Projekt Information März/April 2009

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Projekt Information März/April 2009
PROJEKT INFORMATION
Herausgegeben von Projekt Information e.V.
Jahrgang 17, Nr. 2
Betroffene informieren Betroffene
März / April 2009
Bis auf die Knochen -
HIV, HAART und Knochenkrankheiten
“HIV schützt vor nichts!” - Diese Erkenntnis trifft leider auch auf die Knochen zu. Altersbedingte
Veränderungen sind das eine, aber auch HIV selbst und die Medikamente können an unseren Knochen nagen.
Prof. Goebel gibt einen Überblick und rät, was zu tun ist...............................................Seite 3
Das Ende der Geschichte?
Ergebnisse der Interleukin-2
Studien SILCAAT und ESPRIT
Mit großen Hoffnungen waren die beiden Großstudien einst gestartet. Nun liegen die Ergebnisse vor sie sind ernüchternd. Wir fassen zusammen und beleuchten einige interessante Hintergründe......Seite 5
Beeinflusst die Kenntnis der
Vir uslast die Kondomentscheidung in diskordanten
Par tner schaften?
Langsam hat sich der Inhalt der EKAF-Empfehlung
herumgesprochen. Das beeinflusst auch den Kondomgebrauch in Partnerschaften. Phil Langer befasst sich eingehend mit der neuen
“Gretchenfrage”.........Seite 7
Editorial
von Stefan Boes
Medizin und Forschung
Neue Booster für Protease- und Integrasehemmer...................9
Akute HIV-Infektion, hohe Viruslast und sexuell übertragbare
Infektionen bedeuten ein hohes Ansteckungsrisiko ................10
Hat Telbivudin (Sebivo®) auch Aktivität gegen HIV? ...............11
Kaletra®-Monotherapie: häufiges Therapieversagen bei
Patienten mit niedrigem CD4-Nadir .........................................11
Grundlegend & Wissenswert
Die große Unbekannte: Viruslast im Sperma...........................12
Energiekrise in der Zelle - Mitochondrien beeinflussen
den Krankheitsverlauf ..............................................................13
Leben mit HIV
Prezista® 600 mg Filmtablette.................................................14
Leberkrank? Da kann Zink hilfreich sein!.................................14
Gelbfieberimpfung bei Patienten, die
Maraviroc (Celsentri®) erhalten...............................................14
Politik & Soziales
Die Bezahlung der Ärzte .........................................................15
Schweizer Gericht kippt Urteil gegen HIV-Infizierten ...............15
Nachrichten aus Sozial- und Rechtspolitik ..............................17
Änderung beim Mehrbedarf für Ernährung ..............................17
Projekt Information e.V.
Nachruf auf Tom Manns...........................................................19
Termine
Termine der Münchner Aids-Hilfe, des FGZ und
der Aids-Hilfe Hamburg............................................................19
Herausgeber: Projekt Information e.V. - Ickstattstraße 28 - 80469 München - www.projektinfo.de
Telefon: 089 / 21 94 96 20 - Fax: 089 / 21 03 12 35 - email: [email protected]
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März / April 2009
Projekt Information
Jahrgang 17, Nr. 2
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Neben Nachrichten aus Medizin und Forschung
sind es zurzeit auch finanz- und gesellschaftspolitische Themen, die eine Zeitschrift wie „Projekt
Information“ beschäftigen. Bricht da gerade ein
ganzes System ein? Was bedeutet das für Versicherte, was für chronisch Kranke?
In der Tat sind die finanz- und ordnungspolitischen Verwerfungen groß. Weil Banken und Versicherungen in unüberschaubar großen
Zusammenhängen ihr Geld ver- beziehungsweise
beliehen haben, ohne auf die Bonität und Seriosität der Geschäftspartner zu achten, besitzen Institutionen und Staaten überall auf der Welt
Finanztitel, die nichts mehr wert sind. Das zahlt
indirekt der Bürger, der nun Steuermittel aufbringt, um Banken und Versicherungen zu retten,
mittelbar auch der Patient, denn der ist „Kunde“
bei Versicherungen und letztlich auch beim Staat.
Nahezu alle müssen ihre „Ausschüttungen“ reduzieren, weil die Rücklagen verbraucht und die
Schulden immens sind. Das betrifft Lebensversicherungen, Betriebsrenten, zum Teil auch gesetzliche
Renten,
letztlich
sogar
die
Sozialversorgung des Bundes, dessen Handlungsfähigkeit mit jedem Rettungs- und Konjunkturpaket geringer wird. Alle Bereiche und Etats kann
das berühren, von der Forschung über die Entwicklungshilfe bis hin zum Sozial- und Gesundheitswesen. Schwierige Zeiten kommen auf die
Bürger zu, und damit auch auf chronisch Kranke;
spätestens ab 2010, wenn die Arbeitslosigkeit
steigt und Schulden sich auswirken.
