- Erzherzog Johann: Erzherzog Johann

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- Erzherzog Johann: Erzherzog Johann
1-2/2009
gedenke.
johann.
grenzenlos.
steiermark.
EUR 5,- ISSN 0039-1042 1-2/2009
Ganz weit weg einen Blick d´rauf werfen, langsam sich der Sache nähern, sich der
Aussagekraft des Gesehenen bewusst werden, und dann ganz tief eintauchen.
Eintauchen in die Steiermark und zugleich das, was sie besonders macht,
emporheben, aufzeigen und für das Heute und Morgen festhalten. Darin finden sich
Vom steirischen
die steirischen berichte, die zurückblicken auf über 50 Jahre Geschichte.
Von den steirischen berichten zum steirischen
Kleider machen Leute, sagt ein Aphorismus. Das mag zu einem Teil wohl stimmen. Auch wir haben sie
herausgeputzt, die steirischen berichte. Doch halt, achten Sie vielmehr auf Inhalte. Sie sprechen mit Ihnen, regen
Ihre Gedanken und Fantasien an, zeichnen fantastische Abenteuer im Kopf.
Das, ja genau das, wollen wir erreichen, mit jeder Ausgabe, die wir Ihnen gerne nach Hause bringen
und Sie damit einladen, auch in naher Zukunft sie weiterhin zu lesen, die steirischen berichte.
Vom
All~Tag zu den steirischen berichten
Prinzen
Geschichte hat er geschrieben, Geschichten werden über ihn geschrieben. Er, der steirische Prinz,
hat uns inspiriert. Seinen Gedanken haben wir aufgenommen für dieses und für künftige Hefte.
Sie finden es im Blattinneren, in den Texten und Bildern, im gesamten Auftritt der steirischen berichte.
Innovation, das ist, wofür Erzherzog Johann und das neue Kleid dieses Magazins stehen.
Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern
8
Foto: L and Steiermark
5 Vorwort von Kurt Jungwirth
gedenke.
6 Erzherzog Johann: Stationen seines
Lebens im Überblick
Silvia Renhart
7 Steiermark 2009: Erzherzog Johann
- Ein Gedenken und ein Bedenken,
Silvia Renhart
8 Erzherzog Johann 09
Interview mit dem
1. Landeshauptmann-Stellvertreter
Hermann Schützenhöfer
Gerald Gölles
10 Termintipps
zum Erzherzog-Johann-Jahr
12 Geist & Gegenwart
Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009
auf Schloss Seggau, Leibnitz
13 Erzherzog Johann
auf Schritt und Tritt
johann.
14 Der Mensch „Johann“
Silvia Renhart
15 Eure kaiserliche Hoheit – theurer,
liebster, bester Mann.
Anna Plochl und Erzherzog Johann
Elke Hammer-Luza
18 „Gerichte mit Geschichte“
Hildegard Giselbrecht
20 Bücherecke
15
Foto: Steiermärkisches L andesarchiv
21 Die Erben des steirischen Prinzen
Familiengeschichtliche
Seitenblicke auf die Nachkommen
Erzherzog Johanns
Peter Wiesflecker
24 Wenn Gott mit mir, was gegen
mich?
Der Brandhofer und sein Glaube –
ein Interview mit Ururenkelin
Maria Cäcilia Trauttmansdorff
Gertraud Schaller-Pressler
steiermark.
52
Foto: Suppan
34 Erzherzog Johann und die Eisenstraße
Gerhard Sperl
36 Tunnelbau auf Österreichisch
TU Graz und Montanuniversität
Leoben - gemeinsamer Lehrgang
Gertraud Hopferwieser
38 Architektonische Spuren
Martin Müller
40 Die Kammermaler des Erzherzogs
Bettina Messner
42 Erzherzog Johann und die
(Volks-)Musik
Eva Maria Hois
26 Dynamischer Wirtschaftspolitiker,
Reformer und Motor des Fortschritts 44 Die Steiermärkische Landesbibliothek
Erzherzog Johann aus der Sicht der
Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
Gerald Schöpfer
28 Innovation auch in turbulente
Zeiten – Interview mit
LR Christian Buchmann
30 Der „steirische Prinz“
und seine Bauern – Überlegungen
abseits von Idealisierungen und
Ideologisierungen
Hans Putzer
wissenschaft.
kunst.
kultur.
32 „Joanneischer Geist“
und die Gegenwart
33 Die Pflanzenwelt im Trockenen
Kurt Zernig
Christoph H. Binder
grenzenlos.
45 Im gemeinsamen Interesse handeln
Gestern wie heute Herausforderung
Sabina Cimerman
46 Erzherzog Johann Wein und
Kulturreise Claudia Pronegg-Uhl
47 Gradec – Marburg
48 Was geschah jenseits der
steirischen Grenzen?
Kurt Jungwirth
50 Andreas Hofer
Monika Mader
52 Der Zufall machte ihn zum
Prinzen der Steirer
Patrizia D’Alessandro
54 Vier Frauen und ein Zugereister
Corinna Steinert
Titelbild: Erzherzog Johann am Hochschwab Foto: J. Koinegg, L andesmuseum Joanneum, Neue Galerie Graz
am
L andesmuseum Joanneum
gedenke.
johann.
grenzenlos.
steiermark.
Erzherzog Johann 2009
„Gott kann die Geschichte nicht ändern, Historiker können es.“ Dieser Satz gilt nicht nur für
Geschichtsforscher, das lässt sich in Jubiläumsjahren, die derzeit beliebt sind, leicht beobachten.
Je näher die vergangenen Ereignisse noch sind, umso mehr mischen sich die Heutigen in die
Vergangenheit ein. Fakten werden nicht nur zusammengetragen, sie werden je nach jetzigem
Wissen und neuen Interessen auch interpretiert und dargestellt. Die Versuchung ist groß,
moralisierend Geschichte zu schreiben. Es ist erstaunlich, wie genau manche Leute wissen, was
man vor 30, 50, 100 oder mehr Jahren nicht hätte tun dürfen und was man hätte tun müssen.
Solchen Sittenrichtern muss man mindestens zwei Überlegungen sagen. Erstens sollten sie
keineswegs sicher sein, dass sie selber damals im Sinne ihrer heutigen Ratschläge gehandelt
hätten, und zweitens ist es möglich, dass eine nächste und übernächste Generation wütend auf
unser heutiges Agieren sein wird. Was wir heute mit zeitgeistiger Überzeugung für gut und
richtig halten, kann in 50 Jahren als ein Bündel grober Verirrungen dastehen.
150 Jahre nach seinem Tod wird in der Steiermark Erzherzog Johanns gedacht. Es ist wohl kein
Irrtum, ihn als eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einer außerordentlich bewegten Epoche
zu verstehen. Aus unserer heutigen Sicht war jedenfalls seine frühe Zeit von Personen und
Ereignissen in Europa geprägt, die auf längere Sicht die Welt veränderten. Persönlich hätte er
sich sein Leben vermutlich leichter und angenehmer einrichten können, als er schließlich selber
wollte. Dass ihn, den Fremden, Ereignisse und Entschlüsse in die Steiermark verschlugen, war
wohl eine glückliche Fügung für das Land.
1959 gab es im Joanneum eine Gedächtnisausstellung für den Erzherzog im Stil einer ehrfürchtigen Huldigung. 1982, 200 Jahre nach seiner Geburt, wurde er in der großen Landesausstellung
auf Schloss Stainz in weitere Horizonte gerückt. So stellten wir damals Büsten des steirischen
Prinzen in Wien, in Frankfurt und in Florenz auf. Es wird interessant sein, wie das Jahr 2009
Erzherzog Johann sieht. Das vorliegende Heft der steirischen berichte soll Anregung zum Nachforschen und Nachdenken bringen.
Foto: Jungwirth
Kurt Jungwirth
Impressum:
Die „steirischen berichte“ sind
ein Organ des Volksbildungswerkes.
Wer Abonnent werden will …
… hat es leicht! Die „steirischen
berichte“ kosten
im Jahr als Abo nur 15 Euro.
Beziehen können Sie das Abo
im Steirischen Volksbildungswerk,
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Redaktionsteam:
Mag. Gerald Gölles (Chefredakteur),
Dr. Gertraud Schaller-Pressler,
Dr. Silvia Renhart,
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Layout und Bildbearbeitung:
Anita Schöberl, Hart bei Graz
Druck: Medienfabrik Graz
Medieninhaber und Herausgeber:
Steirisches Volksbildungswerk
Obmann: Prof. Kurt Jungwirth
Geschäftsführer: Kamillo Hörner
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Schauen Sie ins Internet, dort finden
Sie Näheres über uns.
www.steirische-berichte.at
gedenke.
Erzherzog Johann –
Stationen seines Lebens
im Überblick
Anna-Plochl-Dirndl,
Festtagstracht,
gefertigt
im Steirischen
Heimatwerk
Foto: Toni Muhr
Neu kreierter
Erzherzog-JohannAnzug (Ausschnitt)
von Hubert Fink.
Foto: Donner
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1782 Johann Baptist wird als 13. Kind des
1819 Gründung der Steiermärkischen
Großherzogs Leopold von Toskana und seiner Gattin Maria Ludovika in Florenz geboren (20. Jänner).
1790 Leopold II. übersiedelt als Nachfolger seines Bruders, Kaiser Josef II., mit seiner Familie
nach Wien.
1792 Tod der Eltern (Vater 1. Feb./Mutter 15. Mai), Johanns älterer Bruder Franz besteigt
den Thron.
1796 Beginn der militärischen Ausbildung. Ein Ausflug nach Mariazell bringt Johann zum ersten Mal in die Steiermark.
1800 Die Vorbereitung der Volksbewaffnung führt
zur Bereisung Tirols. Übernahme des Armee-
kommandos. Niederlage bei Hohenlinden.
1803 Weitere Reisen durch die Steiermark, Besteigung des Hochschwabs, Besuch von Vordernberg und des Erzbergs.
1804 Aufbau des Verteidigungssystems von Innerösterreich und Tirol. Erster Besuch in Graz. Erste Begegnung mit Andreas Hofer.
1805 Übernahme des Armeekorpskommandos in Tirol. Befohlener Rückzug der Armee nach Innerösterreich. Friede von Preßburg. Tirol geht verloren.
1807 Ankauf des Schlosses Thernberg (NÖ).
Beginn seiner naturwissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Studien.
1808 Tätigkeit im Kriegsministerium. Aufbau der Landwehr in Innerösterreich.
1809 Johann leitet als Armeekommandant die militärischen Operationen in Oberitalien. Sieg bei Sacile. Befohlener Rückzug bis Preßburg. Johanns Armee kann bei Wagram nicht mehr eingreifen. Friede von Wien.
1811 Schenkung der Sammlungen und Gründung des Joanneums. Beginn der Kulturtätigkeit in der Steiermark.
1813 Vorwiegender Aufenthalt in Schloss Thernberg. Alpenbund. Johann als „Alpenkönig“ verdächtigt.
1815 Wiener Kongress. Kommando der Belagerungs
armee von Hüningen (Schweiz). Übergabe der Festung. Reise nach England (über Paris).
1817 Wirtschaftliches Notjahr in der Steiermark. Gründung einer Kartoffelbeitragsanstalt.
1818 Ankauf des Brandhofes. Errichtung einer Leseanstalt am Joanneum.
steirische berichte 1-2 /09
Landwirtschaftsgesellschaft. Begegnung
mit Anna Plochl.
1820 Protektorat über den Steiermärkischen Musikverein.
1822 Erwerbung eines Radwerkes in Vordernberg.
Beginn der Förderung der steirischen Eisen-
industrie. Ankauf des Weingutes Pickern bei Marburg.
1828 Ankauf eines Grundstückes in Graz. Gründung der Wechselseitigen Brandschaden-
Versicherungsanstalt.
1829 Trauung Erzherzog Johanns mit Anna Plochl auf dem Brandhof.
1832 1. Gewerbe- und Industrieausstellung in Graz.
1833 Errichtung des landwirtschaftlichen Versuchshofes in Graz.
1836 Erzherzog Johann wird zum Feldmarschall ernannt.
1839 Erzherzog Johanns Sohn Franz wird geboren.
1840 Kauf von Schloss und Herrschaft Stainz. Gründung der Montanschule in Vordernberg.
1842 Die Familie bezieht das Palais in Graz. Beginn des Baues der Eisenbahn Mürzzuschlag–Graz.
1843 Gründung des Historischen Vereines für Innerösterreich.
1844 Schloss Schenna in Südtirol angekauft. Eröff
nung der Eisenbahnlinie Mürzzuschlag–Graz.
1845 Gründung der Realschule in Graz.
Gründung des Montanistischen Vereines für
Innerösterreich in Vordernberg.
1848 Ankauf des Blechwalzwerkes Krems in
der Weststeiermark. Erzherzog Johann eröffnet
als erster Kurator die Akademie der Wissen
schaften in Wien. Eröffnung des konstituie
renden Reichtages in Wien als Vertreter des Kaisers. Wahl zum deutschen Reichsverweser.
1849 Erzherzog Johann legt das Reichsverweseramt zurück.
1850 Rückkehr nach Graz. Bürgermeister von Stainz.
1852 Gründung des Steiermärkischen Forstvereines.
1854 Eröffnung der Eisenbahn über den Semmering.
1857 Einführung der Landarbeiter- und Dienstbotenordnung.
1859 Erzherzog Johann stirbt in Graz (11. Mai).
1869 Überführung nach Südtirol – Schloss Schenna.
Silvia Renhart
Steiermark 2009:
Erzherzog Johann
gedenke.
Ein Gedenken und ein Bedenken
150 Jahre ist es her (11. Mai 1859), dass Johann Baptist Erzherzog von Österreich,
Förderer und Visionär der
Steiermark, im Palais Meran
in Graz – in den Armen seiner geliebten Anna – verstarb.
Es wird berichtet, dass Anna Zeit ihres Lebens das Stück Tapete, auf welches Johanns letzter Blick fiel, fortan bei sich getragen haben soll. Diese große, tragische Liebe, von der
heute noch landauf, landab gesprochen wird, trug sicherlich viel dazu bei, dass dieser Mythos „Johann“ noch so präsent ist.
Natürlich leistete er zu einer Zeit, als die Steiermark –
wie gesamt Innerösterreich – wirtschaftlich darniederlag,
Ungewöhnliches. Als guter Netzwerker verstand er es, trotz der Widerstände aus Wien, die Menschen zu moti-
vieren und anzuspornen.
In zahlreichen Abhandlungen
wird das Leben und Wirken Erzherzog Johanns
beleuchtet und wird er seiner großen Bedeutung
für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart
gemäß ausführlich geehrt.
Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge
und dergleichen werden das gesamte Gedenkjahr
über abgehalten.
Zahlreiche Bücher erscheinen und versuchen den
bis heute sehr beliebten „steirischen Prinzen“ ins
rechte Licht zu rücken.
Beiträge in Film- und Printmedien widmen sich
ihm und seinem Lebenswerk.
Institutionen, deren Gründung auf ihn zurückgeht, beteiligen sich dabei genauso wie Vereine,
Verbände und Schulen.
So wurden beispielsweise von ihm begründet,
unterstützt, auf- und ausgebaut: das Landesmuseum Joanneum, die Montanuniversität Leoben,
die Technische Universität Graz, die Steiermärkische Landesbibliothek, das Steiermärkische Landesarchiv, die Landwirtschaftskammer und die
Grazer Wechselseitige Versicherung.
Johanns Spuren sind selbst im 21. Jahrhundert
noch unauslöschlich und für die Steiermark
prägend. So ist es nur natürlich, dass auch dieses
Todesjahr zum Gedenken und auch Bedenken
genutzt wird. Nach dem Motto „Nobody is perfect“
soll man wohl auch an die Persönlichkeit Johanns
herangehen und eine objektive, wissenschaftliche
Analyse anhand aller noch vorhandenen und zum
Teil bis dato unpublizierten Fakten vornehmen.
Eine Vereinnahmung bzw. Verurteilung von Vertretern „extremer Lager“ kann zwar nicht verhindert,
aber unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussgrößen fassbarer gemacht werden.
Das Jahresthema
Die Volkskultur Steiermark GmbH betreut im
Auftrag des Ressorts für Volkskultur (Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer) dieses Jahresthema und wirkt als Vernetzungs-, Vermittlungs-,
Informations-, Koordinations- und Organisationsstelle für alle Vereine, Verbände und Institutionen,
die sich beteiligen.
Der Auftakt des Erzherzog-Johann-Gedenkjahres
erfolgte am 20. Jänner anlässlich seines wiederkehrenden Geburtstages. Im von der Volkskultur
Steiermark GmbH herausgegebenen ErzherzogJohann–Reisepass und auch auf der Homepage
www.erzherzogjohann.steiermark.at werden die
Termine aller Feierlichkeiten und Veranstaltungen
präsentiert. Genau 50 Jahre ist es her, dass ein fünf
Kilometer (!) langer Festumzug Erzherzog Johann
zu Ehren als Abschluss des Steirischen Gedenkjahres 1959 durch Graz zog. Er war einerseits als
letzte Dankeskundgebung an den großen Wohltäter
des Landes gedacht, und andererseits sollte er auch
Rechenschaft darüber ablegen, was aus dem Erbe
Erzherzog Johanns in den vergangenen 100 Jahren
erwachsen war.
So wollen wir auch 2009 daran anknüpfen und
haben alle steirischen Regionen zur Teilnahme
aufgerufen. Es soll wie damals kein historischer
Umzug sein, sondern die Darstellung der Landesteile im Hier und Heute sowie im Morgen – basierend auf dem „Input“, den dieser Mensch diesem
Land beisteuerte.
Erzherzog-JohannJahreslogo
Foto: Volkskultur
Steiermark GmbH
Links:
Die ErzherzogJohann-Statue
erwacht 2009 und
begleitet durch das
Gedenkjahr.
Foto: Volkskultur
Steiermark GmbH
Silvia Renhart
1-2/09 steirische berichte
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gedenke.
Erzherzog Johann 09
Interview mit dem 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer
Die steirischen berichte widmen sich dieses Jahr dem Thema „Erzherzog Johann“. Die Hefte tauchen damit für die
Leserinnen und Leser in die Landesgeschichte ein.
steirische Das Jahr 2009 steht im Zeichen des „Steirischen
berichte Prinzen“. Was ist der Anlass für dieses Gedenkjahr?
Wie stehen Sie zum Gedenkjahr?
LHStV. Erzherzog Johann war eine außergewöhnliche PerHermann sönlichkeit – er hat der Steiermark bleibende Werte
Schützenhöfer hinterlassen, sowohl materielle als auch immaterielle. Sein 150. Todestag am 11. Mai gibt Anlass,
seiner und seinem Lebenswerk zu gedenken. Doch
wir wollen im Gedenken nicht in der Vergangenheit
stehen bleiben. Vielmehr soll das Erzherzog-Johann-Jahr als Anregung gesehen werden, im Heute
Visionen zu leben und Projekte mit Nachhaltigkeit
zu starten und zu fördern. Es waren nicht zuletzt
sein Weitblick und sein vernetztes Denken, die es
ermöglichten, dass die Gründungen und Initiativen
des „Steirischen Prinzen“ bis heute ihre Spuren
ziehen.
Die von Ihnen initiierte und im letzten Jahr gegründete Volkskultur Steiermark GmbH fungiert als
Koordinationsstelle für das Erzherzog-Johann-Jahr.
Wofür steht dieses junge Kompetenzzentrum?
Was bietet diese Einrichtung den Steirerinnen und
Steirern?
Mit der Gründung
der steirischen
KLEINREGIONEN
gelingt Großartiges.
Foto: K leinregion
Ökoregion K aindorf
Die Volkskultur Steiermark GmbH soll sowohl für
alle Steirerinnen und Steirer als auch für unsere
Gäste Anlaufstelle für ihre Anliegen und Anfragen
sein und so zur Lebendigkeit unserer Kultur beitragen. Neben dem Service- und Beratungsbereich betreibt die Volkskultur Steiermark GmbH mit ihrem
Sitz im ältesten Gebäude der Grazer Sporgasse das
Steirische Heimatwerk und das Steirische Volksliedarchiv.
Im Erzherzog-Johann-Jahr wirkt die neue Gesellschaft als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informations-, Koordinations- und Organisationsstelle. Die
Einbindung aller steirischen Regionen und eine
enge Zusammenarbeit mit jenen Institutionen, die
auf Erzherzog Johann zurückgehen, liegen mir bei
dieser Arbeit besonders am Herzen.
Im Tourismusland Steiermark verweisen dieses
Jahr zahlreiche Aktivitäten, Ausstellungen und
Veranstaltungen auf sein Lebenswerk. Welche
dieser Ausflugsziele können Sie empfehlen?
Dank des Engagements vieler einzelner Menschen
und Einrichtungen ist es gelungen, in der ganzen
Steiermark Aktivitäten zu initiieren, die auf diesen
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großen „Wahlsteirer“ verweisen. Das Ergebnis ist
ein vielfältiges Veranstaltungsangebot, das von
Bad Aussee über Leoben, Mariazell und Graz bis
nach Stainz reicht. Aber auch viele Orte, in denen
Erzherzog Johann nicht unmittelbar gewirkt hat,
haben sich seines Lebenswerkes angenommen und
Veranstaltungen organisiert. Jede dieser Aktivitäten hat ihre Besonderheit, zeigt unterschiedliche
Facetten aus seinem Leben auf, hat einen individuellen Zugang. Um Erzherzog Johann in seiner
Vielfältigkeit erfassen zu können, kann ich nur
empfehlen, so viele Veranstaltungsangebote wie
möglich wahrzunehmen.
Besonders erwähnen möchte ich außerdem, dass
wir bei Steiermark Tourismus anlässlich des Gedenkjahres Sonderpakete für Ausflüge und Reisen
geschnürt haben: Das Paket „Wir sind Erzherzog Auf den Spuren von Erzherzog Johann in der
Steiermark“ führt zu vielen Orten, an denen er
gewirkt und Spuren hinterlassen hat.
Die „Rundreise - Auf den Spuren von Erzherzog
Johann von Stainz nach Maribor und retour“ ist
eine Wein- und Kulturreise, bei der Zusammenhänge damaliger Errungenschaften und heutiger
Traditionen entdeckt werden können.
Erzherzog Johann hat mit viel Weitblick in der
Grünen Mark nachhaltig gewirkt. Viele bis heute
weithin anerkannte Institutionen wie etwa die
Montanuniversität Leoben, das Landesmuseum
Joanneum und auch die Landwirtschaftskammer
gehen auf sein Wirken zurück. Mit der Landwirtschaftskammer eng verbunden ist das Engagement
für den ländlichen Raum. Gerade hier gelingt
mit der Gründung der steirischen KLEINREGIONEN
Großartiges. Welche positiven Beispiele und
Innovationen gibt es hier?
Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Steiermark zur
lebenswertesten und innovativsten Region Europas
zu machen. Der ländliche Raum ist einem starken
Wandel und großen Herausforderungen unterworfen. Die Kleinregionen sind die ideale Struktur, um
die kommunale Infrastruktur auch für die Zukunft
abzusichern, da die Gemeinden gemeinsam stärker
sind. Darüber hinaus engagieren sich die Kleinregionen bereits intensiv in den Bereichen Klimaschutz
und erneuerbare Energien, da sie nahe genug beim
Bürger sind, um in Zusammenarbeit mit bewährten
Institutionen wie Landwirtschafts- und Wirtschafts-
kammer realistische und sofort umsetzbare Projekte
anzugehen. Ich denke hier an kreative Kleinregionen wie etwa die Ökoregion Kaindorf, das Almenland oder an die Kleinregionen im Vulkanland,
wo der ländliche Raum sich zum innovativen
Zukunftsraum mit Lösungsideen zur Energie- und
Klimafrage entwickelt. In zahlreichen Kleinregionen werden auch die Betriebsansiedelungen oder
die gemeinsame Nutzung von Veranstaltungshallen
und Sportanlagen geplant und gemeinsam umgesetzt. Wir stehen hier am Beginn einer sehr guten
Entwicklung. Überall in der Steiermark haben sich
Kleinregionen gebildet, am Ende werden es rund
80 bis 90 Kleinregionen sein.
Der Geburtstag Erzherzog Johanns am 20. Jänner
2009 bildete den Auftakt für dieses Gedenkjahr.
Sie haben an diesem Tag einen Erzherzog-JohannAnzug mit Stolz getragen. Mit Stolz, weil er von
einem Schneidermeister aus Gratkorn angefertigt
wurde und so für Handwerk und steirische Arbeitsplätze steht. Auch das Steirische Heimatwerk ist
ein Spezialist für steirische Trachten. Was gibt es
dazu zu erzählen?
Ich hege eine tiefe Bewunderung für Handwerkskunst und jene Menschen, die hinter jedem handgefertigten Produkt mit ihrem Können und ihrer
Kreativität stehen. Handwerk hat sich im Laufe der
Jahrtausende differenziert und spezialisiert, hat
neue Berufe, Fertigungstechniken und Produkte
hervorgebracht. Im Mittelpunkt steht aber immer
der Mensch – ob er nun traditionelle Werkzeuge
oder einen Computer bedient.
Das Steirische Heimatwerk kann als ein Zentrum
für Handwerkskunst bezeichnet werden. Als
Verkaufsstelle für Kunsthandwerk und mit hauseigenem Schneidereibetrieb und individuell gefertigten Trachten spiegelt es die Identität unserer
Regionen wider.
Das Gedenkjahr wird mit dem steirischen Fest
„Aufsteirern“ in Graz, am 20. September, einen
würdigen Abschluss finden. „Aufsteirern ist das
Fest für all jene, die steirisch denken, leben,
reden, singen, tanzen oder einfach nur das typisch
‚Steirische’ lieben. Einen Tag lang wird die Grazer
Altstadt zur Bühne, kurzum zum Dorfplatz, wenn
zahlreiche Mitwirkende zu einem Streifzug durch
die Vielfalt der weiß-grünen Volkskultur einladen.“
Wie stehen Sie zu diesem Fest? Was leistet dieser
Tag für die steirische Volkskultur?
1. LandeshauptmannStellvertreter
Hermann
Schützenhöfer bei der
„Aufsteirern“ bietet Steirisches für alle Sinne:
Auftaktveranstaltung
Unsere Kultur zum Erleben, Anschauen, Kosten,
zum ErzherzogSchmecken, Fühlen und Hören. Dieses Fest zeigt die Johann-Jahr.
enorme Bandbreite auf, die das Steirische zu bieten Foto: L and Steiermark
hat, und präsentiert das reiche Schaffen der unzähligen Vereine und Verbände. Diese Vielfalt, wie
wir sie in der Steiermark erleben, spiegelt sich
auch in Europa, ja weltweit, wider. So ist es mir ein
besonderes Anliegen, in das Festprogramm jedes
Jahr Gruppen aus den Nachbarländern einzubinden.
Dieser länderübergreifende Austausch lässt
uns Kultur in einem größeren Zusammenhang
erleben und bildet einen wichtigen Beitrag zum
„Aufsteirern“, dem Fest der Vielfalt, des Miteinander und der Begegnung.
Wir danken für das Gespräch.
Gerald Gölles
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gedenke.
Termintipps zum
Erzherzog-Johann-Jahr
26. April bis 31. Oktober 2009
Kulinarische Aktion „Anna kocht …“
Die Mitgliedsbetriebe der BÖG
(Beste österreichische Gastlichkeit)
kochen Gerichte aus der Zeit Erzherzog
Johanns und nach Aufzeichnungen
seiner Frau Anna Plochl
In vielen steirischen BÖG-Betrieben
Info: BÖG Steiermark,
Tel. 0664 / 849 13 23, www.boeg.at
30. April bis 31. Oktober 2009
Ausstellung „modellhaft.
Erzherzog Johann“
Jagdmuseum Schloss Stainz /Landesmuseum Joanneum, Schlossplatz 1,
8510 Stainz, Di–So 9–17 Uhr
Info: Jagdmuseum Schloss Stainz,
Tel. 03463 / 27 720,
www.museum-joanneum.at
1. Mai bis 31. Oktober 2009
Ausstellung „Bürgerin – Bäuerin –
Kuchldirn. Frauenalltag zur Zeit
Erzherzog Johanns“
Österr. Freilichtmuseum Stübing,
8114 Stübing, täglich 9–17 Uhr
(ab 14. 9.: montags geschlossen)
Info: Österr. Freilichtmuseum Stübing,
Tel. 03124 / 53700, www.stuebing.at
7. Mai bis 27. November 2009
Ausstellung „Erzherzog Johann –
Mensch und Mythos“
Steiermärkisches Landesarchiv,
Karmeliterplatz 3, 8010 Graz
Mo, Di, Do 9–17 Uhr; Mi 9–19 Uhr,
Fr 9–13 Uhr
Info: Steiermärkisches Landesarchiv,
Tel. 0316 / 877-4031,
www.landesarchiv.steiermark.at
8. Mai 2009, 11 Uhr
Akademische Feier „Erzherzog Johann –
Begründer der TU Graz“ Festvortrag
mit Enthüllung der Originalwerkzeuge
für den Spatenstich zur „Alten
Technik“ und akademische Ehrungen.
Technische Universität Graz,
Rechbauerstraße 12, 8010 Graz
Info: Technische Universität Graz,
Tel. 0316 / 873 6001, www.tugraz.at
10
steirische berichte 1-2 /09
11. Mai 2009, 17 Uhr
Gedenkgottesdienst anlässlich des
150. Todestages von Erzherzog Johann
Baptist von Österreich
Dom, Hofgasse/Burggasse, 8010 Graz
Info: Volkskultur Steiermark GmbH,
Tel. 0316 / 90 85 35,
www.volkskultur.steiermark.at
16. Mai 2009, 17 Uhr
„Erzherzog Johann und sein Glaube“
Festvortrag von Maria Cäcilia
Trauttmansdorff
Schloss Stainz, 8510 Stainz
Info: Pfarre Stainz, Tel. 03463 / 22 37
20. bis 24. Mai 2009
Reise „Die Familie Erzherzog Johanns
und die Toskana“
Unter der Leitung von Univ.-Prof. DI
DDr. Gerhard Sperl (Historiker und
Montanist) werden der Geburtsort
Erzherzog Johanns und die
Wirkungsstätten der Habsburger in der
Toskana besichtigt.
Reiseroute: Graz–Toskana–Graz
Info: Österr. URANIA für Steiermark,
Tel. 0316 / 82 56 88, www.urania.at
27. bis 29. Mai 2009
Pfingstdialog „Geist & Gegenwart“ –
Der Geschmack Europas
Der zum dritten Mal stattfindende
Pfingstdialog ist vom joanneischen
Geist geprägt und widmet sich in
einer Spezialveranstaltung „Erzherzog
Johann – Herausforderung 2020“.
