und Hüttenarbeiter ein, die eine Vorläuferfunktion für die Sozialversicherungen hatten. Durch Industriespionage Anschluss an neue Technologien In Österreich erkannten führende Persönlichkeiten bereits vor 1800, dass es wichtig wäre, wieder den Anschluss an neue Technologien zu gewinnen und den Briten nachzueifern. Um den Rückstand aufzuholen war die Wirtschaftsspionage ein probates Mittel. Bereits 1789 gelang es dem Grafen Batthyány, in England moderne Spinnereimaschinen am Schwarzmarkt zu erwerben. Man ging ein hohes Risiko ein, als man diese nach Hamburg schmuggelte. Dort wartete ein Ochsengefährt für den langen Transport in die Oststeiermark. Dies war der Start der modernen Spinnereiindustrie in Österreich; die damals begonnene Textilfabrikation war ein Vorläufer der heutigen Firma Borckenstein. Großbritannien versuchte Exporte von Know-how zu verhindern. Es war britischen Technikern untersagt, ihr Wissen weiterzugeben, und aus Angst vor Wirtschaftsspionen gab es Besichtigungsverbote für britische Fabriken. Dennoch gelang es Erzherzog Johann 1815/16 während eines dreimonatigen Aufenthalts in England zahlreiche Industriebetriebe zu besichtigen. Der Bogen reichte von Eisenwerken, Dampfmaschinenfabriken, chemischen Fabriken, Whiskybrennereien bis zu Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise dem legendären Bridgewater-Kanal. Für sein Besichtigungsprogramm legte er sich englische Kleidung zu, um nicht als Ausländer erkennbar zu sein. Er lehnte viele Einladungen zu Hofereignissen ab, um mehr Zeit für Industriebesuche zu haben. Oft besuchte er sogar mehrere Fabriken am Tag und analysierte genau die dort angewandten Technologien. Viele der neu gewonnen Erkenntnisse setzte er in der Steiermark um. Er zählte auch zu den ersten heimischen Unternehmern, welche bereits Dampfmaschinen einsetzten. Er sandte den Techniker Peter Tunner auf eine zweijährige Studienreise zu Betrieben in ganz Europa. Es kann dies als eine staatliche Lenkung der Industriespionage betrachtet werden. Erzherzog Johann war auch ein Vorkämpfer für die Modernisierung der Infrastruktur. Seine Intervention bewirkte, dass die Trasse der Südbahn nicht über Deutsch-Südwestungarn (= heutiges Burgenland) geplant wurde. Er war ein wirksamer Lobbyist für die Steiermark. Ohne ihn wäre der Aufschwung des Mur- und Mürztales undenkbar gewesen. Dabei war man vom unbegrenzten Vertrauen in die Technik getragen, denn die Semmering-Strecke wurde von Carl Ritter von Ghega geplant, als es mit solchen Steigungen einer Gebirgsbahn noch keine Erfahrungen und keine geeigneten Lokomotiven gab. Man war zuversichtlich, dass dies bis zur Fertigstellung der Trasse gelöst sein würde – und man behielt Recht. Erzherzog Johann darf nicht zum Universalgenie verklärt werden, doch er hatte als Politiker die Gabe, die fortschrittlichsten Ideen seiner Zeit aufzugreifen und die besten Köpfe für deren Umsetzung zu gewinnen. In diesem Sinne wäre der joanneische Geist auch heute noch wichtig. steiermark. Links: Erzförderung mit Hilfe eines sog. Sackzuges. Foto: kk Erzherzog Johann von Österreich. Gemälde von Leopold Kupelwieser. Foto: kk Gerald Schöpfer 1-2/09 steirische berichte 27 steiermark. Innovation auch in turbulenten Zeiten Wirtschafts- und Innovationslandesrat Dr. Christian Buchmann im Interview mit den steirischen berichten Die Steiermark ist ein Innovations- und Wissensstandort. Diese Position will die Steiermark auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten halten und nach Kräften ausbauen. Spätestens seit Erzherzog Johann, dem „steirischen Prinzen“, beweisen die Steirerinnen und Steirer, dass „hier Innovation aus Tradition“ gelebt wird, dies gilt es gerade im Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 2009 besonders zu beachten. „Im Wirtschaftsressort des Landes wurden deshalb wesentliche Initiativen zur Unterstützung von Unternehmen und zur Dynamisierung des Wirtschaftsstandortes gesetzt“, betont der Landesrat im Interview. steirische Im Jahr 2009 feiert die Steiermark eine ihrer berichte wesentlichsten Identifikationsfiguren, Erzherzog Johann, sieht sich aber andererseits mit den realen Problemen der Wirtschaft konfrontiert. Wie geht es dem Wirtschaftsstandort Steiermark so zwischen Tradition und Krise? Die Auswirkungen der Finanzkrise sind von der Wall Street in der Main Street angekommen. Die steirischen Unternehmen spüren das nachhaltig, beinahe täglich erhalte ich die Meldung, dass wieder ein Unternehmen Mitarbeiter zur Kurzarbeit anmeldet oder im schlimmsten Fall sogar kündigen muss. Das ist bitter. Ich bin aktuell sehr viel in den Regionen, in den steirischen Bezirken, bei Betriebsbesuchen unterwegs, um Mut zu machen, und mache dabei auch viele positive Erfahrungen. So gibt es etwa 30 Unternehmen in der Steiermark, die in der nächsten Zeit bis zu zwei Millionen Euro invesInnovationslandesrat tieren möchten. Das spannt aus meiner Sicht auch Dr. Christian den Bogen zum Erzherzog: Wenn nicht gerade hier Buchmann. Foto: Frankl in der Steiermark, der grünen Mark, immer wieder Menschen beheimatet gewesen wären, die sich über alle Regeln hinweggesetzt haben und den Mut hatten, Neues zu schaffen, wären wir heute nicht das Forschungsland Nummer eins in Österreich. Die Montanuniversität in Leoben geht auf eine Initiative von Erzherzog Johann zurück. Hat er trotz der heute nicht mehr im wirtschaftlichen Ausmaß vorhandenen Bodenschätze richtig gehandelt? Er hat in jedem Fall richtig gehandelt, weil er etwas möglich gemacht hat. Er hat Rahmenbedingungen geschaffen, die von den Fachleuten perfekt genutzt worden sind. Das zeichnet den Erzherzog aus, das zeichnet aber auch jeden Politiker von heute aus. Die Montanuniversität ist seit ihrem Bestehen eine Hochburg technologischer Innovation. Im Bereich der Werkstoffe, wo die Montanuni österreichweit führend ist, ist es uns aufgrund der ausgezeichneten Leistungen von Expertenteams gelungen, eines von drei genehmigten Superkompetenzzentren nach Leoben zu holen. 28 steirische berichte 1-2 /09 Was darf man sich unter Kompetenzzentren vorstellen? Kompetenzzentren sind „Innovations-Schmieden“. Von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen finanziert, wird in Kompetenzzentren Grundlagenforschung so weit spezialisiert, dass sie durch angewandte Forschung letztlich in am Markt umsetzbare Innovationen mündet. Das Wirtschaftsressort unterstützt die Kompetenzzentren in den nächsten Jahren mit 100 Millionen Euro, auch mit der Absicht, das Thema Innovation in der Steiermark zu verbreiten. Es müssen mehr kleine und mittlere Unternehmen die Schwellenangst vor dem Thema verlieren und sich in Innovationsprozesse einklinken. Derzeit haben wir in der Steiermark 25 von 66 Kompetenzzentren in Österreich. Die Steiermark hat schon jetzt die höchste regionale Forschungs- und Entwicklungsquote, lässt sich das noch steigern? Die Steiermark konnte in Zeiten der Hochkonjunktur eine Forschungs- und Entwicklungsquote von 3,9 % erreichen, das ist die höchste regionale Quote in Österreich. Die F&E-Quote errechnet sich am Bruttoregionalprodukt, Ziel ist selbstverständlich diese Quote zu halten oder sogar wirklich an den 4 %, die wir uns in der Wirtschaftsstrategie des Landes „Innovation serienmäßig“ für 2010 als Ziel gesetzt haben, zu kratzen. Denn auch in den aktuell wirtschaftlich äußerst turbulenten Zeiten halten wir am Ziel, Innovation serienmäßig zu leben, fest. Wie bereits erwähnt, werde ich bei meinen Betriebsbesuchen laufend mit der paradoxen Situation konfrontiert, dass Unternehmen einerseits Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, andererseits aber qualifizierte Fachkräfte zum Beispiel für den Engineeringbereich suchen. Bei Magna werden seit einigen Monaten 200 Ingenieure gesucht. Was kann die Politik tun, was können Sie konkret als Wirtschaftslandesrat in der Steiermark in der aktuellen Situation tun? Um die steirischen Unternehmen auf ihrem Weg durch turbulente wirtschaftliche Zeiten zu unterstützen, wurden im Wirtschaftsressort des Landes Steiermark noch im Dezember 2008 wesentliche Maßnahmen beschlossen. Das Ziel der Wirtschaftsstrategie, die Steiermark zur Meisterin der am Markt umgesetzten Innovation zu machen, gilt gerade in diesen Zeiten, um Wertschöpfung am Standort Steiermark zu ermöglichen. Es ist aber zu erwarten, dass durch die Turbulenzen einige steirische Unternehmen zunehmend Restrukturierungsbedarf aufweisen werden, deshalb installierte das Wirtschaftsressort des Landes in Kooperation mit der Wirtschaftskammer einen „Beraterpool“, mit dem Ziel, gerade für kleinere Unternehmen mit Liquiditätsbedarf Bonitätsberatungen durchzuführen. Außerdem stehen steirischen Unternehmen vermehrt die Instrumente der Haftung und der Garantien zur Verfügung: Insgesamt 25 Millionen Euro für Haftungen und Garantien stehen für steirischen Unternehmen bereit, um ihnen aus der Kreditklemme zu helfen. Zudem ergreift die Steiermark als eines der ersten Bundesländer in Österreich die von der Europäischen Union eingeräumte Möglichkeit zur Installierung einer Dachrichtlinie „Überbrückungsmaßnahmen während der Finanz- und Wirtschaftskrise im Geltungsbereich des Bundeslandes Steiermark“. So können die Mitgliedsstaaten insbesondere zu erleichterten Bedingungen Zinsenzuschüsse, Kreditbürgschaften mit günstigeren Prämien, höhere Risikokapitalbeihilfen für KMU und direkte Zuwendungen gewähren. Nur wer schnell hilft, hilft nachhaltig – das Wirtschaftsressort des Landes Steiermark hat als erstes in Österreich umgehend die Förderungsinstrumentarien an dieser Richtlinie orientiert! auch Kreativwirtschaft, die nicht nur auf Design beschränkt ist, gilt seit meiner Verantwortung für das Wirtschaftsressort im Jahr seit 2005 verstärkte Aufmerksamkeit. steiermark. In der Steiermark entsteht jeder zweite Arbeitsplatz durch den Export. Jetzt sind exportintensive Wirtschaftszweige besonders betroffen, wie lässt sich da gegensteuern? Die Erfolge der exportorientierten Unternehmen haben der Steiermark in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung ermöglicht, 2007 beliefen sich die Exporte auf über 16 Milliarden Euro, die Steiermark hatte damit immerhin einen Österreichanteil von 14 Prozent. Ich möchte künftig die Internationalisierung der steirischen Wirtschaft weiter vorantreiben und so stark auf die Steiermark aufmerksam machen, dass Unternehmen ihre Zentralen im „Neuland Steiermark“ ansiedeln. In den nächsten Jahren sollen insbesondere know-how-intensive Unternehmen oder Unternehmensteile von internationalem Format vor Ort angesiedelt werden. Im Auge haben wir im Wirtschaftsressort sogenannte Headquarters, also Zentralen internationaler Unternehmen, und Centers of Competence, das sind die Technologie- bzw. F&E-Zentren internationaler Konzerne, um Stärkefelder der steirischen Wirtschaft zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern und falls möglich neue zu schaffen. Gerald Gölles Oben: Versuch im Grazer Kompetenzzentrum „Virtual Vehicle“. Unten: Forschung an Enzymen im Grazer Kompetenzzentrum „Angewandte Biokatalyse“. Fotos: Frankl Hat man sich in der Steiermark zu sehr auf den Exporthit „Auto“ verlassen? Ein Viertel der steirischen Wertschöpfung und rund 40.000 Arbeitsplätze hängen mit der Automobilproduktion zusammen. Die aktuelle Situation hat gezeigt, dass der Wirtschaftsstandort aufgrund seiner hohen Konzentration auf den automotiven Sektor verletzbar ist und nicht alle gesetzten Maßnahmen der 80er und 90er Jahre heute im Zeichen des Lichts stehen. „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ sagte schon der Titelheld in Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“. Dennoch: Das Arbeiten in Clustern und Netzwerken haben wir Steirer zwar nicht erfunden, aber in den vergangenen Jahren europaauffällig gelebt. Durch die starke Konzentration auf das Automobil wurden aber Wachstumschancen in anderen Bereichen unterschätzt. Diesen wachstumsintensiven Bereichen wie Humantechnologie, Umwelttechnologie oder 1-2/09 steirische berichte 29 steiermark. Der „steirische Prinz“ und seine Bauern Überlegungen abseits von Idealisierungen und Ideologisierungen Am 23. Oktober 2004 hat die Steirische Landwirtschaftskammer in einer zünftigen Feierstunde im Grazer Kongress ihr 75jähriges Bestehen gefeiert, heuer gedenkt auch sie – wer eigentlich nicht in unserem weiß-grünen Land? – ihres eigentlichen Urhebers Erzherzog Johann, der am 28. März 1819 die Gründungsversammlung einer steirischen „Landwirtschaftsgesellschaft“ präsidierte. Nicht nur agrarpolitische Insider erinnert diese eigenartige Inkonsistenz historischer Zuschreibungen an die im Mai 1999 in den Kasematten des Grazer Schlossberges groß ins zenierte Hundertjahrfeier des nach- weislich am 13. Juni 1945 gegrün- deten Steirischen Bauernbundes. Natürlich, man kann das alles wohlfeil argumentieren: 1899 hat Franz Hagenhofer den „Katholisch- conservativen Bauernverein für Mittel- und Obersteiermark“ gegründet, der in hier nicht weiter zu erörternder Weise durch Monarchie, Weltkrieg, Erste Republik und Austrofaschismus Bestand hatte und als Wurzelstock der politischen Neupositionierung der konservativ-christlichen Bauernschaft wie auch der national-liberalen LandbundNachfolger Platz in der ebenfalls neu gegründeten Volkspartei fand. Selbstverständlich lassen sich auch genügend Entwicklungslinien von der angesprochenen Landwirtschaftsgesellschaft bis zur Kammergründung 110 Jahre danach konstruieren. Und es ist halt allemal attraktiv, im gleißenden Licht einer steirischen Ikone wie Erzherzog Johann durch Feste sowie Gedenktage und -jahre Fakten zu setzen. ändert ebenfalls nichts, dass der vermeintliche Höhepunkt in Johanns Leben, die Bestellung zum deutschen Reichsverweser 1848, von der realpolitischen Bedeutung her betrachtet letztlich kaum Gewicht in der deutschen Geschichte findet. Aber: Wir sind Erzherzog Johann! Der „steirische Reformator wider Willen“, wie ihn Gerfried Sperl in seiner „knappen Geschichte eines üppigen Landes“ zu Recht bezeichnet, der „liberale“ Habsburger, dessen Liberalität wohl auch mit seinem Platz in einer der hinteren Reihen in der Hierarchie des Herrscherhauses korrespondiert, verdankt sein – sagen wir es modern – hervorragendes Image zwei im öffentlichen Diskurs nur schwer zu differenzierenden Entwicklungen. Zum einen hat er als Person die Zeichen der Zeit nicht nur erkannt, sondern dieses Erkennen in Taten auch manifest gemacht. Damit wurde Erzherzog Johann selbstredend zu einer herausragenden, aber