liche Ver - Stadt Braunschweig

Transcription

liche Ver - Stadt Braunschweig
1
Das Braunschweiger Schloss
Das Braunschweiger Residenzschloss ist ein wichtiges Symbol für die vielfache geschichtliche Verwobenheit von Stadt und altem Land Braunschweig. Neben dem Staatstheater und
dem Herzog Anton-Ulrich-Museum ist es zugleich das zentrale bauliche Zeugnis der neuzeitlichen Residenzstadt Braunschweig. Aufgrund dieser herausragenden Stellung erscheint
die Schloss-Rekonstruktion besonderes geeignet, die Identifikation mit den historischen
Eigenheiten des Braunschweiger Landes zu befördern.
Historie
Die ersten Planungen zum Bau einer herzoglichen Residenz gehen in die Zeit um 1715 zurück. Bei ihren Besuchen in der Stadt Braunschweig bezogen die Herzöge meist Quartier im
städtischen Hof der Zisterzienser von Riddagshausen am Bohlweg, der im Laufe der Zeit die
Bezeichnung „Grauer Hof“ erhalten hatte, abgeleitet von den Kutten der Mönche. Auf diesem
Areal begann im Jahr 1718 der Landbaumeister Hermann Korb den Bau der Residenz.
Während der Regierungszeit von Herzog August Wilhelm wurden 1724 die inneren Flügel
mit Kapelle errichtet, 1730 der Mittelbau begonnen sowie im weiteren Verlauf der 30er Jahre
der äußere Südflügel fertig gestellt. Die Pläne des 1735 verstorbenen Hermann Korb bildeten in den Jahren 1752/54 die Grundlage für die durch den Baumeister Martin Peltier de
Belfort errichteten äußeren Nordflügel. Weitere Baumaßnahmen erfolgten unter der Regierung von Herzog Karl Wilhelm Ferdinand durch den Architekten und Hofbaumeister Christian
Gottlob Langwagen, unter dessen Leitung der Mittelbau vollendet wurde. Während der französischen Besatzungszeit kam es, nun für den damaligen Regenten Jérôme Bonaparte, zum
weiteren Ausbau der Residenz im Empirestil durch den Baumeister Peter Joseph Krahe.
Unter Herzog Karl II. erlebte der Graue Hof seine Blütezeit, allerdings führten Konflikte des
Herzogs mit den braunschweigischen Landständen zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf Karl II. am 7. September 1830 von einer wütenden Volksmenge aus Braunschweig vertrieben und das Schloss in Brand gesetzt wurde.
Bereits am 26. März 1833, drei Jahre nach Beginn der Regierungszeit von Herzog Wilhelm,
erfolgte die Grundsteinlegung für das neue Residenzschloss, das als dreiflügeliger Bau auf
U-förmigen Grundriß nach Plänen von Carl Theodor Ottmer errichtet wurde. Der Nordflügel
mit den herzoglichen Privatgemächern wurde dabei im Dezember 1837 fertig gestellt, der
Ausbau der Repräsentationsräume im Haupt- und Südflügel erfolgte zwischen 1838 und
1840. Mit einem im Schlosstheater aufgeführten Lustspiel feierte die Hofgesellschaft am 21.
März 1841 die vollständige Fertigstellung des Residenzschlosses.
Einem erneuten Brand, diesmal allerdings ausgelöst durch ein defektes Heizungs- bzw.
Ofenrohr, fielen am 23. Februar 1865 der gesamte Nordtrakt und der Nordabschnitt des
Hauptflügels zum Opfer. Dabei wurde auch die 1864 vom Bildhauer Ernst Rietschel entworfene und auf dem Mitteltrakt stehende Quadriga, eine große aus Kupferplatten gefertigte
Plastik, welche die Stadtgöttin Brunonia auf einem Wagen mit Vierergespann darstellte,
schwer beschädigt. Der Wiederaufbau des Schlosses begann mit der Trümmerräumung,
dem eine Schlossbaukommission folgte. 1868 waren sämtliche Arbeiten abgeschlossen, an
deren Ende die inzwischen in leicht verkleinerter Form wiederhergestellte Quadriga erneut
ihren Platz auf dem Mitteltrakt fand.
Nach dem Tod Herzog Wilhelms im Jahr 1884 residierten mit Albrecht von Preußen und
Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin bis 1913 zwei nichtwelfische Regenten im
Schloss, da Preußen die Erbfolge der hannoverschen Welfen blockierte. Mit der Heirat von
Welfenherzog Ernst August und Victoria Luise von Preußen, der einzigen Tochter von Kaiser
Wilhelm II., kam es zur Aussöhnung zwischen den Hohenzollern und Welfen, sodass am 1.
November 1913 wieder ein Welfe als Regent in das Schloss einzog.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges und der Abdankung von Herzog Ernst August im Jahr
1918 diente das Schloss nun nicht mehr der herzoglichen Familie als Residenz, sondern
2
wurde für andere Zwecke genutzt, wobei unter anderem sowohl das Kleine Haus des Staatstheaters als auch das Naturhistorische Museum, die Öffentliche Bücherei und die Landessteuerstelle Aufnahme in die Räumlichkeiten fanden. Auch ein Schlossmuseum wurde eingerichtet. Während der NS-Herrschaft dienten die Schlossräume ab dem 29. Juni 1935 der
sogenannten SS-Junkerschule als Ausbildungsstätte. In den Jahren 1944/45 kam es im Verlauf der zahlreichen Luftangriffe zu schweren Beschädigungen des Gebäudes, die einen
Wiederaufbau in den 50er Jahren scheitern ließen.
Trotz zahlreicher Proteste von öffentlicher Seite beschloss der Rat der Stadt daraufhin am
21. Dezember 1959 mit zwei Stimmen Mehrheit den Abbruch des Schlosses und die Anlage
eines Parks. Ein Großteil der beim Abbruch anfallenden Schlosstrümmer diente dabei zur
Aufschüttung eines Rodelbergs in der Kralenriede. Die noch verwertbaren Stücke, wie beispielsweise Säulen, Kapitelle und Teile des Portikus' gelangten unter anderem in eine Tonkuhle am Madamenweg bzw. wurden zentral auf dem städtischen Bauhof an der Ludwigstraße gelagert.
Aufgrund der Planungen eines Großinvestors auf dem Gelände des Schloßparks kam es am
5. Juli 2004 erneut zu einer sehr knappen Ratsentscheidung mit einer Stimme Mehrheit. Danach wurde, verbunden mit einem neu zu errichtenden Einkaufszentrum, den sogenannten
Schloss-Arkaden, das ehemalige Schloss rekonstruiert und in seinen authentischen Ausmaßen in den 3 Vorderfassaden wiederhergestellt.
Der neue Baukörper des auf diesen drei Seiten original rekonstruierten Welfenschlosses
entspricht in den äußeren Abmaßen dem Bau von 1833. In dem Gebäude übernimmt die
Stadt Braunschweig ca. 13.000 qm Grundfläche. Die Fläche wird mit den Kultureinrichtungen
der Stadt belegt: Städtische Bibliotheken, Stadtarchiv, Kulturinstitut und Fachbereichsverwaltung.
Somit befindet sich das Schlossmuseum in einem Kanon kultureller Einrichtungen, ist weder
ein Solitär in der Museumslandschaft noch in der Topographie der Stadt.
Schon zu Beginn der Planungen im Jahre 2004 wurde der Museumstrakt im linken Risalit
des höher gelegenen, sogenannten ersten Obergeschosses vorgesehen. Diese Museumsfläche beträgt insgesamt 880 Quadratmeter und erstreckt sich, vom Nord-Vestibül ausgehend, in die Tiefe des gesamten linken Flügels sowie nach Süden gerichtet, über zwei weitere große Säle, die an einem hohen, repräsentativen Flur liegen.
Wenngleich im ersten Obergeschoss, in dem das Schlossmuseum integriert wird, die Deckenhöhe dem Original entspricht, so kristallisierte sich im Zuge der Bauarbeiten doch heraus, dass die Sinnlichkeit und damit auch die Akzeptanz des Schlossmuseums ganz entscheidend von seiner Raumausstattung abhängig sein würde: Die originalgetreu rekonstruierte Schlossfassade mit der baulichen Integration der noch vorhandenen Bausubstanz
(insbesondere Mittelrisalit mit Portikus) verlangte nach einer Antwort im Inneren.
Zunächst wurde eines der renommiertesten Büros für historische Baurekonstruktion aus Berlin, das Büro Stuhlemmer, mit ausgezeichneten bundesweiten Referenzen (Kommandantur
Unter den Linden 1, Hauptstadtrepräsentanz von Bertelsmann, Haupteingang Bundespresseamt sowie Berliner Schloss) um Vorschläge zur Innengestaltung des rekonstruierten
Schlossbaukörpers gebeten. Hierbei lagen die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Bauhistorikers Dr. Bernd Wedemeyer zugrunde, der sich gemeinsam mit Dr. Eva-Maria Willemsen
in einer umfassenden Publikation um die Dokumentation der Baugeschichte des Braunschweiger Residenzschlosses verdient gemacht hat.
Erste Kostenschätzungen allerdings ließen die Planungen nahezu gerinnen, aber es kristallisierte sich die Bereitschaft der drei großen Braunschweiger Stiftungen heraus, die Ausbaumaßnahmen finanziell zu unterstützen. Im September 2006 stellte die Stadt Braunschweig
jeweils bei der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK), bei der Stiftung
NORD/LB/Öffentliche sowie bei der Richard Borek-Stiftung Anträge zur Mitfinanzierung der
3
sogenannten ersten Ausbaustufe für das gesamte erste Obergeschoss des Schlossbaukörpers. Die Stadt Braunschweig ergänzte durch Ratsbeschluss die in Aussicht gestellte Summe, sodass im Gesamtvolumen von 2,6 Mio. Euro die erste Ausbaustufe begonnen werden
konnte.
Die Ausstattung und Lage des Schlossmuseums im Baukörper
Philosophie der Innengestaltung
Besonders die Räume des Schlossmuseums, aber auch der große Saal auf der Südseite
(Bibliothek) reflektieren Gestaltungsmerkmale der Ottmerschen Architektur. Exemplarisch
seien hier Räume des Braunschweiger Schlosses: Gartensaal, Weißer Saal, Palisandersaal
oder Festsaal genannt.