Schloss Seggau, Seggauberg 1,
8430 Leibnitz
Tagungsbüro: die Organisation,
Tel. 0316 / 69 55 80,
www.geistundgegenwart.at
29. Mai bis 26. Oktober 2009
Ausstellung „Erzherzog Johann –
Radmeister in Vordernberg“
Radwerk IV, Peter-Tunner-Straße 2,
8794 Vordernberg
Mo–So 9–17 Uhr
Info: Informationsbüro Steirische
Eisenstraße, Tel. 03849 / 832,
www.radwerk-vordernberg.at
4. Juni 2009, 9 Uhr
„Erzherzog Johann und seine Brüder“
Wissenschaftliches Symposion
„Erzherzog Johann: Tagebuch
der Englandreise 1815/16“
Buchpräsentation
Wartingersaal des Landesarchivs,
Karmeliterplatz 3, 8010 Graz
Info: Historische Landeskommission
für Steiermark, Tel. 0316 / 877-3013,
www.hlkstmk.at
18. bis 21. Juni 2009
Bergmannsschach „Erz im Feuer“
Erzherzog Johann und das Schachspiel
der Berg- und Hüttenleut’ –
Ein Spectaculum mit Musik
Hauptplatz, 8700 Leoben
Info: Museumsverbund Steirische
Eisenstraße, Tel. 03842 / 4062-408,
www.bergmannsschach.at
19. Juni 2009, 10 bis 17 Uhr
„Zukunft braucht Herkunft: EH
JOHANN – FH JOANNEUM“
FH JOANNEUM Kapfenberg,
Werk-VI-Str. 46, 8605 Kapfenberg
(Weiterer Termin: 26. Juni 2009,
16–21 Uhr, FH Joanneum Graz,
Alte Poststraße 147, 8020 Graz)
Info: FH JOANNEUM,
Tel. 0316 / 5453-8835 oder 8816,
www.fh-joanneum.at
24. Juni 2009, 18 Uhr
Flott – Feurig – Steirisch
Trachtenpräsentation, Volkstanzfest
und Johannisfeuer – zum Namenstag
Erzherzog Johanns
Schloss St. Martin, Kehlbergstraße 35,
8054 Graz
Info: Schloss St. Martin,
Tel. 0316 / 28 36 55,
www.schlossstmartin.at
25. Juli 2009, 20 Uhr
„Er zwängt den Geist in keine
Schranken.“ Erzherzog Johann – Eine
Annäherung
Reinhard Schlüter zeichnet im Stil
eines Hörbildes den Lebensweg
Erzherzog Johanns nach. Musikalische
Foto: Johannes Gellner Volkskultur Steiermark GmbH.
Umrahmung: Ausseer Bradlmusi
Kurhaus, Kurhausplatz 144,
8990 Bad Aussee
Info: Kulturreferat der Stadtgemeinde
Bad Aussee, Tel. 03622 / 52511-99,
www.badaussee.at
5. August 2009, 19.30 Uhr
Vortrag: „Durch die Schladminger
Tauern.“ Auf den Spuren der Reise
Erzherzog Johanns 1810
Von OStR Prof. Mag. Harald Matz
Schloss Trautenfels / Landesmuseum
Joanneum, 8951 Trautenfels 1
Info: Schloss Trautenfels,
Tel. 03682 / 222 33,
www.museum-joanneum.at
7. und 8. August 2009
„Das Leben, ein Tanz – 2009.
Erzherzog Johann von Österreich“
Gastspiel der Vereinigung Wiener
Staatsopernballett im Ausseerland
Kaiserzelt, 8992 Altaussee
Tickethotline: Tel. 0664 / 422 11 12,
www.ballett.at
9. August 2009, 11 Uhr
Auftaktveranstaltung zur Reihe
„Herbst mit den Bäuerinnen“
Eine Fülle von Hoffesten widmet
sich im Ennstal und Ausseerland von
August bis Oktober dem Leben und
Wirken des steirischen Prinzen.
Steinitzen-Alm, 8984 Pichl-Kainisch
Info: „Herbst mit den Bäuerinnen“,
Tel. 0676 / 94 59 817,
www.herbst-baeuerinnen.at
15. bis 16. August 2009,
jeweils ab 11 Uhr
Säumer, Seiler und Kesselflicker: Salla,
ein Dorf zur Zeit Erzherzog Johanns
Ein weststeirisches Bergdorf verwandelt sich für zwei Tage in einen
historischen Ort. Dorfplatz, 8592 Salla
Info: Gemeinde Salla,
Tel. 03147 / 206,
[email protected]
18. August 2009, 20 Uhr
„Wenn Du nur schon bey mir wärest…“
Franz Meran und Barbara Frischmuth
lesen unveröffentlichte Briefe von
Erzherzog Johann an Anna Plochl.
Musikalische Umrahmung: Ausseer
Geigenmusik
Literaturmuseum Altaussee,
Fischerndorf 61, 8992 Altaussee
Info: Literaturmuseum,
Tel. 0664 / 444 10 69,
www.literaturmuseum.at
20. September 2009
„AUFSTEIRERN
im Erzherzog-Johann-Jahr“
Das steirische Fest in Graz
Grazer Innenstadt, 8010 Graz
Info: Aufsteirern,
Tel. 0316 / 22 52 38,
www.aufsteirern.at
2. Oktober 2009
Tagung „Visionäre und Visionen in
der Landwirtschaft“
LFZ Raumberg-Gumpenstein,
Raumberg 38, 8952 Irdning
Info: LFZ Raumberg-Gumpenstein,
Tel. 03682 / 22 451-243,
www.raumberg-gumpenstein.at
5. November 2009, 19 Uhr
„Erzherzog Johann und die Religion“
Vortrag von Mag. Dr. Elke Hammer-Luza
Info: Pfarrheim Stainz, 8510 Stainz
Weitere Termine finden Sie unter
www.erzherzogjohann.steiermark.at
und im „Reisepass durch das
Erzherzog-Johann-Jahr“. Reisepass
anfordern: Volkskultur Steiermark
GmbH, Sporgasse 23, 8010 Graz,
Tel. 0316 / 90 85 35,
[email protected]
1-2/09 steirische berichte
11
gedenke.
Geist & Gegenwart
Das Heft in der
Hand haben junge
Studierende beim
vielsprachigen
Pfingst-Dialog auf
Schloss Seggau:
Das interdisziplinäre Forum widmet
sich Fragen zur
Zukunft Europas
und lädt zu
internationalem
Meinungsaustausch
auf höchstem
Niveau.
Foto:
Geist & Gegenwart
Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009
auf Schloss Seggau, Leibnitz
„Der Geschmack Europas“ soll nach dem Willen
der Veranstalter beim dritten Pfingst-Dialog auf
Schloss Seggau in aller Munde sein: Denn Fragen
zur Ernährung, vom Überfluss bis zum Welthunger,
von den Rohstoff- und den Lebensmittelpreisen,
aber auch zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen stehen auf
dem diesjährigen Programm. Und nicht zuletzt:
wie Nicht-Europäern dieses Europa „schmeckt“.
Die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen,
sozialen und ethischen Herausforderungen werden
wieder in Plenarveranstaltungen und „Insieme“Gruppen diskutiert werden.
Neben vollwertiger Geistesnahrung wird aber auch
konkret Essen auf den Tisch kommen und analySchloss Seggau,
Foto: K irchengast siert: Nach dem Motto „Das Auge isst mit“ werden
die Autoren des Buches „Food Design“, Honey &
Bunny, die kulturell unterschiedlichen Farbreize
von Speisen etwa in Asien (weiß) und Österreich
(rot) aufzeigen.
„Das Interesse am Pfingst-Dialog ist auch heuer
besonders groß“, freuen sich die Organisatoren,
„aufgrund der vielen Anmeldungen vor allem von
Studierenden sind wir bereits um eine Erhöhung
unserer Aufnahmekapazitäten bemüht.“
Und da sich „Geist & Gegenwart“ unter der
Schirmherrschaft von Diözesanbischof Dr. Egon
Kapellari und Landeshauptmann-Stv. Hermann
Schützenhöfer von Beginn an auch von
„joanneischem Geist“ durchweht sieht, ist 2009
ein eigener Schwerpunkt zum Thema „Erzherzog
Johann – Herausforderung 2020“ geplant.
Wenn auch Sie auf den Geschmack Europas
gekommen sind: Sie sind herzlich willkommen!
Gertraud Schaller-Pressler
12
steirische berichte 1-2 /09
Das Symposium „Geist und Gegenwart“ steht
heuer unter dem Leitwort „Der Geschmack
Europas“. Dieses europäische Forum, das vom
Land Steiermark und der Diözese Graz-Seckau in
Kooperation mit dem Joanneum Research und
dem Club Alpbach Steiermark veranstaltet wird,
ist nicht nur zeitlich, sondern seinem Wesen nach
mit dem Pfingstfest verbunden. Angesichts zunehmender sozialer und kultureller Erosionen
darf man von diesem Pfingst-Dialog Impulse für
mehr Humanität und mehr Geist in Europa und
darüber hinaus erhoffen.
Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau
Der Pfingstdialog Geist & Gegenwart ist zu
einer guten Tradition geworden – für den offenen
Dialog zu wichtigen Fragen der Gegenwart und
Zukunft über Grenzen hinweg und als Impulsgeber für Reform- und Innovationsprozesse.
Also eigentlich ganz in der vorbildlichen Haltung
Erzherzog Johanns, der für uns ständige Herausforderung ist.
Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer
Geist & Gegenwart – Der Geschmack Europas
Pfingst-Dialog, 27.–29. Mai 2009, Schloss Seggau,
Leibnitz
ReferentInnen: Wolfgang Benedek, Sihem Benesedrine,
Warnfried Dettling, Christian Felber, Benita FerreroWaldner, Franz Fischler, Barbara Gerl-Falkovits,
Mariella Gruber, Franz Harnoncourt-Unverzagt,
Mats Hellstroem, Honey & Bunny, Waldemar Hummer,
Dieter Hundt, Valentin Inzko, Egon Kapellari,
Monika Kircher-Kohl, Michael Krüger, Richard Kühnel,
Jadran Lenarcic, Manfred Lütz, Joseph Marko,
Reinhard Marx, Meinhard Miegel, Leopold Neuhold,
Fred Ohenhen, Bernhard Pelzl, Klaus Poier,
Manfred Prisching, Susanne Scholl, Kurt Scholz, Margit
Schratzenstaller, Hermann Schützenhöfer, Ali Soleiman,
Dieter Spoeri, Hans Staud, Herwig Sturm, Lojze Wieser.
Teilnahmekosten, Anmeldung & Info:
Tagungsbüro Geist und Gegenwart,
c/o die Organisation, Opernring 12/1, 8010 Graz,
Tel: +43/(0)316 /69 55 80,
[email protected],
www.geistundgegenwart.at
Erzherzog Johann
auf Schritt und Tritt
gedenke.
Fotos: DieGrazGuides
Der Jahresregent Erzherzog Johann erweitert heuer auch das Angebot von DieGrazGuides – Fremdenführerclub für Graz
und die Steiermark. Bereits zum 13. Mal laden die engagierten FremdenführerInnen zu ihrer beliebten Aktion „Graz
für Grazer“ und widmen dabei gleich zwei unterschiedliche Spaziergänge dem Leben und nachhaltigen Wirken des
steirischen Prinzen.
Den 30 Mitgliedern von DieGrazGuides
liegen nicht nur Gäste von auswärts
sondern auch die GrazerInnen und
SteirerInnen am Herzen. Um deren
Wissensdurst nach spannenden, unbekannten, oft kuriosen Aspekten der
Stadt zu stillen, präsentieren DieGraz
Guides von Mai bis Ende September
„Graz für Grazer“ im Detail. Da lockt
eine Fahrt im Cabrio Bus ins „grüne
Graz“ mit seinen Parks, Schrebergärten
und paradiesisch bepflanzten Innenhöfen. Kastner&Öhler offenbart historische Substanz und heitere Geschichten
abseits vom Shopping. „Europa in Graz“
beleuchtet identitätsstiftende äußere
Einflüsse in Vergangenheit und
Gegenwart. Das Jahr der Astronomie
veranlasst DieGrazGuides, den Spuren
Johannes Keplers zu folgen ... .
Und Erzherzog Johann? In zwei Spa-
ziergängen – garniert mit Zitaten
und amüsanten Anekdoten – wird der
volksverbundene Mensch und wissenschaftliche Visionär Johann Baptist
von Österreich näher vorgestellt. Dabei
ergeben sich erstaunliche Parallelen
zwischen seiner und unserer Zeit.
Unter dem Titel „Wissen für jedermann“
geht es von der Technischen Universität
zur Kunstuniversität, während „Neue
Ideen für das Land“ zu zahlreichen,
noch heute florierenden Gründungen
des Erzherzogs quer durch die Innenstadt führt.
Ein Folder mit den genauen Terminen
der Aktion „Graz für Grazer“ liegt ab
Ende April bei der Graz Tourismus
Information, Herrengasse 16, auf.
Natürlich können alle Führungen
bei DieGrazGuides auch individuell
gebucht werden.
Weitere Informationen:
DieGrazGuides – Fremdenführer-Club
für Graz und die Steiermark,
Telefon: 0316 / 58 67 20,
Fax: 0316 / 57 53 10, E-Mail: info@
grazguides.at; www.grazguides.at
Gewinnen Sie eine
Erzherzog-Johann-Führung
durch Graz
Sie haben gewonnen
Wie gefallen Ihnen die neuen steirischen berichte?
Wir laden Sie ein, uns darüber Ihre Meinung
schriftlich mitzuteilen.
5 Bücher
„Wie’s g’wesn is“
wurden mit den
steirischen berichten
6/2008 verlost.
„Wie’s g’wesn is.
Vom Leben auf dem Land“.
Inge Friedl/Neues Land.
176 Seiten.
Styria 2008,
24,95 Euro.
Erhältlich auch über
NEUES LAND, Reitschulgasse 3,
8011 Graz,
Tel. 0316 82 63 61-11,
[email protected]
oder www.neuesland.at.
Unter allen Einsendungen verlosen wir 15 Eintrittskarten für die von den GrazGuides zur Verfügung
gestellte Erzherzog-Johann-Führung
am Samstag, 16.Mai 2009, in Graz
Beginn: 11.00 Uhr
Treffpunkt: Hauptplatz/Rathauseingang
Kennen lernen können Sie dabei auch das
Redaktionsteam der steirischen berichte.
Bitte schicken Sie uns Ihre Antwort
bis spätestens 30. April 2009
per Post, Fax oder E-Mail an
Steirisches Volksbildungswerk
8010 Graz, Herdergasse 3
Fax (0 31 6) 32 10 20-4
[email protected]
Die Gewinner der Bücher sind
Eintrittskarten und Informationen zur Führung erhalten Sie
mit der Post. Die Preise können nicht übertragen oder in
bar abgelöst werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ihre
eingereichten Angaben werden vertraulich behandelt und ohne
Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben.
Mit der Teilnahme am Wettbewerb stimmen Sie zu, dass Ihr
Name im Rahmen der steirischen berichte veröffentlicht wird.
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Frau Helga Kopeinig aus Graz in der Steiermark
Herr DI Josef Suppan aus Graz in der Steiermark
Frau Ingrid Paul aus Jagerberg in der Steiermark
Frau Maria Stahl aus Stohlberg in Deutschland
Herr Dipl.-Bwt. Josef-H. Hasenmüller aus Berlin
in Deutschland
1-2/09 steirische berichte
13
Der Mensch „Johann“
johann.
Leopold Kupelwieser,
Erzherzog Johann im
Rock mit grünem
Aufschlag, 1828. Foto:
Neue Galerie Graz
am L andesmuseum
Joanneum
14
Aufgrund seines Standes erfuhr Erzherzog Johann
eine umfassende (globale) Erziehung – beeinflusst
und geprägt durch verschiedene Kulturkreise und
Mentalitäten Europas.
Als Kind seiner bewegten Zeit war er nicht nur
von den Naturwissenschaften, sondern auch vom
Gedankengut der Aufklärung, dem Fortschrittsglauben sowie von der beginnenden Industrialisierung angespornt und vom allgemeinen Aufkeimen
des Interesses am Volksleben inspiriert.
Er zeichnete Erlebnisse und Geschichten auf seinen
Reisen durch die Alpenländer auf. Gerne durchstreifte er auch als einfacher Jäger die Steiermark
und gesellte sich unters gemeine Volk. Durch seine
Heirat mit der Ausseer Postmeisterstochter Anna
Plochl und das Tragen der einfachen Jägerkleidung
auf seinen Streifzügen fand er die gewünschte Nähe
zu den Menschen des Steirerlandes.
Mit 14 Jahren bereits interessierte und beschrieb er
steirische berichte 1-2 /09
auf einer Reise nach Mariazell Land und Leute. Am
Abhange des Riedenberges. Hier sind die Häuser
schon mit Stroh gedeckt, auch viele halb mit Holz
und halb mit Stein gebaut … Die Bauerntracht ist
verschieden und hat ihren eigenen Geschmack; man
glaubt sich in eine andere Welt versetzt.
Genaue Kenntnis des Landes, der Bewohner, deren
Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie der Leistungen
der öffentlichen Einrichtungen erlangte er durch
eine statistische Landesaufnahme. Darauf baute und
begründete er seine Reformen.
Vision und Inspiration holte er sich auf seinen zahlreichen Studienreisen durch Europa und Kontakten
zu bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit.
1801 beschrieb er auf seiner Reise durch Salzburg
und Tirol Bauernhäuser, Lebensweise, Mahlzeiten,
Tracht, Charakter, Körperbeschaffenheit, Religion,
Volksspiele, Volkslied, Musik und Liebesleben der
Bevölkerung.
1802 führte ihn sein Weg durch die Steiermark, wo
er sich Jodler und Volkslieder vorsingen ließ und
damit seine Liedersammlung begründete.
Bereits 1804, als er noch mit seinen militärischen
Plänen befasst und auf Tirol konzentriert war,
bereitete er eine Arbeit über „Sitten, Gebräuche und
Charakter der deutschen Alpenbewohner“ vor.
Zugleich erteilte er Naturforschern, Zeichnern und
Antiquaren den Auftrag zu forschen und zu sammeln. Nach seiner „Verbannung aus Tirol“ durchwanderte und beschrieb er im August 1810 die Ausseer und Schladminger Alpen: Die Almhütten sind
niedrig aber geräumig; die heftigen Winde, welche
hier herrschen und oft den Boden furchen, lassen
kein hohes Gebäude zu. Die Dächer sind flach und
mit Steinen beschwert … Abends waren Geiger und
Pfeifer da und von Schladming kamen Bauern mit
ihren Alpenhörnern („Wurzhörnern“). Sie sind wie
Posaunen gemacht, von Lärchenholz mit Bast umgeben und geben einen reinen, angenehmen aber
zugleich traurigen Ton …
Im Oktober 1810 durchstreifte er die untersteirischen Weingegenden und schrieb Beobachtungen
über Weinbau, Weinlesefeste, Pressen, Keller und
Winzerbräuche nieder.
Dies gab ihm anscheinend Anstoß, fortan für die
Steiermark tätig zu sein, und begeistert schrieb er
1811 in sein Tagebuch:
Aus den Gebirgen entspringen die Wasser, die die
Ebene beherrschen, dort ist noch der Menschheit
Kern, von da muß Rettung kommen!
Silvia Renhart
„Eure kaiserliche Hoheit –
theurer, liebster, bester Mann.“
johann.
Anna Plochl und Erzherzog Johann
Die Beziehung zwischen Erzherzog Johann und Anna Plochl ist mit Sicherheit die bekannteste Liebesgeschichte der
Steiermark, birgt sie doch alle Bestandteile einer märchenhaften Romanze in sich: Ein Kaisersohn und eine Postmeisterstochter verlieben sich ineinander, trotzen im ländlichen Idyll allen Widerständen und dürfen nach jahrelanger Prüfung
endlich den Bund für das Leben schließen.
Spätestens seit dem Kinofilm „Erzherzog Johanns
große Liebe“ war dieses kitschig-süße Bild in einer
breiten Öffentlichkeit festgeschrieben. In der
Realität zeigte sich die Beziehung des Habsburgers
zu seiner mehr als 20 Jahre jüngeren Gefährtin
aus dem Bürgerstand freilich viel facettenreicher
und mit einer Reihe von Problemen belastet, unter
denen vor allem die junge Frau zu leiden hatte.
Die Postmeisterstochter Nanni
Anna Maria kam als ältestes Kind des Postmeisters
Jakob Plochl und seiner Frau Maria Anna, geb. Pilz,
am 6. Jänner 1804 in Aussee zur Welt. Sie hatte
zwölf Geschwister, wobei ihre Mutter nach der
Geburt des jüngsten Kindes 1821 verstarb. Familie
Plochl besaß in Aussee ein bürgerliches Haus und
galt als durchaus angesehen. Erzherzog Johann
lernte die Postmeisterstochter im Sommer 1819 am
Toplitzsee kennen und fand an dem jungen Mädchen
Gefallen. Im den folgenden Jahren trafen die beiden
immer wieder zufällig zusammen und kamen
einander näher. Im Sommer 1822 tat der Habsburger
schließlich den entscheidenden Schritt und erklärte
sich der Bürgerstochter. Die Verbesserung seiner
finanziellen Situation durch eine Erbschaft sowie
der Ankauf von Realitäten in Vordernberg trugen
daran nicht unwesentlichen Anteil. Nachdem sich
das Paar bald einig war, suchte Johann Anfang
1823 bei seinem kaiserlichen Bruder, Franz I., um
die Heiratserlaubnis an. Der Kaiser erteilte zwar
seine grundsätzliche Zustimmung, wollte die Heirat
jedoch bis auf Weiteres aufgeschoben wissen.
Wie stellte sich diese Situation nun für Anna Plochl
dar? Die junge Bürgerstochter hatte bei der ersten
Zusammenkunft mit dem Erzherzog sicher niemals
daran zu denken gewagt, in eine nähere Beziehung
mit dem so viel höherstehenden und älteren Mann
zu treten. Tatsächlich knüpfte das lebenslustige
Mädchen zunächst Bekanntschaft zu einem jungen
Mann ihres Standes. Es war dies der Leobener
Bäckermeisterssohn Vinzenz Pfeifer, der als AngeZeitgenössische
stellter in einem Vordernberger Radwerk arbeitete.
Genre-Darstellung
Die beiden korrespondierten nicht nur miteinander, „Anna als Postillion“
1-2/09 steirische berichte
15
sondern tauschten auch kleine Geschenke aus;
unter anderem besaß Vinzenz von Anna eine Rose
und einen Ring. Wie lange dieses Verhältnis gedauert hatte und aus welchen Gründen es letztlich
zerbrach, wissen wir nicht; der Bürgerssohn galt
jedoch als leichtlebiger Frauenheld. Nachdem Anna
dem Erzherzog diese Episode erzählt hatte, setzte
der Habsburger alles daran, die Spuren der ehemaligen Beziehung zu beseitigen, um das Ansehen seiner Auserwählten nicht zu gefährden. Über
Vermittlung des Bäckermeisters Pfeifer übergab der
junge Mann alle von Anna herrührenden und diese
unter Umständen kompromittierenden Gegenstände
an den Habsburger. Damit nicht genug, wurde
Vinzenz Pfeifer auch der Abschied aus Vordernberg
nahe gelegt. Mit Hilfe von Erzherzog Johann erhielt
er einen Studienplatz an der Bergakademie in
Schemnitz, die Reise- und Aufenthaltskosten übernahm der Habsburger.
Trotz aller Diskretion blieben das Werben von
Erzherzog Johann, die plötzliche Abreise
Vinzenz Pfeifers und die
letztlich gescheiterten
Hochzeitsvorbereitungen
in Aussee nicht unbe-
merkt. Klatsch und Tratsch blühten, wobei vorzugsweise Anna Plochl die Zielscheibe des Spotts bildete. Neider
und Übelwollende gab es genug, die ihr vor-
warfen, sich anmaßend über ihren Stand erheben
zu wollen.
Das Gerede zog so weite Kreise, dass sogar Staats
kanzler Metternich in
Wien von seinen PoHerrenhaus lizeispitzeln genaue Berichte über die Person der
in Vordernberg Postmeisterstochter einforderte. Aus einer
Foto: StL a
gewissen Naivität und schwärmerischen Verliebtheit heraus gelang es Anna anfangs, sich ihren
Optimismus zu bewahren. Doch zum Druck der
Umgebung kam zunehmend auch der Druck
innerhalb ihrer eigenen Familie. Jakob Plochl
sorgte sich um den Ruf seiner ältesten Tochter –
und suchte zugleich handfeste materielle Vorteile
für sie herauszuholen.
Erst im September 1823 fand dieser unhaltbare
Zustand ein Ende, und Anna sollte mit Zustimmung ihres Vaters als Wirtschafterin des Erzherzogs tätig werden. Damit begann ein neues Kapitel
in ihrem Leben, das für sie – neben der ersten
Freude über die erreichte Zweisamkeit mit einem
geliebten Menschen – sehr viele Schattenseiten
aufweisen sollte.
johann.
16
steirische berichte 1-2 /09
Die Hausfrau des Erzherzogs
Am 20. September 1823 führte Johann seine Anna
nach Vordernberg – um sie nach wenigen Tagen
bereits wieder allein zu lassen. Die vielfältigen
Geschäfte des Habsburgers ließen es nicht zu,
längere Zeit in Ruhe an einem Ort zu verweilen.
Das hieß für Anna, dass sie lernen musste, Wochen
und sogar Monate in einsamer Zurückgezogenheit
zu verbringen. Für ein junges Mädchen, das gewohnt war, im Kreis einer großen Familie mit vielen
Kindern zu leben, musste das eine gewaltige Umstellung bedeuten. Selbstverständlich trug Johann
dafür Sorge, dass Anna in seiner Abwesenheit
Gesellschaft hatte, allerdings nur durch einen von
ihm ausgewählten Personenkreis. Mit anderen, ihm
nicht vertrauenswürdig erscheinenden Menschen
sollte sie hingegen keine engeren Kontakte pflegen.
Zum Leidwesen Annas hatte der Erzherzog auch
Vorbehalte gegen ihre Schwestern und gegen ihren
Vater, so dass sie hin- und hergerissen war zwischen
der Liebe zu ihrer Familie und dem Pflichtbewusstsein gegenüber Johann. Der Habsburger handelte
dabei natürlich aus reifer Überlegung, wusste er
doch nur zu gut, wie rasch Anna in ihrer ohnehin
unsicheren Position durch unbedachte Handlungen
gänzlich desavouiert werden konnte.
Für das damals 19jährige Mädchen waren die Bevormundungen des Erzherzogs jedoch schwer zu
ertragen. Anna sah sich wegen der ständigen, bisweilen übertrieben scheinenden Bedenken immer
wieder um jede Freude und Zerstreuung gebracht,
um so mehr, da sie bisher eine begeisterte Tänzerin
gewesen war, die kaum einen Ball ausgelassen
hatte. Der schon in die Jahre gekommene Erzherzog
mied hingegen nach Möglichkeit solche Veranstaltungen, die er als höchst verderblich und gesundheitsschädlich ansah. Hier zeigten sich die
Wesensunterschiede, aber auch die Altersdifferenz
zwischen dem ungleichen Paar besonders augenfällig, was auch Anna bewusst war: Willst Du mir
denn gar die Freude nicht mehr erlauben, daß ich
nicht mehr tanzen soll. […] Du wirst Dir halt denken, jung, jung! Leider freylich jung, darum auch
noch gerne lustig.
Erzherzog Johann hatte in der Wahl seiner Gefährtin ein unverdorbenes Geschöpf aus dem Volk
gesucht, das er in gewisser Weise noch nach seinen
Vorstellungen formen konnte. In diesem Sinn versuchte er auch auf Anna einzuwirken, vor allem, was einfache und schlichte Lebensführung betraf.
Auch wenn die Bürgerstochter alles andere als anspruchsvoll war, hatte sie doch eine gewisse Freude
an Putz und Zierrat, was der Erzherzog jedoch nicht
verstehen wollte. So rügte er sie in harten Worten,
dass sie sich bei einem Ausflug nach Graz unterstanden hatte, drei Hüte mitzunehmen: Für Dich
wäre ein Gewand für alle Tage und immer das näm-
liche, eines für Visiten oder ein Überrock und Dein
schwarzer Mantel hinlänglich gewesen, denn das
viele Kleiderwechseln ist eine unzeitige Eitelkeit,
die ich nicht will. Wegen dieser und ähnlicher
Zurechtweisungen vergoss Anna viele Tränen. Sie
hatte mitunter das Gefühl, von den Freunden und
Vertrauten des Habsburgers überall überwacht
und kontrolliert und wie ein Kind mit Warnungen
überhäuft zu werden. Andererseits wollte sie ihrem
„Herzensmann“ alles recht machen und ängstigte
sich, seinen Unwillen hervorzurufen.
War Erzherzog Johann endlich ein paar Tage zu
Hause, so gestaltete sich das Zusammenleben zwischen Anna und ihm auch nicht immer erfreulich.
Wiewohl das Paar ständig brieflich miteinander in
Verbindung stand, trat während der langen Abwesenheiten doch eine gewisse Entfremdung auf, die
es immer wieder abzubauen galt. Zugleich durfte
aber auch nicht zu viel Nähe aufkommen, peinlich
genau musste darauf geachtet werden, dass man
trotz aller Bedürfnisse über das kameradschaftliche
Verhältnis nicht hinausging. Der Erzherzog wurde
durch diese allseits unbefriedigende und peinigende
Situation in schwere Depressionen gestürzt und
glaubte, durch sein Versprechen
gegenüber Anna Schuld auf sich
geladen zu haben. In der ersten
Jahreshälfte 1824 war Johann
in so düsterer Stimmung, dass
er in seinen Tagebüchern sogar
Selbstmordgedanken äußerte.
Bis aufs äußerste angespannt
und oft krankhaft gereizt, war
er von Selbstzweifeln zerfressen
und stellte bisweilen sogar Annas
Liebe in Frage. Diese fühlte sich
mit der düsteren Schwermut ihres
Gefährten oft überfordert,
zumal sie ja selbst mit der bestehenden Lage alles andere als glücklich war. Es
zeugt von der Charakterfestigkeit des Paares, dass
es diese schwere Zeit miteinander meistern konnte.
In der Tat hat es den Anschein, als ob Anna und
Johann nach dem ersten Jahr ihres Zusammenlebens immer besser lernten, miteinander umzugehen
und sich an ihre Situation zu gewöhnen. Wie in
jeder Beziehung wechselten auch hier bessere und
schlechtere Tage einander ab, letztlich sollten sich
die Gegensätze zwischen den beiden aber immer
mehr abschleifen. Freilich ist zu erwarten, dass
die junge Anna hier mehr Zugeständnisse machen
musste als ihr Radmeister. Die trotzig zur Schau gestellte Prinzipientreue des Erzherzogs beeindruckte
letztlich auch seinen kaiserlichen Bruder, der 1829
endlich seine Zustimmung zur Heirat bekräftigte.
