Luc Duerloo, Dynasty and Piety. Archduke Albert

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Luc Duerloo, Dynasty and Piety. Archduke Albert
Francia-Recensio 2013/3
Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815)
Luc Duerloo, Dynasty and Piety. Archduke Albert (1598–1621) and Habsburg
Political Culture in an Age of Religious Wars, Aldershot, Hampshire (Ashgate
Publishing) 2012, XVI–592 p., ISBN 978-0-7546-6904-3, GBP 80,00.
rezensiert von/compte rendu rédigé par
Jochen A. Fühner, Wien
Erzherzog Albrecht VII. von Österreich (1559–1621) wurde von der historischen Forschung bisher
wenig beachtet1. Als jüngster Sohn Kaiser Maximilians II., Bruder der Kaiser Rudolf II. und Matthias,
Neffe und Schwager Philipps II. sowie Onkel und Schwager Philipps III. von Spanien war Albrecht von
seinem zwanzigsten Lebensjahr bis zu seinem Tod vier Jahrzehnte später in die
Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der habsburgischen Familie eingebunden. Er stieg zum
Kardinal, Erzbischof von Toledo und Vizekönig von Portugal auf. Von 1598 bis zu seinem Tod 1621
regierte Albrecht gemeinsam mit seiner Cousine und Ehefrau Isabella Clara Eugenia von Spanien die
habsburgischen Niederlande und die Franche-Comté.
Im Gegensatz zur älteren Literatur definiert Luc Duerloo die südlichen Niederlande unter der
Herrschaft der Erzherzöge Albrecht und Isabella als souveränen Staat, der unter spanischem
Protektorat stand und als Mittelmacht mit etwa einer Million Untertanen in der »Hackordnung« der
europäischen Mächte ungefähr zwischen den Königreichen Dänemark und Schottland rangierte. Der
Charakter der Partnerschaft mit Spanien veränderte sich entsprechend der politischen Gesamtlage: In
Kriegszeiten orientierten sich die Erzherzöge besonders stark an Spanien, da die spanische Armee ihr
Herrschaftsgebiet sicherte, in Friedenszeiten gewannen sie größeren Handlungsspielraum. Ihr Status
als souveräne Herrscher ermöglichte Albrecht und Isabella die Führung einer eigenständigen
Außenpolitik, die Duerloo erstmals in ihrer europaweiten Vernetzung untersucht. Aus den Quellen wird
ersichtlich, dass Albrecht die Außenpolitik des erzherzoglichen Regimes maßgeblich bestimmte, wobei
Isabellas Anteil nicht eindeutig erschlossen werden kann.
Die Interessen des Hauses Habsburg und eine tiefe Frömmigkeit waren die grundlegenden Werte, die
das Handeln jedes habsburgischen Herrschers um 1600 bestimmten. Auch die Politik Erzherzog
Albrechts und König Philipps III. von Spanien diente der Sicherung der habsburgischen Machtposition
in Europa sowie der Förderung und Ausbreitung des katholischen Glaubens. Die zur Erreichung dieser
Ziele eingeschlagenen Wege konnten jedoch unterschiedlich sein, sodass Albrecht in den Augen der
Ratgeber Philipps III. und vieler Zeitgenossen wiederholt gegen die spanischen Interessen handelte.
Albrecht konnte Spanien nicht zur Verfolgung seiner politischen Vorstellungen zwingen, sondern
Madrid nur mit den oft unangenehmen Realitäten konfrontieren, die das Geschehen in den
Niederlanden und ihrer unmittelbaren Umgebung bestimmten, um damit ein Umdenken Philipps III.
und seiner Räte zu erreichen. Auf dem diplomatischen Parkett war Albrecht trotz häufiger
Meinungsverschiedenheiten ein nützlicher Mittelsmann Madrids.
Die Beendigung des Krieges gegen die Vereinigten Provinzen und England war das dringendste
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Problem der Erzherzöge am Beginn ihrer Herrschaft. In enger Kooperation mit Spanien sollten die
nördlichen Niederlande und ihre Verbündeten durch ein Handelsembargo, politische Isolation und
militärische Übermacht bezwungen werden. Doch diese Strategie ging nicht auf; die spanische Armee
erlitt unter Albrechts Führung gravierende Rückschläge. Obwohl der 1603 eingesetzte neue
Oberkommandierende Ambrogio Spinola erfolgreiche Kampagnen leitete war Albrecht inzwischen
überzeugt, dass der Frieden nicht durch militärische Gewalt erzwungen, sondern nur durch
Zugeständnisse erreicht werden konnte. Albrechts umgehende Anerkennung Jakobs VI. von
Schottland als Nachfolger Elisabeths I. war 1603 der erste Schritt zur Aussöhnung der beiden
habsburgischen Höfe in Brüssel und Madrid mit England und zum Friedensschluss im folgenden Jahr.