Es entstehen Raumeindrücke, die aufgrund der Rekonstruktion einzelner Bauglieder deutlich
an das Original erinnern. Sofern dies nicht aufgrund der neuen Baustruktur möglich ist, entstehen indes Räume, die im Kontext dieser Architektur angesiedelt sind. Als authentische
Versatzstücke sind unter anderem die Säulen, die Musterkassettendecke und die Eingangstür zum Museumsshop in dem Museumsvestibül zu sehen.
Der Besucher betritt das Schlossmuseum über das Vestibül im Nordflügel des ersten Obergeschosses. Von dort ausgehend, erstreckt es sich L-förmig in zwei Richtungen. Das neue
Vestibül wird in reduzierter Form das historische Vorbild widerspiegeln. Die Raummitte werden vier Stuccolustro-Säulen mit feingliedrigen dorischen Kapitellen definieren, der Natursteinbodenbelag wird aus quadratischen Platten erstellt, die Wände werden durch Pilaster
sowie Vor- und Rücksprünge gegliedert, die in einer weiteren Ausbaustufe zusätzliche
Schmuckdekore erhalten sollen.
Geradeaus durch das Vestibül tretend, führt der Weg durch eine große, mit Akanthusschmuckstäben verzierte Glastür in den Empfangsbereich des Museums: Dieser dient der
Abwicklung des Besucherverkehrs: Hier werden Informationen erteilt, Eintrittskarten, Produkte des Museums wie Postkarten, Kataloge, Souvenirs verkauft, Akustikführer ausgegeben
und wieder angenommen. Auch die Videoüberwachung der Ausstellungsräume erfolgt von
hier. Garderobe und Schließfächer für die Wertsachen der Besucher sind hier untergebracht.
Ebenso ist geplant im westlichen Bereich im stündlichen Rhythmus den Film über Geschichte und Neubau des Schlosses und die Inhalte des Schlossmuseums zu zeigen. Eine Bestuhlung ist für etwa 20 Personen vorgesehen.
Raumflucht
Die nun folgende Raumflucht stellt das Herzstück des Schlossmuseums dar. Vier hintereinander liegende Säle (84, 84, 80 und 85 Quadratmeter) werden über eine Enfilade miteinander verbunden. Anschließend, über eine räumliche Umlenkung, eingeleitet durch eine Säulenstellung mit Raum abschließender Konche, gelangt man in den größten Saal, der jedoch
erst in einer weiteren Ausbaustufe erstellt werden soll. Unabhängig davon soll er jedoch
schon im Rohbau für Präsentationen genutzt werden.
Die durch die Enfilade miteinander verbundenen Säle erhalten eine aus der Architektur des
zerstörten Schlosses resultierende, individuelle - reduzierte - Gestaltung. Dabei werden die
Böden aus Eichen-Tafelparkett bestehen, Wände erhalten Wandgliederungen in Form von
flachen Pilastern und Lamberien, Decken werden nur durch umlaufende Stuckprofile gefasst.
Die Türen werden nach historischem Vorbild gefertigt.
Hervorzuheben ist, dass aufgrund der Lage des Museums das Tageslicht in alle Räume von
der Nordseite erfolgt, sodass lichtempfindliche Exponate keiner direkten Sonneneinstrahlung
ausgesetzt sind. Die ersten drei Säle haben jeweils drei, der vierte Saal zwei Fensterachsen.
Die Enfilade in den ersten drei Räumen liegt, wie in Schlössern üblich, auf der fensternahen
Seite. Dadurch ergeben sich durchgehende Hängeflächen auf der West-, Ost- und vor allem
auf der langen Südseite der ersten drei Säle, wobei die Ostseite im dritten Saal auf Grund
der Konche und Säulenstellung nur eine eingeschränkte museale Nutzbarkeit bietet. Da die
Nordwand mit schmalen Wandpartien zwischen den Fenstern und des zur Betrachtung un-
4
günstigen Gegenlichtes nur eingeschränkte Hängefläche bietet, die Enfilade aber frei von
Vitrinen oder Möbeln bleibt, liegt der Schwerpunkt der Präsentation im südlichen Bereich der
Säle.
Der am Ende der Enfilade liegende, vierte Saal, bietet nur einen einzigen Zugang von der
Westseite. Die Disposition dieses Raumes ergibt sich durch seine Nord-Südausrichtung. Die
Aneinanderreihung dieser vier Ausstellungsräume verhindert einen klassischen Rundgang
(etwa um einen Innenhof): Der Besucher kehrt nach Besichtigung des letzten Raumes wieder durch die drei ersten Säle zum Empfangsbereich zurück. Um ein hohes Maß an Flexibilität zu garantieren, kann bei besonderen Gelegenheiten zusätzlich der Nordtreppeneingang
aktiviert werden.
Haustechnik
Alle beschriebenen Räume werden haustechnisch den Anforderungen entsprechend ausgestattet. Dazu zählen Heizung, Alarmanlage, Lüftung (so weit erforderlich), Stromversorgung und Leuchten.
Der historische Vorläufer: Das Schlossmuseum im ehemaligen Residenzschloss zur
Zeit der Weimarer Republik
Das neue Schlossmuseum steht in einer historischen Tradition aus der Zeit der ersten deutschen Republik. 1919 wurde beschlossen, in Teilen des ehemaligen Residenzschlosses ein
Museum "nach den bereits vorliegenden Beispielen der meisten ehemaligen Residenzen"
einzurichten, um die Zahl der "Sehenswürdigkeiten Braunschweigs zu vermehren" und "den
Besuch der Fremden anzulocken", so Prof. Paul Jonas Meier, Direktor des Landesmuseums/HAUM. Obwohl im Jahr zuvor eine Revolution der Monarchie ein Ende gesetzt hatte,
war sich die damalige Braunschweigische Landesregierung der Verantwortung auch für das
dynastische Erbe des Landes bewusst.
Gemäß des damaligen Konzepts für das Schlossmuseum wurden verbliebene Staatsmöbel,
Stücke der herzoglichen Wohnung sowie einige sog. "Gebrauchsmöbel" in Anlehnung an die
Einteilung der Schlossräume im "Nordflügel und Vorderflügel links … als herzogliche Gemächer" eingerichtet. "Den einzelnen Räumen ist (möglichst in Anlehnung an die letzte Nutzungsart) ein bestimmter Charakter zu geben" - so der Entwurf der Baudirektion vom
25.06.1919. Die Entscheidung des Landtags, das Schloss zu "Volksbildungszwecken" zu
nutzen, hatte hierfür den Weg geebnet. Die Museumsdirektoren Meier (Landesmuseum/HAUM), Fuhse (Städt. Museum) und der Museumsinspektor Steinacker (Landes- und
Vaterländisches Museum), der TH Professor Pfeifer, Herr Wägele von der Möbelkommission, Herr Schier von der General-Hofintendantur und Herr R. Bohlmann als Vorsitzender der
Stiftung des Vaterländischen Museums, sollten die Einrichtung des Schlossmuseums
betreuen, was auch zügig geschah. Tatsächlich wurden die im Museumsprojekt vom Juni
1919 genannten Wohnräume des Herzogs im Nordflügel in der bis 1918 bestehenden Weise
rekonstruiert:
"Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Empfangszimmer, Musikzimmer, Frühstückszimmer, Ministerzimmer, Speisesaal, Repräsentationsräume, Wohnräume und Logierräume“. Abweichend
vom Museumsentwurf vom Juni 1919 kamen die noch nicht genannte Bibliothek und das
Blaue Vorzimmer des angrenzenden Ministerzimmers hinzu.
Der Museumsführer von 1922 bestätigt noch einmal die wiederhergestellte, traditionelle
Raumabfolge der Nutzung durch die Herzöge und Regenten. Sie zeigt die ursprüngliche zurückhaltende Vermischung von privaten und repräsentativen, offiziellen Räumen wie beim
hofseitigen Ministerzimmer im Winkel zwischen Haupt- und Nordflügel. Von der ursprünglichen Raumaufteilung wurde hingegen bei den Wolfenbütteler Zimmern abgewichen. Die beiden barocken Vertäfelungen eines Wohn- und Schlafzimmers von 1730/38 wurden 1919 aus
dem Südflügel ausgebaut und im Hauptflügel auf der Hofseite in den Räumen 18 und 19
5
wieder eingesetzt. Beim Ausbau entdeckte man, dass für die Anbringung der Vertäfelungen
zusätzliche Eisenkonstruktionen eingebaut worden waren.
Wie im Fall des Japanischen Zimmers und des herzoglichen Schlafzimmers stellte man Möbel im idealen Sinn der Raumausstattung zusammen, die in herzoglicher Zeit lt. Inventar von
1917 in verschiedenen Räumen standen. Man gab dem Besucher des Museums durchaus
ein verdichtetes Bild der ehemaligen Hofhaltung, deren Hauptelemente mit der ursprünglichen Ausstattung übereinstimmten.
Südlich vom Großen Festsaal wurde das Schlossmuseum vielfältiger nutzbar. Die vordere
Raumflucht nutzte man für die Präsentation großformatiger Gemälde aus dem Schloss und
dem Landesmuseum (heute HAUM), aber auch für Wechselausstellungen und Konzerte. Für
Museumszwecke wurden im Thronsaal der Thron, das Podest und der Thronhimmel von der
Ostwand abgebaut und historisch unkorrekt und ungünstig für den Betrachter zwischen
Spiegeln im grellen Gegenlicht an der Westwand wiederaufgebaut. Bei dieser Gelegenheit
stellte man im Weißen Saal den 66-teiligen Tafelaufsatz von 1838/39 mit seinen Ergänzungen von 1865/68 und 1881 auf einer meterlangen, den Raum füllenden Tafel auf und postierte die marmorne Büste des Schlossarchitekten Ottmer an die Stirnseite des Saales.
Für das Schlossmuseum bedeuteten die Abgaben in Folge des Auseinandersetzungsvertrags zwischen Herzoglichem Haus und dem Freistaat Braunschweig im Jahre 1925 das faktische Ende, da das Herzogliche Schlafzimmer, das Badezimmer, Schreibzimmer, Wohnzimmer, das Kleine und Große Audienzzimmer, das Japanische Zimmer, der Gelbe Salon
fast vollständig leer geräumt wurden und die beiden Wolfenbütteler Zimmer sogar ohne jede
Einrichtung zurückblieben. Auf die in den Räumen aufgestellten prunkvollen Fest- und
Staatsmöbel wie die Krahe-Möbel und die Sofas im Japanischen Zimmer, das Bett des Herzogs, Schafzimmer, das Sofa aus dem Arbeitszimmer aus der Ottmer-Zeit und die UhdeSessel und -Sofas im Großen Audienzzimmer verzichtete man.