Am 18. Februar heirateten Anna und Johann in der
Kapelle des Brandhofes, nachdem sie fünfeinhalb
Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt hatten.
Die Frau ohne Namen
johann.
Die Eheschließung mit Erzherzog Johann bedeutete für Anna freilich nur die Legitimierung ihrer
Beziehung und keine Aufnahme in die Familie
des Habsburgers. Es sollte noch lange dauern, bis
sie in Wien überhaupt Zutritt zur kaiserlichen Hofburg erhielt. Wir können nur Vermutungen darüber
anstellen, wie sich die im ländlichen Aussee aufgewachsene Frau, die keine angemessene Erziehung
genossen hatte und keine Erfahrung mit höfischer
Etikette besaß, hier fühlen musste. Gerade in den
ersten Jahren waren sicherlich alle Augen auf sie
gerichtet und jede Ungeschicklichkeit ihrerseits
wurde peinlich genau notiert – und wohl auch ausführlich kommentiert. Dazu kam die Verlegenheit,
dass man anfangs nicht wusste, wie man die Frau
des Erzherzogs überhaupt anreden sollte. Erst 1834
erhielt sie den Titel einer Freifrau von Brandhofen
zuerkannt. So nimmt es nicht wunder, dass Anna
die Zeit am liebsten in ihrer steirischen Heimat
verbrachte. Aber auch hier bewegte sie sich in gewisser Weise zwischen den Welten: Zum Bürgerstand gehörte sie nicht mehr, und selbst der Land-
adel behandelte sie nicht als ihresgleichen. Neben diesen äußeren Zurücksetzungen litt
Anna unter der anfänglichen Kinderlosigkeit ihrer Ehe, erst 1839 stellte sich der lang erwar-
tete Sohn ein.
Es scheint, dass Anna durch ihre Mutterschaft eine gewisse
Eigenständigkeit erlangte, die sich bisweilen auch mit einem energischen Auftreten paarte –
allerdings nur innerhalb der eigenen vier Wände, die sie als ihre Welt ansah. In der Öffentlichkeit, wie etwa in Frankfurt 1848, fühlte sie sich
gänzlich fehl am Platz: Ich bin für die hiesige Welt
viel zu einfach […]. Auch ihre Standeserhöhung zur
Gräfin von Meran 1850 sollte daran nichts mehr
ändern.
Nach dem Tod von Erzherzog Johann 1859 lebte
Anna vor allem in Graz, wo sie als Wohltäterin in
Erscheinung trat; am 4. August 1885 starb sie
in ihrem Geburtshaus in Aussee.
Anna Freiin
von Brandhofen.
Johann, Anna und
beider Sohn Franz.
Foto: StL a
Elke Hammer-Luza
Verwendete Quellen und Literatur (in Auswahl):
Johann Erzherzog von Österreich, Der Brandhofer und seine
Hausfrau. 3. Aufl., bearb. u. eingel. von Walter Koschatzky,
Graz 1978.
Renate Basch-Ritter, Anna Plochl. Die Frau an der Seite
Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte,
Graz 2005.
Elke Hammer, Anna Plochl und Erzherzog Johann – Kehrseiten
einer „lieblichen Romanze“. In: MittStLA 48 (1998), 299–332.
1-2/09 steirische berichte
17
johann.
„Gerichte mit Geschichte“
Fotos: Giselbrecht Es ist rund 150 Jahre her, dass Anna Plochl, die
bürgerliche Ehefrau des Erzherzogs Johann von
Österreich, ihren Gemahl mit viel Gefühl und Liebe
„bekochte“.
Kein Wunder, dass es fast ein Jahrhundert dauerte,
bis erzherzögliche Gerichte nachgekocht werden,
denn massige Mengen von Schmalz und 18 Eiern
hinterließen einen bombigen Eindruck. Werden die
Mengen aber auf vier Personen umgerechnet, so
verlieren die Gerichte viel an Kalorienschreck. Erst
mussten Umrechnungen von Loth, Quintel, Vierting, Pfund, Seidel und Maß vorgenommen werden,
bis sich die Mengen aus der Anna-Plochl-Küche
nachempfinden lassen.
Die reiche Ernährung adeliger und bürgerlicher Zeit
mag vielleicht auch an der Lebensfreude, die uns
aus Volkstänzen und Walzern entgegenschwingt,
zu tun haben. Germspeisen, Salsen und Sulzen,
Bratensäfte und Brieschen finden sich zum Abendmahle ein, bitte zu Tisch auch für Fasansuppe und
Ente mit kleinen Zwiebeln.
Mit Chips oder Pommes Frites hätte die Adelsküche
keine großen Schlagzeilen gemacht, umso spannender die Gerichteküche, in der viele internationale
und traditionelle Speisen aus der Pfanne gezaubert
wurden. So verraten Pastete à la Plochl und
Parmesankrustenbraten französisch-italienische
Kochneigungen, ohne dass bei den teuren Zutaten
gespart wurden, hatte dennoch der Wert der Wirtschaftlichkeit im Haushalt eine bedeutende Stellung. Nicht zu vergleichen mit dem „Arme-LeuteEssen“ der Bauersleut’, die noch in jenen Tagen mit
Hungersnöten und Missernten kämpften.
Gerichte
Trends in der Biedermeierküche waren vor allem
Rahm und eierreiche Speisen, sogar an Zucker hatte man sich nichts vom Mund abgespart. Aus dem
Erzherzog-Johann-Kochbuch ist herauszulesen,
dass es vor allem das Brot war, dem eine besondere
Wertschätzung zukam. So wurde Brot in Form von
Mehlspeisen, Pofesen, Semmelbrösel, Panadel
(Semmelbrei, Weißbrotsuppe) veredelt. Auf Panier
hatte man in diesen Tagen noch eher verzichtet,
doch war die Fleischzubereitung, auf Wurzelwerk
aufgesetzt, nicht aus der Küche wegzudenken.
18
steirische berichte 1-2 /09
Krapfen wie Schneeballen und Spagatkrapfen waren
auf dem „Speiszettl“ angeführt. Hirn, Milz und
Leber galten damals als geheime Liebesextrakte.
So änderte sich im Laufe der Jahrzehnte das Image
von Innereien, und sie finden heute seltener den
Eintritt in die Menüauswahl. Steirische Küche am
Hof war bekannt für Markigkeit und Kraft!
Das Kochbuch –
„ein heiliges Buch“
Alle Ehre den Dirnd’ln der damaligen Zeit, da
wurden Rezepte penibel genau in das Kochbuch
eingetragen. Ein gut geführtes Kochbuch war für
eine junge Frau quasi wie ein Bewerbungsbrief an
den Zukünftigen. Vergleicht man die Zeilen der
Rezepte aus der Zeit von Anna Plochl, so ist es
lustig zu erlesen, mit welcher Muße die Gerichte
beschrieben wurden.
Zum Beispiel die Hühnerpüreesuppe: Eine alte
Henne, eine junge Henne, Rindsuppe, ein abgezogenes Kalbshirn, im Mörser gestoßen, 20 abgezogene
gestoßene Mandeln, mit Obers angefeuchtet, eine
ganze abgeriebene, in Obers geweichte Semmel, 6
Eidotter von hartgesottenen Eiern, ebensoviel Butter, wenig Mußkatnuß, als Einlage Semmelcroutons
oder Konsumé.
Die Art der Zubereitung gleicht fast einer kleinen
geheimen Geschichte, um deren Kräuter und Zutaten sich der Hochadel berät.
In Anna Plochls Kochbuch verstecken sich zwischen
den Zeilen geheime Liebesbeweise. Wohl wissend,
dass niemand in das Kochbuch einsehen darf,
außer ihrem Liebsten. Je nach Seelenstimmung
verwendete Sie das Kochbuch wie einen stillen
„Postillion d’amour“ (Liebesbotschafter):
Wenn schon Entfernung macht, daß du auf mich
vergisst, so denke dann und wann, die unterschrieben ist. Nany
Nach einem Rezept „Tiroler Strudel“ schrieb die
auch mit dem Spitznamen „Nany“ genannte Anna
Plochl: Lustig wohlauf in Steuerinnen Brauch, und
der meinige auch.
Geduld im Leiden, sonst mutig und schweigen, nicht
ohne Noth klagen, mehr denken als zagen.
Hildegard Giselbrecht
Frühlingssuppe von Anna Plochl
johann.
Aus dem Erzherzog Johann Kochbuch
von Herta Neunteufl
Original Rezept:
Kleinste junge gelbe Rübchen, Petersilwürzchen, 3 Hände voll
gezupfter Salat, ebensoviel Sauerampfer, 1 Handvoll Kerbelkraut, ebensoviel grüne Petersilie, wenig zu dünnen Stückchen
geschnittenen jungen Porre, in kurze Stäbchen geschnittener
Schneidespargel, 1 Seidel feinste grüne Erbsen, Consommé,
Salz, Muskatnuß, gebähte Semmel, 1 Maß gute Suppe
Quelle: Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl.
Erhältlich im Kammerhof Museum Bad Aussee
(Tel: 0676 83 62 25 20) und im Steirischen Heimatwerk
in 8010 Graz, Sporgasse 23 (Tel..: 0316 82 71 06)
Heute:
H. Giselbrecht
mit ihrer
Familie
Wächst unterirdisch – schmeckt
überirdisch
Ein schweres Unterfangen war das, bis sich die Erdäpfel
über die Anden von Peru nach Europa durchringen konnte.
Der Wert der Anerkennung stieg mit zunehmenden Hungersnöten, und so erging 1767 vom Kaiser eine Instruktion
über den Anbau und die Verwendungsmöglichkeiten der
Erdäpfel in Österreich. Noch während theresianischjosefinischer Zeit wird im Hofdekret festgestellt, dass
Untertanen 2 Gulden für das Tagwerk zur Aufmunterung
des Anbaus der Erdäpfel bekommen, vor allem in rauhen
Gegenden, wo sich Misswachs des Getreides eingestellt hat.
1810 schreibt Erzherzog Johann in sein Tagebuch, dass er
einen Bauern getroffen hat, der minutiöse Berichte über
den Anbau und den Ertrag der Erdäpfel verfasst hat. Paul
Adler vlg. Christoph, Grundbesitzer in Mühlreith, nähe
Bad Mitterndorf – stand dem Erzherzog als Berater bei.
1816 und 1817 bereiste Erzherzog Johann die Obersteiermark und verteilte Erdäpfel an Hungerleidende. Durch
die von ihm gegründete Kartoffelbeitragsgesellschaft
und die Landwirtschaftsgesellschaft, die nachfolgend
der heutigen Landwirtschaftskammer gleicht, konnte
der Erdäpfelanbau gefördert werden. Er wirkte damals
als großer Aufklärer, denn der Anblick der Not, die
Hilflosigkeit der Bauern, ihre Betriebe aus eigener Kraft
ertragreicher zu gestalten, ließen sein Konzept reifen:
Das Ziel ist die wirtschaftliche und moralische Unterstützung des alpenländischen Raumes.
1831 ist der Erdäpfelanbau weitgehend durchgedrungen.
10 dag junge Karotten, zu Stäbchen geschnitten, 5 dag junge
Petersilwurzeln, 2 Händevoll Zupfsalatblätter, 1 handvoll
Sauerampferblätter, 1 Handvoll Kerbelkraut, 1 handvoll grüne
Petersilie, ½ Handvoll grüner Porre, in Scheibchen geschnitten,
1 Handvoll grüner dünner Spargel, in kleine Stücke
geschnitten, ¼ l junge grüne Erbsen, Salz, weißer Pfeffer,
1 Messerspitze Muskatnuß, Eierstich, in Butter angeröstete
Semmelstückchen, ¾ l Rindsuppe, Karotten und Petersilwurzeln
in guter Suppe bissfest kochen, Porre, Spargelstückchen, Erbsen,
dazufügen und köcheln. Zuletzt die gehackten Kräuter beigeben
und kurz mitsieden.
Eierstich bereiten: 2 Eier fest versprudeln, salzen und würzen,
in gebutterte Förmchen gießen und im Wasserbad stocken
lassen. Die Suppe über in Butter gerösteten Semmelstückchen
und dem zierlich zerteilten Eierstich anrichten.
Hildegard Giselbrecht
Ihr Habsburger könnts vielleicht
besser regieren, aber kochen können
Anna Plochl
wir Plochls besser!
Dipl.-Päd. Hildegard Giselbrecht ist im Bezirk Liezen Fachberaterin
für Urlaub am Bauernhof, Ernährung und Erwerbskombination.
Bild unten: Blüten der Kartoffel (Solanum tuberosum)
Foto:
kk
In der Eintracht Vieler liegt die Kraft, die
das Gute bewirkt. Dazu beizutragen ist eines
Erzherzog Johann, 1846
Jeden Aufgabe.
1-2/09 steirische berichte
19
Bücher zum Thema
johann.
Zahlreiche „Klassiker“ zu Leben und Wirken Erzherzog
Johanns sind fast nur mehr im Antiquariat zu erwerben
oder in Bibliotheken zu benützen. „Der Brandhofer und
seine Hausfrau“, herausgegeben von Alfred Wokaun 1959
und seither von Walter Koschatzky mehrfach neu aufgelegt,
gehört ebenso dazu wie die umfassende, aber leider nur bis
zum Jahre 1811 reichende Biographie aus der Feder von
Viktor Theiss („Leben und Wirken Erzherzog Johanns“, Neuauflage 1981) und die Festschrift „Erzherzog Johann von
Österreich. Sein Wirken in seiner Zeit“ zum 200. Geburtstag
anno 1982 herausgegeben von Othmar Pickl. Wohlfeil antiquarisch zu haben sind auch die material- und informationsreichen Kataloge zu den Gedächtnis- bzw. Landesausstellungen der Jahre 1959 (Graz, Joanneum) und 1982 (Stainz;
hrsg. v. Grete Walter-Klingenstein und Peter Cordes).
Mit „Erzherzog Johann. Mythos und Wirklichkeit“ hat
sich 1982 der inzwischen verstorbene Publizist Günther
Nenning beschäftigt, in romanhafter Form – neben anderen
– schon 1950 Hans Gustl Kernmayr („Erzherzog Johanns
große Liebe“) und 1980 der langjährige Kulturredakteur
der „Südost-Tagespost“ Wolfgang Arnold unter dem Titel
„Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman“. Der Grazer
Leopold Stocker Verlag hat diesen Roman nunmehr in
zweiter Auflage herausgebracht; für ein Publikum, das
abseits von Jahreszahlen, aber auch einen literarischen
Zugang zur Persönlichkeit des steirischen Prinzen
sucht, sehr empfehlenswert, wollte der Autor doch „das
Romanhafte im Leben dieses volkstümlichsten aller
österreichischen Erzherzoge, diese … so stark verkitschte
Liebesgeschichte mit der Postmeisterstochter Anna Plochl
auf das richtige Maß reduzieren“.
Standardwerk ist und bleibt Hans Magenschabs Biographie
des Erzherzogs, 1981 noch mit dem Untertitel „Habsburgs
grüner Rebell“ erschienen, 2008 in überarbeiteter und
textlich umgruppierter Gestalt zu „Erzherzog Johann. Bauer,
Bürger, Visionär“ mutiert. Der reich bebilderte Band von
Renate Basch-Ritter, „Anna Plochl. Die Frau an der Seite
Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte“
führt als „Porträt einer außergewöhnlichen Frau“ Leben
und Nachwirkung der aus dem Bürgerstande stammenden
Ehefrau Erzherzog Johanns vor. 1998 brachte Victoria von
Haan das Reisetagebuch ihres Vorfahren Leopold von Haan
als Begleiter Erzherzog Johanns 1837 in Russland und der
Türkei mit Dokumenten aus dem Familienarchiv Meran
kombiniert heraus, und im Frühsommer 2009 wird die
Historische Landeskommission für Steiermark eine Auswahl
aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns über seine EnglandReise 1815/16 präsentieren, als er wichtige Aufschlüsse über
die Industrialisierung Großbritanniens gewann und später
in der Steiermark umsetzen ließ. Und auch die Ergebnisse
der heurigen Symposien zu Leben und Wirken Erzherzog
Johanns werden in Buchform vorgelegt werden, um weitere
Forschungen anzuregen.
Gernot Peter Obersteiner
LEOPOLD STOCKER VERLAG
ISBN
978-3-7020-1228-1
Charlotte
Keil-Meran
FRANZ MERAN
Renate Basch-Ritter
Anna Plochl
Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch
zwei Jahrhunderte. Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz,
2005 (ISBN: 3-201-01845-7)
Erzherzog Johann/Leopold von Haan
Eine russisch-türkische Reise im Jahre 1837. Aus den Handschriften der Tagebücher erstmals hrsg. von Victoria von Haan.
Verlag Karolinger, Wien und Leipzig 1998 (ISBN 3-85418-083-7)
Hans Magenschab
Erzherzog Johann. Bauer, Bürger, Visionär
Styria, Wien–Graz–Klagenfurt 2008 (ISBN 978-3-222-13255-1)
Wolfgang Arnold
Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman
2. Auflage, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart 1980
(ISBN 978-3-7020-0365-4)
20
steirische berichte 1-2 /09
Der Sohn im
Schatten von
Erzherzog Johann
120 Seiten, zahlreiche Abbildungen,
Hardcover
� 29,90
Charlotte Keil-Meran, die Urenkelin von Franz Meran,
hat mit viel Liebe zum Detail und Wissen über ihre
Vorfahren ein Buch zusammengestellt, das Franz Meran
aus dem Schatten seines Vaters Erzherzog Johann heraustreten lässt. Es zeigt Franz Meran als liebenden
Ehemann, fürsorglichen Vater, leidenschaftlichen Jäger
und intelligenten Verwalter seiner Güter. Daneben wird
auch auf die nachfolgenden Generationen der Familie
Meran eingegangen, die mittlerweile mehr als
1.000 Mitglieder zählt.
Leopold Stocker Verlag
8011 Graz, Hofgasse 5,
Tel.: 0316/821636, Fax: 0316/835612
E-Mail: [email protected]
Internet: www.stocker-verlag.com
Die Erben des
steirischen Prinzen
johann.
Familiengeschichtliche Seitenblicke auf die
Nachkommen Erzherzog Johanns
Die direkte Nachkommenschaft Erzherzog Johanns
umfasst heute mehr als 900 Personen. Sie sind über
alle Kontinente verteilt und naturgemäß in den
unterschiedlichsten Berufen tätig.
Ihr zweiter Stammvater ist neben dem steirischen
Prinzen dessen einziger Sohn Franz (1839–1891),
der 1844 Namen und Titel eines Grafen von Meran
erhalten hatte. Die Ehe Johanns mit der bürgerlichen
Postmeisterstochter Anna Plochl war unbeschadet
ihrer kirchenrechtlichen Gültigkeit nach dynastischen Gesichtspunkten nur eine sog. morganatische
Ehe, d. h. sowohl Anna als auch ihrem gemeinsamen
Sohn kam ein anderer Rang zu als ihn der Ehemann
und Vater besaß.
Erzherzog Johann hatte zur Versorgung Annas
den Brandhof ausgesetzt, gleichzeitig sollte ihr der
Adel verliehen werden. Doch erst fünf Jahre nach
der 1829 erfolgten Eheschließung regelte man am
Wiener Hof die künftige Stellung der erzherzoglichen Gemahlin. Mit kaiserlichem Handschreiben
vom 14. März 1834 wurde ihr und etwaigen Kindern
aus ihrer Ehe mit dem Erzherzog der Freiherrenstand mit dem Namen von Brandhofen verliehen.
Nach der Geburt seines Sohnes beschäftigte sich
Johann nicht nur mit der Frage, welcher Name und
welcher Rang seinem Sohn künftig zukommen
sollten, sondern natürlich auch mit der finanziellen
Sicherstellung. Bereits 1840 nahm der Erzherzog
mit dem Wiener Hof Verhandlungen darüber auf,
die 1847 in der Errichtung eines Fideikommisses
mündeten, das jedoch 1853 vom Erzherzog widerrufen und 1855 neuerlich errichtet wurde. Dieses
gebundene Vermögen, das nur in männlicher Linie
nach dem Recht der Erstgeburt vererbt werden
sollte, umfasste das Palais Meran in Graz, Gut
Schenna mit dem Gut Ober- und Unterthurn bei
Schenna und ein Kapital von 700.000 Gulden,
das überwiegend in Staatsschuldverschreibungen
angelegt war. Die 1840 erworbene Herrschaft
Stainz wie auch der Brandhof waren freier Besitz.
Auch die Suche nach einem passenden Namen für
das neue Geschlecht gestaltete sich schwierig. Es
war der steirische Archivar Josef Wartinger, der
den Erzherzog auf die mittelalterlichen Herzöge
von Andechs-Meranien hinweisen sollte. Der
Herzogstitel rührt allerdings nicht vom tirolischen
Meran her, sondern von der Bezeichnung für die
küstenländischen Besitzungen dieser Familie.
Trotzdem war ein Bezug zu Tirol gegeben, da die
Habsburger als Nachkommen der tirolischen GörzMeinhardiner auch von den Andechs abstammten.
Am 29. April 1844 (Diplom vom 30. Dezember
1845) erhob schließlich Kaiser Ferdinand I. den
aus der morganatischen Ehe mit der Freyin von
Brandhofen entsproßenen Sohn Franz [seines
Onkels] in den österreichischen Grafenstand mit
dem Namen eines Grafen von Meran, Freyherrn von
Brandhofen. Sechs Jahre später wurde auch Anna
Plochl von Ferdinands Nachfolger Franz Joseph I.
in den Grafenstand erhoben.
Links: Die Witwe
Erzherzog Johanns,
Anna Gräfin Meran,
mit ihren Enkeln
Karoline, Rudolf
und Albrecht
im Jahre 1879.
StLA
Der Sohn des Erzherzogs
Die Stellung des Sohnes des steirischen Prinzen am
Wiener Hof war delikat. Als Sohn eines Habsburgers
war er unzweifelhaft ein habsburgischer Dynast,
zugleich jedoch der Spross aus standesungleicher
Ehe und damit nicht Mitglied des kaiserlichen
Hauses. Als kaiserlicher Offizier – er quittierte den
Dienst im Rang eines Majors – und vor allem als
Geheimer Rat, der er seit 1881 war, besaß er Zutritt
bei Hof. Seiner Herkunft aus kaiserlichem Geblüt
trug man seitens des Hauses Habsburg auch insofern Rechnung, als ihm und seinem Haus 1861 ein
erblicher Sitz im Herrenhaus, dem Oberhaus des
österreichischen Reichsrates, verliehen wurde.
1-2/09 steirische berichte
21
Fernab der rigiden Strenge des Hofzeremoniells
lässt sich in feinen Nuancierungen die tatsächliche
Stellung ausmachen, die der Graf am Wiener Hof
einnahm. 1869 wurde Franz Meran in den Orden
vom Goldenen Vlies aufgenommen, der bis heute
als einer der vornehmsten abendländischen Ritterorden gilt und dem neben den Prinzen des kaiserlichen Hauses und katholischen ausländischen Souveränen und Dynasten
die höchsten Würdenträger des
Wiener Hofes und Herren des alten
und vornehmlich hohen
Adels der Donaumonarchie
angehörten. Zu Familienfeiern
im Kaiserhaus wurde Franz
Meran wiederholt zugezogen,
vor allem dann, wenn sie
einen intimeren Charakter
besaßen, so etwa anlässlich
der Vermählung der Kaisertochter Marie Valerie mit
Erzherzog Franz Salvator
1890 in Bad Ischl, wo der Kreis
der geladenen Gäste, zu denen
auch der Graf gehörte, bewusst eng
gezogen worden war, so dass man
gleichsam en famille war.
Franz Graf Meran Franz Merans persönlicher Wirkungskreis blieb
StLA weitestgehend auf die Steiermark beschränkt, von
Reisen und den gesellschaftlichen Verpflichtungen,
die ihn an den Wiener Hof führten, abgesehen.
Jenen Institutionen, die sein Vater in der Steiermark
ins Leben gerufen hatte, war auch er verbunden,
etwa der Wechselseitigen Versicherungsanstalt,
deren Präsident er war, oder dem Landesmuseum
Joanneum. Das Grazer Stadtpalais, das Salzkammergut und der Brandhof mit seinen ausgedehnten
Revieren waren die bevorzugten Aufenthaltsorte
des ersten Grafen Meran.
Ein schweres Magenleiden machte zahlreiche
Kuraufenthalte im Süden notwendig. In Abbazia
ist Franz Meran am 27. März 1891 wenige Tage
nach seinem 52. Geburtstag gestorben. Ebenso wie
seine Eltern haben auch Franz Meran und seine
Gemahlin Theresia Gräfin Lamberg (1836–1913),
die er 1862 geheiratet hatte und dank der sich dem
Sohn des steirischen Prinzen zahlreiche Verbindungen zu Familien des österreichischen Hochadels
erschlossen, ihre letzte Ruhestätte im Mausoleum
von Schenna gefunden.
Das Meransche Fideikommiss und der damit verbundene erbliche Herrenhaussitz, die Herrschaften
Stainz und Brandhof und das südsteirische Weingut
bei Marburg gingen auf seinen ältesten Sohn Dr.
Johann Graf Meran (1867–1947) über. Wie seinen
Vater finden wir auch ihn an führender Stelle
in den von Erzherzog Johann begründeten
Institutionen. So war auch dieser Graf Meran Prä-
johann.
22
steirische berichte 1-2 /09
sident der Grazer Wechselseitigen Versicherung
und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums
Joanneum. Auch seine besondere Leidenschaft
gehörte der Jagd. Vor allem der Brandhof, auf dem
er und seine Frau Ladislaja Gräfin Lamberg alljährlich ihre mehr als 40 Enkelkinder zum Sommeraufenthalt versammelten, und die ausgedehnten
Reviere in Ungarn, die seine Gemahlin in die Ehe
eingebracht hatte, boten den entsprechenden waidmännischen Rahmen. Johann Meran war zudem
Gründungsmitglied und späterer Ehrenpräsident des
steirischen Waldbesitzerverbandes, langjähriger
Landesoberschützenmeister von Steiermark und
Ehrenmitglied der steirischen Jägerschaft.
Im Unterschied zu ihm hatte sein jüngerer Bruder
Franz (1868–1949) eine Karriere als Militär eingeschlagen. Am Ende des alten Österreich finden
wir ihn als Direktor des k. k. Gestüts in Piber, ehe
er mit Kriegsende als Oberst pensioniert wurde.
Aus dem Erbe nach seinem Vater war ihm eines
der drei sog. Meran-Häuser in der Elisabethstraße
zugefallen. Franz Meran war seit 1902 mit Marie
Prinzessin von und zu Liechtenstein, der Tochter
des sog. „roten Prinzen“ Aloys Liechtenstein
verheiratet, der zu den Wegbereitern der christlichsozialen Bewegung in Österreich gehört hatte. Aus
dieser Ehe stammten sechs Kinder, von denen im
Übrigen Sohn Albrecht (geb. am 26. April 1908)
2008 seinen hundertsten Geburtstag feierte und
damit nicht nur der erste Nachkomme Erzherzog
Johanns ist, der ein so hohes Alter erreicht hat,
sondern überhaupt der erste habsburgische Dynast,
der auf ein volles Jahrhundert Lebenszeit zurückblicken kann. Franzens jüngerer, mit Johanna
Prinzessin Auersperg verheirateter Bruder Rudolf
(1872–1959) schlug nach einem rechtswissenschaftlichen Studium die Laufbahn eines Verwaltungsbeamten ein, die ihn mehrfach in Spitzenpositionen
einzelner Kronländer der Monarchie führen sollte.
So war er Landespräsident der Bukowina und
schließlich Statthalter von Tirol und Vorarlberg.
Der jüngste der vier Enkel Erzherzog Johanns,
Albrecht Meran (1874–1928), war ursprünglich
ebenfalls Militär, studierte dann jedoch Theologie
und wurde 1902 zum Priester geweiht und 1904
zum Kuraten der Herz-Jesu-Kirche in Grundlsee
bestellt, die er bis zu seinem Tod betreute. Anna
(1864–1935), die älteste Tochter des ersten Grafen
Meran, wurde 1892 die Frau von Alfons Stefenelli
von Prenterhof und Hohenmauer, eines Offiziers
des Grazer Hausregiments IR 27 König der Belgier,
und heiratete 1896 in zweiter Ehe den 1917 geadelten kaiserlichen Offizier Johann (von) Radey,
dessen Vater Franz Landeshauptmannstellvertreter
von Steiermark gewesen war. Ihre Nachkommen
leben heute in Kanada. Ihre Schwester Marie (1865–
1933) blieb unverheiratet. Karoline (1870–1944),
die jüngste Enkelin Erzherzog Johanns, wurde 1893
die Gemahlin des niederösterreichischen Adeligen
Heinrich Freiherrn von Doblhoff-Dier. Dieser Zweig
johanneischer Deszendenten ist heute erloschen.
Noch zu seinen Lebzeiten hatte Familienchef Johann
Meran die Verwaltung von Stainz seinem ältesten
Sohn Franz übergeben, der seinem Vater später auch
im Besitz von Schenna und Brandhof folgte. Aus
der Ehe von Johann Meran und Ladislaja Lamberg
stammten insgesamt zehn Kinder, vier Söhne und
sechs Töchter. Zwei Söhne, Philipp und Hans, wurden
von ihrer Mutter mit Teilen ihres ungarischen Besitzes ausgestattet, der nach 1945 verloren ging, darunter die für ihre Jagdreviere bekannte Herrschaft
Csákbéreny, die Philipp Meran zugefallen war. Sein
Sohn Philipp, der langjährige Leiter des steirischen
Jagdmuseums, hat in seinen zahlreichen Büchern
zum Thema Jagd den steirischen Jagdherren, Jägern
und Revieren ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Ein starker Familienzweig
Unter den Nachkommen Erzherzog Johanns ist jener
Zweig, der von seinem gleichnamigen Enkel, dem
zweiten Familienchef, herrührt, der an Mitgliedern
stärkste. Seine älteste Tochter Maria Theresia wurde
1912 die Gemahlin von Karl Graf Kottulinsky auf
Neudau. Beider Sohn Dipl.-Ing. Hans Kottulinsky gehörte von 1945 bis 1949 und von 1953 bis 1959 dem
österreichischen Nationalrat an. Maria Anna Meran
heiratete 1919 Friedrich Freiherrn Mayr von Melnhof,
dem die Salzburger und oberösterreichischen Besitzungen dieser steirischen Familie zugefallen waren.