nicht unbedingt einzigartigen Persönlichkeit der weiß-grünen Geschichte. Zum anderen aber, und das ist sein eigentliches Alleinstellungsmerkmal, haben ihn Entwicklungen der Landesgeschichte insbesondere nach 1945 zur Ikone werden lassen. Zur Erinnerung: Das große Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 1959, das in einer Generalkodifizierung des „Steirischen“ mündete, war nicht zuletzt auch die weiß-grüne Selbstversicherung, dass Begriffe wie Heimat, Boden und Bauernstand ihre braune Punzierung nicht mehr länger verdienten. Einfacher gesagt: Erzherzog Johann war und ist bis heute der unverdächtigste Steireranzugträger geblieben. Steirischer Reformator wider Willen Hans Magenschab nennt den Erzherzog Johann in seiner 2008 wiederaufgelegten Biografie im Untertitel „Bauer, Bürger, Visionär“. Das, was wir heute oft recht gedankenlos den „ländlichen Raum“ nennen, war für den Erzherzog eine Gegenwelt zur erfahrenen städtischen Realität von Intrigen und Machtkalkül. Es wird heute gerne übersehen, dass die Gründung der Landwirtschaftsgesellschaft (1819) in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Gründung des Joanneums (1811) steht. Der wissenschaftlich-pädagogischen Absicht einer Darstellung der Natur, ihrer Vielfalt und ihres Reichtums, auch im ökonomischen Sinn, ließ Die Bedeutung des „steirischen Prinzen“ für das Land ist unbestritten. Daran ändert auch nichts, dass Erzherzog Johann in die Steiermark überhaupt erst nach seinem weitgehend missglückten politischen und militärischen Engagement im Tiroler Freiheitskampf gekommen ist. Sein Bruder Kaiser Franz I. hatte ihm den Aufenthalt im Land des Andreas Hofer schlicht und einfach verboten, und die Steiermark „wäre ein Pflaster auf die Wunde, welche mir der Verlust von Tirol schlug“. Daran 30 steirische berichte 1-2 /09 Bauer – Bürger – Visionär gedenke. Johann durchaus schlüssig Instrumente zur Stärkung jener entwickeln, die diese Natur bestellten. Das „Selbstdenken“ ist dabei einer seiner Schlüsselbegriffe, der Johanns Texten ihre ungebrochene Aktualität verleiht. Sein Interesse galt weniger der Landwirtschaft insgesamt als vielmehr jenen Höfen, die sich dem Fortschritt verpflichtet fühlten, weniger einer in sich abgeschlossen lebenden Bauernschaft, sondern jenen, die als Mitgestalter einer sich neu und aus den Idealen der Aufklärung formierenden ländlichen Gesellschaft agierten. Schicksalsgemeinschaft So wie heute der steirische Landesrat Hans Seitinger, der das „Lebensressort“ der Steiermärki- schen Landesregierung leitet, hat auch Erzherzog Johann den ländlichen Raum als Schicksalsgemeinschaft aller hier Lebenden verstanden. Er war der, der die Bauern zu bilden und die großen Grundherren aus ihrem ständisch-selbstzufriedenen Dünkel herauszuholen versucht hat. Erzherzog Johann, der sein Amt stets auch als Dienst verstanden hat, wollte die „Herren vom Land“ als Dienstleister für die Allgemeinheit verstanden wissen. Das war – rückblickend betrachtet – zumindest ebenso bedeutsam wie die Vielzahl der auf ihn direkt zurückgehenden agrarischen Neuerungen, wovon eine Reihe von Musterbetrieben beredtes Zeugnis gibt. Die Schwarzenseealm (links) und der Schwarzensee (rechts) laden zum Verweilen im steirischen Kleinsölktal ein. Fotos: Giselbrecht Hans Putzer 1-2/09 steirische berichte 31 wissenschaft. kunst. kultur. „Joanneischer Geist“ und die Gegenwart Landesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder zu Besuch in steirischen Forschungseinrichtungen. Deren Gründung geht zu einem großen Teil auf den Erzherzog zurück. Foto: Fischer Steirischer Forschungsrat Der vielbeschworene „joanneische Geist“ – also die Besinnung auf das zukunftsorientierte Denken und Handeln des „steirischen Prinzen“ Erzherzog Johann – ist in der Wissenschafts- und Innovationspolitik der Steiermark nicht nur wohlklingende Leerformel, sondern in weiten Bereichen erfolgreich gelebte Realität. Die für Wissenschaft und Forschung in der Steiermärkischen Landesregierung zuständige Landesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder stellt stolz fest: „Mit einer Forschungs- und Entwicklungs-Quote von über 3,9 % ist die Steiermark seit Jahren nicht nur an der Spitze der österreichischen Bundesländer, sondern unter den Top-Regionen Europas. Wir liegen damit über dem Österreich-Schnitt von 2,46 % und haben damit auch das für 2010 von der EU proklamierte Barcelona-Ziel signifikant übertroffen. Das ist in erster Linie dem Forschergeist exzellenter steirischer WissenschafterInnen, aber vor allem auch überdurchschnittlich innovativer Unternehmen, gezielten Investitionen und der forcierten Förderung von Wissenschaft und Forschung zu danken.“ Diese Forscherpersönlichkeiten wirken zu einem großen Teil in Institutionen, deren Gründung auf den Erzherzog zurückgeht. Bekanntlich sind sowohl die Technische Universität als auch die Montanuniversität Leoben in ihren Wurzeln joanneische Gründungen, aber auch die Karl-Franzens-Universität Graz verdankt dem steirischen Prinzen die Rangerhöhung von einem Lyzeum, zu dem sie unter Kaiser Joseph II. herabgestuft worden war, zu einer Volluniversität. Und das Palais Meran in Graz, der heutige Hauptsitz der Kunstuniversität, war der letzte Grazer Wohnsitz des Erzherzogs. Die größte landeseigene Forschungsgesellschaft Österreichs wurde bewusst programmatisch „Joanneum Research“ genannt. Das Motto von Joanneum Research lautet „Innovation aus Tradition“. Auch das ist ein joanneisches Leitmotiv: Seit Erzherzog Johann hat Innovation in der Steiermark Tradition und wächst Innovation aus Tradition. 32 steirische berichte 1-2 /09 Seit 2006 wird die Steiermärkische Landesregierung durch den „Steirischen Forschungsrat“ (Forschung, Innovation und Technologie für die Zukunft) in strategischen Fragen für künftige Herausforderungen beraten und begleitet. Dieser setzt sich aus international angesehenen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zusammen. Nach 18 Monaten seiner Tätigkeit hat der Rat zunächst der Landesregierung und im Herbst 2008 der Öffentlichkeit die bisherigen Ergebnisse seiner Beratungen präsentiert. Der Rat bescheinigt der Steiermark im Österreich-Vergleich eine hervorragende Stellung bei Forschung, Innovation und Technologie, und zeigt auch sehr gute Möglichkeiten zu weiteren Verbesserungen in acht Handlungsfeldern auf. Daran werden wir uns – so EdlingerPloder – im besonderen Maße orientieren. In der Tat ist die steirische Bildungs- und Forschungslandschaft in ihrer reichen Vielgestaltigkeit und Breite beeindruckend: fünf Universitäten, zwei Fachhochschulen, zwei Pädagogische Hochschulen, Joanneum Research; die meisten Christian-DopplerLabors. Dazu kommen die meisten Kompetenzzentren Österreichs, sowohl im abgelaufenen als auch im neu gestarteten Förderprogramm: In Graz angesiedelte Institute der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zahlreiche private Forschungseinrichtungen und die überproportionale steirische Beteiligung an den EU-ForschungsRahmenprogrammen zeugen davon. Internationale Studien und Vergleiche belegen: Je höher die Forschungsquote, umso besser für Arbeitsplätze, Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität und Zukunftsaussichten. Daher bekennt sich Edlinger-Ploder zur konsequenten Fortsetzung der gezielten steirischen Förderungspolitik: „Wir wissen, dass Bildung und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung unsere entscheidenden Standortvorteile im Wettbewerb der Regionen sind. Sie sind wichtige Wege in die Zukunft. Gerade in Krisenzeiten ist der Förderung der Innovation absoluter Vorrang zu geben. Wer an Forschung und Entwicklung spart, gefährdet die Zukunft – besonders das können wir von Erzherzog Johann lernen, der in einer besonders krisenhaften Entwicklung im 19. Jahrhundert die Weichen für einen neuen Aufschwung der Steiermark stellte.“ Die Pflanzenwelt im Trockenen wissenschaft. kunst. kultur. Das Herbarium am Landesmuseum Joanneum und seine Bedeutung für die Forschung „8000 getrocknete Pflanzen in 60 großen Foliobänden“ überließ Erzherzog Johann im Jahr 1811 dem Joanneum und begründete damit das Herbarium des Landesmuseums. Schnell wuchs die Sammlung, insbesondere durch zahlreiche Schenkungen, an. Das Herbarium diente anfänglich – wie übrigens das gesamte Joanneum – vor allem der Ausbildung und Forschung, oder, wie es der Gründer selbst formulierte, „zum Behufe praktischer Studien gemeinnütziger Wissenschaften, und zur Bildung der Jugend“. Ein Herbarium ist eine Sammlung konservierter, meist gepresster und getrockneter Pflanzen, die jeweils auf einem Papierbogen aufgeklebt sind. Ein Etikett mit der Information von wem, wann und wo die jeweilige Pflanze gesammelt wurde, macht aus der getrockneten Pflanze einen Herbarbeleg, ein für die Wissenschaft wertvolles Dokument. Bei entsprechender Aufbewahrung und sorgsamem Umgang sind Herbarbelege unbegrenzt haltbar. Im Laufe der Zeit wuchs das Herbarium durch Ankäufe, die Sammeltätigkeit von angestellten Botanikerinnen und Botanikern sowie durch zahlreiche Schenkungen von seiner Gründung bis heute auf rund 500.000 Belege an. Und es wächst weiter – noch immer hauptsächlich im Rahmen von Schenkungen. Beispielhaft seien hier etwa die mit 80.000 Belegen von Moosen besonders umfangreichen Sammlungen von Johann Breidler und Julius Glowacki genannt. Anfänglich wurden Pflanzen zu Lehr- und Lernzwecken getrocknet und gepresst. Dank dieser Technik konnten Schüler die Merkmale einer Pflanze im direkten Vergleich zu ähnlichen Arten studieren, und Lehrer verfügten – unabhängig von der Jahreszeit – über Anschauungsmaterial für den Unterricht. Herbarbelege, insbesondere solche von Pflanzen aus fernen Ländern, dienten (und dienen immer noch) als Vorlagen für botanische Illustrationen in wissenschaftlichen Werken. Ein unverzichtbares Werkzeug Obwohl naturkundlichen Sammlungen allgemein und Herbarien im Besonderen oft ein verstaubtes Image anhaftet, ist für jene Teildisziplinen der Botanik, die sich im weitesten Sinne mit Biodiversität, also mit der Artenvielfalt, beschäftigen, das Herbarium ein unverzichtbares Werkzeug. Botaniker aus anderen Fachbereichen greifen in ihrer Forschung, wenn auch in geringerem Ausmaß, ebenfalls auf Herbarbelege zurück. Das pflanzliche Material selbst ist zwar getrocknet und gepresst, aber viele Merkmale der Pflanze bleiben erhalten oder rekonstruierbar. Die Form von Blättern, die Anzahl der Blütenblätter, ob und wie der Stängel behaart ist – all das und noch Vieles mehr kann man auch an getrockneten Pflanzen analysieren; sogar DNA-Analysen von Herbarmaterial sind heute möglich. Damit lässt sich z. B. die evolutionäre Entwicklung bzw. die verwandtschaftliche Beziehung von Pflanzen oder gar die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Pflanzenpopulationen erforschen. Die rasant fortschreitende Entwicklung der Molekularbiologie verspricht für die Zukunft weitere spektakuläre Möglichkeiten. Ein Herbarbeleg ist ein Dokument, welches das Vorkommen der gesammelten Art am Fundort zum Sammelzeitpunkt nachweist. Stehen für eine Untersuchung viele Herbarbelege einer Art zur Verfügung, so lassen sich mit dieser örtlichen und zeitlichen Verankerung von Herbarbelegen Verbreitungskarten erstellen; ebenso können zeitliche Entwicklungen wie die Ausbreitung rekonstruiert oder – in letzter Zeit viel häufiger – das Zurückgehen oder Aussterben von Arten dokumentiert werden. Das Herbarium ist dem Botaniker, was das Archiv dem Historiker ist. Ein Herbarbeleg – und sei er noch so alt – kann immer wieder von Neuem untersucht werden, und das vor dem Hintergrund des gerade aktuellen Wissens und mit den jeweils modernsten Methoden. Aber: Jede Forschungsaktivität in einem Herbarium beruht auf der Sammlungstätigkeit der Vorfahren. Daraus ergibt sich für uns die moralische Verpflichtung gegenüber den nächsten Generationen, mit heutigen Aufsammlungen den Grundstock für zukünftige Untersuchungen zu legen. „Carex firma. Steifes Riedgras. Gesammelt auf dem Pfitschjoch und dem Zemergebirge im Julius 1802.“ Einer der rund 8000 ersten Herbarbelege des Joanneums. Foto: L andesmuseum Joanneum Kurt Zernig 1-2/09 steirische berichte 33 Erzherzog Johann und die Eisenstraße Freund des Berg- und Hüttenwesens, Urgründer der Montanuniversität wissenschaft. kunst. kultur. Schon in Kindheit und Jugend zeigte Erzherzog Johann ausgeprägtes Interesse an der Natur und ihren Erscheinungen in Gesteinen, Flora und Fauna. Seine umfangreichen Sammlungen bildeten 1811 den Grundstock für das Joanneum, das einerseits der musealen Präsentation dienen, andererseits aber als Lehranstalt Bildung und Wissenschaft vermitteln sollte. Wichtige Innovationen des Erzherzogs und seiner Berater auf dem Gebiet des Berg- und Hüttenwesens wirken bis heute nach. Die Englandreise 1815/16 Nach dem Wiener Kongress 1815 reiste Erzherzog Johann als Vertreter des Kaisers mit seinem Bruder Ludwig nach England, wo sich sein besonderes Interesse dem Berg- und Hüttenwesen, vor allem dem Eisenhüttenwesen, zuzuwenden begann, denn England galt damals als führend in der Technik. Der Erzherzog besuchte dort auch die modernen Berg- und Hüttenbetriebe, so den berühmten Eisenbezirk um Ironbridge/Telford, worüber er in seinem Reise-Tagebuch ausführlich berichtet. Wurzbach schreibt darüber: „Sie besuchten nun die wichtigsten Fabriksstädte und in denselben die großartigen Manufacturanstalten, Maschinenwerkstätten, Eisenund Stahlwaaren-Fabriken, Spinnereien, Webereien u. dgl. m. … Seine Reise nach England hatte nachhaltige Folgen für die Steiermark. Er nahm überall Muster der Erzeugnisse, Pläne, Zeichnungen und Modelle, welche er bei seinem Eintreffen in Gratz (15. Mai 1816) in den Räumen des Joanneums zur Hauptansicht des Einsicht und Benützung niederlegte …“ Neubaus der k. k. Montanistischen Hochschule Leoben, vollendet 1910, Architekturzeichnung 1906. Foto: Original in der Universitätsbibliothek, Kopie aus Gahleitner 1990 34 Vom Joanneum zur Montanuniversität Auf dieser Reise hatte den Erzherzog auch der gebürtige Grazer Alois von Widmanstetten begleitet, letzter Vertreter der Grazer Druckereidynastie, der durch die Entdeckung der Struktur in Eisen- steirische berichte 1-2 /09 meteoriten 1808 noch heute weltweit jedem Eisenmetallographen ein Begriff ist. Auf ihn gehen die frühesten Anschliffe an Gusseisen, u. a. aus Vordernberg, zurück. Johann hatte ihn auch als Fachmann auf dem Gebiet des Eisenwesens in England zum ersten Professor für Eisenhüttenkunde in Graz