FamFG – eine erste Bilanz aus der Praxis des Jugendamtes
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FamFG – eine erste Bilanz aus der Praxis des Jugendamtes
FamFG – eine erste Bilanz aus der Praxis des Jugendamtes Kooperation Familiengericht – Jugendamt am Beispiel des Familiengerichts Velbert mit dem Jugendamt Heiligenhaus LJA am 10.11.2009 in Köln 1 Kindschaftssachen: Zentrale Regelungen für das Jugendamt § 162: Mitwirkung des Jugendamtes § 155: Vorrang- und Beschleunigungsgebot § 156: Hinwirken auf ein Einvernehmen § 157: Erörterung der Kindeswohlgefährdung; einstweilige Anordnung § 166: Abänderung und Überprüfung von Entscheidungen und gerichtlich gebilligten Vergleichen 2 Das Jugendamt in 3 Funktionen • Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren gem. §§ 8a, 50 SGB VIII • Gewährung und Erbringung von Beratungsleistungen (insbes. § 17, § 18 Abs.3, § 28 SGB VIII ) beim Elternstreit • Gewährung und Erbringung ambulanter und stationärer Hilfen zur Erziehung bei (Anhaltspunkten für eine) Kindeswohlgefährdung • Wahrnehmung von Aufgaben des Jugendamts als – Vormund/ Pfleger – Beistand 3 Beteiligung des Jugendamtes in Kindschaftssachen (§162 FamFG) Mitwirkung des Jugendamts (1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen. (2) Das Jugendamt ist auf seinen Antrag an dem Verfahren zu beteiligen. (3) Dem Jugendamt sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen, zu denen es nach Absatz 1 Satz 1 zu hören war. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu 4 Unterschiedlicher Status des Jugendamtes Ohne formelle Beteiligung Mit formeller Beteiligung Es ist anzuhören Es hat ein Recht auf Akteneinsicht Ihm sind die Entscheidungen bekannt zu geben Es kann Anträge zur Sache (Sachanträge) und zum Verfahren (Verfahrensanträge) stellen Es hat die Beschwerdebefugnis Es trägt ein vermindertes Kostenrisiko (§ 81 Abs.4) Es muss einem gerichtlich gebilligten Vergleich (über den Umgang oder die Herausgabe des Kindes) zustimmen Es trägt ein Kostenrisiko (§ 81 Abs.2) 5 Gründe für das Beschleunigungsgebot • Verfahrensverzögerung kann neue Fakten schaffen und damit die gerichtliche Entscheidung präjudizieren • Durch den frühen ersten Termin soll in Aufenthalts- Umgangs- und Herausgabeverfahren eine Eskalation des Elternkonflikts vermieden und statt dessen auf die Eltern konfliktmindernd und lösungsorientiert eingewirkt werden 6 Erörterung der Kindeswohlgefährdung (§ 157 Abs.1 FamFG) • „In Verfahren nach den §§ 1666, 1666 a BGB soll das Gericht mit den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls begegnet werden kann“ • Das Jugendamt soll zum Termin geladen werden 7 Erörterung der Kindeswohlgefährdung (§ 157 Abs.1 FamFG) • Warnfunktion – Eltern sollen stärker in die Pflicht genommen werden, mit dem Jugendamt zu kooperieren – Hinweis auf Folgen der Nichtannahme notwendiger Hilfen • Klärungsfunktion Eltern sind nicht bereit, an der Gefährdungseinschätzung mitzuwirken • Initiierungs- und Unterstützungsfunktion Nutzung der gerichtlichen Autorität, um Hilfeprozesse zu initiieren oder zu stützen 8 Konsequenzen für das Jugendamt • Aus der Verpflichtung des Gerichts zur Anhörung des Jugendamtes folgt eine Pflicht des Jugendamts zur Teilnahme am ersten Termin • Durch eine enge Kooperation zwischen Gericht und Jugendamt sollen Terminkollisionen vermieden werden • Die Arbeitsabläufe im Jugendamt sind so zu gestalten, dass die Teilnahme (ggf. auch durch eine sachkundige Vertretung) sichergestellt ist • Außer in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung können schriftliche Stellungnahmen des Jugendamtes entfallen • Problem wird sein, ob es dem