Ihr Sohn Dipl.-Ing. Friedrich Mayr-Melnhof war
von 1983 bis 1986 Salzburger Agrarlandesrat.
Dessen Tochter Doraja Eberle ist gegenwärtig als
Landesrätin Mitglied der Salzburger Landesregierung. Zu den Nachkommen von Friedrich MayrMelnhof und Marianne Meran zählen auch der deutsche Wirtschaftsminister Karl Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg und Marianne Fürstin SaynWittgenstein, die Grande Dame der Salzburger
Gesellschaft. Über ihre Schwiegertochter, die
Schauspielerin Sunnyi Melles, die zwischen 1990
und 1993 die Rolle der Buhlschaft im Jedermann
übernommen hatte, lässt sich sogar ein Bogen von
den Nachkommen Erzherzog Johanns zu den
Salzburger Festspielen schlagen, so man diese
Verbindung nicht über den Dirigenten Nikolaus
Harnoncourt, den Sohn von Ladislaja Meran,
ohnehin herstellen könnte. Diese war seit 1928 mit
dem späteren Leiter der Kulturabteilung des Landes
Steiermark Eberhard (Graf de la Fontaine und d’)
Harnoncourt-Unverzagt verheiratet. Beider Sohn
Franz ist heute – wie vor ihm sein Onkel Franz
Meran, sein Groß- und Urgroßvater – Aufsichtsratsvorsitzender der Grazer Wechselseitigen Versicherungen und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Mit seinem Bruder, dem
gedenke.
Liturgiewissenschafter und Universitätsprofessor
Familientreffen
Philipp Harnoncourt, finden wir einen Nachkommen in den 1960er Jahren.
StLA
Erzherzog Johanns unter den derzeitigen Mitgliedern des Grazer Domkapitels.
Der Besitz von Schenna, Stainz und dem Brandhof
blieb auch unter Dr. Franz Meran (1891–1983) in der
Hand des Familienchefs vereinigt. Dieser hatte als
Oberleutnant am 1. Weltkrieg teilgenommen und
anschließend Rechtswissenschaften studiert, ehe er
die Verwaltung des Stainzer Familienbesitzes übernahm. Zwischen 1934 und 1938 war Franz Meran
Mitglied des Steiermärkischen Landtages, vor 1938
zudem Präsident des steirischen Forstvereines,
Obmann des Forstausschusses der Kammer für Landund Forstwirtschaft, Obmann des Zentralkomitees
österreichischer Waldbesitzerverbände und Vizepräsident der österreichischen Landwirtschaftsgesellschaft. Nach 1945 fungierte er als Obmann des
Verbandes steirischer Waldbesitzer, war seit 1951
Präsident und später Ehrenpräsident des Steirischen
Jagdschutzvereines, Präsident der Grazer Wechselseitigen Versicherung und durch ein Vierteljahrhundert (1946–1971) Präsident des Kuratoriums des
Landesmuseums Joanneum. Das Land Steiermark
würdigte die Verdienste des Stainzer Schlossherrn
durch die Verleihung der höchsten Landesauszeichnung, des Ehrenringes des Landes Steiermark. Franz
Meran war seit 1923 mit Wilhelmine Prinzessin
Auersperg verheiratet. Beider Sohn Johann (1934–
1978) übernahm 1972 von seinem Vater Stainz und
den Brandhof. Die von ihm und seiner Frau, der
gebürtigen Stainzerin Ingrid Messner, eingeleiteten
Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen
ermöglichten eine breitere Nutzung von Schloss
Stainz, in dem heute das Bauernmuseum und steirische Jagdmuseum untergebracht sind. Heute ist sein
älterer Sohn Franz Besitzer von Stainz und Chef des
Hauses Meran, während dessen jüngerem Bruder
Friedrich der Brandhof zugefallen ist. Gut Schenna
in Südtirol wird heute von der ältesten Schwester
des gegenwärtigen Familienchefs, Dr. Johanna
Spiegelfeld-Meran, und ihrem Mann Franz
Spiegelfeld verwaltet.
Peter Wiesflecker
Peter Wiesflecker, Aus der Geschichte der Familie Meran.
In: Eleonore Steinbauer (Hg.), Stainz. Aus der Vergangenheit in
die Gegenwart, Stainz 2009, 82–89. Ders., „Mein Sohn würde
dadurch der erste seines Stammes und Namens werden …“.
1-2/09 steirische berichte
23
johann.
„Wenn Gott mit mir,
was gegen mich?“
Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit Ururenkelin Maria Cäcilia
Trauttmansdorff
Der Wahlspruch Erzherzog Johanns
steirische Frau Trauttmansdorff, Sie befassen sich seit längeberichte rem mit dem Thema „Erzherzog Johann und
sein Glaube“ – auf welche Quellen und Familienerzählungen können Sie zurückgreifen?
Es gibt eigentlich sehr wenige Familienerzählungen,
das beste Dokument ist der Brandhof selber – hier
hat Erzherzog Johann seinen Glauben am deutlichsten dokumentiert, würde ich sagen. Vor allem
mit dem Bau der Kapelle: In diesem Raum und im
angrenzenden großen Saal gibt es an der Wand
und an den gemalten Fenstern Spruchbänder mit
Worten aus der Heiligen Schrift, die ihm offenbar
Orientierung für sein Leben gegeben haben. Dass
man sich an der Bibel angehalten hat, war ansonsMaria Cäcilia ten aber zu Erzherzog Johanns Zeit ganz unüblich.
Trauttmansdorff
Foto: Schaller-Pressler Woher hatte er diese ungewöhnliche Gestaltungsidee, Bibelsprüche auf Spruchbändern an der
Wand zu verewigen?
Er dürfte sie in England kennen gelernt haben,
denn wie ich selbst erst kürzlich erfahren habe, ist
es etwas typisch Anglikanisches, Bibelsprüche in
Bauten anzubringen. Für uns Kinder waren sie so
etwas wie ein stummer Religionsunterricht.
Inwieweit hat Erzherzog Johann sich selbst um die
Ausgestaltung seiner Hauskapelle gekümmert?
rechtes Bild: Kapelle Für die Kapelle hat er vom Wiener Bildhauer
Innenansicht Böhm seinen Namenspatron, Johannes den Täufer,
3 Fotos: K ellner
schnitzen lassen. Vom selben Künstler stammt
auch ein Vortragskreuz für eine Dankwallfahrt mit
seinem ganzen Hausgesinde nach Mariazell, das
heute noch bei Familienwallfahrten mitgetragen wird. Solche Zeichen zu setzen war ihm
ganz wichtig. Am Hauptaltar steht – in Anlehnung
an den Fischer-von-Erlach-Altar in Mariazell – ein
weiteres Kreuz auf einer Weltkugel, angefertigt aus
vergoldetem Gusswerker Eisen. Gusswerk hat zu
dieser Zeit ein sehr bedeutendes Kunsthandwerk
gehabt und schwarze Eisenkreuze produziert,
die in der ganzen Gegend aufgestellt wurden;
bis Weichselboden hinaus und ebenso bis weit
24
steirische berichte 1-2 /09
hinter den Seeberg. Überall sieht man sie, und
interessant: Sie rosten nicht.
Links in der Kapelle sehen Sie eine Muttergottes
aus dem 15. Jahrhundert, die aus dem Schloss
Thernberg, einem früheren Besitz des Erzherzogs,
stammt. Der Tabernakel wurde nach einem Entwurf
von Schnorr von Carolsfeld angefertigt. Er ist aus
Zedernholz. Erzherzog Johann hat einmal im Auftrag der Regierung eine Orient-Reise unternehmen
müssen und dabei auf der Rückreise den Patriarchen von Antiochien kennen gelernt.
Er erzählte ihm vom Bau der Kapelle, worauf hin
ihm der Patriarch das Zedernholz als Geschenk
dafür mitgab.
Was bedeutet diese Kapelle seinen Nachkommen?
Das Beten in dieser Kapelle hat uns, also meine
Generation, in der Jugend sehr stark geformt. In
den großen Ferien hat es täglich Messen gegeben,
denn meine Großmutter und auch noch meine
Eltern haben in den Sommermonaten immer einen
Priester eingeladen, der dort seinen Urlaub verbringen konnte. Es ist natürlich keiner von uns
gezwungen worden, die heilige Messe zu besuchen,
aber wir haben es gerne getan. Im Sommer waren
von den 45 Enkeln meiner Großmutter oft bis zu
30 am Brandhof oben. Der Brandhof war auch
immer von einer starken, natürlichen religiösen
Atmosphäre geprägt. Unsere Großmutter hat uns
immer eine halbe Stunde vor dem Mittagessen
zusammengefischt und mit uns – immer vor dem
Hintergrund ihres sehr starken Glaubens – religiöse Gespräche geführt; auch darüber, wie man mit
verschiedenen Lebenssituationen fertig wird. Ein
Tischgebet war selbstverständlich. Und Mariazell
war für uns wie auch für die nächste und übernächste Generation der Ort, wo man gerne hingepilgert ist. Oft haben meine Vettern und Cousinen
gesagt: So, morgen gehen wir nach Mariazell. Das
war ein vier- bis viereinhalbstündiger Weg, und
wir mussten früh aufstehen, dass wir rechtzeitig
zur Acht-Uhr-Messe dort waren.
Ist Erzherzog Johann regelmäßig gewallfahrtet?
Das kann ich nicht sagen. Die Wallfahrten haben
zu dieser Zeit gerade erst wieder begonnen. Unter
Kaiser Josef II. waren sie ja verboten. Zu Erzherzog
Johanns Zeiten hat man sich allerdings nicht mehr
daran gehalten. Es gibt übrigens ein schönes Bild,
wo Erzherzog Johann auf einer Wallfahrt zu sehen
ist: kniend, den Gnadenort schon in der Weite
erblickend. Dieses Motiv wird in Mariazell auch als
Postkarte verkauft.
Und wie sieht es aus mit persönlichen Glaubensaussagen Erzherzog Johanns?
Man hat zu dieser Zeit nicht so viel über Religion
in der Gesellschaft gesprochen – auch in meiner
Kindheit war das noch nicht üblich. So wie man
auch über intimere persönliche Dinge nicht ge-
johann.
Votivbild mit
dem Brandhof.
sprochen hat. Es war vielmehr eine Selbstverständlichkeit, dass man aus dem Glauben heraus gehandelt hat. Und der Glaube ist so vorgelebt worden,
dass man nicht viel darüber sprechen musste.
Ein Ausspruch von Erzherzog Johann ist allerdings
ziemlich bekannt, den er vor dem Bau der Kapelle
tätigte: „Am Hause meines Herrn will ich selbst
mit Hand anlegen.“ Er hat auch tatsächlich selbst
als Maurer mitgearbeitet. Außerdem hat er gesagt:
„Beim Bau des Brandhofs soll die Kapelle die Mitte
des Hauses ausmachen.“ Offensichtlich war es ihm
sehr wichtig, dass eben der Herrgott den HauptPlatz in seinem Haus hatte – mit der Kapelle als
einem Ort der Geborgenheit für eine zukünftige
große Familie.
Ich danke für das Gespräch.
Gertraud Schaller-Pressler
… darum gehe ich bald auf den Brandhof arbeiten,
wie jeder andere, an dem Haus meines Gottes,
an dem schönsten Teil meines Gebäudes;
da arbeite ich als Maurer wie jeder andere und denke dabei an den Gott,
dem ich so vieles zu danken habe, Friede, Ruhe und sie meine Th: N: [teure
Nani], die er mir gab, um mich sonderbar zum Guten zu führen.
Sein Wirken
Erzherzog Johann v. Österreich.
Zeit, Festschrift, hrsg. v. O. Pickl, Graz 1982.
in seiner
1-2/09 steirische berichte
25
Dynamischer Wirtschaftspolitiker, Reformer
und Motor des Fortschritts
Erzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte
steiermark.
Dabei kam ihm sein großes Wissen zugute. Schon
früh war er an Natur, Technik und Wirtschaft
interessiert und hatte mit wissenschaftlicher Akribie Sammlungen angelegt.
Warum waren Reformen in
Österreich bitter notwendig?
Eine der ersten Erzherzog Johann war ein nachhaltiger Erneuerer,
Dampfmaschinen. dessen Leistungen bis heute spürbar sind. Mehrere
Foto: kk
Zufälle bewirkten, dass der 1782 in Florenz geborene Prinz in die Steiermark kam. Die Toskana war
unter der habsburgischen Verwaltung eine hoch
entwickelte Region. Hier hatte sich die Wirtschaft
gut entfaltet und man war im Bank- und Manufakturwesen sehr fortschrittlich. Erzherzog Johanns
Vater hatte als toskanischer Großherzog Pietro
Leopoldo viele Reformen durchgeführt. Nach dem
Tod seines Bruders Josef II. musste der Großherzog
nach Wien, um als Kaiser Leopold II. ein schweres
Erbe anzutreten. Er regierte nur kurz, 1792 starb er
überraschend; doch es war ihm gelungen, die Reformen seines Bruders mit Augenmaß weiter zu führen.
Erzherzog Johann war das 13. Kind von Leopold II.
– damit war klar, dass er weder für die Kaiserwürde, noch für die des Großherzogs der Toskana
bestimmt sein würde. Dies relativiert auch seinen
formellen Thronverzicht, den er wegen seiner unstandesgemäßen Heirat erklären musste. Johann
war für eine militärische Karriere vorgesehen. In
der von den Wirren der Napoleonischen Kriege geprägten Periode wurde er Feldmarschall und Generaldirektor für das Genie- und Fortifikationswesen.
Es gab blutige Schlachten und die nüchterne
Erkenntnis, dass man Napoleons strategischen
Fähigkeiten nicht gewachsen war. Auch politisch
gab es für Erzherzog Johann Misserfolge: Sein
Engagement für den erfolglosen Tiroler Freiheitskrieg und den „Alpenbund“ wurden vom Hof abgelehnt, und Kaiser Franz I. verbot ihm, sich in Tirol
aufzuhalten. Dies bewirkte Johanns Hinwendung
zur Steiermark, wo er sich – ohne offiziellen Auftrag dazu – für viele Reformen einsetzte.
26
steirische berichte 1-2 /09
Während sich in England bereits in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts die Industrielle Revolution und der Liberalismus durchgesetzt hatten,
war Österreich noch bis 1848 von der bevormundenden Wirtschaftspolitik des Merkantilismus
geprägt. Es herrschte ein Klima der Unfreiheit, bis
1848 war die Zeit des „Vormärz“ und des Biedermeier von Repression gekennzeichnet. Das geistige
Leben war von internationalen Strömungen abgeschottet, selbst Erzherzog Johann hatte Probleme
mit der Zensur, wenn er sich ausländische Bücher
besorgte. Staatliche Eingriffe behinderten die freie
Entfaltung, dazu kamen noch die mächtigen Zünfte,
die bei uns erst 1859 abgeschafft wurden. Sie
beherrschten den Markt, verhinderten Konkurrenz
und waren innovationsfeindlich. Aber auch die
Struktur der Landwirtschaft war antiquiert; denn
es gab noch bis 1848 die Grunduntertänigkeit. Hier
waren fast alle europäischen Staaten fortschrittlicher. Man litt aber auch unter den Missernten von
1816 und 1817, die zu Hungersnöten führten. Dazu
kamen noch die ökonomischen Probleme, welche
mit den Franzosenkriegen verbunden waren. Viele
Manufakturen waren zugrunde gegangen. Die für
die Steiermark wichtige Eisenindustrie litt unter
den durch die Kriegswirren verstopften Absatzwegen. Doch es gab auch Strukturprobleme: Die
steirische Eisenindustrie war lange im Spitzenfeld
Europas angesiedelt, doch durch die Industrielle
Revolution geriet die Steiermark ins Hintertreffen.
Die Welt stand im technologischen Umbruch, aber
man hielt noch an veralteten Produktionsmethoden
fest und hatte den Anschluss verpasst. Aber auch
die Finanzsituation des Staates spitzte sich zu; die
Lasten der Kriege und die ungünstigen Konditionen
der Friedensschlüsse brachten einen Ruin der
Staatsfinanzen. Im Jahr 1811 kam es sogar zum
österreichischen Staatsbankrott.
Mutig und kreativ
gegen die Krisen
Gerade in der Krise bekämpfte Erzherzog Johann
den Niedergang mit mutigen Initiativen. So kann
es als Lehrstück aufgefasst werden, dass er gerade
im dramatischen Jahr 1811 das Joanneum als Lehrund Forschungsanstalt begründete, die später Keimzelle der Technischen Universität in Graz war. Er
setzte auch Initiativen zur Schaffung der späteren
Montanuniversität. 1827 war er wesentlich an der
Wiedererrichtung der Grazer Universität beteiligt,
die, bereits 1585 begründet, unter Josef II. zum
Lyzeum abgesunken war. Johann setzte Marksteine
in Richtung einer modernen Wissensgesellschaft.
Es ist deutlich, dass ihm die Hebelwirkung von
Forschung und Entwicklung bewusst war und er
seiner Zeit vorauseilte. Heute entspräche dies den
Zielsetzungen der „Lissabon-Strategie“. Er setzte
sich auch für die Kunst ein. So war er Protektor des
Steiermärkischen Musikvereines: Daraus ging später
die Hochschule bzw. Universität für Musik und darstellende Kunst hervor. Er wusste auch um die
Bedeutung moderner Interessenvertretungen und
trug zu den Grundlagen für die ab 1848 nach ausländischen Vorbildern begründeten Handelskammern
bei, aber auch die Vorläufer der Landwirtschaftskammer tragen seine Handschrift. Er war auch
Begründer der Grazer Wechselseitigen Versicherung.
Er setzte sich für die Modernisierung der Eisenerzeugung ein und wirkte selbst in Vordernberg als
Radmeister. Er kümmerte sich auch um die soziale
Situation der Arbeiter und setzte sich für die Bruderladen der Berg- und Hüttenarbeiter ein, die eine Vorläuferfunktion für die Sozialversicherungen hatten.
Durch Industriespionage
Anschluss an
neue Technologien
In Österreich erkannten führende Persönlichkeiten
bereits vor 1800, dass es wichtig wäre, wieder den
Anschluss an neue Technologien zu gewinnen und
den Briten nachzueifern. Um den Rückstand aufzuholen war die Wirtschaftsspionage ein probates Mittel. Bereits 1789 gelang es dem Grafen
Batthyány, in England moderne Spinnereimaschinen am Schwarzmarkt zu erwerben. Man ging
ein hohes Risiko ein, als man diese nach Hamburg
schmuggelte.
Dort wartete ein Ochsengefährt für den langen
Transport in die Oststeiermark. Dies war der Start
der modernen Spinnereiindustrie in Österreich;
die damals begonnene Textilfabrikation war ein
Vorläufer der heutigen Firma Borckenstein.
Großbritannien versuchte Exporte von Know-how
zu verhindern. Es war britischen Technikern untersagt, ihr Wissen weiterzugeben, und aus Angst vor
Wirtschaftsspionen gab es Besichtigungsverbote
für britische Fabriken.
Dennoch gelang es Erzherzog Johann 1815/16 während eines dreimonatigen Aufenthalts in England
zahlreiche Industriebetriebe zu besichtigen. Der
Bogen reichte von Eisenwerken, Dampfmaschinenfabriken, chemischen Fabriken, Whiskybrennereien
bis zu Infrastruktureinrichtungen, wie beispielsweise dem legendären Bridgewater-Kanal. Für
sein Besichtigungsprogramm legte er sich englische
Kleidung zu, um nicht als Ausländer erkennbar zu
sein. Er lehnte viele Einladungen zu Hofereignissen
ab, um mehr Zeit für Industriebesuche zu haben.
Oft besuchte er sogar mehrere Fabriken am Tag und
analysierte genau die dort angewandten Technologien. Viele der neu gewonnen Erkenntnisse setzte
er in der Steiermark um.
Er zählte auch zu den ersten heimischen Unternehmern, welche bereits Dampfmaschinen einsetzten. Er sandte den Techniker Peter Tunner auf eine
zweijährige Studienreise zu Betrieben in ganz
Europa. Es kann dies als eine staatliche Lenkung
der Industriespionage betrachtet werden. Erzherzog
Johann war auch ein Vorkämpfer für die Modernisierung der Infrastruktur. Seine Intervention
bewirkte, dass die Trasse der Südbahn nicht über
Deutsch-Südwestungarn (= heutiges Burgenland)
geplant wurde. Er war ein wirksamer Lobbyist für
die Steiermark. Ohne ihn wäre der Aufschwung
des Mur- und Mürztales undenkbar gewesen. Dabei
war man vom unbegrenzten Vertrauen in die
Technik getragen, denn die Semmering-Strecke
wurde von Carl Ritter von Ghega geplant, als es
mit solchen Steigungen einer Gebirgsbahn noch
keine Erfahrungen und keine geeigneten Lokomotiven gab. Man war zuversichtlich, dass dies bis
zur Fertigstellung der Trasse gelöst sein würde –
und man behielt Recht.
Erzherzog Johann darf nicht zum Universalgenie
verklärt werden, doch er hatte als Politiker die
Gabe, die fortschrittlichsten Ideen seiner Zeit
aufzugreifen und die besten Köpfe für deren
Umsetzung zu gewinnen. In diesem Sinne wäre
der joanneische Geist auch heute noch wichtig.
steiermark.
Links:
Erzförderung
mit Hilfe eines
sog. Sackzuges.
Foto: kk
Erzherzog Johann
von Österreich.
Gemälde von
Leopold Kupelwieser.
Foto: kk
Gerald Schöpfer
1-2/09 steirische berichte
27
steiermark.
Innovation auch
in turbulenten Zeiten
Wirtschafts- und Innovationslandesrat Dr. Christian Buchmann im Interview mit
den steirischen berichten
Die Steiermark ist ein Innovations- und Wissensstandort. Diese Position will die Steiermark auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten halten und nach Kräften ausbauen. Spätestens seit Erzherzog Johann, dem „steirischen Prinzen“, beweisen die
Steirerinnen und Steirer, dass „hier Innovation aus Tradition“ gelebt wird, dies gilt es gerade im Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 2009 besonders zu beachten. „Im Wirtschaftsressort des Landes wurden deshalb wesentliche Initiativen zur Unterstützung von Unternehmen und zur Dynamisierung des Wirtschaftsstandortes gesetzt“, betont der Landesrat im Interview.
steirische Im Jahr 2009 feiert die Steiermark eine ihrer
berichte wesentlichsten Identifikationsfiguren, Erzherzog
Johann, sieht sich aber andererseits mit den realen
Problemen der Wirtschaft konfrontiert. Wie geht
es dem Wirtschaftsstandort Steiermark so zwischen Tradition und Krise?
Die Auswirkungen der Finanzkrise sind von der
Wall Street in der Main Street angekommen. Die
steirischen Unternehmen spüren das nachhaltig,
beinahe täglich erhalte ich die Meldung, dass
wieder ein Unternehmen Mitarbeiter zur Kurzarbeit
anmeldet oder im schlimmsten Fall sogar kündigen
muss. Das ist bitter. Ich bin aktuell sehr viel in den
Regionen, in den steirischen Bezirken, bei Betriebsbesuchen unterwegs, um Mut zu machen, und mache dabei auch viele positive Erfahrungen. So gibt
es etwa 30 Unternehmen in der Steiermark, die in
der nächsten Zeit bis zu zwei Millionen Euro invesInnovationslandesrat tieren möchten. Das spannt aus meiner Sicht auch
Dr. Christian den Bogen zum Erzherzog: Wenn nicht gerade hier
Buchmann.
Foto: Frankl in der Steiermark, der grünen Mark, immer wieder
Menschen beheimatet gewesen wären, die sich über
alle Regeln hinweggesetzt haben und den Mut
hatten, Neues zu schaffen, wären wir heute nicht
das Forschungsland Nummer eins in Österreich.
Die Montanuniversität in Leoben geht auf eine Initiative von Erzherzog Johann zurück. Hat er trotz
der heute nicht mehr im wirtschaftlichen Ausmaß
vorhandenen Bodenschätze richtig gehandelt?
Er hat in jedem Fall richtig gehandelt, weil er etwas
möglich gemacht hat. Er hat Rahmenbedingungen
geschaffen, die von den Fachleuten perfekt genutzt
worden sind. Das zeichnet den Erzherzog aus, das
zeichnet aber auch jeden Politiker von heute aus.
Die Montanuniversität ist seit ihrem Bestehen eine
Hochburg technologischer Innovation. Im Bereich
der Werkstoffe, wo die Montanuni österreichweit
führend ist, ist es uns aufgrund der ausgezeichneten Leistungen von Expertenteams gelungen, eines
von drei genehmigten Superkompetenzzentren
nach Leoben zu holen.
28
steirische berichte 1-2 /09
Was darf man sich unter Kompetenzzentren
vorstellen?
Kompetenzzentren sind „Innovations-Schmieden“.
Von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen
finanziert, wird in Kompetenzzentren Grundlagenforschung so weit spezialisiert, dass sie durch angewandte Forschung letztlich in am Markt umsetzbare Innovationen mündet. Das Wirtschaftsressort
unterstützt die Kompetenzzentren in den nächsten
Jahren mit 100 Millionen Euro, auch mit der
Absicht, das Thema Innovation in der Steiermark
zu verbreiten. Es müssen mehr kleine und mittlere
Unternehmen die Schwellenangst vor dem Thema
verlieren und sich in Innovationsprozesse einklinken. Derzeit haben wir in der Steiermark 25 von 66
Kompetenzzentren in Österreich.
Die Steiermark hat schon jetzt die höchste
regionale Forschungs- und Entwicklungsquote,
lässt sich das noch steigern?
Die Steiermark konnte in Zeiten der Hochkonjunktur eine Forschungs- und Entwicklungsquote von
3,9 % erreichen, das ist die höchste regionale Quote
in Österreich. Die F&E-Quote errechnet sich am
Bruttoregionalprodukt, Ziel ist selbstverständlich
diese Quote zu halten oder sogar wirklich an den
4 %, die wir uns in der Wirtschaftsstrategie des
Landes „Innovation serienmäßig“ für 2010 als Ziel
gesetzt haben, zu kratzen. Denn auch in den
aktuell wirtschaftlich äußerst turbulenten Zeiten
halten wir am Ziel, Innovation serienmäßig zu
leben, fest. Wie bereits erwähnt, werde ich bei
meinen Betriebsbesuchen laufend mit der paradoxen
Situation konfrontiert, dass Unternehmen einerseits
Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, andererseits aber qualifizierte Fachkräfte zum Beispiel für
den Engineeringbereich suchen. Bei Magna werden
seit einigen Monaten 200 Ingenieure gesucht.
Was kann die Politik tun, was können Sie konkret
als Wirtschaftslandesrat in der Steiermark in der
aktuellen Situation tun?
Um die steirischen Unternehmen auf ihrem Weg
durch turbulente wirtschaftliche Zeiten zu unterstützen, wurden im Wirtschaftsressort des Landes
Steiermark noch im Dezember 2008 wesentliche
Maßnahmen beschlossen. Das Ziel der Wirtschaftsstrategie, die Steiermark zur Meisterin der am Markt
umgesetzten Innovation zu machen, gilt gerade in
diesen Zeiten, um Wertschöpfung am Standort
Steiermark zu ermöglichen.
Es ist aber zu erwarten, dass durch die Turbulenzen
einige steirische Unternehmen zunehmend Restrukturierungsbedarf aufweisen werden, deshalb
installierte das Wirtschaftsressort des Landes in
Kooperation mit der Wirtschaftskammer einen
„Beraterpool“, mit dem Ziel, gerade für kleinere
Unternehmen mit Liquiditätsbedarf Bonitätsberatungen durchzuführen.
Außerdem stehen steirischen Unternehmen vermehrt
die Instrumente der Haftung und der Garantien
zur Verfügung: Insgesamt 25 Millionen Euro für
Haftungen und Garantien stehen für steirischen
Unternehmen bereit, um ihnen aus der Kreditklemme zu helfen.
Zudem ergreift die Steiermark als eines der ersten
Bundesländer in Österreich die von der Europäischen Union eingeräumte Möglichkeit zur
Installierung einer Dachrichtlinie „Überbrückungsmaßnahmen während der Finanz- und Wirtschaftskrise im Geltungsbereich des Bundeslandes
Steiermark“. So können die Mitgliedsstaaten insbesondere zu erleichterten Bedingungen Zinsenzuschüsse, Kreditbürgschaften mit günstigeren
Prämien, höhere Risikokapitalbeihilfen für KMU
und direkte Zuwendungen gewähren. Nur wer
schnell hilft, hilft nachhaltig – das Wirtschaftsressort des Landes Steiermark hat als erstes in
Österreich umgehend die Förderungsinstrumentarien an dieser Richtlinie orientiert!
auch Kreativwirtschaft, die nicht nur auf Design
beschränkt ist, gilt seit meiner Verantwortung für
das Wirtschaftsressort im Jahr seit 2005 verstärkte
Aufmerksamkeit.
steiermark.
In der Steiermark entsteht jeder zweite Arbeitsplatz durch den Export. Jetzt sind exportintensive
Wirtschaftszweige besonders betroffen, wie lässt
sich da gegensteuern?
Die Erfolge der exportorientierten Unternehmen
haben der Steiermark in den letzten Jahren einen
enormen Aufschwung ermöglicht, 2007 beliefen
sich die Exporte auf über 16 Milliarden Euro, die
Steiermark hatte damit immerhin einen Österreichanteil von 14 Prozent. Ich möchte künftig die
Internationalisierung der steirischen Wirtschaft
weiter vorantreiben und so stark auf die Steiermark
aufmerksam machen, dass Unternehmen ihre Zentralen im „Neuland Steiermark“ ansiedeln. In den
nächsten Jahren sollen insbesondere know-how-intensive Unternehmen oder Unternehmensteile von
internationalem Format vor Ort angesiedelt werden.
Im Auge haben wir im Wirtschaftsressort sogenannte Headquarters, also Zentralen internationaler Unternehmen, und Centers of Competence, das
sind die Technologie- bzw. F&E-Zentren internationaler Konzerne, um Stärkefelder der steirischen
Wirtschaft zu stärken und damit Arbeitsplätze zu
sichern und falls möglich neue zu schaffen.
Gerald Gölles
Oben: Versuch im
Grazer Kompetenzzentrum „Virtual
Vehicle“.
Unten: Forschung
an Enzymen
im Grazer
Kompetenzzentrum
„Angewandte
Biokatalyse“.
Fotos: Frankl
Hat man sich in der Steiermark zu sehr auf den
Exporthit „Auto“ verlassen?