vorgeschlagen, doch Widmannstetten winkte aus Altersgründen ab. Wohl auf Anregung Johanns brachten die Kuratoren des Joanneums das Problem der Lehre des Bergbaues und der Hüttenkunde 1828 wieder aufs Tapet, und Kaiser Franz antwortete mit der Aufforderung, die Erfordernisse zu präzisieren; dem folgten die Kuratoren unter dem Abt von Rein, Ludwig, mit einem ausführlichen Gutachten. Es dauerte noch bis 1836, bis feststand, dass die geplante Lehranstalt in Vordernberg, im Mittelpunkt des Eisenwesens der Steiermark und nicht in Graz am Joanneum, eingerichtet werden konnte. Erzherzog Johann in Vordernberg Nach Verhandlungen mit dem Grundbesitzer in Vordernberg, Josef Fürsten von Schwarzenberg, konnte 1837 mit dem Bau der „steiermärkischständischen Lehranstalt in Vordernberg“ begonnen werden, die feierlich 1840 eröffnet wurde. Daneben hatte der erste Professor Peter Tunner, der auf Vorschlag von Erzherzog Johann vom Schwarzenbergischen Hammer in Katsch bei Murau an diese Stelle berufen worden war, auch Vorschläge zur Einrichtung der „Lehrfrischhütte“, ein „Zerrennfeuer mit Hammerschlag“, auf den Gründen der Handlschen Schmiede unterbreitet, die Zustimmung der Stände erreicht, 1840 die Pläne vorgelegt und 1842 den Lehrbetrieb aufgenommen. Johanns Braut Anna Plochl hatte ihm schon seit 1823 in Vordernberg im Gewerkenhaus des Radwerkes II, das einst dem Gewerken Stampfer und seiner „Stampferin“ (jener mit dem „Hausbüchl“) gehörte, den Haushalt geführt, während sich Johann persönlich um die Entwicklung des Vordernberger Eisenwesens kümmerte – durch Modernisierung seines Radwerkes II und durch Bemühungen, die altehrwürdige „Radmeisterkommunität“ wieder zu beleben. Die Zusammenfassung der Abbautätigkeit am Vordernberger Erzberg (oberhalb der „Ebenhöhe“), die Organisation des Erztransportes und die Errichtung der Erzförderbahn durch Johann Dulnigg zwischen 1835 und 1845 waren ebenso ihm zu verdanken. Erhebung zur k. k. Bergakademie anderen universitären Einrichtungen weitgehend gleichgestellt und erhielt mit der Aufwertung zur k. k. Montanistischen Hochschule 1904 das Promotionsrecht. Sie wurde 1975 im Zuge einer Universitätsreform zur „Montanuniversität“ umgetauft. Peter Tunner, der erste Professor der Montanlehranstalt Erzherzog Johann als Gründer Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Eisenwesens in Mitteleuropa waren die Bildungsreisen des Peter Ritter von Tunner; dieser war am 10. Mai 1809, heuer vor 200 Jahren, in (Deutsch-) Feistritz nahe Graz geboren und starb am 8. Juni 1897 in Leoben. Aus einer Familie stammend, die schon über Generationen mit dem Eisenwesen verbunden war, entdeckte ihn Erzherzog Johann 1834 als bereits anerkannten Hüttenmeister in Katsch bei Murau. Auf Vorschlag des Erzherzogs wurde er 1835 als Professor für Bergbau und Hüttenkunde vereidigt. Mit diesem Titel reiste er nun, wie zwanzig Jahre früher Erzherzog Johann, durch die wichtigsten Industriegebiete Europas, um sich die grundlegenden Kenntnisse zur Förderung des alpinen Eisenwesens zu erarbeiten. Nach dem Beginn der „Kurse“ in Vordernberg 1840 war er lange der alleinige Lehrer an der „steiermärkisch-ständischen Montanlehranstalt“, deren Gründung mit den Ständen der Steiermark eng verbunden blieb, bis 1848/49 durch den Zuzug der deutschsprachigen Studenten aus dem magyarisierten Schemnitz (ungar. Selmecbanya, slowakisch Banska Stiavnica) der Eisenmarkt zu klein wurde. Die Stadt Leoben bot das „Neue Seminargebäude“ an, das bis zur Errichtung des heutigen „PeterTunner-Gebäudes“ (1883/85) Sitz der Lehrtätigkeit der nunmehrigen „k. k. Montanlehranstalt“ wurde; Tunner blieb lange im alten Gebäude, in dem auch der erste Professor für Hüttenkunde, Franz Sprung, wohnte. Damals begann auch Albert Miller (von Hauenfels) seine Lehrtätigkeit für Bergbaukunde. Tunner unterrichtete bis 1866 Eisenhüttenkunde und blieb bis 1874 Direktor der Montanlehranstalt. Er war bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätig und als Eisenhüttenfachmann weltweit anerkannt. Die k. k. Montanlehranstalt wurde 1861 mit der wissenschaft. kunst. kultur. Aber Erzherzog Johann war umfassend aktiv, man könnte ihn heute als „Workaholic“ für die Steiermark bezeichnen: Neben den wissenschaftlichen und industriellen Interessen förderte er auch die Landwirtschaft, ähnlich wie es schon sein Vater Leopold und sein Bruder Ferdinand in der Toskana taten, er kümmerte sich um ein modernes Geldwesen und um soziale Einrichtungen für die Bevölkerung unseres Landes. Der Bau der Eisenbahnen in der Steiermark, vor allem der Semmeringbahn, ist seiner Initiative zu verdanken, da er die Umfahrung der Obersteiermark durch eine Trasse im ebenen Osten fürchtete. 1844 wird die Strecke Mürzzuschlag–Graz eröffnet, 1854 die Bahn über den Semmering, die für die Eisenindustrie der MürzMur-Furche von besonderer Bedeutung war und ist. Seine Funktion als „General-Geniedirektor“ der kaiserlichen Armee war dafür sehr hilfreich. Die Eisenindustrie Vordernbergs ging mit der Gründung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft 1881 allmählich an die ÖAMG. Das heutige „voest– alpine“-Werk Donawitz ist der lebende Nachfolger der Vordernberger Eisenindustrie, die der Erzherzog einst zu neuem Schwung brachte. Die Radwerke Vordernbergs, Hochöfen des 19. Jahrhunderts, sind mit dem Radwerk IV, dem Ofenstock des Radwerkes X und anderen Denkmälern des Eisenwesens, wie den zahlreichen historischen Gewerkenhäusern, so das Meranhaus (zum Radwerk II), noch heute Attraktion für die Technikgeschichte Mitteleuropas und ein wichtiges Standbein für den Kulturtourismus an der „Steirischen Eisenstraße“. Gerhard Sperl Literatur: Anton Schlossar, Auszugweise Abschrift der „Denkwürdigkeiten“, Lebensbericht Erzherzog Johanns. Diese Schrift befindet sich jetzt im Besitze des Heimatmuseums Aussee. Alfred Gahleitner, Baugeschichte der Montanuniversität, in: 150 Jahre Montanuniversität Leoben 1840–1990, hrsg. v. Friedwin Sturm, Graz 1990. Hans Jörg Köstler, „Dem großen Meister und Lehrer“. Das Denkmal für Peter Ritter von Tunner (1809–1897) in Leoben, Leoben 2008. Gerhard Sperl, Erzherzog Johann in England; in: Katalog der Ausstellungen in Vordernberg 1982, S. 60–67. Gerhard Sperl, Die Metallographie des Alois Beckh von Widmanstätten (1754–1849); Vortrag und Abstract der 42. internationalen Materialographie-Tagung in Jena am 18. September 2008; Publikation in BHM 2009 in Vorbereitung. Viktor Theiss, Leben und Wirken Erzherzog Johanns, 2 Bände, Graz 1960–69. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthumes Österreich, Wien 1856–1891. Bild: Kaiser Ferdinand besucht 1841 Erzherzog Johann und seine Familie in Vordernberg im Gewerkenhaus zum Radwerk IV (Meranhaus). Ausschnitt eines Bildes im Privatbesitz. Foto: Sperl 1-2/09 steirische berichte 35 wissenschaft. kunst. kultur. Tunnelbau auf Österreichisch TU Graz und Montanuniversität Leoben starten gemeinsamen Lehrgang Ob Sie mit der U-Bahn in Wien, London, Washington oder São Paolo unterwegs sind, Sie fahren durch einen Tunnel, der mit Hilfe der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode errichtet wurde, im internationalen Sprachgebrauch als NATM – New Austrian Tunneling Method – bekannt. Es könnte auch ein Eisenbahn-, Kraftwerks- oder Autobahntunnel sein. Oder der in Bau befindliche Gotthard-Tunnel in der Schweiz, der mit 57 Kilometer Länge der längste Tunnel der Welt sein wird. Oder der zweiröhrige Koralmtunnel zwischen Graz und Klagenfurt, der mit seiner beachtlichen Länge von 32,8 Kilometer voraussichtlich 2017 fertig sein wird, als Teil der adriatisch-baltischen Achse von Venedig nach Gdansk in Polen. Etwa 50 Prozent aller Tunnel weltweit werden „auf österreichische Art“ erbaut. Pionier aus St. Kunigund Neu ist relativ. Einer der Pioniere war Ladislaus von Rabcewicz, der, 1893 in St. Kunigund bei Marburg geboren, in Graz und Wien Bauingenieurswesen studierte. Er war beim Eisenbahnbau in Java und in der Türkei tätig, beim Kraftwerksbau in Reutte in Tirol, anschließend im Iran, wo er es zum Chef der Bahnerhaltung der Persischen Staatseisenbahnen brachte. Die Kluft zwischen Theorie und Praxis ließ ihn den Kontakt zur Technischen Hochschule Wien suchen, an der er dann, während des Zweiten Weltkrieges, Ordentlicher Professor war. Von 1956 bis 1958 setzte er als UNO-Berater in Venezuela seine Forschungserkenntnisse bei Autobahn- und Eisenbahntunneln konsequent um. Das waren die ersten Tunnel nach der neuen Bauweise. Ab 1958 wirkte er weltweit als freischaffender Ziviltechniker. Mit den Salzburgern Leopold Müller und Franz Pacher verhalf er der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode zu ihrem heute anerkannten Baustandard. Sicher und kostengünstig Jeder beliebige Tunnelquerschnitt kann mit dieser Methode ausgebrochen, „vorgetrieben“, werden und wird sofort durch Spritzbeton gesichert. Mitte 1950 war die Technologie des Spritzbetons so weit entwickelt, dass er für diese Bauvorhaben geeignet war. Weder Verschalungen noch riesige Tunnelbohrmaschinen waren mehr notwendig. Mit dem Bau sind immer Verformungen des Gebirges verbunden, die ständig messtechnisch überprüft werden. Danach richtet sich der Einsatz von Stützmitteln, wobei der Baugrund mitgenutzt wird, um den Hohlraum zu stabilisieren. Sicherheit und Wirtschaftlichkeit machen den großen Erfolg dieser Methode aus. Dipl.-Ing. Dr. mont. Wulf Schubert leitet an der TU Graz das Institut für Felsmechanik und Tunnelbau, innerhalb der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften. Die Forschungen befassen sich überwiegend mit Tunnelbau im schlechten Gebirge, in schlechten, 36 steirische berichte 1-2 /09 gestörten Materialien. Ein Labor für Gesteinsprüfungen ist im Institut integriert. Die Planung eines Tunnelbaus muss alle eventuellen Möglichkeiten abdecken, ein Geologe steht zu Beobachtungen und Messungen auf jeder Baustelle bereit. Bei der Auswertung der Messdaten und ihrer Interpretation ist das Grazer Institut weltweit Marktführer. Das erzählt Professor Schubert eher nebenbei, als wäre es für ihn und sein Institut selbstverständlich, international gehört zu werden. Er, der unter anderem vier Jahre beim U-Bahnbau in Seoul in Korea leitend mitgewirkt hat, bringt seine reichen praktischen Erfahrungen in Forschung und Lehre ein und setzt seine wissenschaftlichen Erkenntnisse wieder bei der Betreuung von Baustellen um. Diese Wechselwirkung hätte sein Großvater Ladislaus von Rabcewicz gutgeheißen. Lehrgang zum „NATM-Engineer“ Durch den großen Erfolg der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode ist ein gravierender Mangel an hoch qualifizierten Tunnelbauingenieuren entstanden. Die TU Graz und die Montanuniversität Leoben bilden nun gemeinsam in einem postgradualen Lehrgang Experten zum „NATM-Engineer“ aus. Ingenieure mit bau- oder bergbautechnischer Ausbildung, Geotechniker oder Ingenieurgeologen erhalten berufsbegleitend in vier Semestern – ab September 2009 – eine zusätzliche Spezialisierung in Tunnelbau. Für drei Wochen pro Semester kommen die Teilnehmer nach Graz oder Leoben, Englisch ist Unterrichtssprache. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten funktioniert ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Dr. mont. Robert Galler leitet das Partnerinstitut „Subsurface Engineering“, das früher Geomechanik, Tunnelbau und konstruktiver Tiefbau geheißen hat. Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt im Langzeitverhalten von Geomaterialien, wobei es um Prognosen über einen Zeitraum von rund hundert Jahren geht. Die Nachfrage nach Absolventen dieses Lehrgangs gedenke. wird enorm sein, sie werden sich ihre Stellen aussuchen können. Auf- oder Ausbau von Infrastruktur in exotischen Regionen für Abenteurer, U-Bahnbau in den großen Metropolen für Weltenbummler, Kraftwerksbau für Naturverbundene und für Vielseitige: ein Projekt nach dem anderen … Übrigens: Frauen Nicht nur bei den Wiener Philharmonikern, auch im Berg- und Tunnelbau war die Zulassung von Frauen ein heiß diskutiertes Thema, das seine Brisanz verloren hat. Derzeit studieren an der TU Graz etwa 15 Prozent Frauen Bauingenieurwesen, Tendenz leicht steigend, an der Montanuniversität sind es geringfügig weniger. Durch die sich ständig weiter entwickelnde Computertechnologie werden viele Baustellen nicht mehr vor Ort betreut, Messdatenauswertung und Planung sind in einem Büro, in einem Institut möglich, durchaus auch in leitender Position. Kooperationen mit Shanghai, Singapur und Kuala Lumpur In China sind in den nächsten Jahrzehnten tausende Kilometer Tunnel zu bauen. Das Institut für Felsmechanik und Tunnelbau hält schon jahrelang Kontakt zur Tongji University in Shanghai. Diese renommierte Universität soll nach chinesischer Planung zu den 33 weltbekannten Universitäten aufgebaut werden. Keine schlechte Ausgangsposition für die Grazer. Der Stadtstaat Singapur nimmt mit über vier Millionen Einwohnern den größten Teil einer Insel ein. Für eine Erweiterung der Stadt bleibt nur noch Platz in größeren Tiefen, die auf Fels anstehen. Als Experten wurden bereits zwei Mal Prof. Schubert und der Geologe Prof. Kurt Klima, ebenfalls von der TU Graz, nach Singapur geholt, die dritte Auflage eines einwöchigen Kurses wird im November erfolgen. Auch in Kuala Lumpur, Malaysien, wurde bereits eine Einführung in den Tunnelbau abgehalten, eine Wiederholung ist geplant. Bildung als Existenzgrundlage Sowohl die Technische Universität Graz als auch die Montanuniversität Leoben gehen auf Erzherzog Johann zurück. 1811 stiftete er seine naturkundlichen Sammlungen den steirischen Landständen zur Gründung des „Innerösterreichischen Nationalmuseums“, das ihm zu Ehren den Namen „Joanneum“ erhielt. Diese Sammlungen sollten Grundlage für eine Lehranstalt mit naturwissenschaftlichen Schwerpunkten sein, zunächst Physik, Chemie Mineralogie und Botanik. Die Absicht dahinter war eine fundierte Ausbildung für Landwirtschaft und Industrie. Nach und nach wurde der Unterricht um technische Fächer erweitert, schließlich wurde 1874 die Technische Hochschule in Graz vom Staat übernommen. Dabei wurde die Abteilung für Land- und Forstwirtschaft aufgelassen und der 1872 gegründeten Hochschule für Bodenkultur in Wien eingegliedert. 1975 wurde aus der Hochschule die Technische Universität Graz, ein Jahr darauf beschloss der Senat den Beinamen „ErzherzogJohann-Universität“. In Vordernberg wurde 1840 auf Anregung von Erzherzog Johann die „Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt“ gegründet. Bereits 1849 wurde sie als „Kaiserlich-königliche Montan-Lehranstalt“ nach Leoben verlegt und vom Staat übernommen. 