Die Bibliothek, das Blaue Vorzimmer und das Ministerzimmer im Nordflügel sowie der Palisanderspeisesaal, das Vor- und Ratszimmer sowie die mittleren und südwestlichen Räume
blieben hingegen weitgehend ungeschoren. Wohl deswegen, weil die Räume das besonders
auf die Schlossarchitektur bezogene neoklassizistische Mobiliar aus der Zeit C. Uhdes von
1865 - 81 besaßen. Es wurde wohl als zu schlossspezifisch und zu wuchtig empfunden und
deshalb zurückgelassen.
Im Schlossmuseum konnten ab August 1926 somit nur noch die Staats- und großen Festräume im Stil der herzoglichen Zeit vorgestellt werden. Ob die weitgehend leerstehenden
herzoglichen Wohnräume mit Stücken aus dem noch bestehenden Vorrat notdürftig neu
möbliert wurden, geht aus den Akten nicht hervor, ist aber wahrscheinlich. Das Museum bestand trotz Halbierung seiner Bestände in mindestens 11 von ursprünglich 21 Räumen weiter. Von einer Auflösung ist nichts bekannt und auch das weitere Schicksal der zahlreichen
Uhde-Möbel weist auf das Fortbestehen hin. Das Schattendasein des Museums wurde nach
1926 noch einmal statistisch festgehalten, indem der Restbestand an Mobilien durchgezählt
und mit einer roten Nummernfolge versehen wurde.
Das Schlossmuseum bestand bis Anfang 1935, dann musste es der im Schloss eingerichteten SS-Junkerschule weichen.
Dieser kurze historische Abriss (Quelle: Dr. Bernd Wedemeyer) belegt, dass die Einrichtung
eines Schlossmuseums, damals wie heute, vor allem als Dokumentation der Schlossgeschichte diente.
Trägerschaft des neu zu gründenden Schlossmuseums
Die Rechtsform ist u. a. auch entschieden von der Konzeption abhängig. Es wurden bereits
diverse Trägermodelle ins Auge gefasst. In Anbetracht unterschiedlicher Möglichkeiten und
6
der damit einhergehenden Abwägung des Für und Wider soll insbesondere im Hinblick auf
eine schnelle Handlungsfähigkeit folgende Modelllösung umgesetzt werden:
In einem ersten Schritt obliegt die Trägerschaft der Stadt Braunschweig, d. h., das Schlossmuseum wird als Dependance des Städtischen Museums geführt. Somit ist die Frage ggf.
erforderlicher Leihgaben, deren Versicherung etc. ohne weitere Schwierigkeiten geklärt. Der
Ausstellungsbetrieb kann somit zeitnah zur Eröffnung des Schlosses aufgenommen werden,
da auf das Know-how des Städtischen Museums zurückgegriffen werden kann. Im nächsten
Schritt wird dann die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung angestrebt.
Im besten Falle sind dort vertreten: die Stadt Braunschweig, das Land Niedersachsen (als
Vertreterin der beiden Landesmuseen), die Stiftungen: Richard Borek Stiftung, Stiftung
Braunschweigischer Kulturbesitz sowie die Stiftung NORD/LB/Öffentliche. Im Vorstand der
Stiftung wird über die Inhalte der Ausstellungen, die Verausgabung der Mittel entschieden.
Zudem ist eine Stiftung zuschussberechtigt für Anträge bei Drittmittelgebern wie Stiftungen
und/oder Sponsoren. Die Anerkennung als gemeinnützige Stiftung sichert das Ausstellen
von Spendenbescheinigungen.
Hierbei würde insbesondere die Möglichkeit der finanziellen Ausstattung der Einrichtung im
Rahmen von Zustiftungen im Vordergrund stehen. Die Stiftungsgründung hat neben der
Möglichkeit Zustiftungen anzunehmen, auch den Vorteil, dass Schenkungen von Braunschweiger Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden können. Die Stiftung soll den
Namen „Stiftung Residenzschloss Braunschweig“ tragen.
Die Schenkungen an die Stiftung können langfristig auch eine Sammlung generieren.
Finanzierung
Die Stadt Braunschweig trägt die Kosten für die Miete und die Nebenkosten sowie für eine
halbe wissenschaftliche Stelle mit einem jährlichen Gesamtvolumen von rund 150.000 €.
Die Eintrittseinnahmen sowie die Erlöse aus dem Verkauf der Besichtigungskarten der
Quadriga-Besteigung kommen zu 100 % dem Museum zugute.
7
„Wovon handelt die Geschichte“, fragte 2004 Christoph Stölzl einleitend in einem ersten Konzeptpapier zu dem geplanten Schlossmuseum und beantwortet diese Frage
wie folgt: „Die wichtigste Geschichte, die es zu erzählen gibt, ist die vom Schicksal
des Gebäudes. Sie ist dramatischer als die Lebensgeschichten der Schlossherren.
Darum muss das Museum mit seinem Hauptobjekt, eben der Architektur des Schlosses beginnen: Ihrer Herkunft aus der europäischen Kunstgeschichte, ihrer Entstehung, ihren Wandlungen (Brand von 1865 und Wiederaufbau), schließlich ihrem Untergang im Zweiten Weltkrieg und im Abriss. Die Geschichte der partiellen Wiedergeburt wäre dann das versöhnliche Ende.“
Das inhaltliche Konzept des Schlossmuseums von Wilfried Rogasch
1. Zielsetzung
Das Schlossmuseum dokumentiert Architektur und Geschichte des zweimal zerstörten und
zweimal wieder aufgebauten Braunschweiger Residenzschlosses im engeren Sinne sowie
die Kulturgeschichte der herzoglichen Haupt- und Residenzstadt Braunschweig mit Schwerpunkt „Höfische Kultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ im weiteren Sinne. Damit wird
die zweite Säule der kulturellen Identität der Stadt Braunschweig neben der der selbstbewussten Bürgerstadt gestärkt:
Das Museum wird zeigen, dass die Bedeutung Braunschweigs als Residenz und die dynastischen Beziehungen weit über das relativ kleine Territorium des Landes hinausreichten.
Wichtigstes Mittel zur Umsetzung der Zielsetzung ist die museale Gestaltung einer Folge von
mehreren Sälen mit ansteigender architektonischer Dramaturgie im klassizistischen Sinne
durch Zitate aus dem Formenkanon von Carl Theodor Ottmer. Diese vier Säle bieten den
angemessenen Rahmen für die Präsentation von Exponaten, die zur Originalausstattung des
Schlosses gehörten oder die Leben und Wirken der Menschen reflektieren, die in ihm lebten
und arbeiteten. Die Präsentation wird durch den Einsatz moderner multimedialer Mittel unterstützt. Gleichzeitig soll das Museum alle technischen Anforderungen an einen laufenden
Betrieb von kleineren und mittelgroßen Sonderausstellungen erfüllen, die ihr Zielpublikum
auch jenseits der Stadtgrenzen Braunschweigs finden sollen. Zum Zeitpunkt der geplanten
Eröffnung werden die meisten Exponate im Besitz von Privatpersonen oder anderer Museen
sein. Bereits jetzt hat eine Anzahl von Museen und Privatpersonen dankenswerterweise zugesagt, das Projekt durch Dauerleihgaben zu unterstützen.
1.1. Einordnung in die städtische Museumslandschaft
Braunschweig weist durch seine spezifische Geschichte eine für die Größe der Stadt überproportionale Museumsdichte - bestehend aus dem Herzog Anton Ulrich-Museum, dem
Braunschweigischen Landesmuseum, dem Naturhistorischen Museum, dem Städtischen
Museum Braunschweig und dem Altstadtrathaus - auf. Das Herzog Anton Ulrich-Museum
beherbergt dabei die ehemals fürstlichen Sammlungen, das Landesmuseum setzt sich mit
der Landesgeschichte und damit automatisch auch mit dem Schloss auseinander, weitere
Zeugnisse zum Schloss und seiner Zeit befinden sich im Städtischen Museum und im Altstadtrathaus. Die Notwendigkeit eines Museums zum Braunschweiger Schloss scheint also
auf den ersten Blick nicht gegeben. Aber aufgrund der Rekonstruktion des Schlosses ist es
notwendig, die Existenz des 2007 vollendeten neuen Schlosses zu erklären und die dramatischen Schritte dahin zu dokumentieren:
Schlossgeschichte vom Grauen Hof bis in die Gegenwart
Erstes Schlossmuseum,
SS-Junkerschule,
Beschädigung im Bombenkrieg,
Kontroverse um den Abriss,
8
Abriss,
Kontroverse um den Wiederaufbau,
Wiederaufbau
Ebenso sollte das Profil Braunschweigs als ehemalige Residenz geschärft werden, da dieser
herausgehobene Status auch Chancen für die Gegenwart und Zukunft der Stadt birgt.
Die engere Zielsetzung des Museums, Architektur und Geschichte des Schlosses darzustellen, ist durch den Wiederaufbau der historischen Fassaden möglich. Die weitere Zielsetzung,
nämlich die Kulturgeschichte der Residenzstadt und damit einhergehend des Alten Braunschweiger Landes, aber immer nur ausschließlich auf das Schloss fokussiert, zu dokumentieren, kann nur in enger Kooperation mit diesen Institutionen, insbesondere mit dem Braunschweigischen Landesmuseum, dem Herzog Anton Ulrich Museum und dem Städtischen
Museum, verwirklicht werden. Dabei müssen selbstverständlich auch die Interessen der genannten Häuser angemessen vertreten und berücksichtigt werden, um gemeinsam die kulturelle Attraktivität Braunschweigs zu stärken.
Das Braunschweigische Landesmuseum
Im Braunschweigischen Landesmuseum existiert bereits seit der Neugestaltung der Dauerausstellung vor 17 Jahren ein „kleines Schlossmuseum.“ Eines der Verdienste dieser Schau
ist es, die Erinnerung an das 1960 abgerissene Schloss permanent wach gehalten und das
Fehlen des Schlosses als klaffende Wunde im Antlitz der Stadt beschrieben zu haben. Dadurch sowie durch Sonderausstellungen des Landesmuseums in den vergangenen Jahren,
für die Schlossinventar restauriert wurde, und durch zahllose engagierte Vorträge und Publikationen seines Direktors wurde der Wille zum Wiederaufbau des Schlosses nachhaltig gestärkt. Die wichtigsten noch erhaltenen Stücke der Innenausstattung des Schlosses werden
in dieser Präsentation gezeigt, zahlreiche weitere Stücke befinden sich in den Depots des
Landesmuseums, weitere in den anderen Museen Braunschweigs.