Jugendamt gelingt, sich im Hinblick auf bisher nicht bekannte Familien innerhalb der kurzen Frist die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, um im bereits im ersten Termin Stellung beziehen zu können 9 Früher erster Termin: Gegenstand der Erörterung Gefährdung des Kindeswohls: Aufenthalt, Umgang, Herausgabe Schnelle Klärung der Gefährdungssituation und Entscheidung über die adäquate Form der Abwehr der Kindeswohlgefährdung Entwicklung von Strategien zur Deeskalation der Familienkonflikte und zur Stärkung der Selbststeuerungskompetenzen ggf. in Verbindung mit der Erörterung der Kindeswohlgefährdung Hinwirken auf ein Einvernehmen Hinweis auf Möglichkeiten der Beratung Wie kann der KiWoGef (durch öffentl. Hilfen) begegnet werden? Welche Folgen hat die Nichtannahme von Hilfen Hinweis auf Möglichkeiten der Mediation Anordnung von Beratung 10 Früher erster Termin: Anforderungen an das Jugendamt Gefährdung des Kindeswohls: Aufenthalt, Umgang, Herausgabe Früher Termin entspricht der bisherigen Praxis Neu: Jugendamt hat über den Stand des Beratungsprozesses zu informieren Initiative für das Verfahren geht in der Regel vom Jugendamt aus Jugendamt (ASD/ Allg. Erziehungshilfe) trägt das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung vor und erläutert die Notwendigkeit gerichtlichen Tätigwerdens Erwartung: Kontaktaufnahme zur Familie vor dem frühen ersten Termin Ggf. Teilnahme der Fachkräfte der Beratungsstelle, wenn zuvor oder anschließend Beratung stattfindet 11 Neue Formen der Kooperation • Frühe Beteiligung des Gerichts durch das Jugendamt – zur Eröffnung von Hilfezugängen und – zur Realisierung von Hilfeprozessen • Längere Begleitung von Beratungsprozessen durch das Gericht • Abschluss , Überprüfung und Fortschreibung von Zielvereinbarungen • Sukzessive Verantwortungsübergabe vom Gericht auf das Jugendamt und die Familie 12 Initiierung von Hilfeprozessen im frühen ersten Termin • Kenntnis des Beratungsangebots • Beratung über die Beratungsmöglichkeiten • Beteiligung der Fachkraft einer Beratungsstelle • Ausübung der Steuerungsverantwortung im Termin • Aber: keine Vorwegnahme eines Hilfeplanprozesses 13 Verantwortungsgemeinschaft mit unterschiedlichen Rollen • Jugendamt • Fachbehörde ohne Zwangsbefugnisse • Initiierung , Begleitung pädagogischer Prozesse • Akzeptanz und Vertrauen als Voraussetzung für den Hilfeerfolg • Steuerungsverantwortung für den Hilfeprozess • Familiengericht • Entscheidungen sind verbindlich und vollstreckungsfähig • Einsatz gerichtlicher Autorität zur Unterstützung pädagogischer Prozesse • Steuerungsverantwortung für das gerichtliche Verfahren 14 Erwartungen an die Kooperation • Von Seiten der Jugendämter – Achtung und Anerkennung der sozialpädagogischen Fachlichkeit – Achtung der unterschiedlichen Aufgaben von Gericht und Jugendamt (Rollenklarheit trotz Aufgabenverschränkung) – Gemeinsame Fortbildung und Qualifizierung – Beteiligung an Arbeitskreisen zur fallunabhängigen Erörterung von Rechts- und Fachfragen 15 Interdisziplinärer Arbeitskreis seit 1995 • • • • • • • Amtsgericht Velbert Jugendämter Velbert und Heiligenhaus Beratungsstellen Klinikum Niederberg/ Kinderklinik Kriminalpolizei KK11 Freie Träger der Jugendhilfe Rechtsanwälte 16 Themen des Arbeitskreises • • • • Befragung von Kindern Aussagepsychologie Glaubhaftigkeitsbegutachtung Schutz von Kindern vor Missbrauch und Misshandlung • Vorgehensweise der Beratungsstelle • Diagnose / Behandlung / Therapie 17 Themen des Arbeitskreises • • • • • Traumatisierung Begleiteter Umgang Täterarbeit Prävention Rollenklärung der teilnehmenden Disziplinen • Auseinandersetzung mit dem Cochemer Modell 18