Radiofrequenzablation bei Schilddrüsenknoten und
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Radiofrequenzablation bei Schilddrüsenknoten und
Hausarzt medizinisch Hausarzt medizinisch werden Patienten fast immer dem Chirurgen vorgestellt, selten kann älteren Menschen alternativ eine Radiojodtherapie angeboten werden. Zysten, die Beschwerden verursachen, können ultraschallgezielt punktiert und mittels kurzer Alkoholinstillation in 70 bis 80% der Fälle erfolgreich verödet werden. Damit lässt sich eine Operation umgehen. In Österreich bieten derzeit nur wenige Spezialisten die Alkoholablation von Schilddrüsenzysten an. Symptomatische Knoten oder Zysten können seit kurzem auch bei uns mittels Radiofrequenzablation (RFA) „thermoablatiert“, also durch Hitzeanwendung verödet werden. Wirkmechanismen der Ablation Radiofrequenzablation bei Schilddrüsenknoten und -zysten Foto: © xxxxxxxxxxxxxxxxxx Erfolgversprechende Therapieoption neben Operationen Schilddrüsenknoten und -zysten finden sich je nach untersuchter Altersgruppe bei 10 bis 30% der Bevölkerung. Sie sind also ein häufig gesehenes Problem und fallen meist bei Gesundenuntersuchungen auf. Die wenigsten Knoten oder Zysten verursachen eine lokale Symptomatik im Halsbereich oder stellen ein kosmetisches Problem dar. Dennoch muss die Dignität von Knoten ab 1 cm Durchmesser durch Ultraschall/ Labor, gegebenenfalls Szintigraphie und gezielte Feinnadelpunktion abgeAutor: Univ.-Prof. Dr. Harald Dobnig Facharzt für Innere Medizin und Nuklearmedizin in Graz mit Schwerpunkt Interventionelle Thyreologie, Endokrinologie und Osteoporose 999 Jänner 2016 klärt werden. Vor allem Letztere hat einen überragenden diagnostischen Stellenwert: In spezialisierten Zentren durchgeführte Studien haben gezeigt, dass 98 bis 99% aller zytologisch gutartigen Befunde auch histologisch benigne waren. Abbildung 1 zeigt eine Illustration eines Querschnittes durch die Hals- und Schilddrüsenregion. Asymptomatische und symptomatische Knoten Asymptomatische benigne Knoten werden meist observiert – bei gleichzeitig vergrößerter Schilddrüse wird eine Schilddrüsenhormontherapie eingeleitet. Bei gutartigen symptomatischen Knoten- und Zystenbildungen Bereits vor zehn Jahren fand die erste Studie zur Behandlung von Schilddrüsenknoten/-zysten mittels RFA ihren Weg an die Öffentlichkeit. Die Technik wurde in Südkorea entwickelt, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Methode bereits Erfolge in der Behandlung von Leber- und Nierentumoren brachte. Die RFA ist als etablierte Behandlungsoption in vielen Fachdisziplinen angesiedelt. Das zugrundeliegende Prinzip basiert auf einer Thermoablation, also der Verödung des Knoten- bzw. Zystengewebes mittels einer Hitzenekrose. An einem Ende der Sonde tritt hochfrequenter Strom aus, der ein rasch wechselndes elektrisches Feld aufbaut und damit die Ionen im Knotengewebe zur Schwingung „anregt“. Dabei entsteht in einem Durchmesser von wenigen Millimetern rund um die Sondenspitze „Reibeenergie“, die das Gewebe erhitzt. Die wassergekühlte Sonde wie auch der mit der Temperatur steigende Gewebewiderstand sorgen dafür, dass die Temperatur kontrolliert aufgebaut wird und keine Gewebekarbonisierung entsteht. Die Nekrose regt in weiterer Folge patienteneigene Abbaumechanismen an, die das koagulierte Eiweiß über die folgenden Wochen und Monate selbstständig resorbieren. Besonderes Merkmal der RFA-„Welle“ ist auch der Umstand, dass sie das Gewebe nicht gleichförmig durchdringt, sondern sich an Grenzflächen länger „aufhält“, bevor sie sich einen weiteren Weg bahnt. Im Unterschied zur „Mikrowelle“, die auch andernorts eingesetzt wird, kann daher der Ablationsprozess sehr gut innerhalb von Knotenbegrenzungen gehalten werden. Das ermöglicht eine optimale Schonung des umliegenden gesunden Schilddrüsengewebes. Tab. 1: Indikationen für eine Radiofrequenzablation (RFA) ■ ■ ■ ■ ■ ■ symptomatische, gutartige Schilddrüsenknoten und -zysten gutartige Zysten und Knoten mit deutlichem Wachstum heiße Knoten (falls