1.2. Zielsetzung im Kontext der besonderen Situation
Im Schlossmuseum werden die Fragen der Braunschweiger und der Besucher der Stadt zum
gegenwärtigen Schloss beantwortet, die kontroverse Debatte um Abriss und Wiederaufbau
dokumentiert und zugleich das sinnliche Erlebnis geboten, die untergegangene Welt der höfischen Kultur nachzuempfinden. Vereinfacht gesagt: Der Besucher soll erfahren, warum
das, was jetzt zu sehen ist, so ist, wie es ist. Andererseits soll er sehen, welche Sachzeugnisse sich aus dem zerstörten Schloss erhalten haben, deren Faszination bis in die Gegenwart reicht.
2. Zielgruppendiskussion
Wie jedes Museum wirbt auch das Braunschweiger Schlossmuseum sowohl um die Bewohner vor Ort als auch um Touristen. Um beide Zielgruppen wird sich das Museum intensiv
bemühen. Dazu einige Bemerkungen:
2.1. Die Touristen
In Norddeutschland spielt Kultur- und Städtetourismus eine geringere Rolle als im Süden.
Dennoch kommen ganzjährig Einzel- und Gruppentouristen (meist Bustouristen aus der Region) in beachtlicher Zahl in die Stadt. Sie suchen vor allem Kultur und Geschichte. Ziel des
Schlossmuseums ist es, dass jeder auswärtige Gast, gleichgültig, wie kurz oder lang er in
der Stadt weilt, das Schlossmuseum besucht: Jeder Tourist, der das Programm: Landesmuseen, Dom, Burgplatz und Altstadtmarkt absolviert, sollte auch in das Schlossmuseum gehen. Die Voraussetzungen dafür sind günstig: Die zentrale Lage, ein wichtiger Erfolgsgarant
für ein Museum, ist im Falle des Schlossmuseums nicht zu überbieten. Der Inhalt des Museums fügt sich bestens in das knappe Besichtigungsprogramm für Kurzbesucher: Symbolisie-
9
ren Burglöwe und Grab Heinrichs des Löwen den Beginn der Welfenherrschaft, so steht das
Schlossmuseum für die letzte Regierungsphase, die unserer Gegenwart am nächsten ist.
Fürstliche Wohnkultur kann man in der Region nur in Wolfenbüttel und Celle erleben. Beide
Städte erzielen durch die Betonung ihres Residenzcharakters einen erheblichen Imagegewinn. Braunschweig hat die Chance, sich als die „Dritte im Bunde“ der Residenzstädte der
Region zu profilieren: Nirgendwo sonst, auch nicht in Hannover, lassen sich Morgenstunde
und Abendrot der wichtigsten Familie Norddeutschlands und ältesten Dynastie Europas, der
Welfen, erleben, und dies im Umkreis von nur 200 Metern. Gegenüber den vier großen Museen der Stadt bietet die Kleinheit des Schlossmuseums den Vorteil, dass auch der Eilige es
in sein Besuchsprogramm aufnehmen kann. In der Vermarktung sollte sich das Schlossmuseum auf ganz wenige, besonders markante Objekte konzentrieren, die man gesehen haben
„muss“ und die permanent ausgestellt sind.
2.2. Die Braunschweiger
Der Erfolg des Schlossmuseums wird letztlich jedoch von der Annahme durch die Bevölkerung abhängen. Eine kluge Strategie der Öffentlichkeitsarbeit ist daher vonnöten. Gerade
das Konzept „klein, aber fein“ kann dazu führen, dass die Braunschweiger den jüngsten
Spross in der Kulturlandschaft zu einem ihrer Lieblingsorte küren. Exklusive Sonderausstellungen und geschickte Umgruppierungen von Exponaten, die auch jahreszeitliche Bezüge
herstellen, sollen die Braunschweiger zum Wiederkommen verführen. Anreiz zur Identifizierung der Braunschweiger mit ihrem Museum bietet auch der Umstand, dass hier nicht ausschließlich die „entrückten Fürstlichkeiten“, sondern ebenso das zahlreiche Schlosspersonal,
die Beamten des Hofes oder die Hoflieferanten in Sonderausstellungen vorgestellt werden
und wertvolle, kuriose oder auch eher alltägliche Objekte gezeigt werden, die, wenn auch
fürstlichen Ursprungs, so doch die Neugierde des Besuchers erwecken.
2.3. Bewohner des alten Braunschweiger Landes
Das Museum bietet darüber selbstverständlich auch die Möglichkeit, dass sich die Bewohner
des alten Landes Braunschweig Identität stiftend mit der Vergangenheit des Schlosses beschäftigen können. Das Schloss ist dabei nicht nur ein Symbol für die Herrschaft der Welfen
in Braunschweig und deren kulturellen Leistungen in der Stadt, sondern darüber hinaus natürlich auch ein Symbol für die Landesherrschaft und die Kunst, Kultur und Wirtschaft fördernden Bemühungen der Welfen im gesamten alten Land Braunschweig. Neben den Bewohnern der Stadt Braunschweig wie den Touristen muss sich so auch der regionale Besucher wiederfinden und eine Verknüpfung mit seinem eigenen Heimatort erkennen.
3. Nutzung der Räumlichkeiten
3.1. Doppelfunktion von Dauer- und Wechselausstellungen
Das Museum wird langfristig nur dann Erfolg haben, wenn es neben einer Dauerausstellung
auch attraktive kleine und mittelgroße Sonderausstellungen zeigt. Erst diese locken insbesondere die Bewohner der Stadt zu wiederholtem Besuch (s. hierzu die im Anhang beigefügten Projektskizzen des Städtischen Museums). Im Schlossmuseum kommt zu der allgemeinen Problematik, dass Sonderausstellungen entsprechende finanzielle Mittel voraussetzen,
der Umstand, dass mit ca. 880 Quadratmetern Gesamtfläche wenig Fläche für Wechselausstellungen zur Verfügung steht. Es wäre unsinnig, für jede Sonderpräsentation das ganze
Museum auszuräumen.
Dauerhaft präsentiert werden die Dokumentation zur Architektur und Geschichte des Schlosses im ersten Saal. Doch auch im zweiten und dritten Saal gibt es raumgreifende Elemente
(Ensemble Japanisches Zimmer, eingedeckte Festtafel), die über einen langen Zeitraum
präsentiert werden und sich zu Markenzeichen des Schlossmuseums entwickeln sollen: Daher empfiehlt es sich, zunächst mit kleineren Umgruppierungen oder der Neupräsentation
10
weniger, aber spektakulärer Einzelstücke das Interesse des Publikums wach zu halten. Dafür empfiehlt sich besonders der dritte oder auch „Konchensaal“. Die Zeit wird zeigen, ob
danach im regelmäßigen Turnus mittelgroße, selbst erarbeitete oder von anderen Schlossmuseen in Deutschland und Europa übernommene Sonderschauen präsentiert werden können.
3.2. Definition der Räume und Diskussion seiner Inhalte
3.2.1. Ausstellungsraum: Architektur und Geschichte des Schlosses
Das spannendste am Schloss ist das Schloss selbst: Die zweimalige Zerstörung (durch Krieg
und die Bewohner der Stadt!) und der zweimalige Wiederaufbau des Schlosses sind eine
„Story“ voll äußerster Dramatik. Sie wird pointiert nacherzählt. Die Schlossgeschichte wird
unter Berücksichtigung der Landesgeschichte dargestellt, da das Schloss auch noch im 19.
Jahrhundert symbolischer Mittelpunkt des Landes war. Wie der Abriss über das erste, zwischen 1919 und 1935 existierende Schlossmuseum gezeigt hat, hat die Idee eines Museums
bis in das 20. Jahrhundert überdauert. Der Besucher wird mit der Architekturgeschichte des
Gebäudes vertraut gemacht: Er kann den 1830 zerstörten Vorgänger, den „Grauen Hof“ mit
dem Ottmer-Schloss von 1831 vergleichen, nicht ausgeführte Idealplanungen oder die
Pfahlgründung im sumpfigen Baugrund studieren, den Brand von 1865 nacherleben, Originalfragmente des Schlosses betrachten oder sich über Funktion des Schlosses in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit, über die Zerstörung im Bombenkrieg 1944, den Abriss
von 1960 und den Beschluss zum Neubau 2003 informieren. Doch auf einer menschlich
noch spannenderen Ebene wird die dramatische Geschichte „Bürgerstolz vor Fürstenthronen
- Die Braunschweiger und ihr Herzogshaus“ erzählt, die nach dem Ende der Monarchie ihre
Fortsetzung findet als „Die Braunschweiger und ihr Schloss.“ Einige Etappen dieser Erzählung (vergleiche dazu die Bemerkungen in der Exponatliste vom 18.09.2006) seien hier kurz
umrissen:
- „Am Anfang war Napoleon“: Die Franzosen vertreiben den Herzog: Die Braunschweiger,
die sich nie ganz mit der gewaltsamen Eroberung ihrer Stadt durch die Herzöge vor über 100
Jahren abgefunden haben, sehen, dass die Welfen gar nicht so sattelfest sind.
- Bald merken die Braunschweiger aber, dass der Hof als wichtigster Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor fehlt: Der Bruder Napoleons, Jérome Bonaparte, soll mit dem Ausbau des
Grauen Hofes zur Königsresidenz nach Braunschweig gelockt werden: Doch der bleibt lieber
in Kassel.
- Der „Schwarze Herzog“ will die Franzosen besiegen, residiert kurzzeitig im Schloss und fällt
als bewunderter Haudegen am Vorabend von Waterloo.
- Sein Sohn Karl II. will die Verfassung nicht anerkennen und regiert reaktionär. Die Franzosen hatten Freiheitsrechte gebracht. Die Braunschweiger hassen den verschwendungssüchtigen „Diamantenherzog.“
- 1830: Der Funke der Pariser Julirevolution springt auf Braunschweig über: Die Braunschweiger vertreiben den „Diamantenherzog“ und brennen sein Schloss nieder.
- 1831: Der neue Herzog hat Angst vor den Braunschweigern und will sein neues Schloss
außerhalb der Stadt auf dem Nussberg bauen. Die Bürger bitten ihn, in die Stadt zurückzukehren und unter ihnen zu wohnen. Ottmer baut das Schloss - 1865: Wieder brennt das
Schloss, doch diesmal keine Revolution! Die Braunschweiger helfen beim Löschen und beim
Wiederaufbau.