Da fällt es der Redaktion von Projekt Information
manchmal schwer, über „kleinere Dinge“ wie die
Honorarreform oder Mehrbedarf, Hepatitis C
oder das Gelingen des Gesundheitsfonds zu
schreiben, wohlwissend, dass die Probleme in
Zukunft ganz andere Namen tragen und noch
viel größer sind. Das Gewürz einer Redaktionsarbeit heißt manchmal Satire, die Ausflucht oft
Humor.
Das umgreift viele Bereiche. Wie, wenn nicht satirisch, ließe sich dem Papst noch begegnen, der
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bei der Bekämpfung von HIV und Aids weiterhin
auf Enthaltsamkeit und Treue setzt und den Gebrauch von Kondomen ausschließt? Hier entfernt
sich die katholische Kirche und damit eine große
Welteinrichtung von der Weltwirklichkeit, in der
die Kindersterblichkeit hoch und die Pandemie
grausam ist.
Entfremdung herrscht vor, prägt das Handeln von
Päpsten und Managern, scheint eine Entwicklung
zu sein, die hinter vielen Entwicklungen und Verwerfungen steckt. Damit nicht genug - die Entfremdung hat noch quirlige Schwestern. Gier ist
die eine, die sich als erste meldet, wenn’s um
Geld geht. Eitelkeit heißt die andere, die immer
wieder im Rampenlicht steht und gern in Glanz
und Gloria schwimmt.
Die Geschwister sind irdisch, leben allerdings auf
einem anderen Stern, zum Beispiel in deutschen
Finanzhäusern und bei amerikanischen Rückversicherern. Dort haben zwar auch Renten- und
Krankenversicherer ihre Werte hinterlegt, aber
das Zepter halten die drei Grazien fest in der
Hand. Sie melden Insolvenz an und beantragen
Staatshilfe, finden aber gleichzeitig die Mitglieder
ihres Hausvorstandes millionenschwer ab.
Zwei Welten prallen mittlerweile aufeinander –
unversöhnlich, unvereinbar! Auf der einen Seite
die Realität der Kleinen, zum Beispiel der Gläubiger und Beitragszahler, auf der anderen Seite
die Irrealität der drei Geschwister und ihrer bonusbezahlten Hausbewohner.
Nun aber genug der Ausflüge in Welten, die wir
nicht bewohnen. Projekt Information bleibt auf
dem Boden und wünscht Ihnen, liebe Leser, viel
Freude bei der Lektüre einer bonusfreien, wirklichkeitsnahen, neugierigen Ausgabe,
Ihr Stefan Boes
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Bis auf die Knochen HIV, HAART und
Knochenkrankheiten
Mit zunehmender Lebenserwartung der HIV-infizierten Population können alle Probleme auftreten, die
mit dem Alter verbunden sind. Dazu gehört auch eine
Verminderung der Knochendichte und in deren Folge
ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche. Die Abnahme
der Knochendichte wird als Osteopenie bezeichnet
und stellt damit zunächst ein rein quantitatives Problem dar. Erhält die verminderte Knochendichte
Krankheitswert, wird von Osteoporose gesprochen.
Knochendichte ist prinzipiell eine Frage der Bilanz
aus Knochenaufbau und Knochenabbau. Beim Erwachsenen kommt es zu einem kontinuierlichen Knochenumsatz, in dem Knochenresorption = Abbau und
Knochenformation = Knochenaufbau in ausgewogenem Gleichgewicht zueinander stehen. Resorption
und Knochenaufbau sind für die Reparatur von winzigen Brüchen (Mikrofrakturen) im Knochen notwendig und erlauben auch eine Strukturveränderung
als Antwort auf biomechanische Kräfte. Resorption
und Formation sind eng miteinander verbunden, sodass die Bilanz der Knochenmasse sich grundsätzlich
nicht ändert. Kommt es jedoch zu einem Überwiegen
der Knochenresorption oder einer Verminderung der
Knochenformation resultiert dies in einer Minderung
der Knochendichte und damit in Osteopenie beziehungsweise im fortgeschrittenen Stadium in Osteoporose.