Radiojodtherapie oder Operation nicht erwünscht) Patienten, die eine Operation ablehnen Patienten mit erhöhtem Narkoserisiko kleine lokoregionäre Rezidive eines lege artis therapierten Schilddrüsenkarzinoms Durchführung einer Ablation Tab. 2: Die wesentlichen Vor- und Nachteile der Radiofrequenzablation Der Eingriff wird ambulant durchgeführt und dauert je nach Knotengröße und -topographie 15 bis 50 Minuten. Die reine Ablationszeit mit dem Generator benötigt selten mehr als zehn Minuten. Die Patienten nehmen eine halbe Stunde vor dem Eingriff eine Tablette Dexibuprofen (400 mg), die Behandlung findet dann in einem eigenen Eingriffsraum statt. Der Patient wird monitorisiert (EKG, Blutdruck, Atemfrequenz, PO2-Sättigung). Zunächst wird die Subcutis, dann die tieferliegende Schilddrüsenfaszie ultraschallgezielt mit Xylocain anästhesiert. Dies ermöglichte im eigenen Patientenkollektiv bei 75% einen schmerzlosen Eingriff, führte bei rund 18% zu einem „milden“ und bei 8% zu einem „deutlicheren“ vorübergehenden Schmerzereignis, das nach Unterbrechung der RFA sofort sistierte. In kei- Vorteile Nachteile keine Operation kein stationärer Aufenthalt kein Krankenstand keine Halsnarbe Knoten/Zyste schrumpft deutlich im Laufe von 3 Monaten, später langsamer. Besserung der Symptomatik daher nicht sofort vorhanden. maximale Schonung des gesunden Gewebes, daher nachfolgend keine Hormoneinnahme notwendig bei ca. 10% der Patienten Wiederholung der RFA für gutes Ergebnis sinnvoll (vor allem bei anfänglich sehr großen Knoten) sehr niedrige Komplikationsrate keine Möglichkeit einer histologischen Diagnose (FNP muss jedoch Gutartigkeit des Knotens vor RFA belegen) kostengünstiger als Operation derzeit keine Kostenrefundierung nem Fall musste bislang die Behandlung wegen zu starker Schmerzen abgebrochen werden. Nach der RFA wird mittels Kryobeutels lokal gekühlt – nach zehn Minuten erfolgt eine Ultraschallkontrolle. Der Patient bleibt dann noch etwas mehr als eine halbe Stunde zur Observanz und kann anschließend nach Abb. 1: Illustration eines Querschnittes durch die Hals- und Schilddrüsenregion. Dargestellt sind die Trachea, dahinter der Ösophagus sowie die hufeisenförmig um die Trachea liegende Schilddrüse. Die gelben Linien markieren die Lokalisation der beiden anästhesierten Areale. Die Sonde erzeugt um deren Spitze kleine Hitzefelder, die es erlauben, den Knoten oder die Zyste (grünes Oval) Punkt für Punkt zu ablatieren. Hause gehen. Eine relative körperliche Schonung wird für drei Tage empfohlen, danach ist Bewegung wieder in vollem Umfang möglich. Indikationen für die Methode Tabelle 1 listet die für eine RFA-Behandlung infrage kommenden Indikationen auf. Prinzipiell geeignet sind Patienten mit nachgewiesenen benignen Knoten und mechanischen Beschwerden wie Globusgefühl, Dysphagie, Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Druckgefühl oder Heiserkeit bzw. Auswirkungen im Sinne eines kosmetischen Problems. Generell müssen große Knoten nicht zwingend mechanische Probleme bereiten – kleinere Knoten hingegen, z. B. mit 5-ml-Volumina, können bereits Beschwerden verursachen. Ursächlich hierfür sind primär die topographische Lage des Knotens wie auch unterschiedliche Schmerzempfindlichkeit. Prinzipiell können mit der RFA auch sehr große Knotenbildungen (50 ml und mehr) behandelt werden, ebenso mehrere Knoten innerhalb einer Sitzung. Bei großen Knoten wird die Zufriedenheit des Patienten davon abhängen, wie sich das Ergebnis sechs bis zwölf Monate nach dem Eingriff darstellt: ob die Beschwerden und/oder sichtbare Knotenbildungen verschwunden sind oder ob eventuell Jänner 2016 1000 Hausarzt medizinisch bilden sich die Knoten ähnlich gut zurück, der TSH-Wert normalisiert sich in über 80%, in den übrigen Fällen kommt es zu einer deutlichen Verbesserung. Dabei wurden auch Patienten mit ungewöhnlich großen heißen Knoten behandelt (>50 ml Volumen). Nebenwirkungen und Komplikationen Abb. 2: 41-jährige Patientin mit benignem zystischem Knoten. Dieser ist seit sechs Jahren