1904 wurde sie zur Montanistischen Hochschule und 1975 zur Montanuniversität. Erzherzog Johann hat in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Lehranstalten, Bildungsstätten, gegründet, um die wirtschaftliche Existenz der Menschen zu sichern. Er war vermutlich einer der ersten Politiker, der Bildung in den Mittelpunkt seiner gesellschaftspolitischen Überlegungen stellte. Links: Wulf Schubert (rechts) und der Geologe Kurt Klima, beide TU Graz, bei einer Exkursion im Semmeringgebiet. Foto: kk Rechts: Eisenbahntunnel durch den Wienerwald, in Fertigstellung. Foto: Schubert Zeitgemäß. Nachahmenswert. Gertraud Hopferwieser 1-2/09 steirische berichte 37 wissenschaft. kunst. kultur. Der Brandhof wurde vom Erzherzog zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb ausgebaut und künstlerisch ausgestattet. Foto: Tributsch 38 Architektonische Spuren Zahlreiche Bauten dokumen tieren bis heute das Wirken und die breit gefächerten Interessen Erzherzog Johanns, der sich auch mit dem Bauwesen intensiv beschäftigte, besonders im Dienste der Verteidigung der habsburgischen Länder. Im Wesentlichen lassen sich die erhaltenen Gebäude des Erzherzogs in drei zweckbedingt unterschiedliche Gruppen teilen, wobei Johann fast durchwegs bereits vorhandene Anwesen oder Betriebe kaufte und diese umgestalten bzw. adaptieren ließ. Vorbildhaftes Die erste Gruppe wird von den Mustergütern und -betrieben gebildet, die vorbildhaft-didaktisch wirken, aber zum Teil auch als private Wohnsitze dienen sollten. Als bestes Beispiel kann hier wohl der Brandhof in der Gemeinde Gußwerk bei Mariazell herangezogen werden. Das 1390 erstmals erwähnte Bauerngut wurde 1818 vom Erzherzog erworben und in den folgenden Jahren zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb ausgebaut. Bis 1828 erfolgte eine großzügige Umgestaltung des Haupthauses, wobei die künstlerische Ausgestaltung in den Händen des nazarenischen Künstlers Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld (1788–1853) lag. Der lang gestreckte und blockhafte, mit Schopfwalmdach gedeckte Bau besitzt eine neugotische Kapelle, die an der östlichen Traufseite mit ihrem polygonalen Grundriss, den gliedernden Strebepfeilern und dem steilen Zeltdach auffällig in Erscheinung tritt. Auch wenn der Brandhof insgesamt zurückhaltend gestaltet ist, finden sich vor allem im Inneren sehr wohl Details, wie etwa habsburgische Wappen, die verraten, dass der Besitzer kein „gewöhnlicher“ Steirer war. Der Brandhof war aber nicht der einzige Musterhof, den Erzherzog Johann initiierte. So begründete er 1822 mit dem „Steirisch ständischen Versuchshof“ in Graz die erste landwirtschaftliche Schule der Steiermark. Sie erstreckte sich mit ihren Obst- und Weinbauanlagen von der Annenstraße bis zum Plabutsch, wobei das 1833/1834 nach Plänen des Architekten Franz Xaver Aichinger errichtete Hauptgebäude bis zum Neubau eines Möbel- bzw. Modehauses an der Ecke Annenstraße/Eggenberger Gürtel noch zum Teil erhalten war. Ebenfalls im Jahr 1822 richtete Erzherzog Johann das Weingut steirische berichte 1-2 /09 Pickern/ Pekre bei Marburg/Maribor ein, wo 1832 eine Winzerschule folgte. Die erzherzogliche Tätigkeit blieb aber nicht nur auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern das Interesse Johanns galt auch dem Bergbau und der Industrie. Aus diesem Grund erwarb er 1822 in Vordernberg das Radwerk II sowie das zugehörige Radmeisterhaus, wodurch er in die Vordernberger Radmeisterkommunität eintrat und in weiterer Folge die steirische Eisenproduktion beeinflussen konnte. 1837 folgten das Radwerk V in Vordernberg, 1848 das Blechwalzwerk Krems bei Voitsberg, das Hammerwerk Obergraden bei Voitsberg und Kohlengruben im Raum Maria Lankowitz, Pichling und Köflach. Während in Vordernberg von den Radwerken des Erzherzogs nichts mehr vorhanden ist, hat sich doch mit dem Herrenhaus zum Radwerk II, dem so genannten „Meranhaus“, ein eng mit Johann und Anna Plochl (1804–1885) verbundener Bau erhalten. Die Gemahlin des Erzherzogs wohnte hier vor ihrer Verehelichung über mehrere Jahre. Das zweigeschoßige, gedrungen wirkende Gebäude wurde 1684 nach einem Brand neu errichtet und besitzt einen straßenseitig vortretenden Turm mit Zeltdach. Die klassizistisch veränderte Fassade zeigt ein besonders bemerkenswertes Portal. Neben dem „Meranhaus“ wurde auch das so genannte „Prinzen-Amts-Haus“ 1822 vom Erzherzog als Verwaltungs- und Personalwohnhaus angekauft. Persönlicher Einsatz In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen Erzherzog Johanns steht auch die zweite Gruppe an Bauten. Es handelt sich dabei um Bauwerke, die nicht direkt vom Erzherzog, jedoch aufgrund seines persönlichen Einsatzes errichtet wurden. Johann war ständig bemüht, die Steiermark zu modernisieren, und im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung erkannte er die Bedeutung von gut ausgebauten Verkehrswegen. Er förderte daher nicht nur den Straßen- und Brückenbau, sondern setzte sich zudem bereits ab 1825 für den Bau von Eisenbahnlinien ein. Mit einer ihm unterstellten Ingenieurtruppe konnte er zum Beispiel Lösungen für die Trassierungsprobleme bei der Errichtung der Südbahn erarbeiten, so dass diese letzten Endes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, über Westungarn, sondern über den Semmering nach Triest geführt wurde. 1844 erfolgte die Aufnahme des Verkehrs zwischen Mürzzuschlag und Graz, 1854 die Betriebsaufnahme des Streckenabschnitts Gloggnitz–Mürzzuschlag, die gesamte Bahnstrecke wurde 1856 in Betrieb genommen. Auch für die erst nach seinem Tod verwirklichte Graz-KöflachBahn entwarf der Erzherzog selber Trassenskizzen und stellte Kostenüberschläge für die zugehörigen Bauten an. Zudem beeinflusst Erzherzog Johann mit den von ihm begründeten Institutionen bis heute das Bild der modernen Steiermark und das auch in architektonischer Hinsicht. Unter anderem bilden die Gebäude der Montanuniversität Leoben, der heutigen Erzherzog-Johann-Universität (Technische Universität Graz) oder des Landesmuseums Joanneum wichtige, ganze Stadtviertel prägende Körper, die immer wieder ergänzt, erneuert und weiterentwickelt werden. Als jüngstes Beispiel kann hier die Neugestaltung des Grazer „Joanneumsviertels“ zwischen Neutorgasse, Kalchberggasse und Raubergasse anlässlich der 200-Jahr-Feier des Landesmuseums 2011 dienen. Kampf um die Anerkennung Die letzte, wohl am privatesten motivierte Baugruppe wird vom Schloss Stainz und dem Palais Meran in Graz gebildet. Die Wahl dieser großen, repräsentativen Bauten als Wohnsitze liegt wohl im Kampf um die Anerkennung der Familie Johanns bei Kaiser und Adel begründet. Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Stainz war bereits um 1229 gegründet und 1785 durch Kaiser Joseph II., den Onkel Erzherzog Johanns, säkularisiert worden. Am 8. April 1840 kaufte Erzherzog Johann die barocke, im 17. Jahrhundert gestaltete Anlage, nicht nur um seiner Nachkommenschaft einen repräsentativen Wohnsitz zu bieten, sondern auch um ihre Stellung zu unterstreichen. Dem gräflichen Titel und seiner Liebe zu Tirol entsprechend erwarb Johann 1845 auch das Schloss Schenna bei Meran, wo er beigesetzt wurde. Johann ließ Schloss Stainz in den Jahren nach dem Ankauf aufwändig renovieren und setzte seine Reformgedanken auch in Stainz um, was dazu führte, dass er 1850 zum Bürgermeister der Marktgemeinde gewählt wurde. Das heute die Kunstuniversität beherbergende Palais Meran im Grazer Stadtteil St. Leonhard hat die selbe Bedeutung wie Schloss Stainz, schließlich trägt es sogar den Namen der Familie des Erzherzogs. Johann ließ es zwischen 1841 und 1843 durch Baumeister Georg Hauberrisser d. Ä. (1791– 1875) errichten. Der spätklassizistische Bau zeigt zwar zurückhaltend gestaltete, dem Zeitgeschmack entsprechende Fassaden. Die Gesamtdisposition mit dem dreigeschoßigen Mitteltrakt und zweigeschoßigen Flügelbauten macht deutlich, dass es sich hier um ein hochherrschaftliches Gebäude handelt. Zudem ist die Haupt- und Schauseite zur Stadt hin orientiert und kündet mit dem Wappen im Giebelfeld des Frontispizes vom erzherzoglichen Besitzer. In diesem Palais verstarb der Erzherzog am 11. Mai 1859, und es stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass es der einzige Wohnsitz ist, den Erzherzog Johann komplett neu errichten ließ. wissenschaft. kunst. kultur. Denkmäler im Land Insgesamt hat Erzherzog Johann von Österreich wie kaum ein anderer Habsburger vor oder nach ihm die Steiermark mitgestaltet, was sich auch in vielen Bauten ausdrückt. So verwundert es nicht, dass nach seinem Tod zahlreiche Denkmäler im Land errichtet wurden. Das aufwändigste ist der am Grazer Hauptplatz stehende und nach einem Entwurf von Franz Pönninger gestaltete ErzherzogJohann-Brunnen, der 1878 enthüllt wurde. Aber auch in Bad Aussee (im Kurpark überlebensgroße Bronzefigur von 1882), Vordernberg (Hauptplatz, Büste von Hans Zeilinger, 1982), in Laßnitzhöhe (bei der Pfarrkirche, Büste von Fred Pirker) oder in Leoben (Postpark, Büste von Erwin Huber, 1982) erinnern Ehrenmäler an den „steirischen“ Erzherzog. Martin Müller Repräsentative Bauten wie das Schloss Stainz (links) und das Palais Meran (rechts) dienten Johann als Wohnsitze und verweisen auf seine hochherrschaftliche Herkunft. Foto Schloss Stainz: L andesmuseum Joanneum, Nicolas L ackner Foto Palais Meran: Müller 1-2/09 steirische berichte 39 wissenschaft. kunst. kultur. Die Kammermaler des Erzherzogs Johann Bildnerische Dokumentaristen ihrer Zeit Seit Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte Erzherzog Johann, der Tradition der Hof- und Kammermaler folgend, eine Reihe von Künstlern, u. a. Johann Kniep, Jakob Gauermann, Karl Russ, Matthäus Loder und Thomas Ender. Seine Beweggründe waren durch neue aufklärerische Ideen geprägt. Die Kammermaler sollten im Sinne von volksbildnerischen und naturwissenschaftlichen Interessen die Landschaft der Steiermark und deren Bevölkerung möglichst wirklichkeitsgetreu erfassen, wofür der Erzherzog genaue Anleitungen vorgab. Dies war eine neue Herausforderung und Aufgabe für die akademisch geschulten Künstler. Zwischen 1801 und 1848 entstanden so zahlreiche Landschaftsbilder, meist Aquarelle, die die Stimmung des Biedermeier einfangen. So sind die Landschaften sowohl durch einen ausgeprägten Realismus in der Darstellung geprägt, als auch von einer romantischen Sehnsucht nach einem Ideal durchdrungen. Diese bildnerischen Landschaftsbeschreibungen bildeten den Kern der Kunstsammlung des 1811 gegründeten Joanneums. Zwischen Aufklärung und Romantik: Fortschrittsglaube und das „Eigene“ als Verteidigung Abdruck der drei Faksimiles mit freundlicher Genehmigung der Steiermärkischen Landesbibliothek. 40 Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Natur ins Zentrum gestellt, sie wurde zum Symbol für das Schöne und Reine. Die Sehnsucht nach einer unberührten, ursprünglichen Natur steht in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Industrialisierung, welche das 19. Jahrhundert prägte. Trotz aller Begeisterung für den Fortschritt und die steirische berichte 1-2 /09 damit verbundenen Möglichkeiten sah man auch die Nachteile dieses Prozesses: Verstädterung und Landflucht, Anonymisierung und Mechanisierung der Gesellschaft, Verlust des traditionellen sozialen Lebens. Die Natur wurde hierzu als Gegensatz stilisiert. Erzherzog Johann ist in diesem Sinne ein Mensch des Biedermeier: Obwohl er sehr fortschrittsbezogen und zukunftsgläubig war – so studierte er z. B. in London alles, was für Ökonomie und die maschinelle Entwicklung nützlich und übertragbar zu sein schien: Maschinenwerkstätten, Gusswerke, Stahlöfen, Hammerwerke etc. –, war er überzeugt, dass damit auch die Werte seiner Zeit wie Gemeinsinn, Glauben, Familie usw. verloren gingen. Sein Bestreben war daher, einerseits die Wirtschaft durch Modernisierung anzukurbeln, aber auch den Menschen durch Arbeit „menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen“. Damit verbunden war der tiefe Glaube an das „Eigene“, das es, beeinflusst vom Krieg Österreichs gegen Frankreich, zu verteidigen galt und das man in der Natur, verkörpert durch die alpine Bergwelt, gespiegelt sah. Die Entdeckung dieses „Eigenen“ sollte einen nationalen Stolz entfachen. Basis dieses Strebens waren Beschreibungen von Landschaften und Bewohnern und deren Sitten, Habitus und Kleidung. Bilder eines persönlichen Lebens Die Kammermaler hatten neben der anstrengenden Erfassung des Landes mittels Fußmärschen auch die Aufgabe, das persönliche Leben des Auftraggebers zu dokumentieren. Jener Künstler, der diesbezüglich am berühmtesten und über ein Jahrzehnt zu Johanns engstem Vertrauten wurde, war Matthäus Loder (1781–1828). 