Die Knochendichte als Ergebnis des Knochenumsatzes kann mit Röntgentechniken z.B. im CT (grobe
Methode, da das Ergebnis u.a. durch Fettmasse stark
beeinflussbar ist) oder durch eine Gewebeentnahme
(Knochenbiopsie) nach vorheriger Markierung mit
Tetrazyklinen gemessen werden. Die radiologische
Methode ist relativ unzuverlässig, die Knochenbiopsie unangenehm und aufwändig. Deswegen wurden
Laboruntersuchungen etabliert, die Stoffwechselprodukte aus dem Knochenaufbau sowie dem Knochenabbau zur Bestimmung beider Komponenten
untersuchen.
Knochenaufbau und – abbau
Die einzelnen Schritte bei Knochenbildung und -resorption sind gut untersucht. Knochenbildung erfolgt
durch spezielle Zellen, Osteoblasten, von denen Typ IKollagen und weitere Proteine z.B. Osteocalcin ge-
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bildet werden. Damit wird die Knochengrund- substanz, das „Osteoid“ gebildet, die dann mineralisiert,
d.h. vor allem kalzifiziert wird.
Der Knochenabbau erfolgt durch Osteoklasten, die
von blutbildenden Stammzellen abstammen. Mit
ihrem Enzymreichtum lösen sie an der Knochenoberfläche Kalzium aus dem Knochen und bauen die Knochengrundsubstanz, das Osteoid ab. Die Herauslösung
von Kalzium aus dem Knochen ist der wichtigste Mechanismus zur Aufrechterhaltung eines notwendigen
Kalziumspiegels in Blut und Gewebe. Kalzium ist das
wichtigste Molekül für die Erregbarkeit von Nerven
und Muskelfasern und damit praktisch für die Funktion fast aller Organe wichtig. Gegenüber dem Knochenabbau überwiegt in den ersten 30 Lebensjahren
der Knochenaufbau unter dem Einfluss u.a. von Vitamin D, Schilddrüsenhormon und Nebenschilddrüsenhormon (Parathormon). Im Alter von 20 bis 30
Jahren etwa bleibt die Knochendichte weitgehend unverändert, ab 30 kommt es zu einem langsamen, aber
fast kontinuierlichen Abbau des Knochens. Wie
schnell es zur Osteopenie oder gar Osteoporose
kommt, hängt davon ab, welche maximale Knochendichte ein Mensch in seinem Leben erreicht. Grundsätzlich ist sie bei Schwarzen höher als bei Weißen,
bei Männern höher als bei Frauen, sodass Männer
Knochenbrüche erst in höherem Alter erleiden als
Frauen. Knochendichte hängt vor allem von der
Rasse, körperlicher Aktivität, Aufnahme von Kalzium
und Vitamin D, Testosteron bzw. Östrogenspiegeln,
aber auch vom Lebensstil (negative Einflüsse durch
Rauchen, Alkoholgebrauch, Depressionen und Cortison- bzw. Opiatgebrauch) ab. Auch die antiretrovirale
Therapie selbst kann mit einer verminderten Knochendichte assoziiert sein.
Nach Querschnittsuntersuchungen haben 40 – 80%
HIV-infizierter Personen eine reduzierte Knochendichte, etwa 15% erfüllen die von der WHO angegebenen Kriterien für Osteoporose und haben damit ein
erhöhtes Risiko für Knochenbrüche. Da Studien in
ausreichend großen Kollektiven fehlen, schwanken
die Angaben zur Osteopenie ganz erheblich. Aus einer
Metaanalyse aus 20 Querschnittsuntersuchungen an
fast 1.000 HIV-infizierten Patienten wurde bei 67%
eine verminderte Knochendichte gefunden. In der
Aquitain-Studie fand sich bei DEXA-Untersuchung
eine Osteopenie bei 55% der Männer und 51% der
Frauen, eine Osteoporose bei 34% der Männer und
8% der Frauen. HIV-positive Patienten haben ein 6,4
mal größeres Risiko für eine Osteopenie und 3.7mal
größeres Risiko für Osteoporose.
Noch ist die klinische Relevanz der hohen Prävalenz
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der Osteopenie unklar, da es bisher in der Literatur
keine Berichte über eine erhöhte Frakturrate bei HIVInfizierten gibt. Überträgt man jedoch die bekannten
Daten aus der nicht-HIV-infizierten Population, so
muss man mit zunehmendem Alter der HIV-Patienten
sicher damit rechnen.