Ein Viertel der steirischen Wertschöpfung und rund
40.000 Arbeitsplätze hängen mit der Automobilproduktion zusammen. Die aktuelle Situation hat
gezeigt, dass der Wirtschaftsstandort aufgrund
seiner hohen Konzentration auf den automotiven
Sektor verletzbar ist und nicht alle gesetzten Maßnahmen der 80er und 90er Jahre heute im Zeichen
des Lichts stehen. „Wo viel Licht ist, ist starker
Schatten“ sagte schon der Titelheld in Goethes
Schauspiel „Götz von Berlichingen“.
Dennoch: Das Arbeiten in Clustern und Netzwerken
haben wir Steirer zwar nicht erfunden, aber in den
vergangenen Jahren europaauffällig gelebt. Durch
die starke Konzentration auf das Automobil wurden
aber Wachstumschancen in anderen Bereichen unterschätzt. Diesen wachstumsintensiven Bereichen
wie Humantechnologie, Umwelttechnologie oder
1-2/09 steirische berichte
29
steiermark.
Der „steirische Prinz“
und seine Bauern
Überlegungen abseits von Idealisierungen und Ideologisierungen
Am 23. Oktober 2004 hat die Steirische Landwirtschaftskammer in einer zünftigen Feierstunde im
Grazer Kongress ihr 75jähriges Bestehen gefeiert,
heuer gedenkt auch sie – wer eigentlich nicht in
unserem weiß-grünen Land? – ihres eigentlichen
Urhebers Erzherzog Johann, der am 28. März 1819
die Gründungsversammlung einer steirischen
„Landwirtschaftsgesellschaft“ präsidierte. Nicht
nur agrarpolitische Insider erinnert diese eigenartige Inkonsistenz historischer Zuschreibungen an
die im Mai 1999 in den Kasematten des Grazer Schlossberges groß ins
zenierte Hundertjahrfeier des nach-
weislich am 13. Juni 1945 gegrün-
deten Steirischen Bauernbundes.
Natürlich, man kann das alles
wohlfeil argumentieren: 1899 hat Franz Hagenhofer den „Katholisch-
conservativen Bauernverein für Mittel- und Obersteiermark“ gegründet, der in hier nicht weiter zu erörternder Weise
durch Monarchie, Weltkrieg, Erste Republik
und Austrofaschismus Bestand hatte und als
Wurzelstock der politischen Neupositionierung
der konservativ-christlichen Bauernschaft
wie auch der national-liberalen LandbundNachfolger Platz in der ebenfalls neu gegründeten
Volkspartei fand. Selbstverständlich lassen sich
auch genügend Entwicklungslinien von der angesprochenen Landwirtschaftsgesellschaft bis zur
Kammergründung 110 Jahre danach konstruieren.
Und es ist halt allemal attraktiv, im gleißenden
Licht einer steirischen Ikone wie Erzherzog Johann
durch Feste sowie Gedenktage und -jahre Fakten
zu setzen.
ändert ebenfalls nichts, dass der vermeintliche
Höhepunkt in Johanns Leben, die Bestellung zum
deutschen Reichsverweser 1848, von der realpolitischen Bedeutung her betrachtet letztlich kaum
Gewicht in der deutschen Geschichte findet. Aber:
Wir sind Erzherzog Johann!
Der „steirische Reformator wider Willen“, wie ihn
Gerfried Sperl in seiner „knappen Geschichte eines
üppigen Landes“ zu Recht bezeichnet, der „liberale“
Habsburger, dessen Liberalität wohl auch mit
seinem Platz in einer der hinteren Reihen in der
Hierarchie des Herrscherhauses korrespondiert,
verdankt sein – sagen wir es modern – hervorragendes Image zwei im öffentlichen Diskurs
nur schwer zu differenzierenden Entwicklungen.
Zum einen hat er als Person die Zeichen der
Zeit nicht nur erkannt, sondern dieses Erkennen
in Taten auch manifest gemacht. Damit wurde
Erzherzog Johann selbstredend zu einer herausragenden, aber nicht unbedingt einzigartigen Persönlichkeit der weiß-grünen Geschichte.
Zum anderen aber, und das ist sein eigentliches
Alleinstellungsmerkmal, haben ihn Entwicklungen
der Landesgeschichte insbesondere nach 1945
zur Ikone werden lassen. Zur Erinnerung: Das
große Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 1959, das
in einer Generalkodifizierung des „Steirischen“
mündete, war nicht zuletzt auch die weiß-grüne
Selbstversicherung, dass Begriffe wie Heimat,
Boden und Bauernstand ihre braune Punzierung
nicht mehr länger verdienten. Einfacher gesagt:
Erzherzog Johann war und ist bis heute der unverdächtigste Steireranzugträger geblieben.
Steirischer Reformator
wider Willen
Hans Magenschab nennt den Erzherzog Johann
in seiner 2008 wiederaufgelegten Biografie im
Untertitel „Bauer, Bürger, Visionär“. Das, was wir
heute oft recht gedankenlos den „ländlichen Raum“
nennen, war für den Erzherzog eine Gegenwelt
zur erfahrenen städtischen Realität von Intrigen
und Machtkalkül. Es wird heute gerne übersehen,
dass die Gründung der Landwirtschaftsgesellschaft
(1819) in einem untrennbaren Zusammenhang
mit der Gründung des Joanneums (1811) steht.
Der wissenschaftlich-pädagogischen Absicht einer
Darstellung der Natur, ihrer Vielfalt und ihres
Reichtums, auch im ökonomischen Sinn, ließ
Die Bedeutung des „steirischen Prinzen“ für das
Land ist unbestritten. Daran ändert auch nichts,
dass Erzherzog Johann in die Steiermark überhaupt
erst nach seinem weitgehend missglückten politischen und militärischen Engagement im Tiroler
Freiheitskampf gekommen ist. Sein Bruder Kaiser
Franz I. hatte ihm den Aufenthalt im Land des
Andreas Hofer schlicht und einfach verboten, und
die Steiermark „wäre ein Pflaster auf die Wunde,
welche mir der Verlust von Tirol schlug“. Daran
30
steirische berichte 1-2 /09
Bauer – Bürger – Visionär
gedenke.
Johann durchaus schlüssig Instrumente zur Stärkung
jener entwickeln, die diese Natur bestellten. Das
„Selbstdenken“ ist dabei einer seiner Schlüsselbegriffe, der Johanns Texten ihre ungebrochene
Aktualität verleiht. Sein Interesse galt weniger
der Landwirtschaft insgesamt als vielmehr jenen
Höfen, die sich dem Fortschritt verpflichtet fühlten,
weniger einer in sich abgeschlossen lebenden
Bauernschaft, sondern jenen, die als Mitgestalter
einer sich neu und aus den Idealen der Aufklärung
formierenden ländlichen Gesellschaft agierten.
Schicksalsgemeinschaft
So wie heute der steirische Landesrat Hans
Seitinger, der das „Lebensressort“ der Steiermärki-
schen Landesregierung leitet, hat auch Erzherzog
Johann den ländlichen Raum als Schicksalsgemeinschaft aller hier Lebenden verstanden. Er
war der, der die Bauern zu bilden und die großen
Grundherren aus ihrem ständisch-selbstzufriedenen Dünkel herauszuholen versucht hat.
Erzherzog Johann, der sein Amt stets auch als
Dienst verstanden hat, wollte die „Herren vom
Land“ als Dienstleister für die Allgemeinheit
verstanden wissen. Das war – rückblickend
betrachtet – zumindest ebenso bedeutsam wie
die Vielzahl der auf ihn direkt zurückgehenden
agrarischen Neuerungen, wovon eine Reihe von
Musterbetrieben beredtes Zeugnis gibt.
Die Schwarzenseealm (links) und
der Schwarzensee
(rechts) laden zum
Verweilen im
steirischen
Kleinsölktal ein.
Fotos: Giselbrecht
Hans Putzer
1-2/09 steirische berichte
31
wissenschaft.
kunst.
kultur.
„Joanneischer Geist“ und
die Gegenwart
Landesrätin
Mag. Kristina
Edlinger-Ploder
zu Besuch
in steirischen
Forschungseinrichtungen. Deren
Gründung geht
zu einem großen
Teil auf den
Erzherzog zurück.
Foto: Fischer
Steirischer Forschungsrat
Der vielbeschworene „joanneische Geist“ – also die
Besinnung auf das zukunftsorientierte Denken
und Handeln des „steirischen Prinzen“ Erzherzog
Johann – ist in der Wissenschafts- und Innovationspolitik der Steiermark nicht nur wohlklingende
Leerformel, sondern in weiten Bereichen erfolgreich
gelebte Realität.
Die für Wissenschaft und Forschung in der Steiermärkischen Landesregierung zuständige Landesrätin
Mag. Kristina Edlinger-Ploder stellt stolz fest: „Mit
einer Forschungs- und Entwicklungs-Quote von
über 3,9 % ist die Steiermark seit Jahren nicht nur
an der Spitze der österreichischen Bundesländer,
sondern unter den Top-Regionen Europas.
Wir liegen damit über dem Österreich-Schnitt von
2,46 % und haben damit auch das für 2010 von der
EU proklamierte Barcelona-Ziel signifikant übertroffen. Das ist in erster Linie dem Forschergeist
exzellenter steirischer WissenschafterInnen, aber
vor allem auch überdurchschnittlich innovativer
Unternehmen, gezielten Investitionen und der
forcierten Förderung von Wissenschaft und
Forschung zu danken.“
Diese Forscherpersönlichkeiten wirken zu einem
großen Teil in Institutionen, deren Gründung auf
den Erzherzog zurückgeht. Bekanntlich sind sowohl
die Technische Universität als auch die Montanuniversität Leoben in ihren Wurzeln joanneische
Gründungen, aber auch die Karl-Franzens-Universität Graz verdankt dem steirischen Prinzen die
Rangerhöhung von einem Lyzeum, zu dem sie unter
Kaiser Joseph II. herabgestuft worden war, zu einer
Volluniversität. Und das Palais Meran in Graz, der
heutige Hauptsitz der Kunstuniversität, war der
letzte Grazer Wohnsitz des Erzherzogs.
Die größte landeseigene Forschungsgesellschaft
Österreichs wurde bewusst programmatisch „Joanneum Research“ genannt. Das Motto von Joanneum
Research lautet „Innovation aus Tradition“. Auch
das ist ein joanneisches Leitmotiv: Seit Erzherzog
Johann hat Innovation in der Steiermark Tradition
und wächst Innovation aus Tradition.
32
steirische berichte 1-2 /09
Seit 2006 wird die Steiermärkische Landesregierung
durch den „Steirischen Forschungsrat“ (Forschung,
Innovation und Technologie für die Zukunft) in
strategischen Fragen für künftige Herausforderungen beraten und begleitet. Dieser setzt sich aus
international angesehenen Persönlichkeiten aus
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zusammen.
Nach 18 Monaten seiner Tätigkeit hat der Rat
zunächst der Landesregierung und im Herbst 2008
der Öffentlichkeit die bisherigen Ergebnisse seiner
Beratungen präsentiert. Der Rat bescheinigt der
Steiermark im Österreich-Vergleich eine hervorragende Stellung bei Forschung, Innovation und
Technologie, und zeigt auch sehr gute Möglichkeiten
zu weiteren Verbesserungen in acht Handlungsfeldern auf. Daran werden wir uns – so EdlingerPloder – im besonderen Maße orientieren.
In der Tat ist die steirische Bildungs- und Forschungslandschaft in ihrer reichen Vielgestaltigkeit
und Breite beeindruckend: fünf Universitäten, zwei
Fachhochschulen, zwei Pädagogische Hochschulen,
Joanneum Research; die meisten Christian-DopplerLabors. Dazu kommen die meisten Kompetenzzentren Österreichs, sowohl im abgelaufenen
als auch im neu gestarteten Förderprogramm: In
Graz angesiedelte Institute der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, zahlreiche private
Forschungseinrichtungen und die überproportionale
steirische Beteiligung an den EU-ForschungsRahmenprogrammen zeugen davon.
Internationale Studien und Vergleiche belegen:
Je höher die Forschungsquote, umso besser für
Arbeitsplätze, Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität und Zukunftsaussichten.
Daher bekennt sich Edlinger-Ploder zur konsequenten Fortsetzung der gezielten steirischen
Förderungspolitik: „Wir wissen, dass Bildung und
Wissenschaft, Forschung und Entwicklung unsere
entscheidenden Standortvorteile im Wettbewerb
der Regionen sind. Sie sind wichtige Wege in die
Zukunft. Gerade in Krisenzeiten ist der Förderung
der Innovation absoluter Vorrang zu geben.
Wer an Forschung und Entwicklung spart, gefährdet die Zukunft – besonders das können wir von
Erzherzog Johann lernen, der in einer besonders
krisenhaften Entwicklung im 19. Jahrhundert
die Weichen für einen neuen Aufschwung der
Steiermark stellte.“
Die Pflanzenwelt
im Trockenen
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Das Herbarium am Landesmuseum Joanneum und seine
Bedeutung für die Forschung
„8000 getrocknete Pflanzen in 60 großen Foliobänden“ überließ Erzherzog Johann im Jahr 1811 dem
Joanneum und begründete damit das Herbarium
des Landesmuseums. Schnell wuchs die Sammlung,
insbesondere durch zahlreiche Schenkungen, an.
Das Herbarium diente anfänglich – wie übrigens
das gesamte Joanneum – vor allem der Ausbildung
und Forschung, oder, wie es der Gründer selbst
formulierte, „zum Behufe praktischer Studien
gemeinnütziger Wissenschaften, und zur Bildung
der Jugend“.
Ein Herbarium ist eine Sammlung konservierter,
meist gepresster und getrockneter Pflanzen, die
jeweils auf einem Papierbogen aufgeklebt sind. Ein
Etikett mit der Information von wem, wann und
wo die jeweilige Pflanze gesammelt wurde, macht
aus der getrockneten Pflanze einen Herbarbeleg,
ein für die Wissenschaft wertvolles Dokument. Bei
entsprechender Aufbewahrung und sorgsamem
Umgang sind Herbarbelege unbegrenzt haltbar.
Im Laufe der Zeit wuchs das Herbarium durch Ankäufe, die Sammeltätigkeit von angestellten Botanikerinnen und Botanikern sowie durch zahlreiche
Schenkungen von seiner Gründung bis heute auf
rund 500.000 Belege an. Und es wächst weiter – noch
immer hauptsächlich im Rahmen von Schenkungen.
Beispielhaft seien hier etwa die mit 80.000 Belegen
von Moosen besonders umfangreichen Sammlungen
von Johann Breidler und Julius Glowacki genannt.
Anfänglich wurden Pflanzen zu Lehr- und Lernzwecken getrocknet und gepresst. Dank dieser
Technik konnten Schüler die Merkmale einer
Pflanze im direkten Vergleich zu ähnlichen Arten
studieren, und Lehrer verfügten – unabhängig von
der Jahreszeit – über Anschauungsmaterial für den
Unterricht. Herbarbelege, insbesondere solche von
Pflanzen aus fernen Ländern, dienten (und dienen
immer noch) als Vorlagen für botanische Illustrationen in wissenschaftlichen Werken.
Ein unverzichtbares Werkzeug
Obwohl naturkundlichen Sammlungen allgemein
und Herbarien im Besonderen oft ein verstaubtes
Image anhaftet, ist für jene Teildisziplinen der Botanik, die sich im weitesten Sinne mit Biodiversität,
also mit der Artenvielfalt, beschäftigen, das
Herbarium ein unverzichtbares Werkzeug.
Botaniker aus anderen Fachbereichen greifen in
ihrer Forschung, wenn auch in geringerem Ausmaß,
ebenfalls auf Herbarbelege zurück.
Das pflanzliche Material selbst ist zwar getrocknet
und gepresst, aber viele Merkmale der Pflanze
bleiben erhalten oder rekonstruierbar. Die Form von
Blättern, die Anzahl der Blütenblätter, ob und wie
der Stängel behaart ist – all das und noch Vieles
mehr kann man auch an getrockneten Pflanzen
analysieren; sogar DNA-Analysen von Herbarmaterial sind heute möglich. Damit lässt sich z. B.
die evolutionäre Entwicklung bzw. die verwandtschaftliche Beziehung von Pflanzen oder gar die
genetische Vielfalt innerhalb einzelner Pflanzenpopulationen erforschen. Die rasant fortschreitende
Entwicklung der Molekularbiologie verspricht für
die Zukunft weitere spektakuläre Möglichkeiten.
Ein Herbarbeleg ist ein Dokument, welches das
Vorkommen der gesammelten Art am Fundort zum
Sammelzeitpunkt nachweist. Stehen für eine
Untersuchung viele Herbarbelege einer Art zur
Verfügung, so lassen sich mit dieser örtlichen
und zeitlichen Verankerung von Herbarbelegen
Verbreitungskarten erstellen; ebenso können zeitliche Entwicklungen wie die Ausbreitung rekonstruiert oder – in letzter Zeit viel häufiger – das
Zurückgehen oder Aussterben von Arten dokumentiert werden.
Das Herbarium ist dem Botaniker, was das Archiv
dem Historiker ist. Ein Herbarbeleg – und sei er
noch so alt – kann immer wieder von Neuem
untersucht werden, und das vor dem Hintergrund
des gerade aktuellen Wissens und mit den jeweils
modernsten Methoden. Aber: Jede Forschungsaktivität in einem Herbarium beruht auf der
Sammlungstätigkeit der Vorfahren.
Daraus ergibt sich für uns die moralische Verpflichtung gegenüber den nächsten Generationen, mit
heutigen Aufsammlungen den Grundstock für zukünftige Untersuchungen zu legen.
„Carex firma.
Steifes Riedgras.
Gesammelt auf
dem Pfitschjoch und
dem Zemergebirge im
Julius 1802.“ Einer
der rund
8000 ersten
Herbarbelege
des Joanneums.
Foto: L andesmuseum
Joanneum
Kurt Zernig
1-2/09 steirische berichte
33
Erzherzog Johann und
die Eisenstraße
Freund des Berg- und Hüttenwesens, Urgründer der Montanuniversität
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Schon in Kindheit und Jugend zeigte Erzherzog Johann ausgeprägtes Interesse an der Natur und ihren Erscheinungen in
Gesteinen, Flora und Fauna. Seine umfangreichen Sammlungen bildeten 1811 den Grundstock für das Joanneum, das einerseits der musealen Präsentation dienen, andererseits aber als Lehranstalt Bildung und Wissenschaft vermitteln sollte. Wichtige Innovationen des Erzherzogs und seiner Berater auf dem Gebiet des Berg- und Hüttenwesens wirken bis heute nach.
Die Englandreise 1815/16
Nach dem Wiener Kongress 1815 reiste Erzherzog
Johann als Vertreter des Kaisers mit seinem Bruder
Ludwig nach England, wo sich sein besonderes
Interesse dem Berg- und Hüttenwesen, vor allem
dem Eisenhüttenwesen, zuzuwenden begann, denn
England galt damals als führend in der Technik.
Der Erzherzog besuchte dort auch die modernen
Berg- und Hüttenbetriebe, so den berühmten Eisenbezirk um Ironbridge/Telford, worüber er in seinem
Reise-Tagebuch ausführlich berichtet. Wurzbach
schreibt darüber: „Sie besuchten nun die wichtigsten Fabriksstädte und in denselben die großartigen
Manufacturanstalten, Maschinenwerkstätten, Eisenund Stahlwaaren-Fabriken, Spinnereien, Webereien
u. dgl. m. … Seine Reise nach England hatte nachhaltige Folgen für die Steiermark. Er nahm überall
Muster der Erzeugnisse, Pläne, Zeichnungen und
Modelle, welche er bei seinem Eintreffen in Gratz
(15. Mai 1816) in den Räumen des Joanneums zur
Hauptansicht des Einsicht und Benützung niederlegte …“
Neubaus der k. k.
Montanistischen
Hochschule Leoben,
vollendet 1910,
Architekturzeichnung 1906.
Foto: Original in der
Universitätsbibliothek,
Kopie aus Gahleitner
1990
34
Vom Joanneum zur
Montanuniversität
Auf dieser Reise hatte den Erzherzog auch der gebürtige Grazer Alois von Widmanstetten begleitet,
letzter Vertreter der Grazer Druckereidynastie,
der durch die Entdeckung der Struktur in Eisen-
steirische berichte 1-2 /09
meteoriten 1808 noch heute weltweit jedem Eisenmetallographen ein Begriff ist.
Auf ihn gehen die frühesten Anschliffe an Gusseisen, u. a. aus Vordernberg, zurück.
Johann hatte ihn auch als Fachmann auf dem Gebiet
des Eisenwesens in England zum ersten Professor
für Eisenhüttenkunde in Graz vorgeschlagen, doch
Widmannstetten winkte aus Altersgründen ab. Wohl
auf Anregung Johanns brachten die Kuratoren des
Joanneums das Problem der Lehre des Bergbaues
und der Hüttenkunde 1828 wieder aufs Tapet, und
Kaiser Franz antwortete mit der Aufforderung, die
Erfordernisse zu präzisieren; dem folgten die
Kuratoren unter dem Abt von Rein, Ludwig, mit
einem ausführlichen Gutachten.
Es dauerte noch bis 1836, bis feststand, dass die
geplante Lehranstalt in Vordernberg, im Mittelpunkt
des Eisenwesens der Steiermark und nicht in Graz
am Joanneum, eingerichtet werden konnte.
Erzherzog Johann in Vordernberg
Nach Verhandlungen mit dem Grundbesitzer in
Vordernberg, Josef Fürsten von Schwarzenberg,
konnte 1837 mit dem Bau der „steiermärkischständischen Lehranstalt in Vordernberg“ begonnen
werden, die feierlich 1840 eröffnet wurde. Daneben
hatte der erste Professor Peter Tunner, der auf Vorschlag von Erzherzog Johann vom Schwarzenbergischen Hammer in Katsch bei Murau an diese Stelle
berufen worden war, auch Vorschläge zur Einrichtung der „Lehrfrischhütte“, ein „Zerrennfeuer mit
Hammerschlag“, auf den Gründen der Handlschen
Schmiede unterbreitet, die Zustimmung der Stände
erreicht, 1840 die Pläne vorgelegt und 1842 den
Lehrbetrieb aufgenommen.
Johanns Braut Anna Plochl hatte ihm schon seit
1823 in Vordernberg im Gewerkenhaus des Radwerkes II, das einst dem Gewerken Stampfer und
seiner „Stampferin“ (jener mit dem „Hausbüchl“)
gehörte, den Haushalt geführt, während sich Johann
persönlich um die Entwicklung des Vordernberger
Eisenwesens kümmerte – durch Modernisierung
seines Radwerkes II und durch Bemühungen, die
altehrwürdige „Radmeisterkommunität“ wieder zu
beleben. Die Zusammenfassung der Abbautätigkeit
am Vordernberger Erzberg (oberhalb der „Ebenhöhe“), die Organisation des Erztransportes und
die Errichtung der Erzförderbahn durch Johann
Dulnigg zwischen 1835 und 1845 waren ebenso
ihm zu verdanken.
Erhebung zur k. k. Bergakademie anderen universitären Einrichtungen weitgehend gleichgestellt
und erhielt mit der Aufwertung zur k. k. Montanistischen Hochschule 1904 das Promotionsrecht.
Sie wurde 1975 im Zuge einer Universitätsreform
zur „Montanuniversität“ umgetauft.
Peter Tunner, der erste Professor
der Montanlehranstalt
Erzherzog Johann als Gründer
Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des
Eisenwesens in Mitteleuropa waren die Bildungsreisen des Peter Ritter von Tunner; dieser war am
10. Mai 1809, heuer vor 200 Jahren, in (Deutsch-)
Feistritz nahe Graz geboren und starb am 8. Juni
1897 in Leoben. Aus einer Familie stammend, die
schon über Generationen mit dem Eisenwesen verbunden war, entdeckte ihn Erzherzog Johann 1834
als bereits anerkannten Hüttenmeister in Katsch bei
Murau. Auf Vorschlag des Erzherzogs wurde er
1835 als Professor für Bergbau und Hüttenkunde
vereidigt. Mit diesem Titel reiste er nun, wie
zwanzig Jahre früher Erzherzog Johann, durch
die wichtigsten Industriegebiete Europas, um sich
die grundlegenden Kenntnisse zur Förderung des
alpinen Eisenwesens zu erarbeiten.
Nach dem Beginn der „Kurse“ in Vordernberg 1840
war er lange der alleinige Lehrer an der „steiermärkisch-ständischen Montanlehranstalt“, deren
Gründung mit den Ständen der Steiermark eng
verbunden blieb, bis 1848/49 durch den Zuzug der
deutschsprachigen Studenten aus dem magyarisierten Schemnitz (ungar. Selmecbanya, slowakisch
Banska Stiavnica) der Eisenmarkt zu klein wurde.
Die Stadt Leoben bot das „Neue Seminargebäude“
an, das bis zur Errichtung des heutigen „PeterTunner-Gebäudes“ (1883/85) Sitz der Lehrtätigkeit
der nunmehrigen „k. k. Montanlehranstalt“ wurde;
Tunner blieb lange im alten Gebäude, in dem auch
der erste Professor für Hüttenkunde, Franz Sprung,
wohnte. Damals begann auch Albert Miller (von
Hauenfels) seine Lehrtätigkeit für Bergbaukunde.
Tunner unterrichtete bis 1866 Eisenhüttenkunde
und blieb bis 1874 Direktor der Montanlehranstalt.
Er war bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätig
und als Eisenhüttenfachmann weltweit anerkannt.
Die k. k. Montanlehranstalt wurde 1861 mit der
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Aber Erzherzog Johann war umfassend aktiv, man
könnte ihn heute als „Workaholic“ für die Steiermark bezeichnen: Neben den wissenschaftlichen
und industriellen Interessen förderte er auch die
Landwirtschaft, ähnlich wie es schon sein Vater
Leopold und sein Bruder Ferdinand in der Toskana
taten, er kümmerte sich um ein modernes Geldwesen
und um soziale Einrichtungen für die Bevölkerung
unseres Landes. Der Bau der Eisenbahnen in
der Steiermark, vor allem der Semmeringbahn, ist
seiner Initiative zu verdanken, da er die Umfahrung
der Obersteiermark durch eine Trasse im ebenen
Osten fürchtete. 1844 wird die Strecke Mürzzuschlag–Graz eröffnet, 1854 die Bahn über den
Semmering, die für die Eisenindustrie der MürzMur-Furche von besonderer Bedeutung war und
ist. Seine Funktion als „General-Geniedirektor“ der
kaiserlichen Armee war dafür sehr hilfreich.
Die Eisenindustrie Vordernbergs ging mit der Gründung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft
1881 allmählich an die ÖAMG. Das heutige „voest–
alpine“-Werk Donawitz ist der lebende Nachfolger
der Vordernberger Eisenindustrie, die der Erzherzog
einst zu neuem Schwung brachte. Die Radwerke Vordernbergs, Hochöfen des 19. Jahrhunderts, sind mit
dem Radwerk IV, dem Ofenstock des Radwerkes X
und anderen Denkmälern des Eisenwesens, wie den
zahlreichen historischen Gewerkenhäusern, so das
Meranhaus (zum Radwerk II), noch heute Attraktion
für die Technikgeschichte Mitteleuropas und ein
wichtiges Standbein für den Kulturtourismus an
der „Steirischen Eisenstraße“.
Gerhard Sperl
Literatur:
Anton Schlossar, Auszugweise Abschrift der „Denkwürdigkeiten“,
Lebensbericht Erzherzog Johanns. Diese Schrift befindet sich
jetzt im Besitze des Heimatmuseums Aussee.
Alfred Gahleitner, Baugeschichte der Montanuniversität, in:
150 Jahre Montanuniversität Leoben 1840–1990,
hrsg. v. Friedwin Sturm, Graz 1990.
Hans Jörg Köstler, „Dem großen Meister und Lehrer“. Das
Denkmal für Peter Ritter von Tunner (1809–1897) in Leoben,
Leoben 2008.
Gerhard Sperl, Erzherzog Johann in England; in: Katalog der
Ausstellungen in Vordernberg 1982, S. 60–67.
Gerhard Sperl, Die Metallographie des Alois Beckh von
Widmanstätten (1754–1849); Vortrag und Abstract der
42. internationalen Materialographie-Tagung in Jena am 18.
September 2008; Publikation in BHM 2009 in Vorbereitung.
Viktor Theiss, Leben und Wirken Erzherzog Johanns, 2 Bände,
Graz 1960–69.
Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des
Kaiserthumes Österreich, Wien 1856–1891.
Bild: Kaiser
Ferdinand besucht
1841 Erzherzog
Johann und seine
Familie in
Vordernberg im
Gewerkenhaus
zum Radwerk IV
(Meranhaus).
Ausschnitt eines
Bildes im Privatbesitz.
Foto: Sperl
1-2/09 steirische berichte
35
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Tunnelbau auf Österreichisch
TU Graz und Montanuniversität Leoben starten gemeinsamen Lehrgang
Ob Sie mit der U-Bahn in Wien, London, Washington oder São Paolo unterwegs sind, Sie fahren durch einen Tunnel, der mit
Hilfe der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode errichtet wurde, im internationalen Sprachgebrauch als NATM – New
Austrian Tunneling Method – bekannt. Es könnte auch ein Eisenbahn-, Kraftwerks- oder Autobahntunnel sein. Oder der
in Bau befindliche Gotthard-Tunnel in der Schweiz, der mit 57 Kilometer Länge der längste Tunnel der Welt sein wird.
Oder der zweiröhrige Koralmtunnel zwischen Graz und Klagenfurt, der mit seiner beachtlichen Länge von 32,8 Kilometer
voraussichtlich 2017 fertig sein wird, als Teil der adriatisch-baltischen Achse von Venedig nach Gdansk in Polen. Etwa 50
Prozent aller Tunnel weltweit werden „auf österreichische Art“ erbaut.
Pionier aus St. Kunigund
Neu ist relativ. Einer der Pioniere war Ladislaus von
Rabcewicz, der, 1893 in St. Kunigund bei Marburg
geboren, in Graz und Wien Bauingenieurswesen
studierte. Er war beim Eisenbahnbau in Java und in
der Türkei tätig, beim Kraftwerksbau in Reutte in
Tirol, anschließend im Iran, wo er es zum Chef der
Bahnerhaltung der Persischen Staatseisenbahnen
brachte. Die Kluft zwischen Theorie und Praxis
ließ ihn den Kontakt zur Technischen Hochschule
Wien suchen, an der er dann, während des Zweiten
Weltkrieges, Ordentlicher Professor war.
Von 1956 bis 1958 setzte er als UNO-Berater in
Venezuela seine Forschungserkenntnisse bei Autobahn- und Eisenbahntunneln konsequent um. Das
waren die ersten Tunnel nach der neuen Bauweise.