- 1884: Herzog Wilhelm stirbt, doch die hannoverschen Welfen dürfen nicht die Erbfolge antreten. Die von Preußen eingesetzten Regenten kommen, aber die Braunschweiger verhindern, sich ganz von Preußen schlucken zu lassen.
- 1913: Aussöhnung zwischen Welfen und Hohenzollern: Endlich wieder ein richtiger Herzog.
Und eine junge Herzogin: Die Braunschweiger sind begeistert!
11
- 1918: Vier Jahre Krieg. Millionen Tote. Die Deutschen haben endgültig die Nase voll von
ihren Fürsten. Die Braunschweiger auch: Der Herzog dankt ab - als erster deutscher Bundesfürst. Das Schloss wird u. a. Museum.
- 1920er Jahre: Kulturelle Nutzung des Schlosses, fast wie heute.
- 1930er Jahre: Die Nazis zweckentfremden das Schloss: SS-Leute werden im Schloss ausgebildet, das Mobiliar u. a. nach Celle verkauft.
- 1944: Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs wird das Schloss schwer beschädigt.
- 1960: Die Braunschweiger Ratsmitglieder entscheiden sich mit knapper Mehrheit, das
Schloss abzureißen.
- 2003: Die Braunschweiger Ratsmitglieder entscheiden sich mit knapper Mehrheit, das
Schloss wieder aufzubauen.
- 2007: Die Kultureinrichtungen im Schloss und das Schlossmuseum werden eingeweiht.
3.2.2 Ausstellungsraum: „Herzogliche Wohnkultur“
Aus dem faszinierend reichhaltigen Fundus von erhaltenen Möbeln wird hier ein repräsentativer Querschnitt des sogenannten Japanischen Zimmers von 1911 rekonstruiert, das seinen
Namen nach einer japanischen Seidenbespannung trug: Der Vorzug dieses Ensembles liegt
darin, dass es Mobiliar aus ganz unterschiedlichen Stilepochen des 18. und 19. Jahrhunderts
umfasst. Gezeigt wird, dass die Möbel, die in aufeinander folgenden Generationen angeschafft wurden, im Schloss immer wieder zwanglos neu kombiniert und arrangiert wurden.
Kenntnisse über einzelne Stilepochen des Mobiliars wie Barock (Chinoiserien!), früher Klassizismus (Krahe), später Klassizismus (Ottmer), spätester Klassizismus (Uhde), Neo-Rokoko
usw. werden vermittelt. Auf sozialgeschichtlicher Ebene geht es um die Funktionen der einzelnen Möbel ebenso wie um den Zusammenhang, in dem sie zum Einsatz gelangten (repräsentative Staatsmöbel, Möbel für hochgestellte Gäste, Möbel für den privaten Gebrauch
des Herzogs usw.).
Veranschaulicht wird die These, dass die höfische Kultur des 19. Jahrhunderts im Gegensatz
zur vorangegangenen Epoche des fürstlichen Absolutismus stark bürgerliche Züge trug. Dies
gilt nicht nur für eine kleine Residenz wie Braunschweig, sondern lässt sich ebenso für die
großen europäischen Hauptstädte nachweisen. Erst zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert findet europaweit eine „Refeudalisierung“ der höfischen Kultur statt. In Braunschweig
findet diese kurze, 1913 beginnende Epoche durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges im
Jahr darauf ein abruptes Ende.
Bei der Einrichtung dieses Raumes ist die Stadt Braunschweig auf die Unterstützung von
öffentlichen wie privaten Leihgebern angewiesen, die hierfür bereits ihre Kooperationsbereitschaft deutlich gemacht haben. In diesem Zusammenhang sei die Stadt Celle erwähnt, die
Objekte zur Verfügung stellen wird. Auch die Braunschweigischen Landesmuseen haben
ihre Kooperationsbereitschaft angeboten, die Einrichtung dieses Raumes mit Objekten zu
unterstützen, die sich in den Magazinen der Häuser befinden.
3.2.3. Ausstellungsraum „Das Residenzschloss und das alte Land Braunschweig“
Das Braunschweiger Schloss war der Gattung nach ein Residenzschloss, d.h. Regierungssitz eines Landesherren und damit symbolisches Zentrum eines Landes. Zudem ist
das Residenzschloss ein vergleichsweise später Ausdruck der Herrschaft der Welfen im alten Land Braunschweig. Gerade aber diese Jahrhunderte andauernde Herrschaft prägte
entscheidend die Region und wirkt bis heute Identität stiftend auf die Bevölkerung. Dies soll
in diesem Raum zum Ausdruck gebracht werden.
Daher soll zur Eröffnung des Schlossmuseums in einer Ausstellung das Herzogtum und spätere Land Braunschweig in seiner territorialen Ausdehnung, seinen Grenzen, seinen wichtigen Städten, vielfältigen Landschaften und seinen bedeutenden kulturellen Einrichtungen
vorgestellt werden. Diese Ausstellung versteht sich auch als Einladung sowohl an die großen
Braunschweiger Landesmuseen Braunschweigisches Landesmuseum und Herzog Anton
Ulrich-Museum als auch an die städtischen Museen und Heimatmuseen in anderen Städten
des ehemaligen Landes Braunschweig: Das Schloss kann und soll Schaufenster für Kunst
12
und Geschichte im Land Braunschweig sein für Themen, die der Besucher an anderer Stelle,
insbesondere und speziell im Braunschweigischen Landesmuseum, vertiefen kann.
Dadurch wird die Bedeutung der Herrschaft der Welfen für die Ausbildung des alten Landes
Braunschweig verdeutlicht. Der Besucher der Stadt Braunschweig wie auch der Tourist soll
damit animiert werden, diese Regionen, Städte und Orte zu besuchen und der Bewohner
dieser Gebiete soll sich gleichzeitig selbst wiederfinden.
Ein weiterer Blick soll auf die älteren herzöglichen Residenzschlösser im Braunschweiger
Land, wie beispielsweise in Wolfenbüttel, Salzdahlum, Fürstenberg, Bevern oder Blankenburg, auf die Witwensitze – etwa in Antoinettenruh bei Wolfenbüttel oder Schöningen, auf
sonstige Einflussgebiete, wie etwa dem ehemaligen Reichskloster in Gandersheim, verweisen sowie auf Bauwerke und Institutionen, die, von der Herzögen gegründet oder besonders
gefördert, und noch heute von besonderer Bedeutung sind: Das Juleum in Helmstedt, die
Porzellanmanufaktur Fürstenberg, das Staatstheater und Universität Braunschweig etc.).
Bei den Exponaten wird es sich vornehmlich um Zeugnisse braunschweigischer Herrschaft
handeln.
Zur Gestaltung: Das Territorium des Herzogtums soll aus strapazierfähigem Material auf einem Fußbodenbelag dargestellt werden, der für die Dauer der Ausstellung auf dem Parkettfußboden des Raumes ausgebreitet wird. In sechs Vitrinen präsentieren sich die sechs
Landkreise, jeweils dort im Raum, wo sie geographisch verortet sind. Die Landeshauptstadt
wird durch eine weitere Vitrine repräsentiert. Hier werden die gesamtstaatlichen Themen
vorgestellt.
3.2.4. Ausstellungsraum „Victoria Luise“ und Kabinett für Sonderausstellungen
Der letzte Raum der Nord-Enfilade befindet sich 2007 noch im Rohbau. Seine zukünftige
Funktion hängt von der zukünftigen Verfügbarkeit der Exponate ab. Zur Eröffnung des
Schlossmuseums Ende 2007 wird der Raum eine Form erhalten, in der Exponate angemessen präsentiert werden können. Dabei wird es sich um eine moderne, nicht klassizistisch
anmutende Ausstellungsarchitektur handeln, in deren Rahmen eine temporäre Ausstellung
über Herzogin Victoria Luise gezeigt wird. Die Herzogin ist älteren Braunschweigern noch
gut im Gedächtnis, jüngere Braunschweiger haben durch Eltern oder Großeltern zumindest
von ihr gehört. Daher kann durch sie Landesgeschichte personalisiert werden. Von allen
fürstlichen Bewohnern des Schlosses ist Victoria Luise am besten geeignet, die Phantasie
der Museumsbewohner zu beflügeln: Sie war bis zu ihrem Lebensende „populär“, d.h. im
gesellschaftlichen Leben Braunschweigs präsent, und ihr langes, spannendes und abwechslungsreiches Leben umfasst märchenhafte Höhenflüge und dramatische Abstürze. Einerseits
verstand sie es bis ins hohe Alter, stets eine aristokratische Aura um ihre Person aufrechtzuerhalten, andererseits wurde ihr ereignisreiches Leben durch die dramatischen Umbrüche
der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert in ähnlicher Weise geprägt wie das vieler
„normaler“ Menschen. Die spannungsreichen Gegensätze von Höhen und Tiefen, von Distanz und Nähe bestimmen den Erzählduktus der Ausstellung. Teilweise wertvolle und teilweise sehr persönliche und emotionale Exponate, vornehmlich aus Braunschweiger Privatbesitz, werden präsentiert und werfen Schlaglichter auf ein Leben, das von der Kaisertochter
zur Landesmutter, von der Vertriebenen bis zur frühen Protagonistin der „Trimm-dichBewegung“ reicht.
Ziel der Exponatauswahl ist es ist, eine starke Präsenz der Herzogin zu schaffen, die fast
physisch und vor allem sehr emotional ist. Gleichzeitig werden die Exponate so ausgewählt,
dass sie an allgemeine historische Entwicklungen in Braunschweig, Deutschland und Europa
erinnern.
13
4. Aussagen zur Präsentation
4.1. Vitrinen
Zur Sicherung vor Diebstahl und Beschädigung werden alle Exponate mit Ausnahme der an
der Wand gerahmten Gemälde, Grafiken und Fotos sowie der großen Möbelstücke in Vitrinen präsentiert. Angestrebt ist ein kostengünstiges, flexibles Vitrinensystem. Die Auswahl
des Vitrinensystems erfolgt nach Maßgabe der vorhandenen Mittel, doch ist auf eine Nachhaltigkeit zu achten, d. h. zu Beginn sollten lieber weniger, dafür hochwertigere Vitrinen gekauft werden.
Wichtig ist neben der Sicherheit vor allem das Beleuchtungssystem, das bereits installiert ist.
Auf gesonderte Klimavitrinen wird verzichtet, da das Schlossmuseum über eine gute Klimatechnik verfügt.