1819 traf der 37jährige Johann auf einer seiner Wanderungen beim Toplitzsee auf Anna Plochl, die Tochter des Ausseer Postmeisters, damals 15 Jahre alt, und verliebte sich in sie. Loder wurde der künstlerische Historiograph der Beziehung. Der Künstler schuf u. a. ab 1826 eine Anzahl von miniaturhaften Aquarellen, vom Künstler auf eine goldverzierte Unterlage montiert, das sogenannte Stammbuch der Anna Plochl, heute im Familienbesitz der Grafen Meran. Das Stammbuch wurde zu Annas Geburtstag begonnen und zeigt die wichtigsten Momente der Liebe zwischen Erzherzog Johann und ihr. Die Geschichte dieser Liebe wurde schon zu Lebzeiten romantisch verändert. Johann gab hierfür genaue Anweisungen, wie aus einem Brief vom 3. Jänner 1826 ersichtlich wird: ... und für dein Stammbuch nach der Aussicht von Aussee und deines väterlichen Hauses, das erste Sehen am Gössl, am Toplitzsee … ich bringe die Fortsetzung mit, es wird eine Geschichte in hübschen Bildern werden. So oft ich allen dem zurückdenke, habe ich eine innige Freude. Hoffentlich werden noch viele Bilder folgen, die ich im Kopfe habe, die mich noch weit mehr freuen werden … (zit. nach: Matthäus Loder, 1978, S. 36–37.) Acht Blätter in einer Mappe mit Faksimile-Wiedergaben im Originalformat „Aus dem Stammbuch der Anna Plochl“ befinden sich in der Steiermärkischen Landesbibliothek, das Umschlagbild stammt von einer Glückwunschkarte an Anna, datiert 1824 und vom Künstler signiert. Drei dieser Blätter werden hier kurz vorgestellt. Matthäus Loder war, wie viele Künstler seiner Zeit, tuberkulös und starb früh, 1828 in Vordernberg, wohin er mit seiner Frau gezogen war. Das dokumentarische Programm des Erzherzogs aber musste weitergehen. Er übergab Loders Skizzen und Aquarelle zur Fertigstellung dem bereits erfolgreichen Maler Thomas Ender, der sein letzter Kammermaler wurde. Ender reiste ab 1829 zwanzig Jahre umher und schuf nach einem systematischen Plan ein wichtiges Gesamtwerk österreichischer Ansichten. Einen so engen Kontakt wie Loder erreichte jedoch kein anderer Maler, auch begründet in der Tatsache, dass sich Johann immer mehr von den Wanderungen zurückzog und durch seine wirtschaftlichen Vorhaben sesshafter geworden Bettina Messner wissenschaft. kunst. kultur. war. li.: Anna und Erzherzog Johann, im Hintergrund sein Radwerk in Vordernberg. Anna ist im Vordergrund sitzend mit einer jüngeren Schwester dargestellt. Die Kleine reicht dem Erzherzog, der aufrecht im Hintergrund steht, einen Blütenkranz. Neben Anna befindet sich ein Korb mit Rosen als Sinnbild der Liebe, und mit Lilien, die für die Unschuld stehen. Hinter Anna bildet eine Ranke ein Oval, das ein J., das Monogramm des Erzherzogs, umschließt. Johann wird dargestellt auf dem Weg von der sachlichen Arbeit, seinem Radwerk im Hintergrund, zu Anna, seiner Liebe und Gefühlswelt: Nur noch eine letzte Hürde, in Form einer Holzlatte, die die Felsen überbrückt, trennt ihn von den freudig Wartenden. Johann gleicht einer Erscheinung. In dieser Zeit wurde das heute noch vorherrschende „Idealbild“ des Erzherzogs im grauen Rock geprägt. Die Szene wird zum Abbild romantischer Gefühlsstimmungen, die realistisch geschilderte Landschaft spielt hier nur eine Nebenrolle. mi.: Abschied beim Gatter ober der Traunmühle 1819 war Johanns erste Begegnung mit Anna bei einer Wanderung. Das Bild zeigt den Abschied nach der ersten gemeinsam verbrachten Zeit. Johann und Anna reichen einander die Hände, hinter Anna stehen drei Freundinnen, hinter Johann seine Begleiter. Die Szene ist eingebettet in eine realistische, klare Naturschilderung. Der wichtigste Moment, die Berührung der beiden Liebenden, wird durch natürliche Elemente, die dahinter ersichtliche Baumgruppe, optisch hervorgehoben. 1823 gestattete der Kaiser seinem erzherzoglichen Bruder, die bürgerliche Anna zu heiraten. Doch Intrigenspiele des Hofes vereitelten durch Rufschädigungen den Plan. Johann griff seinerseits zu einer List: Er stellte Anna als Haushälterin für sein Wohnhaus in Vordernberg ein. Nach sechs Jahren wurde ihm die Heirat doch noch gewährt. re.: Anna und Johann auf dem Gipfel des Erzberges Ab 20. September 1823 lebte Anna als Haushälterin beim Erzherzog. Am 1. Oktober gehen die beiden allein auf den Erzberg. Die Darstellung der beiden Gestalten auf dem überdimensionalen und steinigen Erzberg, schon auf einem Gipfel, aber noch nicht beim Gipfelkreuz, spiegeln ihre Gefühle wider: Auch wenn die ersehnte Hochzeit nicht stattfinden kann, können die Liebenden doch gemeinsam ihre Zeit verbringen. Die detaillierte Naturschilderung jedoch überragt und überdauert die menschliche Geschichte. Literatur, (in Auswahl): Walter Koschatzky, Erzherzog Johann. Die Kammermaler, Ausstellungskatalog, Galerie und Auktionshaus Hassfurther, Wien 1996. Inge Schwarz, Einleitung. Aus dem Stammbuch der Anna Plochl. Faksimile-Wiedergaben im Originalformat, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1982. 1-2/09 steirische berichte 41 wissenschaft. kunst. kultur. Erzherzog Johann und die (Volks-)Musik Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) war der einfachen Bevölkerung Zeit seines Lebens verbunden. Diese Haltung dürfte er von seinem Vater Leopold (1747–1792) übernommen haben, der meinte, für einen Regenten sei es wichtig, „sich leutselig zu verhalten, ohne Unterschied alle Leute zu grüßen, auch die Angehörigen des niederen Volkes, […] bei den Volksfesten zu erscheinen, […] den Tanzfesten“.(1) Getreu dieser „Weisung“ notierte Johann etwa am 31. August 1817: „In der Scheuer war ein Bub der schlecht leierte, da tanzten wieder andere, kurz alles war herzlich lustig. Ich sah mit Vergnügen zu, da ich diese Leute sehr gern habe.“(2) Angeregt von frühen volkskundlichen Beschreibungen wie einer ähnlichen Aktion in Frankreich ließ Johann im Jahre 1811 eine landesweite Bestandsaufnahme durchführen. Dazu wurden Fragenentwürfe an sämtliche steyermärkische Werbbezirke zum Behufe einer physikalischen Statistik dieses Landes mit etwa 90 Fragen zu den Themen Topographisch-Politisches, Physikalisch-Naturhistorisches und Medizinisches, Forstwirtschaftliches, Ökonomisches, Montanistisches sowie Kommerzielles verschickt. Im ebenfalls abgefragten Bereich Religiös-Sittliches wurde besonders auf die „Beschreibung vorzüglicher Lieblingsunterhaltungen und Vergnügungen, ländlicher Spiele und dergleichen des Volkes, mit Mitteilung der gewöhnlichsten oder jedem Ort eigenen Volksgesänge, Nationalmelodien, womöglich mit beigefügter Musik, der Tänze u. a. m[it] Angabe der üblichen musikalischen Instrumente“ Wert gelegt, wobei alles genau so niedergeschrieben werden sollte, wie es die Menschen sangen und spielten. Der vor allem naturwissenschaftlich und historisch umfassend ausgebildete, aber auch von Tanzmeistern und Musikern unterwiesene Prinz interessierte sich laut eigenen Tagebucheintragungen bereits seit 1802 für das Volkslied, seine Sammlung, Verbreitung und somit auch Bewahrung; seiner Meinung nach sollte es „nicht verloren gehen!“(3) Wertschätzung des Volkslebens Schon mit diesem ersten Sammelaufruf bezeugte der Erzherzog seine Wertschätzung des Volkslebens und initiierte zugleich eine einzigartige Dokumen- 42 steirische berichte 1-2 /09 tation der steirischen Volkskultur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Etwa 70 Einsendungen, darunter auch reine Notenhandschriften, wurden aufgrund des Aufrufs nach Graz geschickt; sie werden heute zum Großteil im Steiermärkischen Landesarchiv verwahrt. Die Sammlung umfasst an die 3.000 Titel, darunter deutsche und steyerische Tänze, Märsche und Menuette, Liebes-, Standes-, Hochzeits- und Weihnachtslieder, die zum Teil aus dem heutigen Slowenien stammen. In den 1830er Jahren war eine Publikation des Sammelgutes geplant, für die Johann Nepomuk Geiger (1805–1880) ein Titelblatt anfertigte. Zu den bedeutendsten und umfangreichsten Einsendungen zählt Johann Felix Knaffls (1769–1845) Versuch einer Statistik vom kameralischen Bezirke Fohnsdorf im Judenburger Kreise aus dem Jahr 1813.(4) Knaffl überlieferte hier unter anderem ländliche Bräuche und die damit in Zusammenhang stehende Musik, die er aber nicht nur so „verhunzt“ wiedergab, wie er sie gehört hatte, sondern auch in einem seiner Meinung nach „richtigen Sa[t]z“. Somit ist diese Handschrift ein wertvolles Dokument für die ländliche Musizierpraxis am Beginn des 19. Jahrhunderts. 1819 unterstützte Erzherzog Johann die von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter Joseph Sonnleithner (1776–1835) österreichweit durchgeführte Volksliedsammlung.(5) Zeitgleich sandte er neuerlich eine eigene „Einladung an Schullehrer und Musikfreunde“, worin es hieß: „Es sollen alle Lieder, geistlichen oder weltlichen Inhalts, als Kirchenlieder, Weihnachts-, Leichen- und Hochzeitsgesänge, Spottgedichte, Gsetzln, Gstanzeln in deutscher oder windischer Sprache mit ihrer Singweise – auch alle Tänze älterer und neuerer Zeit, Märsche, Tafelstücke u. s. w. – aufgeschrieben werden. […] Sie sollen ja nichts für zu gering oder unbedeutend oder anstößig halten, da es sich hier alles zu besitzen handelt.“(6) Dieser Sammelaufruf war nun auch mit einer „Preisverteilung“ verbunden. Im Dezember 1840 veranstaltete der Erzherzog im Rahmen einer Feier für die Landwirtschaftsgesellschaft einen „Volksmusik-Wettbewerb“, der wiederum die Bedeutung des Sammelns bewusst machen sollte. Ein Verzeichnis listet die aus vielen Teilen der Steiermark stammenden TeilnehmerInnen auf, darunter SängerInnen und MusikantInnen aus Aussee, Rottenmann, Gröbming, St. Lambrecht, Unzmarkt, Bruck, Graz, Judenburg, Stainz und dem heute zu Slowenien gehörenden Obernburg/Gornji Grad.(7) Mehr oder minder bedeutende Komponisten widmeten dem Erzherzog Stücke wie die „AlpenKlänge“ (Josef Gungl) oder die „Erzherzog Johann! Marsch-Polka“ (Theodor F. Schild), die heute allerdings weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Im Gegensatz dazu werden einige der so genannten Erzherzog-Johann-Lieder(8) – einst Zeichen seiner Beliebtheit bei den einfachen Menschen – auch heute noch gerne gesungen, allen voran das berühmte „Wo i geh und steh“. Der Text dieser „Älplerballade“ wurde 1830 vom Beamten und Mundartdichter Anton Schosser (1801–1849) in Schärding verfasst und 1849 unter dem Titel „’s Hoamweh“ in seinen Naturbildern aus dem Leben der Gebirgsbewohner abgedruckt; die Melodie dazu dürfte aus Tirol stammen. In seiner späteren Version mit dem kunstvollen Bravourjodler, der wiederum auf ein Wiener Flugblattlied zurückgehen könnte,(9) ist dieses Lied heute vielleicht sogar die heimliche steirische Landeshymne. Vielen SängerInnen sind aber auch einfachere Volkslieder wie das auf den vom Erzherzog erworbenen Brandhof am Seeberg gedichtete „Von der Steiermårk san ma außer“(10) bekannt, die oft das vom Prinzen geliebte Jagen und/oder die Natur thematisieren. Die bürgerliche Kunstmusik Erzherzog Johann bemühte sich aber auch um die damals aufstrebende bürgerliche Kunstmusik. So übernahm er 1819 das Protektorat des erst einige Jahre zuvor ins Leben gerufenen „Musikvereins von Steyermark“ und meinte dazu scherzhaft: „Wenn es nach dem Sprichworte gehet, welches sagt, wem Gott das Amt giebt, dem giebt er den Verstand, so werde ich noch ein gewaltiger Virtuos werden, und wenn nicht auf irgend einem ausgezeichneten Instrument, doch vielleicht auf der Maultrommel oder dem Hackbrettel.“(11) Womit wir wieder bei der Volksmusik gelandet wären. Eva Maria Hois (1) (2) (3) (4) (5) Zitiert nach Hans Magenschab: Erzherzog Johann. Bauer – Bürger – Visionär, Graz 2008, S. 22. Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: Der erste Tourist. Mit Erzherzog Johann durch die Steiermark, Graz 2003, S. 128. Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: Der erste Tourist, S. 128. Viktor von Geramb: Die Knaffl-Hand- schrift, eine obersteirische Volkskunde aus dem Jahre 1813 (= Quellen zur Deutschen Volkskunde 2), Berlin 1928. Vgl. Klaus Petermayr: Lieder und Tänze um 1800 im Hausruckviertel aus der Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, redigiert und ergänzt von Walter Deutsch und Eva Maria Hois (= Corpus Musicae Popularis Austriacae 18), Wien – Köln – Weimar 2006, S. 11–26. (6) (7) (8) (9) Zitiert nach Hannes Lambauer: Kommentar zum „Titelblatt zur Volksliedersammlung Erzherzog Johanns“. In: Helfried Valentinitsch (Hg.): Steiermark Archiv: Wissenschaft, Literatur und Musik, 1995 ff., STA 0350. Vgl. Viktor v. Geramb: Erzherzog Johanns Verdienste um das Volkslied. In: Das deut- sche Volkslied 18, Wien 1916, S. 120. Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. Erzherzog-Johann-Liedtraditionen vor, in, neben und nach „Wo i geh und steh“, Mürzzuschlag 1996. Gertraud Pressler: (Rez.) Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. In: Michael Weber und Thomas Hochradner (Hg.): Identität und Differenz. Beiträge zur vergleichenden und systematischen Musikwissenschaft (= Musicologica Austriaca 17), Wien 1998, S. 220–226. Titelblatt der Erzherzog-JohannSammlung von J. N. Geiger, Volkskundemuseum. (10) „Der Brandhof“ wurde bereits 1833 mit drei Strophen in einer oberbayrischen Handschrift notiert. Franz Blümel veröffentlichte eine Variante in Steirerlieder, Graz 1889, S. 13, Rudolf Schwarz und Emil Seidel publizierten ihn in Steirische Volkslieder, Graz – Wien 1981, S. 22. Im Steirischen Volksliedarchiv gibt es eine Niederschrift (um 1910) von Johann Gollob (1850–1923) aus Ingering im Bezirk Knit- telfeld (StVLA Mappe 398). (11) Zitiert nach Hannes Lambauer: Die Anfän- ge des Musikvereins für Steiermark. In: Grete Klingenstein (Hg.): Erzherzog Johann von Österreich. Beiträge zur Geschichte seiner Zeit. Katalog zur Landesausstellung 8. Mai bis 31. Oktober 1982, Schloß Stainz, Graz 1982, S. 271. 1-2/09 steirische berichte 43 wissenschaft. kunst. kultur. Die Steiermärkische Landesbibliothek Rückblick und Ausblick Außenansicht Als am 26. November 1811 die von Erzherzog der Steiermärkischen Johann am 16. Juli desselben Jahres unterfertigte Landesbibliothek. Foto: Schellnegger Stiftungsurkunde für das „Innerösterreichische Nationalmuseum“, das bald darauf nach seinem Gründer „Joanneum“ genannt werden sollte, im Rahmen eines feierlichen Aktes an die steirischen Stände im Landtag überreicht und damit der Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung der technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsstätte gelegt wurde, kamen nicht nur seine umfangreichen Sammlungen, sondern auch ein Großteil seiner privaten Bibliothek in den Besitz des Landes. So konnte noch vor Beginn der Lehrtätigkeit zu Jahresanfang 1812 die „Lese-Anstalt“ Joanneum ihren Betrieb eröffnen. Die Buchbestände, die schon in den folgenden Jahren durch zahlreiche umfangreiche Schenkungen meist adeliger Gönner, wie etwa der Grafen Egger, Brigido und Saurau, und ständige weitere Zuwendungen durch den Erzherzog selbst einen beträchtlichen Umfang annahmen, waren von Anfang an nicht nur auf die Unterstützung des Lehrbetriebes, sondern auch auf alle geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereiche ausgerichtet. Die Joanneums-Bibliothek sollte sich entsprechend den Statuten „nicht lediglich auf das unmittelbare Bedürfnis der Lehranstalt einschränken, sondern …, da sie als eine der wichtigsten Quellen der Belehrung, des Unterrichtes und der Bildung überhaupt anzusehen ist, sich auch auf andere Gegenstände erstrecken, wenn sie nur nicht gänzlich außer dem Wirkungskreis des Institutes liegen“. Betrug die Zahl der aufliegenden Journale 1812 noch 35, konnten 1844 bereits 207 Titel eingesehen werden. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass 44 steirische berichte 1-2 /09 trotz der rigorosen Zensur während der MetternichÄra 16 verbotene ausländische Zeitungen aufgelegt werden konnten. Der 1819 genehmigte „Leseverein am Joanneum“, der durch seinen hohen Mitgliedsbeitrag und durch die große Zahl seiner Mitglieder erheblich zur Popularität und zur Bestandsvermehrung beitragen konnte, festigte bis zu seiner Auflösung 1871 die Verankerung der Bibliothek im Bewusstsein der bildungsbeflissenen Kreise der Bevölkerung des Landes, so dass auch die Verselbständigung der Montanistischen Lehranstalt 1840 und der Technischen Hochschule 1864/65, die zunächst zu einer existenziellen Krise der Bibliothek geführt hatte, letztlich zur Identitätsfindung und weitreichenden Absicherung des Institutes beitrug. Der 1825/26 erfolgte Anbau an der Südseite des Lesliehofes wurde abgetragen; am 26. November 1893 konnte der nach den Plänen von August Gunolt errichtete Neubau eröffnet werden, der sich von Anfang an als zu klein und wenig zweckmäßig erwies. Zeitgemäßes Ambiente in Sicht Der 1948 unter der Direktion von Julius Franz Schütz herausgegebene Führer der Landesbibliothek vermerkt lapidar, dass das Bibliotheksgebäude „in den letzten Jahren so unzureichend geworden (ist), dass ein Neubau oder eine Erweiterung immer dringender nötig wird“. Mehr als sechzig Jahre danach steht die Steiermärkische Landesbibliothek nun vor der Realisierung dieses Projektes, das allein im Hinblick auf die Bestandszahlen jeder allfälligen Kritik trotzen kann: 1827 wies die Bibliothek 20.000 Bände auf, um 1900 etwa 145.000, 1937 etwa 300.000, und gegenwärtig sind es mehr als 700.000, gelagert im bestehenden Gebäude sowie in mehreren Außendepots. Als wissenschaftliche Bibliothek, als eine den Bedürfnissen aller Bevölkerungsschichten gerecht werdende öffentliche Bibliothek, als Behördenbibliothek und vor allem als Bewahrerin steirischen Schrifttums wird sie nach Fertigstellung des das gesamte Joannneumsviertel umfassenden Projektes endlich wieder in einem zeitgemäßen Ambiente den Erfordernissen eines modernen Bibliotheksbetriebes und dem joanneischen Bildungsauftrag gerecht werden können. Christoph H. Binder Im gemeinsamen Interesse handeln grenzenlos. Gestern wie heute Herausforderung, Chance und Bereicherung In Zeiten schrumpfender Budgets zur Förderung öffentlicher Anliegen hat die Europäische Kommission die finanziellen Mittel zur Förderung grenzüberschreitender Programme erneut erhöht. Wie sie dies seit Beginn dieser Förderprogramme tut und wie sie, wenn man dem derzeitigen Planungsstand trauen kann, das auch für die Zukunft beabsichtigt. Mit gutem Grund. Denn diese Programme zur Stärkung der bilateralen und transnationalen Zusammenarbeit sind ein Beitrag zu einem der grundlegendsten Ziele der europäischen Union. Sie sind ein Beitrag zur nachhaltigen Friedenserhaltung. Sie ermöglichen allen Beteiligten, deren interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, zu schulen und zu leben. Denn wir werden uns in Zukunft mit zwei auf den ersten Blick gegensätzlichen Trends auseinander setzen müssen. Auf der einen Seite wird die Globalisierung das Eigenkulturelle in jedem von uns ansprechen bzw. verstärken. Wir werden uns stärker mit einer Gruppe identifizieren und deren kulturelle Eigenheiten pflegen und leben. Denn dies stärkt unser Zugehörigkeitsgefühl und gibt uns Sicherheit und Gelassenheit. Auf der anderen Seite werden wir herausgefordert, uns mit Mitgliedern anderer Gruppen auseinander zu setzen und darüber hinaus mit diesen erfolgreich zusammen zu arbeiten und zu leben. Dazu müssen wir diese Herausforderung als Chance, als Bereicherung sehen. Mit interkulturellem Verständnis und entsprechender Handlungskompetenz kann uns dies gelingen. schaftlichen und sozialen Ziele nur dann erreichbar sind, wenn die Projekte im gemeinsamen Interesse und im guten Einvernehmen umgesetzt werden. Und sie lernen praktisch, dass wir an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien zwar eine durch viele Jahrhunderte hindurch gemeinsame Geschichte haben, dass aber der Blick zurück sehr unterschiedlich sein kann. Zum Teil durch kollektive Wahrnehmung und zum Teil durch individuelle Erfahrung der Geschichte. Dass wir zwei Sprachen haben, die uns trennen, dass aber gerade Slowenien sich der Bedeutung der Mehrsprachigkeit sehr bewusst ist und diese in der formalen Bildung eine große Rolle spielt. Dass die Geschäftsgepflogenheiten (wie man jemanden anredet, wie weit im Voraus Termine vereinbart werden, kommuniziert man per E-Mail oder Post usw.) zum Teil sehr unterschiedlich sind, dass man sie aber mit gutem Willen und vor allem Offenheit und Dialog überwinden kann. Und sie lernen vor allem, dass der Aufbau persönlicher Beziehungen den nachhaltigsten Erfolg und den größtmöglichen Nutzen bringt. Interkulturelle Handlungskompetenz Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Was ist nun interkulturelle Handlungskompetenz? Es ist die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturkreise erfolgreich zu kommunizieren und zu interagieren. Die Basis bildet das Kennen der eigenen Kultur und ein gesundes Maß an Selbstsicherheit und emotionaler Stabilität. Damit im Gleichgewicht sollten aber auch Kenntnisse und Erfahrungen betreffend andere Kulturen, die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen, Offenheit und Interesse für das Andere und die Bereitschaft im gemeinsamen Interesse zu handeln, stehen. Genau diese Fähigkeiten erwerben alle, die an grenzüberschreitenden Projekten arbeiten. Sie verstehen sehr bald, dass die gemeinsamen wirt- Die Programme zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Österreich und Slowenien gibt es seit mehreren Jahren. Sie haben den Menschen, die sich daran beteiligen, die Gelegenheit gegeben – und werden dies auch in Zukunft tun –, ihre Nachbarn und deren Lebensweise kennen zu lernen, sie haben zu einer schnelleren und intensiveren Öffnung der Grenze und zum Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen beigetragen. Und so kommen wir wieder zur Mission der Friedenserhaltung zurück. Menschen, die man kennt, schenkt man leichter Vertrauen. Menschen, die man kennt, schenkt man leichter Vertrauen. Foto: kk Sabina Cimerman 1-2/09 steirische berichte 45 grenzenlos. Erzherzog Johann Wein & Kulturreise Auf den Spuren des Erzherzog Johann von Stainz nach Maribor Im Erzherzog Johann Gedenkjahr 2009 bietet das Weinland Steiermark seinen Gästen eine Spurensuche. Bild links: Unterwegs mit Erzherzog Johann durch das Weinland Steiermark und Slowenien. Bild rechts: Das Haus zur alten Rebe am Lend in Maribor mit neuen Vinothek. Fotos: Erzherzog Johann Wein & Kulturreise 46 Gemeinsam mit dem Tourismusverband Maribor führt man – entlang von steilen Weingärten und durch Hopfenäcker – auf eine Reise durch die Weinbauorte und damit auch durch die Geschichte des Weinbaus in der Steiermark und in Slowenien. Wir starten in Stainz (Schloss Stainz mit Jagdmuseum und Sonderausstellung Erzherzog Johann oder Besuch bei den Traditionswinzern) im Weinbaugebiet Weststeiermark und lassen uns auf unserer Reise durch ein Stück weinbäuerliche Kultur führen. Wie damals zu Zeiten des Erzherzogs – ohne Grenzen auf der Suche nach Traditionen und besonderen Menschen. Auf der Reise Richtung Süden machen wir Halt in Kitzeck im Sausal. Im Weinbaumuseum vor Ort wird vor allem die weinbäuerliche Lebens- und Wohnkultur längst vergangener Tage anschaulich präsentiert. Ein Wein, der den Namen „Steirische Hoheit“ trägt, zeugt in Kitzeck von großer Hochachtung, zumal ja immer nur der beste Wein des Jahrganges unter Steirischer Hoheit auf den Markt kommt. Die Spurensuche führt uns weiter an die Südsteirische Weinstraße. Hopfenanbau in Leutschach, ein Weinmuseum im Schloss Gamlitz, welches viele Fragen zum Thema Erzherzog Johann und den Weinbau in der Steiermark beantworten wird, und die Erzherzog Johann Weine in Ehrenhausen sind hier unsere Stationen. Immer begleitet von bezaubernden Landschaften, ausgezeichneten Weinen und kulinarischen Besonderheiten (z. B. Gerichte aus dem Anna Plochl Kochbuch in Abels Wirtshaus). steirische berichte 1-2 /09 Kultur und Kulinarik hier und dort Über Spielfeld begeben wir uns ins Pößnitztal, wo wir zum Beispiel beim Gasthaus Siker einkehren. Das Gebäude wurde 1870 errichtet, im eigenen Museum kann man ländliche Transportmittel und bäuerliche Arbeitsgeräte besichtigen. Nun geht es weiter nach Maribor. Die Stadt ist von Weingärten umgeben wie selten eine Hauptstadt und liegt direkt an der Drau. Das Haus zur alten Rebe am Lend mit der neuen Vinothek gehört zu den „musts“ bei der Weinkulturreise. Ebenso wie ein Besuch des Regionalmuseums. Unser nächstes Ziel ist das, von Erzherzog Johann 1822 gekaufte, Gut in Meranovo, wo er ein Musterweingut errichten ließ, welches nachhaltigen Einfluss auf den steirischen Weinbau hatte. Auf dem Anwesen steht das schöne ehemalige Wohnhaus mit Weinkeller. Erzherzog Johann ist es zu verdanken, dass wir heute einerseits auf eine Vielzahl an schriftlichen Aufzeichnungen zum Thema Weinbau aus seiner Zeit zurückgreifen können, andererseits aber auch durch seine Aktivitäten wie zum Beispiel die Errichtung einer Rebschule auf eine besondere Weinbautradition zurückblicken können. Zurück in die Steiermark über Svecina – zum Beispiel um die Weinbauern Gaube, Kuster und Valdhuber zu besuchen, oder ein Abstecher nach Sveti Urban – um die Aussicht zu genießen, die auch den Erzherzog damals „Wunschlos glücklich in einem verzauberten Land“ sein ließ … www.weinkulturreise.at Claudia Pronegg-Uhl Gradec–Marburg 71,8 Kilometer oder 61 Minuten Zugfahrt: Diese Kleinigkeit trennt Graz und Maribor, und dennoch scheint die gefühlte Distanz ein Vielfaches zu betragen. Dabei bilden die beiden Städte eine der am schnellsten wachsenden Regionen an der ehemaligen Ost-West-Grenze Europas. Vorstöße, diese Distanz zu verringern, gab es in der Vergangenheit bereits zuhauf. 1987 unterzeichneten der damalige Grazer Bürgermeister Alfred Stingl und der Präsident der Bürgerversammlung von Maribor, Emil Tomazic, eine Städtepartnerschaftsurkunde mit dem Ziel, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den BürgerInnen beider Städte nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu vertiefen. Mit der 2001 gegründeten Europa-Region (Euregio) Graz-Maribor setzte man einen weiteren Schritt in der Zusammenarbeit. Entwicklungshemmnisse auf beiden Seiten sollten abgebaut, Netzwerke von Beziehungen zwischen den Gemeinden, der Wirtschaft, den BürgerInnen, Vereinen und Verbänden aufgebaut werden. Und die Technologieachse, die sich in den letzten Jahren zu einer Dachmarke für technologieorientierte Kooperationen entwickelt hat, zeigt vor allem die wirtschaftlichen Chancen auf, die eine grenzüberschreitende Verbindung mit sich bringt. Im Hinblick auf das bevorstehende Kulturhauptstadtjahr Maribor 2012 gibt es nun endlich auch auf kultureller Ebene eine neue Initiative: Mit Gradec – Marburg möchte Joanneum-Intendant Peter Pakesch in Kooperation mit dem Haus der Architektur Graz und der Umetnostna galerija Maribor unsichtbare Grenzen sprengen und die Dynamik der grenzüberschreitenden Region anhand verschiedener Diskussionen aufzeigen. Es geht vor allem darum, Erfahrungen auszutauschen und Schnittstelle, Drehscheibe und Wegbereiter für die Zusammenarbeit zwischen steirischen und slowenischen Kulturinstitutionen zu sein. Interkultureller Austausch Dass das Thema des interkulturellen Austausches auf breites Interesse stößt und viele Menschen bewegt, bewies die Auftaktveranstaltung Bürger- grenzenlos. meister über die Zukunft der Städte. In einer zum Bersten gefüllten Umetnostna galerija Maribor – der eigens für die Veranstaltungsreihe angemietete Gratis-Shuttlebus von Graz nach Maribor war binnen eines Tages ausgebucht – untermauerten die DiskutantInnen Peter Pakesch, die Leiterin der Umetnostna galerija Maribor, Breda Kolar Sluga, der Grazer Architekt Klaus Kada, sowie die Bürgermeister Siegfried Nagl und dessen Marburger Kollege Franc Kangler das Vorhaben, beide Partnerstädte „mit Dynamik in die Mitte Europas hineinzuführen“. Die Veranstaltungsreihe Gradec – Maribor jedenfalls ist ein weiterer Wegweiser auf dem Weg zu einer grenzenlosen Kulturlandschaft. Weitere Termine: 14. 04. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Universitäten/Kunstakademie Foto links: Bgm. Siegfried Nagl und dessen Marburger Kollege Franc Kangler zeigen sich erfreut bei der Auftaktveranstaltung in Maribor. Foto rechts: Breda Kolar Sluga (links), Peter Pakesch und Fabian Wallmüller (rechts) präsentieren stolz die Veranstaltungsreihe Gradec-Marburg. Fotos: Lunghammer Sujet: L andesmuseum Joanneum 12. 05. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija Maribor Twin Cities – Metropolitanregion Graz-Maribor 09. 06. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Alternative Szenen und große Institutionen 08. 09. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija Maribor Alternative Szenen und große Institutionen 13. 10. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Kulturhauptstadt 10. 11. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija Maribor Universitäten 15. 12. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Bürgermeister über die Zukunft der Städte Für alle Diskussionen, die in der Umetnostna galerija Maribor stattfinden, steht ein kostenloser Shuttlebus von Graz nach Maribor bereit. Abfahrt ist jeweils um 17:00 Uhr vor dem Kunsthaus Graz. Wir bitten um rechtzeitige Anmeldung. Kontakt: Tel.: 0316 / 8017 - 9238 1-2/09 steirische berichte 47 grenzenlos. Was geschah jenseits der steirischen Grenzen? Im folgenden Kalender soll in sehr gedrängter Form an Personen und Ereignisse jenseits der steirischen Grenzen erinnert werden, die für die Beurteilung Erzherzog Johanns, seiner Persönlichkeit und seines Wirkens von Bedeutung sind. Florenz Foto : Shutterstock 1790 In Wien stirbt Kaiser Josef II., Johanns Vater wird als Leopold II. römischdeutscher Kaiser. Der achtjährige Johann kommt an den Hof in Wien. 1792 20. Jänner 1782 Johann kommt in Florenz zur Welt. Sein Vater ist Großherzog in der Toskana, wo er als volksnaher, aufgeklärter Fürst regiert. Seine Mutter ist die spanische Infantin Maria Ludovika. Er verlebt seine frühe Kindheit im mächtigen Palazzo Pitti. 14. Juli 1789 In Paris bricht die Französische Revolution aus. Sie rüttelt an der Herrschaft der großen Fürsten. Aus Untertanen sollen freie Bürger werden. In Europa beginnt eine lange Periode von Unruhe und Krieg. 48 Johanns Vater und Mutter sterben. Sein ältester Bruder Franz wird Kaiser und ist für die Erziehung des zehnjährigen Waisenkindes zuständig. Die glückliche Zeit von Johanns Kindheit ist vorbei. 1793 Die Revolution in Paris radikalisiert sich. König Ludwig XVI. wird enthauptet. Auch die Königin Marie Antoinette, Johanns Tante, endet vor der Volksmenge unter der Guillotine. Ab den neunziger Jahren gibt es Krieg zwischen Frankreich und europäischen Koalitionen. Ein junger General steigt wie ein Meteor auf: Napoleon Bonaparte. Er stabilisiert in Paris die Revolution und führt im Namen der neuen Freiheiten Krieg gegen halb Europa. 