Eine ähnliche Vorgehensweise führte 1609 zum Abschluss des Zwölfjährigen Waffenstillstands mit den
nördlichen Niederlanden: Indem er die Vereinigten Provinzen ohne vorherige Rücksprache mit Madrid
für die Dauer des Waffenstillstands als souveränen Staat anerkannte, zwang Albrecht Philipp III.,
diesen der spanischen Reputation abträglichen, aber als Voraussetzung eines Abkommens nötigen
Schritt ebenfalls zu vollziehen. Damit sicherte Albrecht den südlichen Niederlanden einige zur
wirtschaftlichen Erholung dringend benötigte Friedensjahre und sich selbst den nötigen
Handlungsspielraum zur Verfolgung seiner Interessen im Heiligen Römischen Reich.
Das Aussterben des Herzogshauses von Jülich und Kleve im Mannesstamm 1609 gefährdete die
Einhaltung des Zwölfjährigen Waffenstillstands und das labile Gleichgewicht zwischen den
Konfessionen am Niederrhein. In den folgenden Jahren betrieb Albrecht zunächst eine Politik des
Ausgleichs und der Schadensbegrenzung bevor er sich 1614 zum militärischen Eingreifen entschloss.
Ergebnis war die Teilung des jülich-klevischen Erbes zwischen dem katholischen Haus Pfalz-Neuburg
und dem calvinistischen Haus Brandenburg. Die maßgeblich von Albrecht bestimmte Neuordnung des
niederrheinischen Raumes sicherte die Stellung der habsburgischen Niederlande als regionale
Vormacht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Mit spanischer Unterstützung hatte Albrecht 1598 in Konkurrenz zu seinem Bruder Matthias seinen
Anspruch auf die Nachfolge Kaiser Rudolfs II. im Reich sowie in Böhmen und Ungarn angemeldet und
in den folgenden Jahren unter den Kurfürsten für seine Wahl zum Römischen König geworben, was
wesentlich zur Verschärfung der Auseinandersetzungen zwischen seinen Brüdern Rudolf und Matthias
beitrug. Im Interesse des Gesamthauses verzichtete Albrecht schließlich 1608 auf seine
Nachfolgeansprüche in Böhmen und Ungarn und förderte 1612 die Wahl seines Bruders Matthias zum
Reichsoberhaupt. Die Nachfolgefrage im Reich, in Böhmen und Ungarn sowie den österreichischen
Erblanden war damit jedoch noch nicht definitiv gelöst, denn keiner der Söhne Kaiser Maximilians II.
hatte Nachkommen, und Philipp III. von Spanien war der einzige überlebende Enkel dieses Kaisers.
Durch die Umwandlung seiner Erbansprüche in jährliche Unterhaltszahlungen ermöglichte Albrecht
den Abschluss des Oñate-Vertrags, in dem Philipp III. von Spanien 1617 gegen die Übertragung der
habsburgischen Herrschaftsgebiete im Elsass sowie der Reichslehen Finale und Piombino in Italien
Ferdinand von Innerösterreich die Nachfolge in Böhmen und Ungarn sowie den österreichischen
Erblanden zugestand.
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Nach dem Prager Fenstersturz 1618 setzte sich Albrecht für ein hartes Vorgehen gegen die
aufständischen böhmischen Stände ein und überzeugte Philipp III. davon, die österreichischen
Habsburger durch spanische Subsidien zu unterstützen. Im Frühjahr 1619 sandte Albrecht ein Heer
von 10 000 Mann zur Unterstützung Ferdinands nach Österreich. Im Herbst 1620 besetzten
habsburgische Truppen aus den südlichen Niederlanden unter dem Kommando Spinolas die
linksrheinische Pfalz und banden damit die Truppen der Protestantischen Union, während das Heer
der Katholischen Liga in Böhmen einmarschierte und in der Schlacht am Weißen Berg einen großen
Sieg für die Habsburger errang. Albrechts Einsatz trug entscheidend zum Erhalt der Wenzelskrone für
das Haus Habsburg bei.
Den Frieden in den Niederlanden konnte er jedoch nicht bewahren, obwohl er sich seit 1618 um eine
Verlängerung des Zwölfjährigen Waffenstillstands mit den Vereinigten Niederlanden bemüht hatte. Der
Sturz der Favoriten Lerma in Madrid und Khlesl in Wien, die Hinrichtung Oldenbarnevelts im Haag, der
Beginn des Aufstiegs Richelieus in Frankreich und der habsburgische Sieg in der Schlacht am Weißen
Berg veränderten das politische Klima in Europa so entscheidend, dass eine Wiederaufnahme des
Krieges 1621 nicht mehr zu verhindern war. Als Albrecht drei Monate nach dem Auslaufen des
Waffenstillstands am 13. Juli 1621 starb, fielen die südlichen Niederlande an die spanische Krone
zurück, denn er und Isabella hatten keine Nachkommen.
Luc Duerloo nimmt eine schlüssige Neubewertung der dynastischen Politik der Erzherzöge Albrecht
und Isabella im europäischen Kontext vor. Seine präzise Analyse bildet die Grundlage für jede weitere
Beschäftigung mit diesem Themenkomplex und macht »Dynasty and Piety« zu einem Standardwerk
zur Geschichte des Hauses Habsburg im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts.
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Ausnahmen sind Aufsatz- und Katalogband zur Brüsseler Ausstellung 1998: Luc Duerloo, Werner Thomas (Hg.),
Albrecht & Isabella 1598–1621, Turnhout 1998.