4.2. Beschriftung
Die Beschriftung ist zur schnelleren Orientierung der Besucher dreifach hierarchisiert. Es gibt
A-, B- und C-Texte, die durch Schriftgröße, Positionierung und Textumfang die unterschiedliche Wertigkeit der Texte markieren. Die graphische Gestaltung dieser Texte trägt ebenso
wie ihr Inhalt zur Wegeleitung der Besucher bei.
A-Texte (1200 Zeichen mit Leertasten) sind übergreifende Raumtexte, die das Thema eines
Raumes vorstellen. Grammatik und Satzbau folgen Kriterien, die zum Ziel haben, das frühzeitige Ermüden des Lesers zu verhindern.
B-Texte (500 - 700 Zeichen mit Leertasten) sind Gruppentexte, die den Inhalt einer Vitrine
oder die Bedeutung eines Möbelensembles zusammenfassen.
C-Texte (100 - 200 Zeichen mit Leertasten) sind Exponatbeschriftungen, die einzelne Objekte erläutern.
Weiterführende Informationen für jedes einzelne Exponat und für ausgewählte Themen erhält der Besucher über den Akustikführer. Für Gehörlose kann mittelfristig eine Alternative
zum Akustikführer geschaffen werden: Eine portable Miniscreen mit Takes in Gebärdensprache. Dies ist heute technisch einfach und kostengünstig zu realisieren und wird in USamerikanischen Museen vielfach praktiziert.
5. Wegeführung im Museum
Die Besucherleitung im Schlossmuseum ist ein empfohlener Rundweg, kein Zwangsrundgang. Sie erfolgt im Uhrzeigersinn, was u. a. den Vorteil bietet, dass das Abschreiten der
Wände in Leserichtung von links nach rechts erfolgt (Besucherleitungen in Museen und Ausstellungen erfolgen gegenwärtig in etwa 70 Prozent der Fälle im, in etwa 30 Prozent gegen
den Uhrzeigersinn). Obgleich Wandhängung und Arrangement von Vitrinen entlang der
Wände wichtige ästhetische und museumsdidaktische Strukturierungsprinzipien darstellen,
ist die Verteilung von Volumina im Raum („Raumskulpturen“), wodurch erst eine Raumgliederung entsteht, von ebenso zentraler Bedeutung.
Das Schlossmuseum ist weder Wandzeitung noch Gemäldegalerie. Der Besucher erwartet
ebenso dreidimensionale Einzelexponate und Möbelensembles im Raum verteilt. Erst durch
die vielfältige Interaktion von „Flachware“ an der Wand und Volumina im Raum gewinnt das
Museumsinterieur seine Qualität. Der Raum ist frei begehbar und nicht, wie in manchen
Schlössern, nur der vordere Teil auf einem roten Läufer, während der eigentliche Raum abgekordelt und unzugänglich ist. Dies hat den Vorteil der freien Beweglichkeit und des genauen Betrachtens der Exponate, führt aber dazu, dass alle Exponate vor Diebstahl und Beschädigung gesichert sein müssen. Die für ein Schloss typische Enfilade soll optisch die
Großzügigkeit und Weitläufigkeit eines Schlossinneren unterstreichen.
14
Aus diesem Grund bleibt sie frei von Exponaten. Der empfohlene Rundgang orientiert sich
an der Nummernfolge des Audioguides. „Anreize“, eine intendierte Wegeführung zu beschreiten, werden dem Besucher durch die Inszenierung der Objekte, Objektgruppen oder
Raumtexte gegeben. Der Besucher wird in einer Schleifenbewegung zu einem Rundgang
durch die ersten drei Räume animiert, wobei er sich sowohl den an den Wänden arrangierten
Exponaten als auch den zentralen Exponaten (Schlossmodell, Festtafel) im Raum, die er von
allen Seiten umschreiten kann, widmet.
6. Akustischer Führer, Multimediastationen, Katalog
Die Textbeiträge des akustischen Führers dauern in der Regel 90 Sekunden. Die Texte werden vom Konzeptautor erstellt und von den Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe Schlossmuseum gegengelesen. Die Realisierung übernimmt eine entsprechende Firma, die auch die
Geräte zur Verfügung stellt. Eine Übersetzung der Texte auf Englisch findet statt. In den ersten drei Räumen befinden sich Multimediastationen, in der Architektur und Geschichte des
Schlosses bis zur Gegenwart, die Biographien und Stammbäume seiner Bewohner sowie
Aspekte höfischer Kultur vertiefend, erläutert werden. Zur Eröffnung ist beabsichtigt, dass ein
Bildband erscheint, der sich an ein großes Publikum richtet. Interesse von führenden deutschen Kunstverlagen liegt bereits vor.
7. Perspektivischer Ausblick
Das Schlossmuseum als neues Museum muss sich als lebendiger Ort begreifen, der einem
ebenso lebendigen Wandel unterworfen ist und sich sowohl mit seiner ständigen Ausstellung
wie mit seinen Sonderausstellungen diesem Wandel unterstellt. Dies gilt es mit einer möglichst flexiblen Einrichtung zu berücksichtigen. Gleichzeitig befindet sich die Braunschweigische Museumslandschaft – ausgelöst durch die Anregungen des Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und die Stadt Braunschweig – in einem Wandel, der in den
nächsten Jahren Früchte tragen wird. Die somit eingeleitete Sammlungsabgrenzung und
Ausstellungspolitik der einzelnen Museen wird natürlich auch für das Schlossmuseum Auswirkung haben.
Weiterhin gilt es in den nächsten Jahren zielgerichtet eine eigene Sammlung aufzubauen.
Wilfried Rogasch, Berlin, im Mai 2007
15
Sonderausstellungsthemen (Vorschläge des Städtischen Museums)
1. Höfische Tafelkultur
Im 18. Jahrhundert verfeinerte sich die höfische Tafelkultur. Mit der Erfindung des Porzellans stand nun ein Material zur Verfügung, das hervorragend für ein einheitlich gestaltetes
Service genutzt werden konnte. Den enormen Kosten für ein solches Service versuchten
die Herrscher durch die Gründung einer eigenen Manufaktur entgegenzuwirken, so auch
in Braunschweig, wo die Porzellanmanufaktur in Fürstenberg gegründet wurde.
Im 18. Jahrhundert herrschte das „Service à la française“ vor: Hierbei wurden in drei Gängen die Speisen vorgetragen, wobei wiederum jeder Gang aus bis zu 40 Einzelgerichten
bestand. Hauptschmuck der Tafel bildeten dabei die Gerichte, die in besonders aufwendigen und vielfältigen Terrinenformen aufgetragen wurden. Gläser standen nicht auf der Tafel, bei Bedarf wurden Getränke dem einzelnen Speisenden gereicht.
Im 19. Jahrhundert setzte sich das „Service à la russe“ durch: Hier wurden die Teller vor
dem einzelnen mit jedem neuen Gang ausgewechselt und somit wurden aufwendige Tafelaufsätze notwendig, standen doch nun keine Terrinen mehr auf dem Tisch. Gläser
standen nun für die unterschiedlichen Getränke von Anfang an parat bei jedem Speisenden.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich auch an den Höfen das „Service anglaise“ durch: Hier wurden die Terrinen auf den Tisch gestellt und die Gäste bedienten sich
selbst, indem der Hausherr die Schüsseln anreichte. Neben den Terrinen wurden nun
aufwendige Bestecke notwendig, da sich jeder Gast selbst bediente. Neben individuellen
Bestecken wie Salatbesteck oder Hummergabel waren es vor allem die Vorlegeteile, die
nun an Vielfalt vermehrt wurden: Vom Sardinenheber bis hin zum Käsemesser.
Entsprechend dieser Entwicklung würde die Ausstellung aufgebaut werden: Im ersten
Raum würde das Hofservice Carls I. (private Sammlung) zur Aufstellung kommen, ergänzt
um Silber des 18. Jahrhunderts (Städtisches Museum). Eventuell könnte man auch das
Hildesheimer Tafelsilber aufbauen (Bayerisches Nationalmuseum/ Stadtmuseum Hildesheim). Ein weiterer Höhepunkt wäre der Aufbau eines Schankbuffets (Städtisches Museum).
Der zweite Raum wäre dem „Service à la russe“ gewidmet, mit einem Fürstenberger Empire-Service (private Sammlung) und Tafelaufsätzen (Braunschweigisches Landesmuseum). Ergänzend hierzu wäre evtl. ein Steingutservice (Städtisches Museum) der Empirezeit: Solche Service wurden an den Höfen jeden Tag verwendet, während prachtvolle
Porzellanservice den Festtagen vorbehalten waren.
Der dritte Raum wäre dem „Service anglaise“ gewidmet, mit einem Steingutservice aus
England (Städtisches Museum Braunschweig). Hinzugezogen werden müsste ein aufwendiges Besteck (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg). Eventuell wäre dieser
Raum zu ergänzen durch das Nymphenburger Service (private Sammlung).
Für den vierten Raum bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: Entweder zeigt man
hier die „Demokratisierung der Tafel“ durch einige ausgewählte Service (Formsammlung),
die aktuelle, moderne Fürstenberger Tafelserviceproduktion (Manufaktur Fürstenberg)
oder aber man lässt den Braunschweiger seinen Tisch decken, wobei der schönste Tisch
anschließend gekürt wird.
16
2. Welfische Geschichte auf Medaillen: Das Neue Haus Braunschweig
Nach dem Tode des kinderlosen Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg
begründete August der Jüngere von der Lüneburger Nebenlinie Dannenberg das Neue
Haus Braunschweig, die welfische Linie des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel und
des späteren Herzogtums Braunschweig.
Während August der Jüngere zunächst kriegsbedingt in der Burg Dankwarderode residiert
hatte, dann aber 1643 nach Wolfenbüttel zurückgekehrt war, eroberten seine beiden ältesten Söhne Rudolf August und Anton Ulrich im Jahr 1671 die Stadt Braunschweig zurück. Die Residenzverlagerung in den Grauen Hof nach Braunschweig erfolgte aber erst
1753/53 unter Herzog Karl I., dem Urenkel Anton Ulrichs.
Im umgebauten Schloss „Grauer Hof“ residierten die Herzöge Karl I., Karl Wilhelm Ferdinand, Friedrich Wilhelm und Karl II.
Nach dem Septemberaufstand von 1830 ließ der letzte Welfe des Neuen Hauses Braunschweig, Herzog Wilhelm von Braunschweig, 1833 das neue Residenzschloss errichten.