Ursachen für verstärkten Knochenverlust bei HIV
Eine verminderte Knochendichte bei Patienten mit
HIV-Infektion ist sicher multifaktoriell, Gewichtsverlust, Mangelernährung, gestörte Aufnahme von sowie
Mangel an Vitamin D und Testosteron können eine
Rolle spielen. Die HIV-Infektion selbst löst eine chronische T-Zellaktivierung mit vermehrter Produktion
entzündungsfördernder Botenstoffe aus, die die
Osteoklastenaktivität verstärken. In mehreren Studien
wurde ein Vitamin D-Mangel in bis zu 90% der unersuchten Populationen festgestellt. Daran beteiligt
waren falsche Ernährung, wenig Sonnenlicht und Alkoholkonsum.
Die antiretrovirale Therapie und Knochenverlust
Die Datenlage zum Einfluss der ART auf die Knochendichte ist nach wie vor dürftig. In einer Metaanalyse von 10 Studien mit Vergleich therapienaiver
(n=202) zu ART-behandelten (n=824) Patienten zeigte
sich ein 2,5- facher Anstieg des Risikos einer Osteopenie bei den therapierten Patienten. In ersten Berichten wurden Proteasehemmer als Ursache für eine
reduzierte Knochendichte angeschuldigt. Diese Befunde konnten aber in späteren Untersuchungen nicht
bestätigt werden. In der Mehrzahl der – meist kleinen
– Studien zum Einfluss einer antiretroviralen Therapie
auf die Knochendichte wurde nicht für die traditionellen Risikofaktoren wie Bodymassindex, Geschlecht, Alter, Dauer der Exposition etc. korrigiert.
In einer Querschnittsuntersuchung an 73 Patienten
wurden biochemische Marker des Knochenstoffwechsels untersucht. Bei fortgeschrittener HIV-Infektion fanden sich niedrige Spiegel von Osteocalcin
(als Marker für Knochenaufbau) und hohe Spiegel
von C-Telopeptid (ein Marker für Knochenabbau).
Bei 16 dieser Patienten fand sich nach Beginn einer
ART ein Anstieg des Osteocalcins und gleichzeitig ein
Rückgang des C-Telopeptids als Hinweis auf einen
positiven Effekt der ART auf die Knochenstruktur.
In den letzten Jahren geriet Tenofovir (TDF, Viread®
und in Truvada® und Atripla® enthalten) in den Verdacht, eine Mineralsalzminderung auslösen zu können. In einer ersten randomisierten, kontrollierten
Studie mit Tenofovir versus d4T (Zerit®) in Kombination mit 3TC (Epivir®) und Efavirenz (Sustiva®)
zeigten Patienten im Tenofovir-Arm einen signifi4
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kanten Abfall der Knochendichte nach 48 Wochen
Therapie im Vergleich zum d4T-Arm. Eine weitere
Abnahme der Knochendichte ließ sich jedoch bis zur
Woche 144 nicht mehr erkennen. In einer Studie aus
New York wurden Patienten mit und ohne Tenofovir
in ihrer HAART verglichen. Über 80% der gesamten
Studiengruppe hatten einen Vitamin D–Mangel (unabhängig von Tenofovir). Dagegen fanden sich signifikant höhere Parathormonspiegel in der
Tenofovir-Gruppe. Ob die langfristige Einnahme von
Tenofovir tatsächlich ein erhöhtes KnochenfrakturRisiko mit sich bringt, ist derzeit völlig offen. Gesicherte
Erkenntnisse
zur
Ursache
einer
TDF-induzierten Knochenabnahme liegen ebenfalls
nicht vor.
Therapie bei Osteopenie bzw. Osteoporose bei
HIV- Infektion
Stellt sich ein HIV-infizierter Patient mit Osteoporose
vor, so erfolgt die übliche Abklärung der Ursachen
entsprechend den Empfehlungen bei nicht-HIVinfizierten Patienten. Auch die Therapie von Osteopenie und Osteoporose bei älteren HIV-Positiven
unterscheidet sich nicht von den Leitlinien zur Behandlung Nicht-Infizierter. Findet sich eine behebbare
Ursache für die Osteoporose, sollte diese therapeutisch angegangen werden. Der erste Schritt ist die
Empfehlung zur Veränderung von Lebensgewohnheiten, d. h. der Beseitigung von Risikofaktoren wie Rauchen, niedriges Gewicht, körperliche Inaktivität,
übermäßiger Alkoholkonsum und verminderte Kalzium- und Vitamin D-Zufuhr. Die Osteoporose wird
bei Patienten ohne HIV-Infektion vor allem mit
Bisphosphonaten behandelt. Für Patienten mit HIVInfektion gibt es jedoch keine ausreichend großen
Studien. Einige Untersuchungen haben allerdings
einen Vorteil von Bisphosphonaten auch bei HIV-infizierten Patienten aufgezeigt. So wurde in einer prospektiven, randomisierten Studie über 48 Wochen mit
Alendronat (Fosamax®), Kalzium und Vitamin D bei
31 HIV-infizierten Personen ein signifikanter Anstieg
der Knochendichte im Vergleich zu Patienten, die nur
Kalzium und Vitamin D erhielten, beobachtet. In einer
Studie an 25 HIV-Infizierten ließ sich ebenfalls ein
positiver Effekt von Alendronat im Vergleich zur Ernährungsberatung erkennen. In der bisher größten
prospektiven randomisierten Placebo-kontrollierten
Studie der AIDS Clinical Trial Group (ACTG 5163)
ließ sich an 82 HIV-infizierten Patienten mit reduzierter Knochendichte eine signifikante Zunahme der
Knochendichte durch Alendronat feststellen.