Ab 1958 wirkte er weltweit als freischaffender
Ziviltechniker. Mit den Salzburgern Leopold Müller
und Franz Pacher verhalf er der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode zu ihrem heute anerkannten Baustandard.
Sicher und kostengünstig
Jeder beliebige Tunnelquerschnitt kann mit dieser
Methode ausgebrochen, „vorgetrieben“, werden und
wird sofort durch Spritzbeton gesichert. Mitte
1950 war die Technologie des Spritzbetons so weit
entwickelt, dass er für diese Bauvorhaben geeignet
war. Weder Verschalungen noch riesige Tunnelbohrmaschinen waren mehr notwendig. Mit dem Bau
sind immer Verformungen des Gebirges verbunden,
die ständig messtechnisch überprüft werden.
Danach richtet sich der Einsatz von Stützmitteln,
wobei der Baugrund mitgenutzt wird, um den
Hohlraum zu stabilisieren. Sicherheit und Wirtschaftlichkeit machen den großen Erfolg dieser
Methode aus.
Dipl.-Ing. Dr. mont. Wulf Schubert leitet an der
TU Graz das Institut für Felsmechanik und Tunnelbau, innerhalb der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften.
Die Forschungen befassen sich überwiegend mit
Tunnelbau im schlechten Gebirge, in schlechten,
36
steirische berichte 1-2 /09
gestörten Materialien. Ein Labor für Gesteinsprüfungen ist im Institut integriert. Die Planung
eines Tunnelbaus muss alle eventuellen Möglichkeiten abdecken, ein Geologe steht zu Beobachtungen und Messungen auf jeder Baustelle bereit.
Bei der Auswertung der Messdaten und ihrer Interpretation ist das Grazer Institut weltweit Marktführer. Das erzählt Professor Schubert eher
nebenbei, als wäre es für ihn und sein Institut
selbstverständlich, international gehört zu werden.
Er, der unter anderem vier Jahre beim U-Bahnbau
in Seoul in Korea leitend mitgewirkt hat, bringt
seine reichen praktischen Erfahrungen in Forschung
und Lehre ein und setzt seine wissenschaftlichen
Erkenntnisse wieder bei der Betreuung von
Baustellen um. Diese Wechselwirkung hätte sein
Großvater Ladislaus von Rabcewicz gutgeheißen.
Lehrgang zum
„NATM-Engineer“
Durch den großen Erfolg der Neuen Österreichischen
Tunnelbaumethode ist ein gravierender Mangel an
hoch qualifizierten Tunnelbauingenieuren entstanden. Die TU Graz und die Montanuniversität Leoben
bilden nun gemeinsam in einem postgradualen
Lehrgang Experten zum „NATM-Engineer“ aus.
Ingenieure mit bau- oder bergbautechnischer Ausbildung, Geotechniker oder Ingenieurgeologen
erhalten berufsbegleitend in vier Semestern – ab
September 2009 – eine zusätzliche Spezialisierung
in Tunnelbau. Für drei Wochen pro Semester
kommen die Teilnehmer nach Graz oder Leoben,
Englisch ist Unterrichtssprache. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten
funktioniert ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Dr. mont.
Robert Galler leitet das Partnerinstitut „Subsurface
Engineering“, das früher Geomechanik, Tunnelbau
und konstruktiver Tiefbau geheißen hat.
Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt im
Langzeitverhalten von Geomaterialien, wobei es um
Prognosen über einen Zeitraum von rund hundert
Jahren geht.
Die Nachfrage nach Absolventen dieses Lehrgangs
gedenke.
wird enorm sein, sie werden sich ihre Stellen aussuchen können. Auf- oder Ausbau von Infrastruktur
in exotischen Regionen für Abenteurer, U-Bahnbau
in den großen Metropolen für Weltenbummler,
Kraftwerksbau für Naturverbundene und für
Vielseitige: ein Projekt nach dem anderen …
Übrigens: Frauen
Nicht nur bei den Wiener Philharmonikern, auch
im Berg- und Tunnelbau war die Zulassung von
Frauen ein heiß diskutiertes Thema, das seine
Brisanz verloren hat. Derzeit studieren an der TU
Graz etwa 15 Prozent Frauen Bauingenieurwesen,
Tendenz leicht steigend, an der Montanuniversität
sind es geringfügig weniger.
Durch die sich ständig weiter entwickelnde Computertechnologie werden viele Baustellen nicht
mehr vor Ort betreut, Messdatenauswertung und
Planung sind in einem Büro, in einem Institut
möglich, durchaus auch in leitender Position.
Kooperationen mit Shanghai,
Singapur und Kuala Lumpur
In China sind in den nächsten Jahrzehnten tausende Kilometer Tunnel zu bauen. Das Institut für
Felsmechanik und Tunnelbau hält schon jahrelang
Kontakt zur Tongji University in Shanghai. Diese
renommierte Universität soll nach chinesischer
Planung zu den 33 weltbekannten Universitäten
aufgebaut werden. Keine schlechte Ausgangsposition für die Grazer.
Der Stadtstaat Singapur nimmt mit über vier
Millionen Einwohnern den größten Teil einer Insel
ein. Für eine Erweiterung der Stadt bleibt nur noch
Platz in größeren Tiefen, die auf Fels anstehen. Als
Experten wurden bereits zwei Mal Prof. Schubert
und der Geologe Prof. Kurt Klima, ebenfalls von der
TU Graz, nach Singapur geholt, die dritte Auflage
eines einwöchigen Kurses wird im November
erfolgen. Auch in Kuala Lumpur, Malaysien,
wurde bereits eine Einführung in den Tunnelbau
abgehalten, eine Wiederholung ist geplant.
Bildung als Existenzgrundlage
Sowohl die Technische Universität Graz als auch
die Montanuniversität Leoben gehen auf Erzherzog
Johann zurück. 1811 stiftete er seine naturkundlichen Sammlungen den steirischen Landständen
zur Gründung des „Innerösterreichischen Nationalmuseums“, das ihm zu Ehren den Namen „Joanneum“
erhielt. Diese Sammlungen sollten Grundlage für
eine Lehranstalt mit naturwissenschaftlichen
Schwerpunkten sein, zunächst Physik, Chemie
Mineralogie und Botanik. Die Absicht dahinter war
eine fundierte Ausbildung für Landwirtschaft und
Industrie. Nach und nach wurde der Unterricht um
technische Fächer erweitert, schließlich wurde 1874
die Technische Hochschule in Graz vom Staat übernommen. Dabei wurde die Abteilung für Land- und
Forstwirtschaft aufgelassen und der 1872 gegründeten Hochschule für Bodenkultur in Wien
eingegliedert. 1975 wurde aus der Hochschule
die Technische Universität Graz, ein Jahr darauf
beschloss der Senat den Beinamen „ErzherzogJohann-Universität“.
In Vordernberg wurde 1840 auf Anregung von
Erzherzog Johann die „Steiermärkisch-Ständische
Montanlehranstalt“ gegründet. Bereits 1849 wurde
sie als „Kaiserlich-königliche Montan-Lehranstalt“
nach Leoben verlegt und vom Staat übernommen.
1904 wurde sie zur Montanistischen Hochschule und
1975 zur Montanuniversität. Erzherzog Johann hat
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Lehranstalten,
Bildungsstätten, gegründet, um die wirtschaftliche
Existenz der Menschen zu sichern. Er war
vermutlich einer der ersten Politiker, der Bildung
in den Mittelpunkt seiner gesellschaftspolitischen
Überlegungen stellte.
Links:
Wulf Schubert
(rechts) und der
Geologe Kurt Klima,
beide TU Graz, bei
einer Exkursion im
Semmeringgebiet.
Foto: kk
Rechts:
Eisenbahntunnel
durch den Wienerwald, in Fertigstellung.
Foto: Schubert
Zeitgemäß. Nachahmenswert.
Gertraud Hopferwieser
1-2/09 steirische berichte
37
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Der Brandhof wurde
vom Erzherzog
zu einem
landwirtschaftlichen
Musterbetrieb
ausgebaut und
künstlerisch
ausgestattet.
Foto: Tributsch
38
Architektonische Spuren
Zahlreiche Bauten dokumen
tieren bis heute das Wirken und die breit gefächerten Interessen Erzherzog Johanns, der sich auch mit dem Bauwesen
intensiv beschäftigte, besonders im Dienste der Verteidigung der habsburgischen Länder.
Im Wesentlichen lassen sich
die erhaltenen Gebäude des
Erzherzogs in drei zweckbedingt unterschiedliche
Gruppen teilen, wobei Johann fast durchwegs
bereits vorhandene Anwesen oder Betriebe kaufte
und diese umgestalten bzw. adaptieren ließ.
Vorbildhaftes
Die erste Gruppe wird von den Mustergütern und
-betrieben gebildet, die vorbildhaft-didaktisch
wirken, aber zum Teil auch als private Wohnsitze
dienen sollten.
Als bestes Beispiel kann hier wohl der Brandhof in
der Gemeinde Gußwerk bei Mariazell herangezogen
werden. Das 1390 erstmals erwähnte Bauerngut
wurde 1818 vom Erzherzog erworben und in den
folgenden Jahren zu einem landwirtschaftlichen
Musterbetrieb ausgebaut. Bis 1828 erfolgte eine
großzügige Umgestaltung des Haupthauses, wobei
die künstlerische Ausgestaltung in den Händen
des nazarenischen Künstlers Ludwig Ferdinand
Schnorr von Carolsfeld (1788–1853) lag. Der lang
gestreckte und blockhafte, mit Schopfwalmdach
gedeckte Bau besitzt eine neugotische Kapelle, die
an der östlichen Traufseite mit ihrem polygonalen
Grundriss, den gliedernden Strebepfeilern und
dem steilen Zeltdach auffällig in Erscheinung tritt.
Auch wenn der Brandhof insgesamt zurückhaltend
gestaltet ist, finden sich vor allem im Inneren sehr
wohl Details, wie etwa habsburgische Wappen,
die verraten, dass der Besitzer kein „gewöhnlicher“
Steirer war.
Der Brandhof war aber nicht der einzige Musterhof,
den Erzherzog Johann initiierte. So begründete er
1822 mit dem „Steirisch ständischen Versuchshof“
in Graz die erste landwirtschaftliche Schule der
Steiermark. Sie erstreckte sich mit ihren Obst- und
Weinbauanlagen von der Annenstraße bis zum
Plabutsch, wobei das 1833/1834 nach Plänen des
Architekten Franz Xaver Aichinger errichtete
Hauptgebäude bis zum Neubau eines Möbel- bzw.
Modehauses an der Ecke Annenstraße/Eggenberger
Gürtel noch zum Teil erhalten war. Ebenfalls im
Jahr 1822 richtete Erzherzog Johann das Weingut
steirische berichte 1-2 /09
Pickern/ Pekre bei Marburg/Maribor ein, wo 1832
eine Winzerschule folgte.
Die erzherzogliche Tätigkeit blieb aber nicht
nur auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern
das Interesse Johanns galt auch dem Bergbau
und der Industrie. Aus diesem Grund erwarb er
1822 in Vordernberg das Radwerk II sowie das
zugehörige Radmeisterhaus, wodurch er in die
Vordernberger Radmeisterkommunität eintrat und
in weiterer Folge die steirische Eisenproduktion
beeinflussen konnte. 1837 folgten das Radwerk V
in Vordernberg, 1848 das Blechwalzwerk Krems
bei Voitsberg, das Hammerwerk Obergraden bei
Voitsberg und Kohlengruben im Raum Maria
Lankowitz, Pichling und Köflach. Während in
Vordernberg von den Radwerken des Erzherzogs
nichts mehr vorhanden ist, hat sich doch mit dem
Herrenhaus zum Radwerk II, dem so genannten
„Meranhaus“, ein eng mit Johann und Anna
Plochl (1804–1885) verbundener Bau erhalten.
Die Gemahlin des Erzherzogs wohnte hier vor
ihrer Verehelichung über mehrere Jahre. Das
zweigeschoßige, gedrungen wirkende Gebäude
wurde 1684 nach einem Brand neu errichtet und
besitzt einen straßenseitig vortretenden Turm mit
Zeltdach. Die klassizistisch veränderte Fassade
zeigt ein besonders bemerkenswertes Portal. Neben
dem „Meranhaus“ wurde auch das so genannte
„Prinzen-Amts-Haus“ 1822 vom Erzherzog als
Verwaltungs- und Personalwohnhaus angekauft.
Persönlicher Einsatz
In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und
wissenschaftlichen Interessen Erzherzog Johanns
steht auch die zweite Gruppe an Bauten. Es handelt
sich dabei um Bauwerke, die nicht direkt vom
Erzherzog, jedoch aufgrund seines persönlichen
Einsatzes errichtet wurden.
Johann war ständig bemüht, die Steiermark zu
modernisieren, und im Zeitalter der beginnenden
Industrialisierung erkannte er die Bedeutung von
gut ausgebauten Verkehrswegen. Er förderte daher
nicht nur den Straßen- und Brückenbau, sondern
setzte sich zudem bereits ab 1825 für den Bau von
Eisenbahnlinien ein. Mit einer ihm unterstellten
Ingenieurtruppe konnte er zum Beispiel Lösungen
für die Trassierungsprobleme bei der Errichtung
der Südbahn erarbeiten, so dass diese letzten
Endes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, über
Westungarn, sondern über den Semmering nach
Triest geführt wurde. 1844 erfolgte die Aufnahme
des Verkehrs zwischen Mürzzuschlag und Graz,
1854 die Betriebsaufnahme des Streckenabschnitts
Gloggnitz–Mürzzuschlag, die gesamte Bahnstrecke
wurde 1856 in Betrieb genommen. Auch für die
erst nach seinem Tod verwirklichte Graz-KöflachBahn entwarf der Erzherzog selber Trassenskizzen
und stellte Kostenüberschläge für die zugehörigen
Bauten an.
Zudem beeinflusst Erzherzog Johann mit den von
ihm begründeten Institutionen bis heute das Bild der
modernen Steiermark und das auch in architektonischer Hinsicht. Unter anderem bilden die Gebäude
der Montanuniversität Leoben, der heutigen Erzherzog-Johann-Universität (Technische Universität
Graz) oder des Landesmuseums Joanneum wichtige,
ganze Stadtviertel prägende Körper, die immer wieder ergänzt, erneuert und weiterentwickelt werden.
Als jüngstes Beispiel kann hier die Neugestaltung
des Grazer „Joanneumsviertels“ zwischen Neutorgasse, Kalchberggasse und Raubergasse anlässlich
der 200-Jahr-Feier des Landesmuseums 2011 dienen.
Kampf um die Anerkennung
Die letzte, wohl am privatesten motivierte Baugruppe wird vom Schloss Stainz und dem Palais
Meran in Graz gebildet. Die Wahl dieser großen,
repräsentativen Bauten als Wohnsitze liegt wohl im
Kampf um die Anerkennung der Familie Johanns
bei Kaiser und Adel begründet.
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Stainz
war bereits um 1229 gegründet und 1785 durch
Kaiser Joseph II., den Onkel Erzherzog Johanns,
säkularisiert worden. Am 8. April 1840 kaufte
Erzherzog Johann die barocke, im 17. Jahrhundert
gestaltete Anlage, nicht nur um seiner Nachkommenschaft einen repräsentativen Wohnsitz zu
bieten, sondern auch um ihre Stellung zu unterstreichen. Dem gräflichen Titel und seiner Liebe
zu Tirol entsprechend erwarb Johann 1845 auch
das Schloss Schenna bei Meran, wo er beigesetzt
wurde. Johann ließ Schloss Stainz in den Jahren
nach dem Ankauf aufwändig renovieren und setzte
seine Reformgedanken auch in Stainz um, was dazu
führte, dass er 1850 zum Bürgermeister der
Marktgemeinde gewählt wurde.
Das heute die Kunstuniversität beherbergende
Palais Meran im Grazer Stadtteil St. Leonhard hat
die selbe Bedeutung wie Schloss Stainz, schließlich
trägt es sogar den Namen der Familie des
Erzherzogs. Johann ließ es zwischen 1841 und 1843
durch Baumeister Georg Hauberrisser d. Ä. (1791–
1875) errichten. Der spätklassizistische Bau zeigt
zwar zurückhaltend gestaltete, dem Zeitgeschmack
entsprechende Fassaden. Die Gesamtdisposition
mit dem dreigeschoßigen Mitteltrakt und
zweigeschoßigen Flügelbauten macht deutlich, dass
es sich hier um ein hochherrschaftliches Gebäude
handelt. Zudem ist die Haupt- und Schauseite zur
Stadt hin orientiert und kündet mit dem Wappen
im Giebelfeld des Frontispizes vom erzherzoglichen
Besitzer. In diesem Palais verstarb der Erzherzog
am 11. Mai 1859, und es stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass es der einzige Wohnsitz ist,
den Erzherzog Johann komplett neu errichten ließ.
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Denkmäler im Land
Insgesamt hat Erzherzog Johann von Österreich
wie kaum ein anderer Habsburger vor oder nach
ihm die Steiermark mitgestaltet, was sich auch in
vielen Bauten ausdrückt. So verwundert es nicht,
dass nach seinem Tod zahlreiche Denkmäler im
Land errichtet wurden. Das aufwändigste ist der
am Grazer Hauptplatz stehende und nach einem
Entwurf von Franz Pönninger gestaltete ErzherzogJohann-Brunnen, der 1878 enthüllt wurde. Aber
auch in Bad Aussee (im Kurpark überlebensgroße
Bronzefigur von 1882), Vordernberg (Hauptplatz,
Büste von Hans Zeilinger, 1982), in Laßnitzhöhe
(bei der Pfarrkirche, Büste von Fred Pirker) oder
in Leoben (Postpark, Büste von Erwin Huber,
1982) erinnern Ehrenmäler an den „steirischen“
Erzherzog.
Martin Müller
Repräsentative
Bauten wie
das Schloss Stainz
(links) und das
Palais Meran (rechts)
dienten Johann
als Wohnsitze und
verweisen auf seine
hochherrschaftliche
Herkunft.
Foto Schloss Stainz:
L andesmuseum
Joanneum,
Nicolas L ackner
Foto Palais Meran:
Müller
1-2/09 steirische berichte
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wissenschaft.
kunst.
kultur.
Die Kammermaler
des Erzherzogs Johann
Bildnerische Dokumentaristen ihrer Zeit
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte Erzherzog Johann, der Tradition der Hof- und Kammermaler folgend, eine
Reihe von Künstlern, u. a. Johann Kniep, Jakob Gauermann, Karl Russ, Matthäus Loder und Thomas Ender. Seine Beweggründe waren durch neue aufklärerische Ideen geprägt.
Die Kammermaler sollten im Sinne von volksbildnerischen und naturwissenschaftlichen Interessen
die Landschaft der Steiermark und deren Bevölkerung möglichst wirklichkeitsgetreu erfassen, wofür
der Erzherzog genaue Anleitungen vorgab. Dies
war eine neue Herausforderung und Aufgabe für
die akademisch geschulten Künstler.
Zwischen 1801 und 1848 entstanden so zahlreiche
Landschaftsbilder, meist Aquarelle, die die Stimmung des Biedermeier einfangen. So sind die
Landschaften sowohl durch einen ausgeprägten
Realismus in der Darstellung geprägt, als auch von
einer romantischen Sehnsucht nach einem Ideal
durchdrungen. Diese bildnerischen Landschaftsbeschreibungen bildeten den Kern der Kunstsammlung des 1811 gegründeten Joanneums.
Zwischen Aufklärung und Romantik:
Fortschrittsglaube und
das „Eigene“ als Verteidigung
Abdruck der drei
Faksimiles
mit freundlicher
Genehmigung der
Steiermärkischen
Landesbibliothek.
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Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Natur ins
Zentrum gestellt, sie wurde zum Symbol für das
Schöne und Reine. Die Sehnsucht nach einer
unberührten, ursprünglichen Natur steht in engem
Zusammenhang mit der zunehmenden Industrialisierung, welche das 19. Jahrhundert prägte. Trotz
aller Begeisterung für den Fortschritt und die
steirische berichte 1-2 /09
damit verbundenen Möglichkeiten sah man auch
die Nachteile dieses Prozesses: Verstädterung und
Landflucht, Anonymisierung und Mechanisierung
der Gesellschaft, Verlust des traditionellen sozialen Lebens. Die Natur wurde hierzu als Gegensatz
stilisiert.
Erzherzog Johann ist in diesem Sinne ein Mensch
des Biedermeier: Obwohl er sehr fortschrittsbezogen und zukunftsgläubig war – so studierte er
z. B. in London alles, was für Ökonomie und die
maschinelle Entwicklung nützlich und übertragbar
zu sein schien: Maschinenwerkstätten, Gusswerke,
Stahlöfen, Hammerwerke etc. –, war er überzeugt,
dass damit auch die Werte seiner Zeit wie Gemeinsinn, Glauben, Familie usw. verloren gingen.
Sein Bestreben war daher, einerseits die Wirtschaft
durch Modernisierung anzukurbeln, aber auch
den Menschen durch Arbeit „menschenwürdige
Lebensverhältnisse zu schaffen“.
Damit verbunden war der tiefe Glaube an das
„Eigene“, das es, beeinflusst vom Krieg Österreichs
gegen Frankreich, zu verteidigen galt und das man
in der Natur, verkörpert durch die alpine Bergwelt,
gespiegelt sah. Die Entdeckung dieses „Eigenen“
sollte einen nationalen Stolz entfachen. Basis
dieses Strebens waren Beschreibungen von
Landschaften und Bewohnern und deren Sitten,
Habitus und Kleidung.
Bilder eines persönlichen Lebens
Die Kammermaler hatten neben der anstrengenden
Erfassung des Landes mittels Fußmärschen auch
die Aufgabe, das persönliche Leben des Auftraggebers zu dokumentieren. Jener Künstler, der diesbezüglich am berühmtesten und über ein Jahrzehnt
zu Johanns engstem Vertrauten wurde, war
Matthäus Loder (1781–1828).
1819 traf der 37jährige Johann auf einer seiner
Wanderungen beim Toplitzsee auf Anna Plochl,
die Tochter des Ausseer Postmeisters, damals 15
Jahre alt, und verliebte sich in sie. Loder wurde
der künstlerische Historiograph der Beziehung.
Der Künstler schuf u. a. ab 1826 eine Anzahl von
miniaturhaften Aquarellen, vom Künstler auf eine
goldverzierte Unterlage montiert, das sogenannte
Stammbuch der Anna Plochl, heute im Familienbesitz der Grafen Meran. Das Stammbuch wurde zu
Annas Geburtstag begonnen und zeigt die wichtigsten Momente der Liebe zwischen Erzherzog
Johann und ihr. Die Geschichte dieser Liebe wurde
schon zu Lebzeiten romantisch verändert.
Johann gab hierfür genaue Anweisungen, wie aus
einem Brief vom 3. Jänner 1826 ersichtlich wird:
... und für dein Stammbuch nach der Aussicht
von Aussee und deines väterlichen Hauses, das
erste Sehen am Gössl, am Toplitzsee … ich bringe
die Fortsetzung mit, es wird eine Geschichte in
hübschen Bildern werden. So oft ich allen dem zurückdenke, habe ich eine innige Freude. Hoffentlich
werden noch viele Bilder folgen, die ich im Kopfe
habe, die mich noch weit mehr freuen werden …
(zit. nach: Matthäus Loder, 1978, S. 36–37.)
Acht Blätter in einer Mappe mit Faksimile-Wiedergaben im Originalformat „Aus dem Stammbuch der
Anna Plochl“ befinden sich in der Steiermärkischen
Landesbibliothek, das Umschlagbild stammt von
einer Glückwunschkarte an Anna, datiert 1824 und
vom Künstler signiert. Drei dieser Blätter werden
hier kurz vorgestellt.
Matthäus Loder war, wie viele Künstler seiner Zeit,
tuberkulös und starb früh, 1828 in Vordernberg,
wohin er mit seiner Frau gezogen war.
Das dokumentarische Programm des Erzherzogs
aber musste weitergehen. Er übergab Loders Skizzen und Aquarelle zur Fertigstellung dem bereits
erfolgreichen Maler Thomas Ender, der sein letzter
Kammermaler wurde. Ender reiste ab 1829 zwanzig
Jahre umher und schuf nach einem systematischen
Plan ein wichtiges Gesamtwerk österreichischer
Ansichten. Einen so engen Kontakt wie Loder erreichte jedoch kein anderer Maler, auch begründet
in der Tatsache, dass sich Johann immer mehr von
den Wanderungen zurückzog und durch seine wirtschaftlichen Vorhaben sesshafter geworden
Bettina Messner
wissenschaft.
kunst.
kultur.
war. li.: Anna und Erzherzog Johann, im Hintergrund
sein Radwerk in Vordernberg. Anna ist im Vordergrund
sitzend mit einer jüngeren Schwester dargestellt. Die
Kleine reicht dem Erzherzog, der aufrecht im Hintergrund steht, einen Blütenkranz. Neben Anna befindet
sich ein Korb mit Rosen als Sinnbild der Liebe, und mit
Lilien, die für die Unschuld stehen. Hinter Anna bildet
eine Ranke ein Oval, das ein J., das Monogramm des
Erzherzogs, umschließt. Johann wird dargestellt auf
dem Weg von der sachlichen Arbeit, seinem Radwerk im
Hintergrund, zu Anna, seiner Liebe und Gefühlswelt:
Nur noch eine letzte Hürde, in Form einer Holzlatte,
die die Felsen überbrückt, trennt ihn von den freudig
Wartenden. Johann gleicht einer Erscheinung. In dieser
Zeit wurde das heute noch vorherrschende „Idealbild“
des Erzherzogs im grauen Rock geprägt.
Die Szene wird zum Abbild romantischer Gefühlsstimmungen, die realistisch geschilderte Landschaft spielt
hier nur eine Nebenrolle.
mi.: Abschied beim Gatter ober der Traunmühle
1819 war Johanns erste Begegnung mit Anna bei einer
Wanderung. Das Bild zeigt den Abschied nach der
ersten gemeinsam verbrachten Zeit. Johann und Anna
reichen einander die Hände, hinter Anna stehen drei
Freundinnen, hinter Johann seine Begleiter. Die Szene
ist eingebettet in eine realistische, klare Naturschilderung. Der wichtigste Moment, die Berührung der beiden
Liebenden, wird durch natürliche Elemente, die dahinter
ersichtliche Baumgruppe, optisch hervorgehoben.
1823 gestattete der Kaiser seinem erzherzoglichen Bruder, die bürgerliche Anna zu heiraten. Doch Intrigenspiele des Hofes vereitelten durch Rufschädigungen den
Plan. Johann griff seinerseits zu einer List: Er stellte
Anna als Haushälterin für sein Wohnhaus in Vordernberg ein. Nach sechs Jahren wurde ihm die Heirat doch
noch gewährt.
re.: Anna und Johann auf dem Gipfel des Erzberges
Ab 20. September 1823 lebte Anna als Haushälterin
beim Erzherzog. Am 1. Oktober gehen die beiden allein
auf den Erzberg. Die Darstellung der beiden Gestalten
auf dem überdimensionalen und steinigen Erzberg,
schon auf einem Gipfel, aber noch nicht beim Gipfelkreuz, spiegeln ihre Gefühle wider: Auch wenn die
ersehnte Hochzeit nicht stattfinden kann, können die
Liebenden doch gemeinsam ihre Zeit verbringen. Die
detaillierte Naturschilderung jedoch überragt und überdauert die menschliche Geschichte.
Literatur, (in Auswahl):
Walter Koschatzky, Erzherzog Johann. Die Kammermaler, Ausstellungskatalog, Galerie und Auktionshaus
Hassfurther, Wien 1996.
Inge Schwarz, Einleitung. Aus dem Stammbuch der
Anna Plochl. Faksimile-Wiedergaben im Originalformat,
Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1982.
1-2/09 steirische berichte
41
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Erzherzog Johann
und die (Volks-)Musik
Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) war
der einfachen Bevölkerung Zeit seines Lebens verbunden. Diese Haltung dürfte er von seinem Vater
Leopold (1747–1792) übernommen haben, der meinte, für einen Regenten sei es wichtig, „sich leutselig
zu verhalten, ohne Unterschied alle Leute zu grüßen, auch die Angehörigen des niederen Volkes, […]
bei den Volksfesten zu erscheinen, […] den Tanzfesten“.(1) Getreu dieser „Weisung“ notierte Johann
etwa am 31. August 1817: „In der Scheuer war ein
Bub der schlecht leierte, da tanzten wieder andere,
kurz alles war herzlich lustig. Ich sah mit Vergnügen zu, da ich diese Leute sehr gern habe.“(2)
Angeregt von frühen volkskundlichen
Beschreibungen wie einer ähnlichen
Aktion in Frankreich ließ Johann im
Jahre 1811 eine landesweite Bestandsaufnahme durchführen. Dazu wurden
Fragenentwürfe an sämtliche steyermärkische Werbbezirke zum Behufe
einer physikalischen Statistik dieses
Landes mit etwa 90 Fragen zu den
Themen Topographisch-Politisches,
Physikalisch-Naturhistorisches
und Medizinisches, Forstwirtschaftliches, Ökonomisches,
Montanistisches sowie Kommerzielles verschickt. Im ebenfalls abgefragten Bereich
Religiös-Sittliches wurde besonders auf die „Beschreibung vorzüglicher Lieblingsunterhaltungen
und Vergnügungen, ländlicher Spiele und dergleichen des Volkes, mit Mitteilung der gewöhnlichsten oder jedem Ort eigenen Volksgesänge,
Nationalmelodien, womöglich mit beigefügter
Musik, der Tänze u. a. m[it] Angabe der üblichen
musikalischen Instrumente“ Wert gelegt, wobei
alles genau so niedergeschrieben werden sollte, wie
es die Menschen sangen und spielten. Der vor allem
naturwissenschaftlich und historisch umfassend
ausgebildete, aber auch von Tanzmeistern und
Musikern unterwiesene Prinz interessierte sich laut
eigenen Tagebucheintragungen bereits seit 1802 für
das Volkslied, seine Sammlung, Verbreitung und
somit auch Bewahrung; seiner Meinung nach sollte
es „nicht verloren gehen!“(3)
Wertschätzung des Volkslebens
Schon mit diesem ersten Sammelaufruf bezeugte der
Erzherzog seine Wertschätzung des Volkslebens
und initiierte zugleich eine einzigartige Dokumen-
42
steirische berichte 1-2 /09
tation der steirischen Volkskultur zu Beginn des
19. Jahrhunderts. Etwa 70 Einsendungen, darunter
auch reine Notenhandschriften, wurden aufgrund
des Aufrufs nach Graz geschickt; sie werden heute
zum Großteil im Steiermärkischen Landesarchiv
verwahrt. Die Sammlung umfasst an die 3.000 Titel,
darunter deutsche und steyerische Tänze, Märsche
und Menuette, Liebes-, Standes-, Hochzeits- und
Weihnachtslieder, die zum Teil aus dem heutigen
Slowenien stammen. In den 1830er Jahren war
eine Publikation des Sammelgutes geplant, für die
Johann Nepomuk Geiger (1805–1880) ein Titelblatt
anfertigte.