bekannt, nach Punktion immer sofort rezidiviert; fünf Tage vor aktueller Vorstellung neuerliche Einblutung und weitere Vergrößerung des Knotens auf 83 ml, nun deutliche Schmerzen im Halsbereich. Versuch einer Alkoholablation mit frustranem Ergebnis (Einblutung am gleichen Abend). Am übernächsten Tag Durchführung einer RFA. Knotenvolumen bei 6-Monatskontrolle: 1 ml (entspricht einer 99-prozentigen Volumenreduktion). eine zweite RFA erforderlich ist. Bei überwiegend zystischen Knotenbildungen oder reinen Zysten sollte immer zuerst eine Alkoholablation versucht werden, da diese zu einem ähnlich guten Langzeitergebnis wie die RFA führt, aber weniger aufwändig und kostspielig ist. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wesentlichen Vor- und Nachteile einer RFA-Behandlung. Kontraindikationen der Ablation Es gibt natürlich auch Patienten, die für eine RFA nicht geeignet sind und denen daher eine Operation empfohlen wird. Tiefliegende infrasternal/infraclaviculäre Knotenbildungen oder multiple Knoten/Zysten, die mit deutlichen diffusen Schilddrüsenvergrößerungen einhergehen und trotz erfolgreicher Therapie kein zufriedenstellendes Gesamtergebnis vorhersehen lassen, sollten jedenfalls chirurgisch behandelt werden. Auch topographisch ungünstige Gefäßverläufe, die den Behandlungsweg der Sonde kreuzen, können – wenn auch selten – eine Einschränkung darstellen. Patienten mit einer Antikoagulation müssen vorher entsprechend umgestellt 1001 Jänner 2016 werden; bei Schrittmacherträgern ist Zurückhaltung mit der Indikation angebracht. Effektivität und Nachkontrollen Knotenvolumenreduktionen von mehr als 50% werden in der Literatur als Therapieerfolg gewertet. Durchschnittlich sind nach sechs Monaten jedoch 60- bis 70-prozentige und nach zwölf Monaten 75- bis 90-prozentige Volumenrückbildungen zu erzielen. Diese Veränderungen führten in Studien dazu, dass sich mechanische und/oder kosmetische Probleme deutlich zurückgebildet haben bzw. gänzlich verschwunden sind. Zwei bzw. vier Jahre nach der RFA zeigten sich in mehreren Langzeitstudien die Überbleibsel der Knoten-/Zystenbildungen größenkonstant. Knotenrezidive sind in Einzelfällen aber prinzipiell möglich – vor allem wenn die Randzonen des Knotens nicht ausreichend behandelt wurden. Die Funktion der Schilddrüse bleibt selbst bei zweiseitigen Eingriffen erhalten, eine Hormontherapie ist daher nach RFA vorwiegend nicht erforderlich. Bei Patienten mit autonomen Adenomen Auch wenn es sich bei der RFA um einen kleinen minimalinvasiven Eingriff handelt, können peri- oder postinterventionelle Beschwerden auftreten. In der größten bisherigen multizentrischen Studie, die 1.459 Patienten umfasste, traten bei insgesamt 2% vorübergehende Stimmveränderungen oder kleine Blutungen während des Eingriffs oder danach auf. Seltene Ereignisse waren Erbrechen (0,6%), Husten (0,2%), versengte Haut an der Nadeleinstichstelle (0,3%; nur mildeste Ausprägung, nach ein paar Tagen nicht mehr vorhanden) und Knotenruptur (0,1%; nach drei bis vier Wochen aufgetreten; spontane Abheilung). Ausblick Zahlreiche Studien belegen die Effektivität der RFA in der Behandlung von symptomatischen Schilddrüsenknoten und -zysten sowie auch bei autonomen Adenomen mit allgemein sehr niedriger Komplikationsrate. Bei einer Gegenüberstellung von Studienergebnissen von „RFA” versus „Operation“ schneidet Erstere bei vergleichbarer Effektivität hinsichtlich der Kosten und Komplikationsrate besser ab. Auch wenn die Anwendung der RFA nicht bei allen Patienten sinnvoll ist, eignen sich dennoch viele dafür, denen bislang ausschließlich durch eine Operation geholfen werden konnte. Neben der OP und der Radiojodtherapie gibt es damit für einen Teil der Patienten eine weitere wirksame Therapieoption (siehe Beispiel Abb. 2). Ein Durchbruch in der Akzeptanz dieser Methode ist zu erwarten, wenn die RFA in Österreich von mehreren Zentren angeboten wird und die Kassen die Leistung refundieren bzw. teilrefundieren, was bisher noch Ausnahmefällen vorbehalten war und ist.