Die Feststellung einer Verminderung der Knochen-
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dichte allein rechtfertigt allerdings noch nicht den
Einsatz von Alendronat bei HIV-infizierten Patienten,
da Langzeiteffekte (speziell in Kombination mit ART)
bisher nicht ausreichend beurteilbar sind. Zudem ist
noch ungeklärt, ob eine verminderte Knochendichte
auch bei HIV-Infizierten tatsächlich zu einem erhöhten Risiko von Knochenfrakturen führt (dies erscheint
jedoch als wahrscheinlich). Hat ein HIV-infizierter
Patient jedoch bereits nicht-traumatische Frakturen
erlitten, sollten die üblichen Kriterien für die Therapie
der Osteoporose eingehalten werden.
Ob eine Umsetzung der ART einen positiven Einfluss
auf die Knochendichte hat, ist offen. Solange keine
starken Hinweise oder gar Beweise für eine Verbesserung der Knochendichte durch Therapiewechsel
vorliegen, sollte man davon Abstand nehmen.
Literatur:
Cazanave, C et al.: Reduced bone mineral density in HIVinfected patients: Prevalence and associated effects. AIDS
2008; 22:395
Gallant, JE et al.: Efficacy and safety of tenofovir DF vs.
stavudine in combination therapy in antiretroviral-naïve
patients: A 3 year randomized trial. JAMA 2004; 292:191
Tebas, P. et al.: Accelerated bone mineral loss in HIV-infected patients receiving potent antiretroviral therapy. AIDS
2000; 14: F63
Collins, S: Bone disease and HIV. HIVi-Base, Febr. 2009
Weinberg, M and Schambelan, M: Bone and calcium disorders in HIV-infected patients.
up to date, Oct. 2008
F. Goebel,
Praxis Dr. Levin und Prof. Goebel
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zu Therapiefragen
März / April 2009
Das Ende der Geschichte?
Ergebnisse der Interleukin-2
Studien SILCAAT und ESPRIT
Interleukin-2 (IL-2) ist ein körpereigener Botenstoff,
der eine Vielzahl von Auswirkungen auf das Immunsystem hat. Unter anderem führt er zu einem Anstieg
der CD4-Zellzahl.
Die Forschungshypothese der beiden großen IL-2 Studien, ESPRIT und SILCAAT beruhte auf einer logischen Schlussfolgerung:
- Mehr CD4-Zellen bedeuten normalerweise ein geringeres Risiko für opportunistische Erkrankungen
und Aids-bedingte Todesfälle.
- IL-2 führt zu einem Anstieg der CD4-Zellzahl
- Also sollte es in der IL-2 Gruppe weniger opportunistische Erkrankungen und Todesfälle geben.
Soweit die Hypothese. Aber wie sooft in der Medizin,
kam es in Wirklichkeit ganz anders.
In die ESPRIT Studie wurden Patienten mit mindestens 300 CD4-Zellen/µl aufgenommen, in SILCAAT
mussten es 50-299 CD4-Zellen/µl sein. In ESPRIT
wurden die Patienten entweder mit der üblichen antiretroviralen Therapie (ART) behandelt oder mit ART
+ IL-2. Dabei wurde IL-2 in „Zyklen“ verabreicht,
d.h. für 5 Tage mussten sich die Patienten 2x täglich
eine Dosis von 7,5 Millionen Einheiten IL-2 spritzen,
dann 8 Wochen Pause, dann wieder ein Zyklus (insgesamt 3). Anschließend sollte immer dann wieder ein
Zyklus durchgeführt werden, wenn die Zahl der CD4Zellen auf unter 1000/µl bzw auf weniger als das
Doppelte des Ausgangswerts abgefallen war.