Zu den bedeutendsten und umfangreichsten Einsendungen zählt Johann Felix Knaffls (1769–1845)
Versuch einer Statistik vom kameralischen Bezirke
Fohnsdorf im Judenburger Kreise aus dem Jahr
1813.(4) Knaffl überlieferte hier unter anderem
ländliche Bräuche und die damit in Zusammenhang
stehende Musik, die er aber nicht nur so „verhunzt“
wiedergab, wie er sie gehört hatte, sondern auch in
einem seiner Meinung nach „richtigen Sa[t]z“.
Somit ist diese Handschrift ein wertvolles Dokument für die ländliche Musizierpraxis am Beginn
des 19. Jahrhunderts.
1819 unterstützte Erzherzog Johann die von der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter
Joseph Sonnleithner (1776–1835) österreichweit
durchgeführte Volksliedsammlung.(5) Zeitgleich
sandte er neuerlich eine eigene „Einladung an
Schullehrer und Musikfreunde“, worin es hieß: „Es
sollen alle Lieder, geistlichen oder weltlichen Inhalts, als Kirchenlieder, Weihnachts-, Leichen- und
Hochzeitsgesänge, Spottgedichte, Gsetzln, Gstanzeln
in deutscher oder windischer Sprache mit ihrer
Singweise – auch alle Tänze älterer und neuerer
Zeit, Märsche, Tafelstücke u. s. w. – aufgeschrieben
werden. […] Sie sollen ja nichts für zu gering oder
unbedeutend oder anstößig halten, da es sich hier
alles zu besitzen handelt.“(6) Dieser Sammelaufruf
war nun auch mit einer „Preisverteilung“ verbunden.
Im Dezember 1840 veranstaltete der Erzherzog im
Rahmen einer Feier für die Landwirtschaftsgesellschaft einen „Volksmusik-Wettbewerb“, der wiederum die Bedeutung des Sammelns bewusst machen
sollte. Ein Verzeichnis listet die aus vielen Teilen
der Steiermark stammenden TeilnehmerInnen auf,
darunter SängerInnen und MusikantInnen aus
Aussee, Rottenmann, Gröbming, St. Lambrecht,
Unzmarkt, Bruck, Graz, Judenburg, Stainz und dem
heute zu Slowenien gehörenden Obernburg/Gornji
Grad.(7)
Mehr oder minder bedeutende Komponisten widmeten dem Erzherzog Stücke wie die „AlpenKlänge“ (Josef Gungl) oder die „Erzherzog Johann!
Marsch-Polka“ (Theodor F. Schild), die heute allerdings weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Im Gegensatz dazu werden einige der so genannten
Erzherzog-Johann-Lieder(8) – einst Zeichen seiner
Beliebtheit bei den einfachen Menschen – auch
heute noch gerne gesungen, allen voran das berühmte „Wo i geh und steh“. Der Text dieser „Älplerballade“ wurde 1830 vom Beamten und Mundartdichter Anton Schosser (1801–1849) in Schärding
verfasst und 1849 unter dem Titel „’s Hoamweh“ in
seinen Naturbildern aus dem Leben der Gebirgsbewohner abgedruckt; die Melodie dazu dürfte aus
Tirol stammen. In seiner späteren Version mit dem
kunstvollen Bravourjodler, der wiederum auf ein
Wiener Flugblattlied zurückgehen könnte,(9) ist
dieses Lied heute vielleicht sogar die heimliche
steirische Landeshymne. Vielen SängerInnen sind
aber auch einfachere Volkslieder wie das auf den
vom Erzherzog erworbenen Brandhof am Seeberg
gedichtete „Von der Steiermårk san ma außer“(10)
bekannt, die oft das vom Prinzen geliebte Jagen
und/oder die Natur thematisieren.
Die bürgerliche Kunstmusik
Erzherzog Johann bemühte sich aber auch um die
damals aufstrebende bürgerliche Kunstmusik. So
übernahm er 1819 das Protektorat des erst einige
Jahre zuvor ins Leben gerufenen „Musikvereins
von Steyermark“ und meinte dazu scherzhaft:
„Wenn es nach dem Sprichworte gehet, welches
sagt, wem Gott das Amt giebt, dem giebt er den
Verstand, so werde ich noch ein gewaltiger Virtuos
werden, und wenn nicht auf irgend einem ausgezeichneten Instrument, doch vielleicht auf der
Maultrommel oder dem Hackbrettel.“(11) Womit
wir wieder bei der Volksmusik gelandet wären.
Eva Maria Hois
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Zitiert nach Hans Magenschab: Erzherzog
Johann. Bauer – Bürger – Visionär,
Graz 2008, S. 22.
Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl:
Der erste Tourist. Mit Erzherzog Johann durch die Steiermark, Graz 2003, S. 128.
Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl:
Der erste Tourist, S. 128.
Viktor von Geramb: Die Knaffl-Hand-
schrift, eine obersteirische Volkskunde aus dem Jahre 1813 (= Quellen zur
Deutschen Volkskunde 2), Berlin 1928.
Vgl. Klaus Petermayr: Lieder und Tänze
um 1800 im Hausruckviertel aus der Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft
der Musikfreunde in Wien, redigiert und ergänzt von Walter Deutsch und Eva Maria Hois (= Corpus Musicae Popularis Austriacae 18), Wien – Köln – Weimar 2006,
S. 11–26.
(6)
(7)
(8)
(9)
Zitiert nach Hannes Lambauer: Kommentar zum „Titelblatt zur Volksliedersammlung Erzherzog Johanns“. In: Helfried
Valentinitsch (Hg.): Steiermark Archiv: Wissenschaft, Literatur und Musik,
1995 ff., STA 0350.
Vgl. Viktor v. Geramb: Erzherzog Johanns Verdienste um das Volkslied. In: Das deut-
sche Volkslied 18, Wien 1916, S. 120.
Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. Erzherzog-Johann-Liedtraditionen vor, in,
neben und nach „Wo i geh und steh“,
Mürzzuschlag 1996.
Gertraud Pressler: (Rez.) Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. In: Michael Weber und Thomas Hochradner (Hg.): Identität und Differenz. Beiträge zur vergleichenden
und systematischen Musikwissenschaft
(= Musicologica Austriaca 17),
Wien 1998, S. 220–226.
Titelblatt der
Erzherzog-JohannSammlung von
J. N. Geiger,
Volkskundemuseum.
(10) „Der Brandhof“ wurde bereits 1833
mit drei Strophen in einer oberbayrischen Handschrift notiert.
Franz Blümel veröffentlichte eine Variante in Steirerlieder, Graz 1889, S. 13, Rudolf Schwarz und Emil Seidel publizierten ihn in Steirische Volkslieder, Graz – Wien 1981, S. 22.
Im Steirischen Volksliedarchiv gibt es eine Niederschrift (um 1910) von Johann Gollob (1850–1923) aus Ingering im Bezirk Knit-
telfeld (StVLA Mappe 398).
(11) Zitiert nach Hannes Lambauer: Die Anfän-
ge des Musikvereins für Steiermark. In: Grete Klingenstein (Hg.): Erzherzog Johann von Österreich. Beiträge zur Geschichte seiner Zeit. Katalog zur Landesausstellung
8. Mai bis 31. Oktober 1982, Schloß Stainz,
Graz 1982, S. 271.
1-2/09 steirische berichte
43
wissenschaft.
kunst.
kultur.
Die Steiermärkische
Landesbibliothek Rückblick und Ausblick
Außenansicht Als am 26. November 1811 die von Erzherzog
der Steiermärkischen Johann am 16. Juli desselben Jahres unterfertigte
Landesbibliothek.
Foto: Schellnegger Stiftungsurkunde für das „Innerösterreichische
Nationalmuseum“, das bald darauf nach seinem
Gründer „Joanneum“ genannt werden sollte, im
Rahmen eines feierlichen Aktes an die steirischen
Stände im Landtag überreicht und damit der
Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung der
technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsstätte
gelegt wurde, kamen nicht nur seine umfangreichen Sammlungen, sondern auch ein Großteil
seiner privaten Bibliothek in den Besitz des Landes.
So konnte noch vor Beginn der Lehrtätigkeit zu
Jahresanfang 1812 die „Lese-Anstalt“ Joanneum
ihren Betrieb eröffnen.
Die Buchbestände, die schon in den folgenden Jahren durch zahlreiche umfangreiche Schenkungen
meist adeliger Gönner, wie etwa der Grafen Egger,
Brigido und Saurau, und ständige weitere
Zuwendungen durch den Erzherzog selbst einen
beträchtlichen Umfang annahmen, waren von
Anfang an nicht nur auf die Unterstützung des
Lehrbetriebes, sondern auch auf alle geistes- und
kulturwissenschaftlichen Bereiche ausgerichtet.
Die Joanneums-Bibliothek sollte sich entsprechend
den Statuten „nicht lediglich auf das unmittelbare
Bedürfnis der Lehranstalt einschränken, sondern …,
da sie als eine der wichtigsten Quellen der Belehrung, des Unterrichtes und der Bildung überhaupt
anzusehen ist, sich auch auf andere Gegenstände
erstrecken, wenn sie nur nicht gänzlich außer dem
Wirkungskreis des Institutes liegen“. Betrug die Zahl
der aufliegenden Journale 1812 noch 35, konnten
1844 bereits 207 Titel eingesehen werden.
Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass
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steirische berichte 1-2 /09
trotz der rigorosen Zensur während der MetternichÄra 16 verbotene ausländische Zeitungen aufgelegt
werden konnten. Der 1819 genehmigte „Leseverein
am Joanneum“, der durch seinen hohen Mitgliedsbeitrag und durch die große Zahl seiner Mitglieder
erheblich zur Popularität und zur Bestandsvermehrung beitragen konnte, festigte bis zu seiner
Auflösung 1871 die Verankerung der Bibliothek
im Bewusstsein der bildungsbeflissenen Kreise der
Bevölkerung des Landes, so dass auch die Verselbständigung der Montanistischen Lehranstalt 1840
und der Technischen Hochschule 1864/65, die zunächst zu einer existenziellen Krise der Bibliothek
geführt hatte, letztlich zur Identitätsfindung und
weitreichenden Absicherung des Institutes beitrug.
Der 1825/26 erfolgte Anbau an der Südseite des
Lesliehofes wurde abgetragen; am 26. November
1893 konnte der nach den Plänen von August
Gunolt errichtete Neubau eröffnet werden, der
sich von Anfang an als zu klein und wenig zweckmäßig erwies.
Zeitgemäßes Ambiente in Sicht
Der 1948 unter der Direktion von Julius Franz
Schütz herausgegebene Führer der Landesbibliothek vermerkt lapidar, dass das Bibliotheksgebäude
„in den letzten Jahren so unzureichend geworden
(ist), dass ein Neubau oder eine Erweiterung immer
dringender nötig wird“. Mehr als sechzig Jahre
danach steht die Steiermärkische Landesbibliothek
nun vor der Realisierung dieses Projektes, das
allein im Hinblick auf die Bestandszahlen jeder
allfälligen Kritik trotzen kann: 1827 wies die Bibliothek 20.000 Bände auf, um 1900 etwa 145.000,
1937 etwa 300.000, und gegenwärtig sind es mehr
als 700.000, gelagert im bestehenden Gebäude sowie in mehreren Außendepots. Als wissenschaftliche Bibliothek, als eine den Bedürfnissen aller Bevölkerungsschichten gerecht werdende öffentliche
Bibliothek, als Behördenbibliothek und vor allem
als Bewahrerin steirischen Schrifttums wird sie
nach Fertigstellung des das gesamte Joannneumsviertel umfassenden Projektes endlich wieder in
einem zeitgemäßen Ambiente den Erfordernissen
eines modernen Bibliotheksbetriebes und dem
joanneischen Bildungsauftrag gerecht werden
können.
Christoph H. Binder
Im gemeinsamen Interesse
handeln
grenzenlos.
Gestern wie heute Herausforderung, Chance und Bereicherung
In Zeiten schrumpfender Budgets zur Förderung
öffentlicher Anliegen hat die Europäische Kommission die finanziellen Mittel zur Förderung grenzüberschreitender Programme erneut erhöht. Wie sie
dies seit Beginn dieser Förderprogramme tut und
wie sie, wenn man dem derzeitigen Planungsstand
trauen kann, das auch für die Zukunft beabsichtigt.
Mit gutem Grund. Denn diese Programme zur Stärkung der bilateralen und transnationalen Zusammenarbeit sind ein Beitrag zu einem der grundlegendsten Ziele der europäischen Union. Sie sind ein
Beitrag zur nachhaltigen Friedenserhaltung. Sie
ermöglichen allen Beteiligten, deren interkulturelle
Kompetenz zu entwickeln, zu schulen und zu leben.
Denn wir werden uns in Zukunft mit zwei auf den
ersten Blick gegensätzlichen Trends auseinander
setzen müssen.
Auf der einen Seite wird die Globalisierung das
Eigenkulturelle in jedem von uns ansprechen
bzw. verstärken. Wir werden uns stärker mit einer
Gruppe identifizieren und deren kulturelle Eigenheiten pflegen und leben. Denn dies stärkt unser
Zugehörigkeitsgefühl und gibt uns Sicherheit
und Gelassenheit. Auf der anderen Seite werden
wir herausgefordert, uns mit Mitgliedern anderer
Gruppen auseinander zu setzen und darüber hinaus
mit diesen erfolgreich zusammen zu arbeiten und
zu leben. Dazu müssen wir diese Herausforderung
als Chance, als Bereicherung sehen. Mit interkulturellem Verständnis und entsprechender Handlungskompetenz kann uns dies gelingen.
schaftlichen und sozialen Ziele
nur dann erreichbar sind, wenn
die Projekte im gemeinsamen
Interesse und im guten Einvernehmen umgesetzt werden. Und
sie lernen praktisch, dass wir an
der Grenze zwischen Österreich
und Slowenien zwar eine durch
viele Jahrhunderte hindurch
gemeinsame Geschichte haben,
dass aber der Blick zurück sehr
unterschiedlich sein kann. Zum
Teil durch kollektive Wahrnehmung und zum Teil durch
individuelle Erfahrung der
Geschichte. Dass wir zwei Sprachen haben, die uns trennen,
dass aber gerade Slowenien sich
der Bedeutung der Mehrsprachigkeit sehr bewusst ist und
diese in der formalen Bildung
eine große Rolle spielt. Dass
die Geschäftsgepflogenheiten (wie man jemanden
anredet, wie weit im Voraus Termine vereinbart
werden, kommuniziert man per E-Mail oder Post
usw.) zum Teil sehr unterschiedlich sind, dass man
sie aber mit gutem Willen und vor allem Offenheit
und Dialog überwinden kann. Und sie lernen vor
allem, dass der Aufbau persönlicher Beziehungen
den nachhaltigsten Erfolg und den größtmöglichen
Nutzen bringt.
Interkulturelle
Handlungskompetenz
Grenzüberschreitende
Zusammenarbeit
Was ist nun interkulturelle Handlungskompetenz?
Es ist die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kulturkreise erfolgreich zu kommunizieren und zu interagieren. Die Basis bildet das Kennen der eigenen
Kultur und ein gesundes Maß an Selbstsicherheit
und emotionaler Stabilität. Damit im Gleichgewicht
sollten aber auch Kenntnisse und Erfahrungen
betreffend andere Kulturen, die Fähigkeit, sich in
andere zu versetzen, Offenheit und Interesse für
das Andere und die Bereitschaft im gemeinsamen
Interesse zu handeln, stehen.
Genau diese Fähigkeiten erwerben alle, die an
grenzüberschreitenden Projekten arbeiten. Sie
verstehen sehr bald, dass die gemeinsamen wirt-
Die Programme zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Österreich und
Slowenien gibt es seit mehreren Jahren. Sie haben
den Menschen, die sich daran beteiligen, die Gelegenheit gegeben – und werden dies auch in Zukunft
tun –, ihre Nachbarn und deren Lebensweise kennen zu lernen, sie haben zu einer schnelleren und
intensiveren Öffnung der Grenze und zum Aufbau
wirtschaftlicher Beziehungen beigetragen. Und so
kommen wir wieder zur Mission der Friedenserhaltung zurück. Menschen, die man kennt, schenkt
man leichter Vertrauen.
Menschen,
die man kennt,
schenkt man leichter
Vertrauen.
Foto: kk
Sabina Cimerman
1-2/09 steirische berichte
45
grenzenlos.
Erzherzog Johann
Wein & Kulturreise
Auf den Spuren des Erzherzog Johann von Stainz nach Maribor
Im Erzherzog Johann Gedenkjahr 2009 bietet
das Weinland Steiermark seinen Gästen eine
Spurensuche.
Bild links:
Unterwegs mit
Erzherzog Johann
durch das
Weinland Steiermark
und Slowenien.
Bild rechts:
Das Haus zur
alten Rebe am Lend
in Maribor mit
neuen Vinothek.
Fotos:
Erzherzog Johann
Wein & Kulturreise
46
Gemeinsam mit dem Tourismusverband Maribor
führt man – entlang von steilen Weingärten und
durch Hopfenäcker – auf eine Reise durch die
Weinbauorte und damit auch durch die Geschichte
des Weinbaus in der Steiermark und in Slowenien.
Wir starten in Stainz (Schloss Stainz mit Jagdmuseum und Sonderausstellung Erzherzog Johann
oder Besuch bei den Traditionswinzern) im Weinbaugebiet Weststeiermark und lassen uns auf
unserer Reise durch ein Stück weinbäuerliche Kultur führen. Wie damals zu Zeiten des Erzherzogs –
ohne Grenzen auf der Suche nach Traditionen und
besonderen Menschen.
Auf der Reise Richtung Süden machen wir Halt in
Kitzeck im Sausal. Im Weinbaumuseum vor Ort
wird vor allem die weinbäuerliche Lebens- und
Wohnkultur längst vergangener Tage anschaulich
präsentiert.
Ein Wein, der den Namen „Steirische Hoheit“ trägt,
zeugt in Kitzeck von großer Hochachtung, zumal
ja immer nur der beste Wein des Jahrganges unter
Steirischer Hoheit auf den Markt kommt.
Die Spurensuche führt uns weiter an die Südsteirische Weinstraße. Hopfenanbau in Leutschach, ein
Weinmuseum im Schloss Gamlitz, welches viele
Fragen zum Thema Erzherzog Johann und den
Weinbau in der Steiermark beantworten wird, und
die Erzherzog Johann Weine in Ehrenhausen sind
hier unsere Stationen. Immer begleitet von bezaubernden Landschaften, ausgezeichneten Weinen und
kulinarischen Besonderheiten (z. B. Gerichte aus
dem Anna Plochl Kochbuch in Abels Wirtshaus).
steirische berichte 1-2 /09
Kultur und Kulinarik hier und dort
Über Spielfeld begeben wir uns ins Pößnitztal, wo
wir zum Beispiel beim Gasthaus Siker einkehren.
Das Gebäude wurde 1870 errichtet, im eigenen
Museum kann man ländliche Transportmittel und
bäuerliche Arbeitsgeräte besichtigen.
Nun geht es weiter nach Maribor. Die Stadt ist von
Weingärten umgeben wie selten eine Hauptstadt
und liegt direkt an der Drau. Das Haus zur alten
Rebe am Lend mit der neuen Vinothek gehört zu
den „musts“ bei der Weinkulturreise. Ebenso wie
ein Besuch des Regionalmuseums.
Unser nächstes Ziel ist das, von Erzherzog Johann
1822 gekaufte, Gut in Meranovo, wo er ein Musterweingut errichten ließ, welches nachhaltigen
Einfluss auf den steirischen Weinbau hatte.
Auf dem Anwesen steht das schöne ehemalige
Wohnhaus mit Weinkeller.
Erzherzog Johann ist es zu verdanken, dass wir
heute einerseits auf eine Vielzahl an schriftlichen
Aufzeichnungen zum Thema Weinbau aus seiner
Zeit zurückgreifen können, andererseits aber auch
durch seine Aktivitäten wie zum Beispiel die
Errichtung einer Rebschule auf eine besondere
Weinbautradition zurückblicken können.
Zurück in die Steiermark über Svecina – zum
Beispiel um die Weinbauern Gaube, Kuster und
Valdhuber zu besuchen, oder ein Abstecher nach
Sveti Urban – um die Aussicht zu genießen, die
auch den Erzherzog damals „Wunschlos glücklich
in einem verzauberten Land“ sein ließ …
www.weinkulturreise.at
Claudia Pronegg-Uhl
Gradec–Marburg
71,8 Kilometer oder 61 Minuten Zugfahrt: Diese
Kleinigkeit trennt Graz und Maribor, und dennoch
scheint die gefühlte Distanz ein Vielfaches zu
betragen. Dabei bilden die beiden Städte eine der
am schnellsten wachsenden Regionen an der ehemaligen Ost-West-Grenze Europas. Vorstöße, diese
Distanz zu verringern, gab es in der Vergangenheit
bereits zuhauf. 1987 unterzeichneten der damalige
Grazer Bürgermeister Alfred Stingl und der Präsident der Bürgerversammlung von Maribor, Emil
Tomazic, eine Städtepartnerschaftsurkunde mit
dem Ziel, die freundschaftlichen Beziehungen
zwischen den BürgerInnen beider Städte nicht
nur zu erhalten, sondern weiter zu vertiefen. Mit
der 2001 gegründeten Europa-Region (Euregio)
Graz-Maribor setzte man einen weiteren Schritt
in der Zusammenarbeit. Entwicklungshemmnisse
auf beiden Seiten sollten abgebaut, Netzwerke von
Beziehungen zwischen den Gemeinden, der Wirtschaft, den BürgerInnen, Vereinen und Verbänden
aufgebaut werden.
Und die Technologieachse, die sich in den letzten
Jahren zu einer Dachmarke für technologieorientierte Kooperationen entwickelt hat, zeigt vor allem
die wirtschaftlichen Chancen auf, die eine grenzüberschreitende Verbindung mit sich bringt.
Im Hinblick auf das bevorstehende Kulturhauptstadtjahr Maribor 2012 gibt es nun endlich auch
auf kultureller Ebene eine neue Initiative: Mit
Gradec – Marburg möchte Joanneum-Intendant
Peter Pakesch in Kooperation mit dem Haus der
Architektur Graz und der Umetnostna galerija
Maribor unsichtbare Grenzen sprengen und die Dynamik der grenzüberschreitenden Region anhand
verschiedener Diskussionen aufzeigen. Es geht vor
allem darum, Erfahrungen auszutauschen und
Schnittstelle, Drehscheibe und Wegbereiter für die
Zusammenarbeit zwischen steirischen und slowenischen Kulturinstitutionen zu sein.
Interkultureller Austausch
Dass das Thema des interkulturellen Austausches
auf breites Interesse stößt und viele Menschen
bewegt, bewies die Auftaktveranstaltung Bürger-
grenzenlos.
meister über die Zukunft der Städte. In einer zum
Bersten gefüllten Umetnostna galerija Maribor –
der eigens für die Veranstaltungsreihe angemietete Gratis-Shuttlebus von Graz nach Maribor war
binnen eines Tages ausgebucht – untermauerten
die DiskutantInnen Peter Pakesch, die Leiterin der
Umetnostna galerija Maribor, Breda Kolar Sluga,
der Grazer Architekt Klaus Kada, sowie die Bürgermeister Siegfried Nagl und dessen Marburger
Kollege Franc Kangler das Vorhaben, beide Partnerstädte „mit Dynamik in die Mitte Europas hineinzuführen“. Die Veranstaltungsreihe Gradec –
Maribor jedenfalls ist ein weiterer Wegweiser auf
dem Weg zu einer grenzenlosen Kulturlandschaft.
Weitere Termine:
14. 04. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz
Universitäten/Kunstakademie
Foto links: Bgm.
Siegfried Nagl
und dessen
Marburger Kollege
Franc Kangler
zeigen sich
erfreut bei der
Auftaktveranstaltung
in Maribor.
Foto rechts: Breda
Kolar Sluga (links),
Peter Pakesch
und Fabian
Wallmüller (rechts)
präsentieren stolz die
Veranstaltungsreihe
Gradec-Marburg.
Fotos: Lunghammer
Sujet: L andesmuseum
Joanneum
12. 05. 2009, 19:00 Uhr,
Umetnostna galerija Maribor
Twin Cities – Metropolitanregion Graz-Maribor
09. 06. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz
Alternative Szenen und große Institutionen
08. 09. 2009, 19:00 Uhr,
Umetnostna galerija Maribor
Alternative Szenen und große Institutionen
13. 10. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz
Kulturhauptstadt
10. 11. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija
Maribor
Universitäten
15. 12. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz
Bürgermeister über die Zukunft der Städte
Für alle Diskussionen, die in der Umetnostna
galerija Maribor stattfinden, steht ein kostenloser
Shuttlebus von Graz nach Maribor bereit. Abfahrt
ist jeweils um 17:00 Uhr vor dem Kunsthaus Graz.
Wir bitten um rechtzeitige Anmeldung.
Kontakt: Tel.: 0316 / 8017 - 9238
1-2/09 steirische berichte
47
grenzenlos.
Was geschah jenseits der
steirischen Grenzen?
Im folgenden Kalender soll in sehr gedrängter Form an Personen und Ereignisse jenseits der steirischen Grenzen erinnert
werden, die für die Beurteilung Erzherzog Johanns, seiner Persönlichkeit und seines Wirkens von Bedeutung sind.
Florenz Foto : Shutterstock
1790
In Wien stirbt Kaiser Josef II., Johanns
Vater wird als Leopold II. römischdeutscher Kaiser. Der achtjährige
Johann kommt an den Hof in Wien.
1792
20. Jänner 1782
Johann kommt in Florenz zur Welt.
Sein Vater ist Großherzog in der
Toskana, wo er als volksnaher, aufgeklärter Fürst regiert. Seine Mutter ist
die spanische Infantin Maria Ludovika.
Er verlebt seine frühe Kindheit im
mächtigen Palazzo Pitti.
14. Juli 1789
In Paris bricht die Französische Revolution aus. Sie rüttelt an der Herrschaft
der großen Fürsten. Aus Untertanen
sollen freie Bürger werden. In Europa
beginnt eine lange Periode von Unruhe
und Krieg.
48
Johanns Vater und Mutter sterben.
Sein ältester Bruder Franz wird Kaiser
und ist für die Erziehung des zehnjährigen Waisenkindes zuständig. Die
glückliche Zeit von Johanns Kindheit
ist vorbei.
1793
Die Revolution in Paris radikalisiert
sich. König Ludwig XVI. wird enthauptet. Auch die Königin Marie Antoinette,
Johanns Tante, endet vor der Volksmenge unter der Guillotine.
Ab den neunziger Jahren gibt es Krieg
zwischen Frankreich und europäischen
Koalitionen. Ein junger General steigt wie
ein Meteor auf: Napoleon Bonaparte.
Er stabilisiert in Paris die Revolution
und führt im Namen der neuen Freiheiten Krieg gegen halb Europa.
1800
Der dynastischen Tradition entsprechend muss Johann das Kriegshandwerk lernen, das er wenig liebt.
Als junger Erzherzog wird er gegen
eine französische Armee in den
Kampf geschickt. Seine Truppen
werden in einer blutigen Schlacht bei
Hohenlinden, östlich von München,
geschlagen.
1804
Napoleon krönt sich in Paris zum
Kaiser der Franzosen. Johanns
Bruder Kaiser Franz II. begründet das
österreichische Kaisertum.
1806
Franz II. legt in Wien die deutsche
Kaiserkrone nieder und bleibt
als Franz I. Kaiser von Österreich.
Bild: Die Krönung Napoleons in Notre Dame (1804), Gemälde von Jacques-Louis David
steirische berichte 1-2 /09
grenzenlos.
3 Fotos:
1809
Österreich schließt nach einem verlorenen Krieg Frieden mit Frankreich.
Johann sympathisiert jedoch mit Tirol,
das sich gegen die Franzosen und ihre
bayrischen Vasallen, die dieses Land
besetzt halten, erhebt. Johann unterstützt den Aufstand, der nach anfänglichen Erfolgen zusammenbricht und
mit der Hinrichtung Andreas Hofers in
Mantua endet.
1809–1814
Territorien in Kärnten, im heutigen
Slowenien, in Kroatien und Italien bis
nach Triest werden als Illyrische Provinzen Teil des Französischen Empire.
Fünf Jahre lang grenzt die Steiermark
direkt an Frankreich.
1810
Napoleon ist mehr oder weniger Herr
über den Europäischen Kontinent.
In Wien verbietet der Kaiser seinem
Bruder Johann, das geliebte Land Tirol
zu betreten, um nicht neue Schwierigkeiten mit Napoleon zu bekommen.
Ein Glück für die Steiermark – Johann
wendet ihr sein Interesse zu. Im Zug
einer politischen Annäherung
zwischen Wien und Paris heiratet
Napoleon Johanns Nichte, Marie Louise
von Österreich, Tochter des Kaisers.
1811
Erzherzog Johann stiftet seine Sammlungen den Steirischen Landständen.
Das ist der Gründungsakt des Joanneums als einer Stätte von Wissenschaft
und Forschung, die sich später in mehrere Richtungen verzweigt. Er beginnt
sein Aufbauwerk in der Steiermark im
Sinne von Vorbildern in Frankreich
und in England. Es geht um neue Bildung, neue Technik, neue Wirtschaft.
1812
Es gibt wieder Krieg. Napoleon ist der
erste europäische Politiker, der an der
Illusion, Russland militärisch besiegen
und erobern zu können, scheitert. Sein
Stern beginnt zu sinken und geht
schließlich in der Verbannung auf
St. Helena unter.
1815
Fürst Metternich
Der Wiener Kongress beendet ein
Vierteljahrhundert von Kriegen und
Konflikten in Europa. Die Dynastien
können aufatmen, wenngleich die
Ideen der französischen und englischen Aufklärer weiterwirken. Johann
folgt diesen Visionen nicht politisch,
wohl aber ist er vom neuen Ideal des
Fortschritts überzeugt: „Unaufhörliches Fortschreiten ist das Ziel des
Einzelnen, jedes Staatsvereins, der
Menschheit.“
Jahrzehntelang leistet Johann in der
Steiermark Großes als Gründer eines
für seine Zeit modernen Landes. Er holt
sich Informationen in weiten Reisen,
besonders aus dem England der frühen
Industriellen Revolution.
kk
sammlung wählt in Frankfurt Erzherzog Johann in Abwesenheit zum
Reichsverweser, das heißt zum vorläufigen Inhaber der Zentralgewalt in der
Erwartung, dass sich unter seinem
Vorsitz deutsche Einheit konstituieren möge. Ein unlösbares Vorhaben
angesichts der auseinanderstrebenden
Interessen Preußens, anderer deutscher
Fürstentümer und des Vielvölkerreiches
der Habsburger, mit dem Hintergrund
sozialer Spannungen zwischen Aristokratie, Bürgertum, Bauernstand und
aufsteigender Arbeiterschaft.