1800 Der dynastischen Tradition entsprechend muss Johann das Kriegshandwerk lernen, das er wenig liebt. Als junger Erzherzog wird er gegen eine französische Armee in den Kampf geschickt. Seine Truppen werden in einer blutigen Schlacht bei Hohenlinden, östlich von München, geschlagen. 1804 Napoleon krönt sich in Paris zum Kaiser der Franzosen. Johanns Bruder Kaiser Franz II. begründet das österreichische Kaisertum. 1806 Franz II. legt in Wien die deutsche Kaiserkrone nieder und bleibt als Franz I. Kaiser von Österreich. Bild: Die Krönung Napoleons in Notre Dame (1804), Gemälde von Jacques-Louis David steirische berichte 1-2 /09 grenzenlos. 3 Fotos: 1809 Österreich schließt nach einem verlorenen Krieg Frieden mit Frankreich. Johann sympathisiert jedoch mit Tirol, das sich gegen die Franzosen und ihre bayrischen Vasallen, die dieses Land besetzt halten, erhebt. Johann unterstützt den Aufstand, der nach anfänglichen Erfolgen zusammenbricht und mit der Hinrichtung Andreas Hofers in Mantua endet. 1809–1814 Territorien in Kärnten, im heutigen Slowenien, in Kroatien und Italien bis nach Triest werden als Illyrische Provinzen Teil des Französischen Empire. Fünf Jahre lang grenzt die Steiermark direkt an Frankreich. 1810 Napoleon ist mehr oder weniger Herr über den Europäischen Kontinent. In Wien verbietet der Kaiser seinem Bruder Johann, das geliebte Land Tirol zu betreten, um nicht neue Schwierigkeiten mit Napoleon zu bekommen. Ein Glück für die Steiermark – Johann wendet ihr sein Interesse zu. Im Zug einer politischen Annäherung zwischen Wien und Paris heiratet Napoleon Johanns Nichte, Marie Louise von Österreich, Tochter des Kaisers. 1811 Erzherzog Johann stiftet seine Sammlungen den Steirischen Landständen. Das ist der Gründungsakt des Joanneums als einer Stätte von Wissenschaft und Forschung, die sich später in mehrere Richtungen verzweigt. Er beginnt sein Aufbauwerk in der Steiermark im Sinne von Vorbildern in Frankreich und in England. Es geht um neue Bildung, neue Technik, neue Wirtschaft. 1812 Es gibt wieder Krieg. Napoleon ist der erste europäische Politiker, der an der Illusion, Russland militärisch besiegen und erobern zu können, scheitert. Sein Stern beginnt zu sinken und geht schließlich in der Verbannung auf St. Helena unter. 1815 Fürst Metternich Der Wiener Kongress beendet ein Vierteljahrhundert von Kriegen und Konflikten in Europa. Die Dynastien können aufatmen, wenngleich die Ideen der französischen und englischen Aufklärer weiterwirken. Johann folgt diesen Visionen nicht politisch, wohl aber ist er vom neuen Ideal des Fortschritts überzeugt: „Unaufhörliches Fortschreiten ist das Ziel des Einzelnen, jedes Staatsvereins, der Menschheit.“ Jahrzehntelang leistet Johann in der Steiermark Großes als Gründer eines für seine Zeit modernen Landes. Er holt sich Informationen in weiten Reisen, besonders aus dem England der frühen Industriellen Revolution. kk sammlung wählt in Frankfurt Erzherzog Johann in Abwesenheit zum Reichsverweser, das heißt zum vorläufigen Inhaber der Zentralgewalt in der Erwartung, dass sich unter seinem Vorsitz deutsche Einheit konstituieren möge. Ein unlösbares Vorhaben angesichts der auseinanderstrebenden Interessen Preußens, anderer deutscher Fürstentümer und des Vielvölkerreiches der Habsburger, mit dem Hintergrund sozialer Spannungen zwischen Aristokratie, Bürgertum, Bauernstand und aufsteigender Arbeiterschaft. 1849 In die Steiermark heimgekehrt, wirkt Johann weiter in seinem Land und ist sich nicht zu schade, auch als gewählter Bürgermeister in Stainz für das lokale Gemeinwesen zu wirken. 11. Mai 1859 Erzherzog Johann stirbt in Graz in dem von ihm errichteten Palais Meran. Metternichs Polizei beobachtet misstrauisch Johanns Wirken. Er bleibt jedoch loyal und gehorsam gegenüber seinem kaiserlichen Bruder, später auch gegenüber seinem Großneffen, Kaiser Franz Joseph. Er ist der Katholischen Kirche verbunden. Zugleich wird sein Wirken aus zwei großen Zeitströmungen verständlich: einerseits aus der Vernunft der Aufklärung, andererseits haben seine Liebe zur Natur und seine Zuneigung zum einfachen Volk auch ihre Wurzeln in Rousseaus „Zurück zur Natur“ und in der Romantik. 1848 Wieder bricht in Paris eine Revolution aus, die auf Europa, auch auf Wien übergreift. Politische Kräfte in Deutschland hoffen nach dem Vorbild der französischen Nation auf ein einiges Deutsches Reich. Eine Nationalver- Das Mausoleum des Erzherzogs in Schenna, Südtirol 1869 Heimkehr in seine frühe Liebe Tirol. Überführung aus dem Mausoleum Graz zur Grabstätte in Schenna bei Meran. Kurt Jungwirth 1-2/09 steirische berichte 49 grenzenlos. Andreas Hofer Junge Stimmen zum „Freiheitshelden“ der Tiroler Kreidezeichnung von Placidus Altmutter (1780–1819) Foto: kk Rechts: AndreasHofer-Gedenktafel von 1909 am Goldenen Adler in Innsbruck. Foto: Jaritz Vor bald 200 Jahren, am 20. Februar 1810, starb Andreas Hofer, der Wirt am Sand aus Passeier. Er wurde auf Befehl Napoleons zum Tode verurteilt und in der Festung zu Mantua erschossen. Damit wurde ein endgültiger Schlussstrich unter die Aufstandsversuche der Tiroler gegen die napoleonisch-bayrische Fremdherrschaft gezogen. Für Jahre versank das Land in Depression und Armut. Der 14jährige Tobias aus der Mittelschule St. Leonhard in Passeier, dem Heimatort Hofers, schreibt: Wir, als Passeierer sollten ihn nicht vergessen, er ist unser Denkmal. Inspiriert durch die beginnenden offiziellen Feierlichkeiten zum 200jährigen Gedenkjahr an die Freiheitskämpfe der Tiroler widerspiegelt diese Aussage die Meinung vieler Jugendlicher. Keine andere historische Persönlichkeit im Lande ist ihnen mit seinem Namen und Aussehen so vertraut wie der Sandwirt Andre Hofer. Er war und ist der Inbegriff für die männliche Tapferkeit, die bereit ist, auch in den Tod zu gehen, aber auch für die unkritische, gottesfürchtige, loyale Ergebenheit seinem „angestammten“ Kaiserhaus Österreich gegenüber. Dieser Wert der Treue der politischen und religiösen Institutionen gegenüber ließ Hofer für die Tiroler Nation bis heute unsterblich werden. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde besonders dieser Wert herangezogen, um Hofer mit einem glorifizierenden Mythos zu umgeben, der ihn zum „wahren Tiroler“ hochstilisiert. Im Gedenken an sein schicksalhaftes Leben verfehlt er bis heute nicht seine Wirkung. Die Gefahr der Vereinnahmung durch parteipolitisches, rechtsorientiertes, populistisches Gedankengut ist heute wieder sehr groß. Besonders männliche Jugendliche auf der Suche nach verbindender Gemeinschaft erliegen ihr leicht, denn das „gemeinsame harte Schicksal“ – für welches „unser Hofer“ steht – schweißt zusammen. So zeigt sich unter den Jugendlichen ein indifferentes Bild über den Helden. Das historische Faktenwissen ist sehr oberflächlich und beschränkt sich oft auf verzerrende, unreflektierte Episoden aus Hofers Leben. Verrat Hofers Eine besondere emotionale Betroffenheit löst auch bei den Jugendlichen der Verrat Hofers durch einen „unguten“ Landsmann aus. Die Gestalt des Verräters 50 steirische berichte 1-2 /09 Franz Raffl ist historisch belegt, wurde aber in besonders moralisierender Weise in einen religiösen Kontext gebracht. Dabei war die mentale Nähe Hofers zur Jesusgestalt beabsichtigt. Die Betroffenheit über dieses verwerfliche Tun verfehlt auch heute nicht ihre erzieherische Wirkung. Die Gefahr einer unreflektierten Zuordnung zu Gut und Böse, wobei Hofer das unerreichbare und makellos Gute versinnbildlicht, ist groß. Dadurch wurden der einhaltlosen Mystifizierung keine Grenzen gesetzt. Deshalb ist es heute an der Zeit, ein objektives, historisches Bild von Hofer, seinen Mitstreitern und seiner Zeit zu vermitteln. Im Heimattal Hofers ist die Ahnung über seinen Charakter und seine Beweggründe lebendig und nachvollziehbar, weshalb es wie ein gutes Omen anmutet, dass hier die wissenschaftlichen Impulse mit der neu gestalteten Dauerausstellung „Helden& Hofer“ im Museum Passeier aufgegriffen und umgesetzt werden. Die Ausstellungseröffnung fand am 21. Februar 2009 statt. Ein objektiveres Geschichtsbild in Bezug auf das Jahr 1809 und seinen „Helden“ tut Not, um ihm nach 200 Jahren Verzerrung die ihm gebührende objektive, persönliche Erinnerung zukommen zu lassen. So kann auch bei den Jugendlichen wieder Interesse an seiner Person und seiner Zeit geweckt werden. Die 13jährige Sandra meint: Ich finde es schön, dass zum 200jährigen Jubiläum so viel von ihm geredet wird, obwohl es mich nicht so viel interessiert. Aber vergessen sollte man ihn nicht. In der Schule soll man schon etwas von ihm gelernt bekommen. Glorifizierendes Bild Das unwirkliche, glorifizierende Bild Hofers trug in den letzten Jahrzehnten in intellektuellen Kreisen und auch in der Schule dazu bei, ihn durch Verdrängen zu vergessen. Der aufdringliche Anachronismus rief nicht selten eine abweisende, peinliche Beschämung hervor. So verlor sich auch das Wissen um Hofers 41 Lebensjahre vor dem Aufstandsjahr 1809, welches ohnehin nur spärlich historisch belegbar ist. Einen wichtigen Beitrag dazu wird die vom jungen Historiker Andreas Oberhofer verfasste Biografie leisten. Damit kann allmählich auch im Geschichteunterricht ein Umdenken zu Gunsten unseres „armen Helden“ geschehen. Denn ob wir es wollen oder nicht, Hofer bleibt eine höchst politische Identifikationsfigur im Lande, die auch weiterhin zur trennenden Polarisation der Gesellschaft im dreisprachigen Südtirol oder zum gemeinschaftlichen Verständnis der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beweggründe aller Beteiligten der damaligen Zeit, wie auch heute, beitragen kann. Wissen schafft Interesse bei den Jugendlichen, und so glaubt auch Lisa: Wenn ich vielleicht mehr wüsste, einen Film gesehen oder Bücher gelesen hätte, würde mich sein Leben mehr interessieren! Hofer war 1767 am Sandhof geboren worden, verlor früh seine Mutter und den Vater, lernte leidlich lesen und schreiben und übernahm, nachdem er Anna Ladurner aus Algund geheiratet hatte, als einziger Sohn das Wirtshaus am Sand. Zuvor hatte er, wie in Bürgersfamilien in Tirol üblich, einige Jahre als Lehrjunge am italienischen Nonsberg verbracht und lernte dabei die italienische Umgangssprache und Sitten. Dieses Wissen kam Hofer als Wein- und Viehhändler, der rastlos viel im ganzen Lande unterwegs war, sehr zugute. Dieses historisch-biografische Wissen, von den Italienischlehrerinnen aufgegriffen und in den Unterricht eingebaut, blieb bei den Jugendlichen in lebendiger Erinnerung. Es widerspiegelt eine realwirtschaftliche, soziale Offenheit unseres „Helden“, welche ihm im Hinblick auf seine deutschnationale Vereinnahmung nicht zugestanden worden wäre. Es kann einen kleinen Beitrag zu einer etwas gelösteren Haltung vieler Jugendlicher im Erlernen der zweiten Landessprache leisten. Hofer, Vater von fünf Kindern, war ein leutseliger und gottesfürchtiger Mann mit einem imposanten Äußeren, der es mit seinem charismatischen Wesen verstand, seine Landsleute zu begeistern. Er bekam mit ihnen den wirtschaftlich-politischen Niedergang des Landes in der bayrischen Verwaltungszeit zu spüren. Wagemutig, und auf die Hilfe des österreichischen Kaisers vertrauend, ließ er sich von den schwärmerischen Ideen des Freiheitskampfes für sein Land Tirol begeistern. Durch den jungen Erzherzog Johann an ihn herangetragen, wurde er zu dessen politischem Instrument. Er war der führende Kopf, der die Aufstandspläne im Geheimen unter die Leute brachte, der die Tiroler Schützen als ernannter Oberkommandant in die Schlachten führte und der für zwei Monate die Landesregentschaft in der Innsbrucker Hofburg übernahm. Er war eine gute und überzeugende Wahl für das Land gewesen. Mit seinem einfachen und ehrlichen Wesen verkannte er im Herbst des Jahres 1809 nun aber die kriegspolitische Realität Europas, zumal Tirol darüber durch die österreichische Regierung in Wien lange Zeit im Unklaren gelassen wurde (Friedensschluss vom 14. Oktober in Schönbrunn). In seinem Bestreben, es allen recht machen zu wollen, ließ er sich durch radikale und starrköpfige Gruppen zu Fehlentscheidungen verleiten. Im zu späten Erkennen derselben entschied er, die gottergebene Buße für sein Tun auf sich zu nehmen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Trotz allem hoffte er bis zum Ende auf eine unwirkliche Hilfe von seinem Kaiser Franz. Zuviele Opfer grenzenlos. Andreas Hofers Erschießung am 20. Februar 1810 in Mantua in Oberitalien, nachdem er auf der Pfandleralm in Südtirol gefangen genommen worden war. Foto: kk Nachdem die letzten Kämpfe im Passeiertal blutig zu Ende gegangen waren und das Tal endgültig mit französischen Truppen besetzt wurde, floh er bis zu seiner Verhaftung am 29. Jänner 1810 auf die Pfandler Alm, nicht weit von seinem Sandhof entfernt. So hat Hofer dazu beigetragen, die Kampfhandlungen seiner Tiroler unnötig zu verlängern, wodurch die Zahl der Toten um ein Vielfaches anstieg. All zu oft wird auch heute noch diese Endphase des Aufstandsjahres als tapferer Freiheits- und Verteidigungskampf der Tiroler dargestellt und die Sinnlosigkeit jeder kriegerischen Auseinandersetzung mit dem damit verbundenen menschlichen Elend nicht wahrgenommen. Er hat für sein Land gekämpft, deswegen ist er auch so bekannt, schreibt David. Judith meint: Ich weiß nicht ganz genau, ob er es war, der das Herz-Jesu-Feuer erfunden hat, damit Gott ihm hilft, den Kampf gegen Napoleon zu gewinnen. Die Zerrbilder seiner Heldengestalt zu hinterfragen, wird die Aufgabe der Zukunft sein. Damit er zu einer identitätstiftenden Gestalt für junge Menschen werden kann und Tobias sagen kann: Ich freue mich, dass es ihn gegeben hat, damit Passeier auch einmal bekannt wird. Monika Mader Weiterführende Informationen zum Andreas-HoferGedenkjahr 1809-2009: www.museum.passeier.it, www.1809-2009.eu 1-2/09 steirische berichte 51 grenzenlos. Der Zufall machte ihn zum Prinzen der Steirer Weit über die grüne Mark hinaus weiß man um die Verdienste des Erzherzogs für sein geliebtes Steirerland, doch weniger bekannt ist der von Zufällen geprägte Weg zu dieser ungewöhnlichen Liebe. Blick über Florenz, eine Stadt am Fluss Arno, die für ihre Kunst und Kultur bekannt ist. Foto: kk Johann Baptist von Habsburg-Lothringen, besser bekannt als Erzherzog Johann von Österreich oder als „steirischer Prinz“, erblickte am 20. Jänner 1782 im Palazzo