In SILCAAT war das Schema etwas anders: Hier wurden 6 Zyklen (4,5 Millionen Einheiten IL-2, 2x täglich, für 5 Tage) im Abstand von jeweils 8 Wochen
durchgeführt und anschließend immer dann, wenn die
CD4-Zellzahl auf unter 150/µl abgefallen war.
Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug 7 Jahre
in ESPRIT (rund 4.100 Patienten) und 7,6 Jahre in
SILCAAT (etwa 1.700 Patienten).
Ein Problem in beiden Studien war, dass IL-2 sehr
viele unangenehme Nebenwirkungen verursacht (vergleichbar mit einer schweren Grippe) und dass viele
Studienteilnehmer die Zyklen nicht wie vorgeschrieben durchführten oder die Dosis verringerten um die
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Nebenwirkungen erträglicher zu gestalten.
Das Ergebnis dieser Mammut-Studien lässt sich in
zwei Sätzen zusammenfassen:
- IL-2 + ART erhöhte die Zahl der CD4-Zellen deutlich stärker als ART alleine.
- IL-2 + ART erbrachte keinen klinischen Vorteil im
Vergleich zu ART alleine, d.h. die Zahl der opportunistischen Erkrankungen und Aids-bedingten Todesfälle war in beiden Gruppen etwa gleich hoch.
Wie immer, wenn der Ausgang einer klinischen Studie nicht den Erwartungen entspricht, wird nun spekuliert, was denn die Ursachen für dieses Ergebnis
sein könnten: Möglicherweise…
- … sind die durch IL-2-Gabe vermehrten CD4-Zellen „Zombies“, d.h. sie sehen zwar so aus, wie normale CD4-Zellen, funktionieren aber nicht so.
- …ist die ART einfach „zu gut“, d.h. dass IL-2
keine weiteren Verbesserungen mehr bringen
kann.
- … hat IL-2 noch unerforschte Wirkungen im Körper, die den Vorteil durch die erhöhte CD4-Zellzahl wieder zunichte gemacht haben.
- … gibt es einen Nutzen für bestimmte Untergruppen von Patienten. Dies wird jetzt in eingehenden
Analyen abgeklärt.
- … ist die CD4-Zellzahl gar kein so guter Marker
für den Zustand des Immunsystems wie bisher angenommen.
Der letzte Punkt ist besonders bedeutend. So gab es in
den letzten Jahren kaum mehr Studien im Bereich
HIV, die klinische Endpunkte (Erkrankungen, Todesfälle) als Zielkriterium hatten. Für solche Studien
braucht man viele Patienten, viel Zeit (und viel Geld).
Deshalb hatte man sich immer mehr auf die „Surrogatparameter“ Viruslast und CD4-Zellzahl beschränkt, in dem Glauben, dass diese einigermaßen
zuverlässig das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung und den Zustand des Immunsystems wiedergeben. Zumindest was die CD4-Zellen als Marker
anbelangt, ist dieses Konzept jetzt wieder auf dem
Prüfstand.
Die Geschichte um IL-2 hat aber noch eine ganz andere, politische Dimension. Schon seit Jahren äußerten Forscher und Mediziner den Verdacht, dass bei
diesen beiden Studien gar kein positives Ergebnis herauskommen könne! ESPRIT und SILCAAT wurden
nämlich zu einer Zeit konzipiert, als noch die Zweifachkombination eingesetzt wurde. Deshalb wurden
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alle statistischen Berechnungen mit darauf basierenden Annahmen durchgeführt. Nun ist aber die heute
verwendete Dreifachkombination wesentlich wirksamer. Deshalb waren sämtliche Annahmen hinfällig
und die Studien hätten eigentlich abgebrochen werden müssen. Der Hersteller von IL-2 und Initiator der
SILCAAT-Studie, Chiron, zog tatsächlich die Notbremse und klinkte sich aus SILCAAT aus, woraufhin
die amerikanische Gesundheitsbehörde NIH, die bereits ESPRIT durchführte, nun auch noch SILCAAT
übernahm. Mancher war ob dieser Beharrlichkeit derNIH doch etwas verwundert – gerade in einer Zeit,
wo überall gespart und Mittel gekürzt wurden. Pikantes Detail: Der Leiter der NIH, Anthoni Fauci, ist Inhaber des Patents für die Intervalltherapie mit IL-2,
also genau des Konzepts, das in ESPRIT/SILCAAT
geprüft wurde! Natürlich muss das eine nichts mit
dem anderen zu tun haben, aber es gibt zu denken.