1849
In die Steiermark heimgekehrt, wirkt
Johann weiter in seinem Land und ist
sich nicht zu schade, auch als gewählter
Bürgermeister in Stainz für das lokale
Gemeinwesen zu wirken.
11. Mai 1859
Erzherzog Johann stirbt in Graz in dem
von ihm errichteten Palais Meran.
Metternichs Polizei beobachtet misstrauisch Johanns Wirken. Er bleibt
jedoch loyal und gehorsam gegenüber
seinem kaiserlichen Bruder, später auch
gegenüber seinem Großneffen, Kaiser
Franz Joseph. Er ist der Katholischen
Kirche verbunden. Zugleich wird sein
Wirken aus zwei großen Zeitströmungen verständlich: einerseits aus der
Vernunft der Aufklärung, andererseits
haben seine Liebe zur Natur und seine
Zuneigung zum einfachen Volk auch
ihre Wurzeln in Rousseaus „Zurück zur
Natur“ und in der Romantik.
1848
Wieder bricht in Paris eine Revolution
aus, die auf Europa, auch auf Wien
übergreift. Politische Kräfte in Deutschland hoffen nach dem Vorbild der
französischen Nation auf ein einiges
Deutsches Reich. Eine Nationalver-
Das Mausoleum des Erzherzogs in Schenna,
Südtirol
1869
Heimkehr in seine frühe Liebe Tirol.
Überführung aus dem Mausoleum Graz
zur Grabstätte in Schenna bei Meran.
Kurt Jungwirth
1-2/09 steirische berichte
49
grenzenlos.
Andreas Hofer
Junge Stimmen zum
„Freiheitshelden“ der Tiroler
Kreidezeichnung
von Placidus Altmutter
(1780–1819) Foto: kk
Rechts: AndreasHofer-Gedenktafel
von 1909 am
Goldenen Adler
in Innsbruck.
Foto: Jaritz
Vor bald 200 Jahren, am 20. Februar 1810, starb
Andreas Hofer, der Wirt am Sand aus Passeier. Er
wurde auf Befehl Napoleons zum Tode verurteilt
und in der Festung zu Mantua erschossen. Damit
wurde ein endgültiger Schlussstrich unter die
Aufstandsversuche der Tiroler gegen die napoleonisch-bayrische Fremdherrschaft gezogen. Für
Jahre versank das Land in Depression und Armut.
Der 14jährige Tobias aus der Mittelschule St. Leonhard in Passeier, dem Heimatort Hofers, schreibt:
Wir, als Passeierer sollten ihn nicht vergessen, er
ist unser Denkmal.
Inspiriert durch die beginnenden offiziellen Feierlichkeiten zum 200jährigen Gedenkjahr an die
Freiheitskämpfe der Tiroler widerspiegelt diese
Aussage die Meinung vieler Jugendlicher. Keine
andere historische Persönlichkeit im Lande ist
ihnen mit seinem Namen und Aussehen so vertraut
wie der Sandwirt Andre Hofer.
Er war und ist der Inbegriff für die männliche
Tapferkeit, die bereit ist, auch in den Tod zu gehen,
aber auch für die unkritische, gottesfürchtige, loyale
Ergebenheit seinem „angestammten“ Kaiserhaus
Österreich gegenüber. Dieser Wert der Treue der
politischen und religiösen Institutionen gegenüber
ließ Hofer für die Tiroler Nation bis heute unsterblich werden.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde
besonders dieser Wert herangezogen, um Hofer mit
einem glorifizierenden Mythos zu umgeben, der ihn
zum „wahren Tiroler“ hochstilisiert. Im Gedenken an sein schicksalhaftes Leben verfehlt er bis heute nicht seine Wirkung. Die Gefahr der Vereinnahmung durch parteipolitisches, rechtsorientiertes, populistisches Gedankengut ist heute
wieder sehr groß.
Besonders männliche Jugendliche auf der Suche
nach verbindender Gemeinschaft erliegen ihr leicht,
denn das „gemeinsame harte Schicksal“ – für welches „unser Hofer“ steht – schweißt zusammen.
So zeigt sich unter den Jugendlichen ein indifferentes Bild über den Helden. Das historische
Faktenwissen ist sehr oberflächlich und beschränkt
sich oft auf verzerrende, unreflektierte Episoden
aus Hofers Leben.
Verrat Hofers
Eine besondere emotionale Betroffenheit löst auch
bei den Jugendlichen der Verrat Hofers durch einen
„unguten“ Landsmann aus. Die Gestalt des Verräters
50
steirische berichte 1-2 /09
Franz Raffl ist historisch belegt, wurde aber in besonders moralisierender Weise in einen religiösen
Kontext gebracht. Dabei war die mentale Nähe
Hofers zur Jesusgestalt beabsichtigt. Die Betroffenheit über dieses verwerfliche Tun verfehlt auch
heute nicht ihre erzieherische Wirkung.
Die Gefahr einer unreflektierten Zuordnung zu Gut
und Böse, wobei Hofer das unerreichbare und
makellos Gute versinnbildlicht, ist groß. Dadurch
wurden der einhaltlosen Mystifizierung keine
Grenzen gesetzt. Deshalb ist es heute an der Zeit,
ein objektives, historisches Bild von Hofer, seinen
Mitstreitern und seiner Zeit zu vermitteln.
Im Heimattal Hofers ist die Ahnung über seinen
Charakter und seine Beweggründe lebendig und
nachvollziehbar, weshalb es wie ein gutes Omen
anmutet, dass hier die wissenschaftlichen Impulse
mit der neu gestalteten Dauerausstellung „Helden&
Hofer“ im Museum Passeier aufgegriffen und
umgesetzt werden. Die Ausstellungseröffnung fand
am 21. Februar 2009 statt.
Ein objektiveres Geschichtsbild in Bezug auf das
Jahr 1809 und seinen „Helden“ tut Not, um ihm nach
200 Jahren Verzerrung die ihm gebührende objektive, persönliche Erinnerung zukommen zu lassen.
So kann auch bei den Jugendlichen wieder Interesse
an seiner Person und seiner Zeit geweckt werden.
Die 13jährige Sandra meint: Ich finde es schön, dass
zum 200jährigen Jubiläum so viel von ihm geredet
wird, obwohl es mich nicht so viel interessiert. Aber
vergessen sollte man ihn nicht. In der Schule soll
man schon etwas von ihm gelernt bekommen.
Glorifizierendes Bild
Das unwirkliche, glorifizierende Bild Hofers trug in
den letzten Jahrzehnten in intellektuellen Kreisen
und auch in der Schule dazu bei, ihn durch Verdrängen zu vergessen. Der aufdringliche Anachronismus
rief nicht selten eine abweisende, peinliche Beschämung hervor.
So verlor sich auch das Wissen um Hofers 41 Lebensjahre vor dem Aufstandsjahr 1809, welches
ohnehin nur spärlich historisch belegbar ist. Einen
wichtigen Beitrag dazu wird die vom jungen Historiker Andreas Oberhofer verfasste Biografie leisten.
Damit kann allmählich auch im Geschichteunterricht ein Umdenken zu Gunsten unseres „armen
Helden“ geschehen.
Denn ob wir es wollen oder nicht, Hofer bleibt eine
höchst politische Identifikationsfigur im Lande, die
auch weiterhin zur trennenden Polarisation der
Gesellschaft im dreisprachigen Südtirol oder zum
gemeinschaftlichen Verständnis der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beweggründe aller
Beteiligten der damaligen Zeit, wie auch heute,
beitragen kann.
Wissen schafft Interesse bei den Jugendlichen, und
so glaubt auch Lisa: Wenn ich vielleicht mehr wüsste, einen Film gesehen oder Bücher gelesen hätte,
würde mich sein Leben mehr interessieren!
Hofer war 1767 am Sandhof geboren worden, verlor
früh seine Mutter und den Vater, lernte leidlich lesen
und schreiben und übernahm, nachdem er Anna
Ladurner aus Algund geheiratet hatte, als einziger
Sohn das Wirtshaus am Sand. Zuvor hatte er, wie
in Bürgersfamilien in Tirol üblich, einige Jahre als
Lehrjunge am italienischen Nonsberg verbracht
und lernte dabei die italienische Umgangssprache
und Sitten. Dieses Wissen kam Hofer als Wein- und
Viehhändler, der rastlos viel im ganzen Lande unterwegs war, sehr zugute.
Dieses historisch-biografische Wissen, von den
Italienischlehrerinnen aufgegriffen und in den
Unterricht eingebaut, blieb bei den Jugendlichen in
lebendiger Erinnerung. Es widerspiegelt eine realwirtschaftliche, soziale Offenheit unseres „Helden“,
welche ihm im Hinblick auf seine deutschnationale
Vereinnahmung nicht zugestanden worden wäre.
Es kann einen kleinen Beitrag zu einer etwas gelösteren Haltung vieler Jugendlicher im Erlernen der
zweiten Landessprache leisten.
Hofer, Vater von fünf Kindern, war ein leutseliger
und gottesfürchtiger Mann mit einem imposanten
Äußeren, der es mit seinem charismatischen Wesen
verstand, seine Landsleute zu begeistern. Er bekam
mit ihnen den wirtschaftlich-politischen Niedergang des Landes in der bayrischen Verwaltungszeit
zu spüren. Wagemutig, und auf die Hilfe des österreichischen Kaisers vertrauend, ließ er sich von
den schwärmerischen Ideen des Freiheitskampfes
für sein Land Tirol begeistern. Durch den jungen
Erzherzog Johann an ihn herangetragen, wurde er
zu dessen politischem Instrument. Er war der führende Kopf, der die Aufstandspläne im Geheimen
unter die Leute brachte, der die Tiroler Schützen
als ernannter Oberkommandant in die Schlachten
führte und der für zwei Monate die Landesregentschaft in der Innsbrucker Hofburg übernahm.
Er war eine gute und überzeugende Wahl für das
Land gewesen. Mit seinem einfachen
und ehrlichen Wesen verkannte er
im Herbst des Jahres 1809 nun aber
die kriegspolitische Realität Europas,
zumal Tirol darüber durch die österreichische Regierung in Wien lange
Zeit im Unklaren gelassen wurde
(Friedensschluss vom 14. Oktober in
Schönbrunn).
In seinem Bestreben, es allen recht
machen zu wollen, ließ er sich durch radikale und
starrköpfige Gruppen zu Fehlentscheidungen verleiten. Im zu späten Erkennen derselben entschied
er, die gottergebene Buße für sein Tun auf sich zu
nehmen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen.
Trotz allem hoffte er bis zum Ende auf eine unwirkliche Hilfe von seinem Kaiser Franz.
Zuviele Opfer
grenzenlos.
Andreas Hofers
Erschießung am
20. Februar 1810
in Mantua in
Oberitalien,
nachdem er auf
der Pfandleralm in
Südtirol gefangen
genommen
worden war.
Foto: kk
Nachdem die letzten Kämpfe im Passeiertal blutig zu
Ende gegangen waren und das Tal endgültig mit
französischen Truppen besetzt wurde, floh er bis zu
seiner Verhaftung am 29. Jänner 1810 auf die Pfandler Alm, nicht weit von seinem Sandhof entfernt.
So hat Hofer dazu beigetragen, die Kampfhandlungen seiner Tiroler unnötig zu verlängern, wodurch
die Zahl der Toten um ein Vielfaches anstieg.
All zu oft wird auch heute noch diese Endphase des
Aufstandsjahres als tapferer Freiheits- und Verteidigungskampf der Tiroler dargestellt und die Sinnlosigkeit jeder kriegerischen Auseinandersetzung
mit dem damit verbundenen menschlichen Elend
nicht wahrgenommen.
Er hat für sein Land gekämpft, deswegen ist er
auch so bekannt, schreibt David. Judith meint:
Ich weiß nicht ganz genau, ob er es war, der das
Herz-Jesu-Feuer erfunden hat, damit Gott ihm
hilft, den Kampf gegen Napoleon zu gewinnen.
Die Zerrbilder seiner Heldengestalt zu hinterfragen,
wird die Aufgabe der Zukunft sein. Damit er zu
einer identitätstiftenden Gestalt für junge Menschen
werden kann und Tobias sagen kann: Ich freue
mich, dass es ihn gegeben hat, damit Passeier auch
einmal bekannt wird.
Monika Mader
Weiterführende Informationen zum Andreas-HoferGedenkjahr 1809-2009:
www.museum.passeier.it, www.1809-2009.eu
1-2/09 steirische berichte
51
grenzenlos.
Der Zufall machte ihn zum
Prinzen der Steirer
Weit über die grüne Mark hinaus weiß man um die Verdienste des Erzherzogs für sein geliebtes Steirerland, doch weniger
bekannt ist der von Zufällen geprägte Weg zu dieser ungewöhnlichen Liebe.
Blick über Florenz,
eine Stadt am Fluss
Arno, die für ihre
Kunst und
Kultur bekannt ist.
Foto: kk
Johann Baptist von Habsburg-Lothringen, besser
bekannt als Erzherzog Johann von Österreich oder
als „steirischer Prinz“, erblickte am 20. Jänner 1782
im Palazzo Pitti in Florenz das Licht der Welt. Sein
Vater, der Großherzog Leopold von Toskana, war
ein Sohn Maria Theresias. Maria Ludovica von
Bourbon-Parma, seine Mutter, war die Tochter
König Karls III. von Spanien, und schenkte 16
Kindern das Leben. Johann war das 13. Kind der
beiden. Seinen Namen verdankte Johann dem
Stadtpatron von Florenz, Johannes dem Täufer. Die
Taufpaten waren ein armer Florentiner Bürger und
ein Kapuzinermönch.
Seine Kindheit verbrachte Johann teilweise auf den
Lustschlössern der Familie in der Toskana und im
Palazzo Pitti, unweit der herrlichen Boboli-Gärten.
Somit stellte die Natur schon von Kindesbeinen
an ein wichtiges Element im Leben des späteren
Erzherzogs dar.
Die Jugendjahre des Prinzen
Erst im Alter von fünf Jahren erlernte Johann die
deutsche Sprache, bis dahin sprach er Italienisch
und Französisch. Mit sechs Jahren erhielt er von
unterschiedlichen Personen Unterricht. Neben
Pädagogen übernahmen auch frühere Heeresangehörige die Erziehung des Prinzen und gaben ihm
Einblicke in naturwissenschaftliche und physikalische Bereiche.
Mit dem Tod Kaiser Josephs II. übernahm Johanns
Vater Leopold 1790 die Kaiserkrone, und die Familie
musste nach Wien übersiedeln. Bald darauf starben
Johanns Eltern, und der junge Erzherzog lernte die
52
steirische berichte 1-2 /09
strenge Schule seines um 14 Jahre älteren Bruders
Franz kennen, der zum deutschen Kaiser gewählt
wurde. Er ließ seine jüngeren Geschwister unterrichten; Strenge statt Zuwendung und Liebe standen
nun an der Tagesordnung.
Graf Mottet, ein gebürtiger Schweizer, weckte in
Erzherzog Johann die Liebe zu den Naturwissenschaften, aber auch Geschichte und Geografie waren
seine Lieblingsfächer. Mit Johannes von Müller,
einem Schweizer Historiker, bahnte sich eine enge
Freundschaft an. Früh wurde bereits der Grundstein
für die Naturverbundenheit und das Interesse am
Leben der einfachen Menschen gelegt.
Die aufgeklärten Ideen, die Johann aus Florenz mitgebracht hatte, hatten keinen Platz am Wiener Hof,
denn seine Ausbildung war vor allem auf die
militärische Ebene fixiert. Sein Bruder, Kaiser
Franz, war von der französischen Revolution 1789
geschockt und versuchte, das Land durch die
Wirren der Napoleonischen Kriege zu führen. Die
Bevölkerung erlebte dies durch strenge Zensur und
Eingriffe in das Privatleben.
Mit 18 Jahren übertrug der Kaiser seinem jüngeren
Bruder die Aufgaben eines Armeekommandanten.
Dieser kaum gewachsen, verlor Österreich die
Schlacht bei Hohenlinden in Bayern (1800). Die
Schuld wurde Johann gegeben, obwohl er nur
formell den Oberbefehl hatte.
Der militärische Unglücksfall mündete 1801 in
Johanns Ernennung zum „Generaldirekteur des
österreichischen Fortifications- und Geniewesens“.
In dieser Funktion konnte er das Land bereisen und
Leute und Natur studieren, wonach er schon immer
gestrebt hatte. Er wollte in Tirol seine Ideen, die auf
dem Regierungskonzept seines Vaters aufbauten,
verwirklichen. Doch wieder kam es anders, Johann
unterstützte Andreas Hofer im Freiheitskampf um
Tirol. In der Schlacht bei Wagram erlitt Österreich
1809 jedoch eine entscheidende Niederlage gegen
Napoleon, und der Friede von Schönbrunn, samt
Verlust Tirols und Übergabe des Grazer Schlossbergs an die Franzosen, wurde geschlossen.
Erzherzog Johann wurde an dieser Niederlage
Mitschuld gegeben, und sein Bruder verbot ihm
nach der Hinrichtung Andreas Hofers im Jahr
darauf, jemals wieder Tirol zu bereisen. Einmal
noch wollte Johann gegen Napoleon auftreten und
Österreich und die Schweiz zu einem „Alpenbund“
zusammenspannen, um gegen Napoleon zu kämp-
fen. Doch sein Plan flog auf, er wurde beschuldigt,
ein „Königreich Rätien“ gründen zu wollen, und
daraufhin verurteilt. Nach dieser erneuten Niederlage zog er sich endgültig aus allen militärischen
Angelegenheiten zurück und widmete sich fortan
der Steiermark, die er aufgrund seiner zahlreichen
Reisen während des Aufbaus der Landwehr kennen
gelernt hatte. Bereits 1805 hatte er einen Landsitz
in Thernberg in der Buckligen Welt erworben, dort
konnte er nun seinen Studien nachgehen.
Voller neuer Ideen für die
Steiermark
Ursprünglich wollte Erzherzog Johann seine naturwissenschaftlichen Sammlungen und Aufzeichnungen der Innsbrucker Universität überlassen, doch
die angesprochenen militärischen und politischen
Wendungen zwangen ihn, sich neu zu orientieren.
Er erkannte, dass es in der Steiermark, genauer
gesagt in Graz, lediglich ein Lyzeum, eine höhere
Schule zur Ausbildung von Staatsbeamten, gab und
widmete sich ab nun der Bildung und Ausbildung
in der Steiermark. Er sprach mit dem Kaiser über
die Idee, dem Lyzeum in Graz seine Sammlungen
zu schenken und war davon besessen, ein eigenes
Institut zu gründen. 1811 wurde eine Schenkungsurkunde ausgestellt, und die ersten Kuratoren des
Museums Joanneum traten ihr Amt an.
Nachdem es 1815 zur endgültigen Niederlage
Napoleons gekommen war, reiste Johann mit
seinem Bruder Ludwig nach England und konnte
dort die Erneuerungen der industriellen Revolution
eingehend studieren. Heimgekommen mit einem
Rucksack voller neuer Ideen, wollte er Industrie und
Landwirtschaft durch eine verbesserte Ausbildung
der Bevölkerung fördern.
1816 kehrte Erzherzog Johann nach Graz zurück.
Auf einer seiner zahlreichen Wanderungen durch
das Salzkammergut lernte er 1819 Anna Plochl,
Tochter eines Ausseer Postmeisters kennen. In den
folgenden Jahren trafen die beiden einander immer
wieder zufällig bei festlichen Anlässen und lernten
sich so kennen und lieben. Anna musste nach dem
Tod ihrer Mutter den Haushalt führen, und so
konnten sich die Liebenden immer nur zu Besuchen
des Prinzen im Ausseerland treffen. Im August
1822 verlobten sich die beiden auf der Ennsbrücke
bei Irdning. 1822 kaufte der Prinz ein Radwerk in
Vordernberg und war damit Radmeister geworden.
Er holte Anna als Wirtschafterin ins Vordernberger
Radmeisterhaus. Nach anfänglichem Missfallen des
Kaisers gegen eine Heirat fand im Februar 1829 die
kirchliche Hochzeit in der Kapelle des sich seit 1818
im Besitz des Prinzen befindlichen Brandhofes bei
Mariazell statt. 1834 wurde Anna zur Freifrau von
Brandhofen und 1850 von Kaiser Franz Joseph zur
Gräfin von Meran erhoben.
grenzenlos.
Das Radwerk IV in
Vordernberg am Fuß
des Präbichl in den
Eisenerzer Alpen
dient heute als
Museum und ist der
einzige noch vollausDie beiden hatten einen Sohn, Franz Ludwig Johann gestattete
Holzkohlenhochofen
Baptist, der 1839 zur Welt kam und 1845 als Graf
Österreichs.
von Meran geadelt wurde. Johannes Müller hatte
Foto: M arktgemeinde
Erzherzog Johann seinerzeit auf das Leben der ein- Vordernberg
fachen Bevölkerung aufmerksam gemacht. Johann
gab von 1810 bis 1840 eine Studie in Auftrag, in
der er die Verhältnisse der steirischen Bevölkerung
untersuchen ließ. Über ausgeschickte Fragebögen
wollte er Einblick in Dinge wie Aberglaube, Brauchtum bei Taufen, Heirat, Tod, Rebsorten, Dienstbotenlohn, Kost, Wohnhaus, Stall und Wirtschaftsgebäude gewinnen. Pfarrer, Ärzte oder Herrschaftsverwalter nahmen sich dieser Befragung an, die zu
jener Zeit als einmalig galt. Das Tragen des Steireranzugs, der heute mehr Beliebtheit denn je genießt,
drückte die Verbundenheit des Prinzen mit der
steirischen Bevölkerung aus.
Noch einmal, während der großen Revolution
des Jahres 1848, wurde Erzherzog Johann in die
Ereignisse der Weltgeschichte verstrickt. Nachdem
der beliebte Habsburger kurze Zeit die Übergangsregierung in Wien geleitet hatte, wurde er wegen
seiner liberalen Anschauungen von der in Frankfurt neu einberufenen Nationalversammlung zum
Deutschen Reichsverweser gewählt. Doch schon
1849 legte Johann dieses Amt nieder, um in „seine“
Steiermark zurückzukehren.
Am 11. Mai 1859 starb Erzherzog Johann 78jährig
in seinem Palais in Graz, dem heutigen Palais
Meran. Er wurde im Mausoleum in Graz beigesetzt,
1869 überführte man den Leichnam jedoch nach
Schenna (Südtirol). Auch seine 1885 verstorbene
Gattin und sein Sohn Franz mit seiner Frau
Theresia fanden dort ihre letzten Ruhestätten.
Rückblickend betrachtet waren es seine nicht gerade
erfolgreichen Verstrickungen in die damaligen
Ereignisse der Weltgeschichte, die Johann zum
Glücksfall für die Steiermark werden ließen, wo er
letztlich auch seine wirkliche Berufung und sein
persönliches Glück fand.
Patrizia D’Alessandro
Verwendete Literatur (Auszug):
Lieselotte Jontes, Erzherzog Johann von Österreich
(1782–1859). Zum 225. Geburtstag des Steirischen Prinzen
(= Universitätsbibliothek der Montanuniversität Leoben.
Ausstellungskataloge 11), Leoben 2007.
Anton L. Schuller, Erzherzog Johann … und was von ihm blieb.
Graz 1981.
Viktor Theiss, Erzherzog Johann. Der steirische Prinz.
Zweite, erweiterte Auflage herausgegeben von
Grete Klingenstein, Wien 1981.
1-2/09 steirische berichte
53
grenzenlos.
Vier Frauen und ein
Zugereister
„Wat kieckst’n so?“ Man wurde nicht
alle Tage mitten auf dem Grazer Hauptplatz von einer echten Berliner Schnauze
angesprochen, und so dauerte es einen
Moment, bis Bernhard Löffler merkte,
dass er gemeint war. Er hatte den Mann
mit dem sympathischen Bierbauch wohl
ein bisschen zu offensichtlich – und
zu amüsiert – angestarrt. Dessen laute
Bemerkung über die Frauenfiguren, die
das Denkmal des Erzherzogs Johann
umringten („gleech vier Frauen auf
eenmal, na, dat hätt’ ick ooch jerne!“),
hatte ihn an seine ersten Tage in Graz
erinnert, als er, der frisch zugereiste
„Piefke“, den gleichen Anfängerfehler
gemacht hatte. Bereitwillig hatte ihn ein
freundlicher Grazer belehrt, dass die
Frauen die vier Flüsse symbolisierten,
die zu Zeiten des Erzherzogs durch das
damalige Territorium der Steiermark
geflossen seien, nur zwei davon seien
auch heute noch steirisch. Damals
hatten ihm diese geographischen Erläuterungen natürlich nichts gesagt, und
auch der Erzherzog war ihm kein Begriff
gewesen, aber inzwischen war er bestens, um nicht zu sagen voll informiert.
„Wat kieckst’n so?“ Bernhard zuckte
zusammen, als er merkte, dass er die
Berliner Schnauze immer noch anstarrte und diese das gar nicht mehr lustig
fand. Seit mehr als zehn Jahren lebte
er nun schon in Graz, hatte gut Fuß
gefasst und auch die eine oder andere
Eigenart der Österreicher angenommen
(ausschließlich des Dialektes, der ihm
nur bedingt von den Lippen kam), und
er fragte sich, wie er damals wohl auf
andere gewirkt haben mochte. Auch so
forsch? Gerade in den ersten Jahren
hatte es öfter mal geheißen, er müsse
wohl ein Deutscher sein, wenn er, etwa
bei einem Behördengang oder auch nur
an der Wursttheke einen Drängler darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er
nun an der Reihe sei – die Deutschen, so
hatte er erfahren, bestünden ja gerne
auf ihrem Recht. Ab und zu traf er auf
Menschen, die sofort auf die Vorzüge
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steirische berichte 1-2 /09
der Österreicher gegenüber den Deutschen zu sprechen kamen und ihn schön
auf Distanz hielten, manche Ressentiments saßen eben tief. Bernhard verzichtete darauf, mit gleichen Geschützen, sprich Vorurteilen, aufzufahren,
obwohl ihm da gleich einmal ein paar
eingefallen wären.
Der Blick des Berliners verfinsterte sich,
denn Bernhard starrte immer noch. Er
wollte nicht übertreiben, andere
mochten Grund zur Klage haben, er
ganz sicher nicht. Er fühlte sich wirklich, wirklich wohl in Österreich. Die
Angebote seines früheren Arbeitgebers,
wieder zurück nach Deutschland zu
kommen, lockten ihn nicht. Wer die
schönen Seiten Österreichs kennen
gelernt hatte, trennte sich schwer. Die
Landschaft (wenngleich es davon in
Deutschland natürlich auch reichlich
gab), der Charme, die vielgerühmte
Gemütlichkeit – ja, die Österreicher
lebten um einiges entspannter, das
Klima war weniger rau, weniger hektisch, man war, auch wenn man es
partout nicht wahrhaben wollte, um
einiges zufriedener.
„Warum schauen Sie so?“ Um astreines
Hochdeutsch bemüht, formulierte der
Berliner die Frage neu, denn es konnte
ja sein, dass Bernhard ihn nicht verstanden hatte. Weshalb war ihm der Tourist
noch einmal aufgefallen? Ach ja, der
Erzherzog und die Frauen. Die Steirer
mochten ihn wirklich, ihren Johann,
und hatten auch allen Grund stolz auf
ihn zu sein. Seine nahezu rastlose Geschäftigkeit und sein Grenzgängertum,
mit dem er sich über alle Konventionen
hinweg gesetzt hatte, imponierten – und
das ganz besonders in Zeiten, in denen
man mit den – drücken wir es vorsichtig aus – Irrungen der Politik nicht ganz
so glücklich war.
Die Berliner Schnauze schüttelte jetzt
den Kopf und wandte sich ab, erfreulicherweise war der Mann nicht „auf
Krawall gebürstet“, wie man das in
Deutschland umgangssprachlich gerne
ausdrückte. Nach seinem damaligen
Fauxpas, als er, ganz wie der Berliner
eben, die vier Frauenfiguren für die Musen des Erzherzogs gehalten hatte, hatte
Bernhard die Geschichte seiner Wahlheimat aufmerksam studiert, war aber
nie ganz vertraut mit ihr geworden.
Es machte eben doch einen Unterschied,
ob man mit der Geschichte eines Landes
aufgewachsen war oder nur über sie
gelesen hatte. Im Gespräch mit seinen
Freunden merkte er immer wieder, dass
sie im Grunde über verschiedene Dinge
redeten, denn Bernhards Assoziationen
waren oft ganz andere als die seiner
Freunde: Redete man über Bruno
Kreisky, kam ihm Willy Brandt in den
Sinn, sprach man über Staatsvertrag und
Neutralität, dachte er an Wiederbewaffnung. Für ihn war der Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten Machtergreifung und nicht Anschluss. Er wusste,
wer die Weimarer Republik ausgerufen
hatte, aber wenig über Karl Renner,
und obwohl Johann als Reichsverweser
der ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung auch in deutschen Geschichtsbüchern auftauchte, war ihm
der Erzherzog in diesem Zusammenhang
doch eher Fußnote als Begriff.
Gerade bestieg der Mann aus Berlin
eine Straßenbahn, die ihn zur nächsten
Grazer Sehenswürdigkeit bringen sollte.
Der österreichischen Geschichte nahm
es nichts von ihrer Bedeutung, dass sie
Bernhard immer ein bisschen fremd
geblieben war, und auch ihn hatte es
nicht daran gehindert, sich hier schön
langsam zu verwurzeln. Wen störte es
also, wenn ein Tourist nur schaute und
genoss, aber nicht wirklich wusste, worauf er da blickte? Als die Straßenbahn
anfuhr, jodelte er der Berliner Schnauze
im Geiste noch ein „Wo i’ geh’ und steh’“
hinterher – und als der Berliner sich tatsächlich noch einmal zu ihm umdrehte,
rief er (in nicht ganz perfektem Dialekt):
„Na, da schaust!“
Corinna Steinert
Foto: Suppan
Der steirische Prinz
Zitate: 4.b-Klasse der Volksschule Viktor Kaplan
in Graz Andritz