Pitti in Florenz das Licht der Welt. Sein Vater, der Großherzog Leopold von Toskana, war ein Sohn Maria Theresias. Maria Ludovica von Bourbon-Parma, seine Mutter, war die Tochter König Karls III. von Spanien, und schenkte 16 Kindern das Leben. Johann war das 13. Kind der beiden. Seinen Namen verdankte Johann dem Stadtpatron von Florenz, Johannes dem Täufer. Die Taufpaten waren ein armer Florentiner Bürger und ein Kapuzinermönch. Seine Kindheit verbrachte Johann teilweise auf den Lustschlössern der Familie in der Toskana und im Palazzo Pitti, unweit der herrlichen Boboli-Gärten. Somit stellte die Natur schon von Kindesbeinen an ein wichtiges Element im Leben des späteren Erzherzogs dar. Die Jugendjahre des Prinzen Erst im Alter von fünf Jahren erlernte Johann die deutsche Sprache, bis dahin sprach er Italienisch und Französisch. Mit sechs Jahren erhielt er von unterschiedlichen Personen Unterricht. Neben Pädagogen übernahmen auch frühere Heeresangehörige die Erziehung des Prinzen und gaben ihm Einblicke in naturwissenschaftliche und physikalische Bereiche. Mit dem Tod Kaiser Josephs II. übernahm Johanns Vater Leopold 1790 die Kaiserkrone, und die Familie musste nach Wien übersiedeln. Bald darauf starben Johanns Eltern, und der junge Erzherzog lernte die 52 steirische berichte 1-2 /09 strenge Schule seines um 14 Jahre älteren Bruders Franz kennen, der zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Er ließ seine jüngeren Geschwister unterrichten; Strenge statt Zuwendung und Liebe standen nun an der Tagesordnung. Graf Mottet, ein gebürtiger Schweizer, weckte in Erzherzog Johann die Liebe zu den Naturwissenschaften, aber auch Geschichte und Geografie waren seine Lieblingsfächer. Mit Johannes von Müller, einem Schweizer Historiker, bahnte sich eine enge Freundschaft an. Früh wurde bereits der Grundstein für die Naturverbundenheit und das Interesse am Leben der einfachen Menschen gelegt. Die aufgeklärten Ideen, die Johann aus Florenz mitgebracht hatte, hatten keinen Platz am Wiener Hof, denn seine Ausbildung war vor allem auf die militärische Ebene fixiert. Sein Bruder, Kaiser Franz, war von der französischen Revolution 1789 geschockt und versuchte, das Land durch die Wirren der Napoleonischen Kriege zu führen. Die Bevölkerung erlebte dies durch strenge Zensur und Eingriffe in das Privatleben. Mit 18 Jahren übertrug der Kaiser seinem jüngeren Bruder die Aufgaben eines Armeekommandanten. Dieser kaum gewachsen, verlor Österreich die Schlacht bei Hohenlinden in Bayern (1800). Die Schuld wurde Johann gegeben, obwohl er nur formell den Oberbefehl hatte. Der militärische Unglücksfall mündete 1801 in Johanns Ernennung zum „Generaldirekteur des österreichischen Fortifications- und Geniewesens“. In dieser Funktion konnte er das Land bereisen und Leute und Natur studieren, wonach er schon immer gestrebt hatte. Er wollte in Tirol seine Ideen, die auf dem Regierungskonzept seines Vaters aufbauten, verwirklichen. Doch wieder kam es anders, Johann unterstützte Andreas Hofer im Freiheitskampf um Tirol. In der Schlacht bei Wagram erlitt Österreich 1809 jedoch eine entscheidende Niederlage gegen Napoleon, und der Friede von Schönbrunn, samt Verlust Tirols und Übergabe des Grazer Schlossbergs an die Franzosen, wurde geschlossen. Erzherzog Johann wurde an dieser Niederlage Mitschuld gegeben, und sein Bruder verbot ihm nach der Hinrichtung Andreas Hofers im Jahr darauf, jemals wieder Tirol zu bereisen. Einmal noch wollte Johann gegen Napoleon auftreten und Österreich und die Schweiz zu einem „Alpenbund“ zusammenspannen, um gegen Napoleon zu kämp- fen. Doch sein Plan flog auf, er wurde beschuldigt, ein „Königreich Rätien“ gründen zu wollen, und daraufhin verurteilt. Nach dieser erneuten Niederlage zog er sich endgültig aus allen militärischen Angelegenheiten zurück und widmete sich fortan der Steiermark, die er aufgrund seiner zahlreichen Reisen während des Aufbaus der Landwehr kennen gelernt hatte. Bereits 1805 hatte er einen Landsitz in Thernberg in der Buckligen Welt erworben, dort konnte er nun seinen Studien nachgehen. Voller neuer Ideen für die Steiermark Ursprünglich wollte Erzherzog Johann seine naturwissenschaftlichen Sammlungen und Aufzeichnungen der Innsbrucker Universität überlassen, doch die angesprochenen militärischen und politischen Wendungen zwangen ihn, sich neu zu orientieren. Er erkannte, dass es in der Steiermark, genauer gesagt in Graz, lediglich ein Lyzeum, eine höhere Schule zur Ausbildung von Staatsbeamten, gab und widmete sich ab nun der Bildung und Ausbildung in der Steiermark. Er sprach mit dem Kaiser über die Idee, dem Lyzeum in Graz seine Sammlungen zu schenken und war davon besessen, ein eigenes Institut zu gründen. 1811 wurde eine Schenkungsurkunde ausgestellt, und die ersten Kuratoren des Museums Joanneum traten ihr Amt an. Nachdem es 1815 zur endgültigen Niederlage Napoleons gekommen war, reiste Johann mit seinem Bruder Ludwig nach England und konnte dort die Erneuerungen der industriellen Revolution eingehend studieren. Heimgekommen mit einem Rucksack voller neuer Ideen, wollte er Industrie und Landwirtschaft durch eine verbesserte Ausbildung der Bevölkerung fördern. 1816 kehrte Erzherzog Johann nach Graz zurück. Auf einer seiner zahlreichen Wanderungen durch das Salzkammergut lernte er 1819 Anna Plochl, Tochter eines Ausseer Postmeisters kennen. In den folgenden Jahren trafen die beiden einander immer wieder zufällig bei festlichen Anlässen und lernten sich so kennen und lieben. Anna musste nach dem Tod ihrer Mutter den Haushalt führen, und so konnten sich die Liebenden immer nur zu Besuchen des Prinzen im Ausseerland treffen. Im August 1822 verlobten sich die beiden auf der Ennsbrücke bei Irdning. 1822 kaufte der Prinz ein Radwerk in Vordernberg und war damit Radmeister geworden. Er holte Anna als Wirtschafterin ins Vordernberger Radmeisterhaus. Nach anfänglichem Missfallen des Kaisers gegen eine Heirat fand im Februar 1829 die kirchliche Hochzeit in der Kapelle des sich seit 1818 im Besitz des Prinzen befindlichen Brandhofes bei Mariazell statt. 1834 wurde Anna zur Freifrau von Brandhofen und 1850 von Kaiser Franz Joseph zur Gräfin von Meran erhoben. grenzenlos. Das Radwerk IV in Vordernberg am Fuß des Präbichl in den Eisenerzer Alpen dient heute als Museum und ist der einzige noch vollausDie beiden hatten einen Sohn, Franz Ludwig Johann gestattete Holzkohlenhochofen Baptist, der 1839 zur Welt kam und 1845 als Graf Österreichs. von Meran geadelt wurde. Johannes Müller hatte Foto: M arktgemeinde Erzherzog Johann seinerzeit auf das Leben der ein- Vordernberg fachen Bevölkerung aufmerksam gemacht. Johann gab von 1810 bis 1840 eine Studie in Auftrag, in der er die Verhältnisse der steirischen Bevölkerung untersuchen ließ. Über ausgeschickte Fragebögen wollte er Einblick in Dinge wie Aberglaube, Brauchtum bei Taufen, Heirat, Tod, Rebsorten, Dienstbotenlohn, Kost, Wohnhaus, Stall und Wirtschaftsgebäude gewinnen. Pfarrer, Ärzte oder Herrschaftsverwalter nahmen sich dieser Befragung an, die zu jener Zeit als einmalig galt. Das Tragen des Steireranzugs, der heute mehr Beliebtheit denn je genießt, drückte die Verbundenheit des Prinzen mit der steirischen Bevölkerung aus. Noch einmal, während der großen Revolution des Jahres 1848, wurde Erzherzog Johann in die Ereignisse der Weltgeschichte verstrickt. Nachdem der beliebte Habsburger kurze Zeit die Übergangsregierung in Wien geleitet hatte, wurde er wegen seiner liberalen Anschauungen von der in Frankfurt neu einberufenen Nationalversammlung zum Deutschen Reichsverweser gewählt. Doch schon 1849 legte Johann dieses Amt nieder, um in „seine“ Steiermark zurückzukehren. Am 11. Mai 1859 starb Erzherzog Johann 78jährig in seinem Palais in Graz, dem heutigen Palais Meran. Er wurde im Mausoleum in Graz beigesetzt, 1869 überführte man den Leichnam jedoch nach Schenna (Südtirol). Auch seine 1885 verstorbene Gattin und sein Sohn Franz mit seiner Frau Theresia fanden dort ihre letzten Ruhestätten. Rückblickend betrachtet waren es seine nicht gerade erfolgreichen Verstrickungen in die damaligen Ereignisse der Weltgeschichte, die Johann zum Glücksfall für die Steiermark werden ließen, wo er letztlich auch seine wirkliche Berufung und sein persönliches Glück fand. Patrizia D’Alessandro Verwendete Literatur (Auszug): Lieselotte Jontes, Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859). Zum 225. Geburtstag des Steirischen Prinzen (= Universitätsbibliothek der Montanuniversität Leoben. Ausstellungskataloge 11), Leoben 2007. Anton L. Schuller, Erzherzog Johann … und was von ihm blieb. Graz 1981. Viktor Theiss, Erzherzog Johann. Der steirische Prinz. Zweite, erweiterte Auflage herausgegeben von Grete Klingenstein, Wien 1981. 1-2/09 steirische berichte 53 grenzenlos. Vier Frauen und ein Zugereister „Wat kieckst’n so?“ Man wurde nicht alle Tage mitten auf dem Grazer Hauptplatz von einer echten Berliner Schnauze angesprochen, und so dauerte es einen Moment, bis Bernhard Löffler merkte, dass er gemeint war. Er hatte den Mann mit dem sympathischen Bierbauch wohl ein bisschen zu offensichtlich – und zu amüsiert – angestarrt. Dessen laute Bemerkung über die Frauenfiguren, die das Denkmal des Erzherzogs Johann umringten („gleech vier Frauen auf eenmal, na, dat hätt’ ick ooch jerne!“), hatte ihn an seine ersten Tage in Graz erinnert, als er, der frisch zugereiste „Piefke“, den gleichen Anfängerfehler gemacht hatte. Bereitwillig hatte ihn ein freundlicher Grazer belehrt, dass die Frauen die vier Flüsse symbolisierten, die zu Zeiten des Erzherzogs durch das damalige Territorium der Steiermark geflossen seien, nur zwei davon seien auch heute noch steirisch. Damals hatten ihm diese geographischen Erläuterungen natürlich nichts gesagt, und auch der Erzherzog war ihm kein Begriff gewesen, aber inzwischen war er bestens, um nicht zu sagen voll informiert. „Wat kieckst’n so?“ Bernhard zuckte zusammen, als er merkte, dass er die Berliner Schnauze immer noch anstarrte und diese das gar nicht mehr lustig fand. Seit mehr als zehn Jahren lebte er nun schon in Graz, hatte gut Fuß gefasst und auch die eine oder andere Eigenart der Österreicher angenommen (ausschließlich des Dialektes, der ihm nur bedingt von den Lippen kam), und er fragte sich, wie er damals wohl auf andere gewirkt haben mochte. Auch so forsch? Gerade in den ersten Jahren hatte es öfter mal geheißen, er müsse wohl ein Deutscher sein, wenn er, etwa bei einem Behördengang oder auch nur an der Wursttheke einen Drängler darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er nun an der Reihe sei – die Deutschen, so hatte er erfahren, bestünden ja gerne auf ihrem Recht. Ab und zu traf er auf Menschen, die sofort auf die Vorzüge 54 steirische berichte 1-2 /09 der Österreicher gegenüber den Deutschen zu sprechen kamen und ihn schön auf Distanz hielten, manche Ressentiments saßen eben tief. Bernhard verzichtete darauf, mit gleichen Geschützen, sprich Vorurteilen, aufzufahren, obwohl ihm da gleich einmal ein paar eingefallen wären. Der Blick des Berliners verfinsterte sich, denn Bernhard starrte immer noch. Er wollte nicht übertreiben, andere mochten Grund zur Klage haben, er ganz sicher nicht. Er fühlte sich wirklich, wirklich wohl in Österreich. Die Angebote seines früheren Arbeitgebers, wieder zurück nach Deutschland zu kommen, lockten ihn nicht. Wer die schönen Seiten Österreichs kennen gelernt hatte, trennte sich schwer. Die Landschaft (wenngleich es davon in Deutschland natürlich auch reichlich gab), der Charme, die vielgerühmte Gemütlichkeit – ja, die Österreicher lebten um einiges entspannter, das Klima war weniger rau, weniger hektisch, man war, auch wenn man es partout nicht wahrhaben wollte, um einiges zufriedener. „Warum schauen Sie so?“ Um astreines Hochdeutsch bemüht, formulierte der Berliner die Frage neu, denn es konnte ja sein, dass Bernhard ihn nicht verstanden hatte. Weshalb war ihm der Tourist noch einmal aufgefallen? Ach ja, der Erzherzog und die Frauen. Die Steirer mochten ihn wirklich, ihren Johann, und hatten auch allen Grund stolz auf ihn zu sein. Seine nahezu rastlose Geschäftigkeit und sein Grenzgängertum, mit dem er sich über alle Konventionen hinweg gesetzt hatte, imponierten – und das ganz besonders in Zeiten, in denen man mit den – drücken wir es vorsichtig aus – Irrungen der Politik nicht ganz so glücklich war. Die Berliner Schnauze schüttelte jetzt den Kopf und wandte sich ab, erfreulicherweise war der Mann nicht „auf Krawall gebürstet“, wie man das in Deutschland umgangssprachlich gerne ausdrückte. Nach seinem damaligen Fauxpas, als er, ganz wie der Berliner eben, die vier Frauenfiguren für die Musen des Erzherzogs gehalten hatte, hatte Bernhard die Geschichte seiner Wahlheimat aufmerksam studiert, war aber nie ganz vertraut mit ihr geworden. Es machte eben doch einen Unterschied, ob man mit der Geschichte eines Landes aufgewachsen war oder nur über sie gelesen hatte. Im Gespräch mit seinen Freunden merkte er immer wieder, dass sie im Grunde über verschiedene Dinge redeten, denn Bernhards Assoziationen waren oft ganz andere als die seiner Freunde: Redete man über Bruno Kreisky, kam ihm Willy Brandt in den Sinn, sprach man über Staatsvertrag und Neutralität, dachte er an Wiederbewaffnung. Für ihn war der Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten Machtergreifung und nicht Anschluss. Er wusste, wer die Weimarer Republik ausgerufen hatte, aber wenig über Karl Renner, und obwohl Johann als Reichsverweser der ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung auch in deutschen Geschichtsbüchern auftauchte, war ihm der Erzherzog in diesem Zusammenhang doch eher Fußnote als Begriff. Gerade bestieg der Mann aus Berlin eine Straßenbahn, die ihn zur nächsten Grazer Sehenswürdigkeit bringen sollte. Der österreichischen Geschichte nahm es nichts von ihrer Bedeutung, dass sie Bernhard immer ein bisschen fremd geblieben war, und auch ihn hatte es nicht daran gehindert, sich hier schön langsam zu verwurzeln. Wen störte es also, wenn ein Tourist nur schaute und genoss, aber nicht wirklich wusste, worauf er da blickte? Als die Straßenbahn anfuhr, jodelte er der Berliner Schnauze im Geiste noch ein „Wo i’ geh’ und steh’“ hinterher – und als der Berliner sich tatsächlich noch einmal zu ihm umdrehte, rief er (in nicht ganz perfektem Dialekt): „Na, da schaust!“ Corinna Steinert Foto: Suppan Der steirische Prinz Zitate: 4.b-Klasse der Volksschule Viktor Kaplan in Graz Andritz