Doch es gibt auch eine positive Seite. Im Rahmen der
beiden Studien wurde ein internationales Studiennetzwerk unter Führung der NIH aufgebaut, mit dem
Fragestellungen untersucht werden können, die ein
Land alleine überfordern würden. Dieses mittlerweile
INSIGHT getaufte Netzwerk hat mit der SMART-Studie zu Therapiepausen schon eine Fülle von wichtigen Erkenntnissen geliefert und nun soll mit START
die nächste Megastudie (untersucht wird der optimale
Zeitpunkt für den Therapiebeginn) demnächst anlaufen.
S. Schwarze
Der direkte Draht zu Projekt Information:
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Außerhalb der Bürozeiten können Sie uns ein Fax
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Und wenn Sie einmal Zeit haben, schauen Sie doch
auf eine Tasse Kaffee vorbei!
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Beeinflusst die Kenntnis der
Viruslast die Kondomentscheidung in diskordanten
Partnerschaften?
Als im Januar letzten Jahres die Schweizer Eidgenössische Kommission für AIDS-Fragen (EKAF) ihre bekannte Stellungnahme auf den wissenschaftlichen
Markt brachte, der zufolge HIV-Positive unter wirksamer antiretroviraler Therapie sexuell nicht infektiös
seien, war die Aufregung groß [1].
Während sich damit zum einen die Hoffnung des
EKAF-Präsidenten zu erfüllen scheint, „eine breite
Diskussion anzuschieben, um die Entstigmatisierung
von HIV-Positiven zu fördern“ [2], wird die Stellungnahme zum anderen als gefährlicher Dammbruch in
der Prävention kritisiert: Sie sei ein „ein irreführendes Signal an die Bevölkerung, weil diese als eine
Entwarnung vor der Gefahr der HIV-Epidemie aufgefasst werden könnten“, vermerkt beispielsweise die
Aids-Aufklärung Schweiz [3] und schließt sich damit
den “Centers for Disease Control and Prevention”
(CDC) in den USA an, die explizit vermerkten, dass
keine wissenschaftlichen Daten vorlägen, die belegten, dass es kein Transmissionsrisiko unter den von
der EKAF bestimmten Umständen mehr gebe; daher
würden die CDC ihre Empfehlung aufrecht erhalten,
dass alle sexuell aktiven Menschen mit HIV stets und
korrekt Kondome mit all ihren Partner benutzen sollten [4].
Unabhängig von diesen offiziellen fachwissenschaftlichen Debatten werden die Stellungnahme der EKAF
und die ihr zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in der HIV-positiven Community und in
Teilen der schwulen Szene längst umgesetzt. Einiges
weist darauf hin, dass Überzeugungen einer geringeren bis nicht-vorhandenen Übertragungswahrscheinlichkeit des HI-Virus bei nicht-nachweisbarer
Viruslast schon vor der Publikation der EKAF-Stellungnahme unter HIV-Infizierten kursierten und Folgen für das Sexualverhalten zeitigten. So haben
Studien gezeigt, dass die Viruslast für eine bestimmte
Gruppe schwuler und bisexueller Männer bereits zu
einem Entscheidungskriterium für oder gegen die Benutzung von Kondomen geworden ist [5]. Dies trifft
insbesondere für diskordante Partnerschaften (d.h. ein
Partner ist positiv, der andere nicht) zu, für die die
EKAF-Stellungnahme als große Erleichterung gesehen werden kann, insofern sie die Angst, den anderen
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zu infizieren, nehmen kann.
Bislang liegen dazu jedoch nur wenig systematische
Untersuchungen vor. Daher verdient eine Studie aus
Australien, die Anfang Februar in der Fachzeitschrift
“AIDS and Behavior” veröffentlich worden ist, Beachtung [6]. Ein Team um Garrett Prestage ist der
Frage nachgegangen, inwieweit die Kenntnis der Viruslast die Aushandlung des Kondomgebrauchs in
Partnerschaften beeinflusst.
Dazu haben sie umfangreiche Daten aus zwei Kohortenstudien und einer Wiederholungsbefragung aus den
Jahren 2001 bis 2007 in Sydney benutzt (243 Interviews mit 102 HIV-negativen MSM, 148 Interviews
mit 99 HIV-positiven MSM, Fragebögen von 437
HIV-positiven MSM). Alle Teilnehmer waren zum
Zeitpunkt der Befragung mindestens sechs Monate
lang in einer serodiskordanten Partnerschaft und
wussten über die Viruslast des positiven Partners (ob
sie nachweisbar oder nicht nachweisbar war) Bescheid.