Er hinterließ bei seinem Tode 1884 keine legitimen Erben, so dass zwei Regenten in Folge im Braunschweiger Schloss regierten, bevor Herzog Ernst August als Hannoveraner
Welfe von 1913 – 1918 den Thron bestieg.
Die Geschichte des Neuen Hauses Braunschweig auf Medaillen zu präsentieren heißt, die
Selbstdarstellung der herzoglichen Familie und die politischen Schwerpunktsetzungen zu
thematisieren. So gehören die Geburt der zukünftigen Thronfolger, die Hochzeit mit wichtigen Ehepartnern, besondere Geburtstage, der Tod des Herzogs oder der Herzogin zu
Anlässen, die mit und auf Medaillen festgehalten werden. Militärische Erfolge, politisch
und kirchlich wichtige Ereignisse, die Errichtung von bedeutsamen Bauwerken, aber auch
kuriose Ereignisse wie die Erholung von einem Schlaganfall oder die Blüte exotischer
Pflanzen wurden Anlass zur Medaillenprägung.
Die Medaillen sind eine eigene Kunstschöpfung; die Medailleure oft bedeutende Künstler.
Von daher ist eine Medaillenausstellung eine interessante Mischung zwischen Geschichte, Politik und Kunsthandwerk.
Das Städtische Museum besitzt in seiner numismatischen Sammlung eine Reihe von welfischen Medaillen, die in einer solchen Ausstellung gezeigt werden könnten.
Objektgruppen: Vorgänger
Herzog August der Jüngere und seine Familie
Doppelregentschaft Rudolf August und Anton Ulrich
Herzog Anton Ulrich: Schloss Salzdahlum und andere Bauten
Die Verheiratung der Enkelinnen von Anton Ulrich (Kaiserin in Wien und Gemahlin des
Zarewitsch)
Herzog Karl I. und seine Familie
Doppelhochzeit Friedrich der Große/Karl I.
Generalfeldmarschall Herzog Ferdinand
Karl Wilhelm Ferdinand, Friedrich Wilhelm und die Freiheitskriege
Ungleiche Brüder: Karl II. und Wilhelm
Herzogregenten Albrecht von Preußen und Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin
Der hannoversche Welfe Ernst August und Kaisertochter Victoria Luise
17
3. Von der Stadt zum Schloss, vom Schloss in die Stadt Braunschweig
Hofhandwerker und Hoflieferanten in Braunschweig
18. Jahrhundert
Die Ansiedlung eines Hofes in einer Stadt verursachte nicht – wie laienhaft gedacht – für
die Bürger eine Steuererhöhung, sondern in der Regel brachte dies eine wirtschaftliche
Blüte mit sich. So waren die Braunschweiger zur Zeit des „Königreich Westphalen“, als
der Hof in Kassel ansässig war, sehr daran interessiert, zumindest eine angenehme Winterresidenz für „König Lustig“ in Braunschweig zu errichten und scheuten keine Mühen
und Gelder – in dieser wirtschaftlich schlechten Zeit – den „Grauen Hof“ nach neuestem,
französischen Geschmack einzurichten.
Mit der Ausstellung „Braunschweiger Rokoko“ im Städtischen Museum wurde diese wirtschaftliche Bedeutung im 18. Jahrhundert am Rande thematisiert. Zum einen gründete
Herzog Carl I. Manufakturen (Fürstenberg) bzw. stellte diese erneut unter herzogliche Leitung (Fayencemanufaktur), zum anderen beförderte er die Gründung privater Manufakturen (Stobwasser, van Selow).
Durch die herzogliche Oberaufsicht waren diese Betriebe von den Zunftordnungen befreit
und konnten effizienter, billiger und in der Regel modischer produzieren. Die Waren sind
zum einen unmittelbar für den Hof bestimmt gewesen – wurden also von der Stadt zum
Schloss verbracht – zum anderen aber waren sie vor allem für den Export vorgesehen
und sollten auf diese Weise die allgemeine wirtschaftliche Potenz des Herzogtums steigern.
Weiterhin beeinflusste der Hof das Handwerk durch die Nachfrage nach modischen Artikeln: In Braunschweig veränderte sich so das Meisterstück der Silberschmiede vom Pokal
zur Kaffeekanne. Diese Modeartikel konnten dann allerdings wieder leichter Absatz finden
und brachten somit wirtschaftlichen Wohlstand.
Weiterhin schuf der Hof mit seiner Verlegung Arbeitsplätze: Neben den eigentlichen Hofbediensteten – vom Küchenmädchen bis zum Kammerherren – waren dies vor allem das
Militär sowie der Behördenapparat und die untergeordneten Einrichtungen wie die Oper,
Museen oder Lehranstalten. Sie wurden aus den landesherrlichen-herzoglichen Einnahmen (Steuern) bezahlt und somit floss das Geld unmittelbar vom Schloss in die Stadt. In
vergleichbaren Städten lebten ca. 15 – 20 % der Bevölkerung einer Residenzstadt in mittel- oder unmittelbarer Abhängigkeit vom Hof im 18. Jahrhundert.
1. Hälfte 19. Jahrhundert
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich dies: Die bürgerlichen Revolutionen forderten eine Trennung in öffentliche Kasse und herrschaftliches Privatvermögen.
Das Privatvermögen wurde dabei aber durchaus auch für öffentliche Ausgaben festgeschrieben: In den meisten Residenzstädten wurde z.B. das Theater aus der Privatschatulle des Herrschers bezahlt – als festgeschriebene und nicht freiwillige Ausgabe. Für Braunschweig fehlen hierzu nähere Untersuchungen.
Der personelle Aufwand an den Höfen wurde aufgrund der geringeren finanziellen Mittel
in der Regel eingeschränkt, der alte Hochadel zog zumeist ab und engagierte sich finanziell in der Landwirtschaft. Dennoch musste der Hof weiterhin versorgt werden, wobei nun
zunehmend bürgerliche Unternehmen beauftragt wurden und der Hof nicht als Selbstversorger auftrat. Anstatt Nahrungsmittel von den eigenen Gütern zu beziehen, bestellte man
nun bei dem bürgerlichen Bäcker oder Metzger. Es entstand der Typus des Hoflieferanten, der Hof wurde von der Stadt zum Schloss aus versorgt.
18
Militär und Behördenapparat hingegen wurden nun zu einer deutlichen Landesaufgabe
und damit auch aus Landesmitteln bezahlt, nicht mehr vom Hof. Da nun Wirtschaft, Beamte und Millitär wesentlich stärker finanziell profitierten als etwa der Adel, kam es zu einer Revolution in der Gesellschaft und die bürgerlichen Kreise stiegen zunehmend auf –
gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Dennoch waren in vergleichbaren Städten ca. 10 % der
Bevölkerung noch mittel- oder unmittelbar vom Hof abhängig. Eine genaue Untersuchung
für Braunschweig fehlt hier noch.
2. Hälfte 19. Jahrhundert
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung verschob sich die prozentuale Abhängigkeit: Um
1900 waren es in vergleichbaren Städten nur noch ca. 2 % der Bevölkerung, die wirtschaftlich mittel- oder unmittelbar vom Hof abhängig waren. Dem entgegen wuchs aber
die gesellschaftliche Bedeutung des Schlosses: Die Höfe und Herrscher wurden zunehmend idealisiert und prägten die gesellschaftliche Hierarchie. Wer den Hofzugang hatte
oder zumindest zu den Neujahrsfesten eingeladen wurde, stand hierarchisch der Gesellschaft vor. Der Hof nutzte dies, indem er bewusst an bürgerliche Kreise den Titel etwa eines „Kammerherrn“ vergab – am kaiserlichen Hof in Berlin oder Wien waren dies durchaus bis zu 3.000 Kammerherrn, die natürlich keine echte Funktion mehr am Hof hatten.
Wirtschaftlich war der Hof zwar uninteressant, aber dennoch bemühten sich viele Lieferanten um den Titel eines „Hoflieferanten“. In einer Stadt konnten so 5 oder mehr Bäcker
z.B. den Titel eines „Hoflieferanten“ haben, ohne tatsächlich für den Hof zu liefern. Der Titel war eine Qualitätsgarantie, die auch in anderen Städten wirkte, vergleichbar der Marke
„made in Germany“
20. Jahrhundert
Noch heute findet man bisweilen den Hinweis auf „Hoflieferant“, noch heute verstehen
sich manche Handwerksbetriebe in dieser Tradition. Wo die Nobilitierung fehlt, schafft
man sie künstlich, etwa durch „Schlossapotheke“. Die Verbindung mit dem Hof soll immer
noch eine Qualitätsgarantie darstellen.
Heute, wo die Höfe verschwunden sind, stellen die Schlösser aber immer noch einen
Wirtschaftsfaktor dar: So wird der Unterhalt aller Schlösser in der Bayerischen Schlösserverwaltung heute aus den Einnahmen der Schlösser Ludwigs II. bezahlt.
Und immer noch gibt es die Arbeitsplätze, die einst von den Höfen im 18. Jahrhundert
geschaffen wurden, wie etwa in den Einrichtungen des Naturhistorischen Museums, des
Herzog Anton Ulrich-Museums, des Staatstheaters oder der Technischen Universität
Braunschweig.
Ausstellung
Analog zu den historischen Epochen werden vier Räume jeder Epoche gewidmet. Die
Objekte im 18. Jahrhundert wären etwa vergleichbar denen der Ausstellung „Braunschweiger Rokoko“, würden nun aber stärker wirtschaftlich und nicht kunsthistorische betrachtet werden. Alle Leihgaben könnten aus dem Städtischen Museum erbracht werden.
Schwieriger lässt sich die Situation in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts darstellen, da
hier gründliche Forschungen fehlen. Zwar könnten immer noch einzelne Unternehmen –
etwas das von Stobwasser – durch Objekte dargestellt werden, doch ist derzeit die Quellenlage in den Archiven zu wenig bekannt. Hier müssten ausführliche Recherchen erfolgen, die allerdings sowohl die Bedeutung des Schlosses unterstreichen, zum andern aber
auch identitätsstiiftend auf das Bürgertum wirken könnten, weil das Selbstbewusstsein
dieses Standes in dieser Zeit geboren wird.
19
Reich ist der Objektbestand zu den Hoflieferanten der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Hierzu zählen Originalrechnungen im Stadt – und Landesarchiv mit dem Titel „Hoflieferant“ aus dieser Zeit, aber auch Objekte, wie sie sich im Städtischen Museum oder im
Landesmuseum befinden. Als beinahe exemplarisch kann das Unternehmen GrotrianSteinweg hingestellt werden, dessen Aufstieg, der soweit führt, dass das Unternehmen
nicht nur Hoflieferant von Braunschweig war, sondern dies reichte bis zum „Hoflieferanten
des Königs von Bulgarien“. Das Unternehmen verwahrt in seinen Sammlungen eine Holztafel, wo diese 9 Auszeichnungstitel als Plakette dargestellt sind.
Das 20. Jahrhundert lässt sich durch z. B. Werbeträger mit der Aufschrift „Hoflieferant“
oder „Schlossapotheke“ sehr leicht illustrieren. Besonders können dann bereits auch Souvenirartikel, die bis dahin zum Thema „Braunschweiger Residenzschloss“ entstanden
sind, ausgestellt werden, die den wirtschaftlichen Aspekt des Schlossbaus thematisieren.
Schließlich ist das ECE-Zentrum – als „Schlossarkaden“ – selbst dafür das nahezu beste
Objekt.
Von großer Bedeutung wäre vor allem die wissenschaftliche Erforschung für das 19. Jahrhundert. Diese Chance dürfte dabei nicht vergeben werden durch einen Schnellschuss
und das Thema erfordert eine interdisziplinäre Aufarbeitung der Brausnchweiger Museen,
der TU und der HBK sowie der Archive. Nur so entstünde ein in Deutschland einmaliges
Wissenschaftsprojekt, das zugleich in einer höchst attraktiven Ausstellung münden könnte.
4. Das Bild der Welfen
Seit dem 14. Jahrhundert kommt dem „Bild des Herrschers“ eine besondere Bedeutung
zu: Die Gemälde dienten zwar zum einen durchaus privaten Zwecken, darüber hinaus
aber auch einem öffentlichen Auftrag, wollte der Herrscher doch so von seinen Untertanen verstanden werden. Der Höhepunkt wurde im 17. und 18. Jahrhundert erreicht, als
Porträts von höchster Qualität entstanden, die den Herrscher als Feldherrn, als kunstsinnigen Landesherrn, als Privatgelehrten oder als Staatsmann zeigen. Auch die Herrscherin
konnte unter verschiedenen Porträttypen wählen. Am vielfältigsten waren die Porträts des
19. Jahrhunderts, da der Herrscher sich hier seinen Verwandten gegenüber und als Politiker neoabsolutistisch geben musste, andererseits sich aber auch immer wieder als „erster
Bürger“ seines Reiches darstellen ließ, um ein positives Bild bei seinen Untertanen zu erzielen. So trat der Herrscher auch hier als Privatmann – nun klar bürgerlich gekleidet – als
Militär (nicht als Anführer, sondern Mitglied des Militärs) oder unermüdlich am Schreibtisch sitzend und für sein Volk arbeitend auf. Am Ende des 19. Jahrhunderts war es dann
die Fotografie, die für eine massenhafte Verbreitung von Herrscherbildern sorgte: Diese
wurden wohl arrangiert, um den Massen das „richtige“ Bild zu geben. Meister in dieser
Form der Medienarbeit waren Kaiserin Elisabeth („Sissi“) oder auch Wilhelm II.
Die Ausstellung zeigt im ersten Raum fürstliche Porträts des 18. Jahrhunderts (aus dem
Städtischen Museum, dem Braunschweigischen Landesmuseum, dem Herzog Anton Ulrich Museum oder aus privaten Sammlungen), im zweiten Raum zielgerichtet Porträts
von Wilhelm II. (Militär: Städtisches Museum; Jugendbildnis: private Sammlung), Privatmann: Aquarell im Braunschweigischen Landesmuseum) und das Bild „Die Gratulationscour im Thronsaal 1881“ aus dem Braunschweigischen Landesmuseum. Der dritte Raum
widmet sich der Fotografie, wobei hier vor allem die Inszenierung Victoria Luises im Mittelpunkt steht – Bilder von ihrer Hochzeit bis hin zu ihrem Tode. Den öffentlichen Bildern
werden dabei die privaten – vor allem aus der Spätzeit – gegenübergestellt (Leihgeber:
Stadtarchiv, Braunschweigisches Landesmuseum, private Sammlung). Der vierte Raum
zeigt noch einmal die politische Bildinszenierung am Beispiel Kaiserin Elisabeth (Leihgeber: Schloss Schönbrunn) und Wilhelm II. (Leihgeber: Schlösserverwaltung BerlinPotsdam) aber auch heutige Politiker und wie sie sich im öffentlichen Bild präsentieren
20
bzw. aber auch, wie diese Bilder durch die Medien bewusst zerstört werden, indem andere Bildwelten entgegengesetzt werden.
5. Ausstellung „Novemberrevolution und Weimarer Republik in Braunschweig“
In der Ausstellung steht das Schloss als Schaltzentrale der Macht in Kriegs- und Nachkriegszeit im Mittelpunkt. Sie dokumentiert zugleich das Ende der nahezu 800 Jahre währenden Welfendynastie in Braunschweig-Wolfenbüttel und den Beginn einer – wenngleich
kurzen – demokratischen Epoche.
1) Erster Weltkrieg in Braunschweig
Herzogin Victoria Luise als regierende Landesfürstin (Herzog Ernst August im Feld)
Die herzogliche Kinderschar im Schloss
Nutzung des Schlosses als Lazarett
Aufstellung des „Nagelheinrichs“ vor dem Schloss
2) Novemberrevolution
Abdankung des Herzogs im Schloss vor einer Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates (Foto, Abdankungsurkunde)
Hissung der Roten Fahne auf dem Schloss
Regierung des Arbeiter- und Soldatenrates im Schloss: Repräsentanten August Merges, Sepp Oerter, Minna Faßhauer
Sozialistische Republik Braunschweig
3) Freistaat Braunschweig
Belagerungszustand und militärische Besetzung Braunschweigs durch Freikorpstruppen
Absetzung des Arbeiter- und Soldatenrats; Verbrennung der Roten Schlossfahne
Verfassung des Freistaats (Konstituierung am 6.1.1922)
Etablierung der parlamentarischen Demokratie: Repräsentant: Ministerpräsident
Heinrich Jasper
4) Nutzung des Schlosses in der Weimarer Republik
Nutzung des Schlosses durch Universität, Theater, Naturhistorisches Museum und
als Schlossmuseum
Auseinandersetzungsvertrag mit dem Herzogshaus
6. Ausstellung „Das Schloss in nationalsozialistischer Zeit“
In der Ausstellung soll das Schicksal des ehemaligen Residenzschlosses in der NS-Zeit dargestellt werden. Oft diente es als Kulisse für nationalsozialistische Massenveranstaltungen;
seit 1935 wurde es umgebaut für die SS-Junkerschule, die dort bis zum Krieg ihren Sitz hatte. Kriegszerstörungen im Februar 1944, Oktober 1944 und März 1945
1) Parade von 100.000 SA-Männern wird von Hitler vor dem Schloss abgenommen
(18. Oktober 1931)
Der Probelauf Hitlers im Herzogtum Braunschweig war möglich, weil hier seit 1930
die NSDAP in der Koalition der Landesregierung vertreten war. Auch die Einbürgerung Hitlers konnte deshalb in Braunschweig stattfinden.
2) Am 10.5.1933 findet die Bücherverbrennung auf dem Schlossplatz vor dem
Schloss statt.
Wie in anderen deutschen Städten fand auch in Braunschweig am 10. Mai 1933 eine
Verbrennung von Büchern unliebsamer Autoren statt, die in der nationalsozialistisch
21
geprägten Kultur nicht mehr vertreten sein sollten. Die Aktion warf ein Schlaglicht auf
die in den folgenden Jahren betriebene „Ausmerzung“ allen „undeutschen“ Geistes.
3) 1935 Umbau zur SS-Junkerschule
Im Deutschen Reich entstanden nur zwei SS-Junkerschulen, wo die Ausbildung der
paramilitärischen SS stattfand. Dass Braunschweig einer dieser Orte war, hing mit
dem Ehrgeiz des braunschweigischen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges zusammen, der Braunschweig zu einem nationalsozialistischen Musterstaat machen wollte.
4) Schloss dient am 29.10.1944 als Kulisse für die Totenfeier am 15.10.1944
Nach dem verheerenden Bombenangriff auf Braunschweig am 14./15.10.1944 versuchte das nationalsozialistische Regime noch einmal die letzten Reserven zu mobilisieren, um die Bevölkerung für den „Endkampf“ gegen die Alliierten einzustimmen.
5) Kriegszerstörungen am Schloss 1944/45
Die Kriegszerstörungen am Schloss vom Februar 1944, Oktober 1944 und März 1945
dokumentieren stellvertretend die schweren Kriegsschäden in der gesamten Stadt.
7. Fotoausstellung „Das ehemalige Residenzschloss als Spiegelbild braunschweigischer Geschichte“
In der Ausstellung sollen Fotos vom Schloss die wechselvolle Geschichte von Kaiserzeit,
Novemberrevolution, Weimarer Republik und NS-Zeit dokumentieren.
1) Das Schloss beim Einzug des Herzogspaares 1913
2) Das Schloss als Heimstatt der herzoglichen Familie
3) Die regierende Herzogin Victoria Luise als Landesmutter während des 1. Weltkrieges
4) Die Aufstellung des „Nagelheinrichs“ vor dem Schloss als patriotischer Akt im
1. Weltkrieg
5) Die Abdankungsdelegation des Arbeiter- und Soldatenrates am 8.11.1918 auf
der Schlosstreppe
6) Die Abdankungsurkunde des Herzogs
7) Das Hissen der roten Fahne auf dem Schloss
8) Die Verbrennung der roten Fahne durch die Freikorpstruppen 1919
9) Die Nutzung des Schlosses als Museum, Universität und Theater
10) Der Besuch des Reichspräsidenten von Hindenburg in Braunschweig (vor dem
Schloss Begrüßung der Veteranen, im Schloss der Parlaments- und Behördenvertreter); Bankett im Schloss 1926
11) Der Aufmarsch der SA-Truppen von Hitler am 18. Oktober 1931 vor dem
Schloss
12) Abendliche Kundgebung am 21. März 1933 vor dem Schloss (Tag von Potsdam)
13) Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 vor dem Schloss
14) SS-Junkerschule im Schloss seit 1936
15) Die Trauerkundgebung der Partei am 29.10. 1944 für die Bombenopfer des
15.10. 1944 vor dem Schloss
16) Die Kriegszerstörungen des Schlosses 1944/1945