Bei den negativen Befragten zeigte sich, dass diejenigen, deren positiver Partner eine wirksame Therapie
erhielt (d.h. die Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze war) weitaus häufiger von ungeschütztem Geschlechtsverkehr berichteten als diejenigen, bei deren
Partner die Viruslast nachweisbar war. Ungeschützter
Analverkehr als Aktiver kam bei ihnen etwa dreimal
(OR=3,02) und ungeschützter Analverkehr als Passiver fast zweimal (OR=1,84) so oft vor.
Bei den befragten Positiven stellte die Viruslast demgegenüber kein relevantes Entscheidungskriterium für
oder gegen die Benutzung des Kondoms in der Partnerschaft mit einem Negativen dar. Sie berichteten unabhängig von der Nachweisbarkeit ihrer Viruslast
gleich häufig von ungeschütztem aktivem wie passivem Analverkehr.
Die Autoren schlussfolgern aus diesen Befunden, dass
HIV-Negative und HIV-Positive offenbar eine sehr
unterschiedliche Wahrnehmung der Bedeutung der
Viruslast für das individuelle Risikomanagement
haben. Negative scheinen ihr Wissen oder ihre Annahme bezüglich der Übertragungswahrscheinlichkeit
von HIV in Abhängigkeit von der Viruslast für ihre
Entscheidung, beim Sex auf das Kondom zu verzichten, zu verwenden – oftmals in Kombination mit weiteren Risikomanagementstrategien wie strategic
positioning (also beim Analverkehr eher die aktive
Position einzunehmen).
Über die Gründe, warum das Wissen um ihre Virus7
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Projekt Information
last bei den Positiven das Sexualverhalten offenbar
nicht beeinflusst hat und auch keine anderen Strategien der Risikoreduktion Anwendung fanden, konnten
Prestage et al. keine Aussagen treffen, zumal sie auch
nicht direkt danach fragten, ob die Teilnehmer an
einen kausalen Zusammenhang zwischen Viruslast
und Infektiösität glaubten. Darüber hinaus fand ihre
Untersuchung vor Veröffentlichung der EKAF-Stellungnahme statt.
Für den deutschen Kontext und für Settings außerhalb
fester Partnerschaften wäre es daher spannend zu untersuchen, wie die EKAF-Stellungnahme insbesondere von den HIV-Infizierten aufgenommen wird und
welche Auswirkungen sie auf ihr sexuelles Verhalten
hat. Es könnte gut sein, dass der eigene Therapiestatus in zunehmendem Maße auch bei Positiven als Entscheidungskriterium (oder Legitimationsgrundlage)
für oder gegen die Kondombenutzung mit Negativen
fungiert.
Festzuhalten ist, dass auf die neue Gretchenfrage
„Sag, wie hältst Du’s mit der EKAF-Stellungnahme?“
möglicherweise zwei recht unterschiedliche Antworten durch HIV-Positive und HIV-Negative gegeben
werden, was mit je anderen Wahrnehmungen und Erfahrungen der Krankheit, aber auch den Zugang zu
HIV-spezifischen Informationen zu tun haben könnte.
Die Stellungnahme der EKAF bedeutet nicht nur eine
Verminderung möglicher Angst beim Sex in diskordanten Partnerschaften, sondern schafft zugleich neue
Unsicherheiten und multipliziert dadurch die potentiellen Risikosituationen, nicht zuletzt in anonymen
sexuellen Kontexten:
Dem serosorting als Wahl des Sexualpartners nach
dem gleichen HIV-Status folgt nun vielleicht ein
therapy sorting als kondomloser Sex zwischen serodifferenten Partnern in Abhängigkeit vom Therapiestatus des Positiven; und wie sich das eine oft als
seroguessing erweist, da der reale HIV-Status nur erraten wird, so oft wird auch das andere ein
therapy hoping des negativen Partners werden.
Risikomanagementstrategien sind immer nur so gut
wie die Entscheidungsgrundlagen, auf denen sie basieren. Daher ist es heute, da die Einschätzung der Infektiösität und der Folgen einer HIV-Infektion so
komplex ist und von so vielen Parametern abhängt,
wichtiger denn je, an einer gelingenden Kommunikation über HIV (nicht nur) in sexuellen Zusammenhängen zu arbeiten.
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Referenzen:
[1] Im Wortlaut heißt es in der Stellungnahme: „Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF) hält auf
Antrag der Fachkommission Klinik und Therapie des Bundesamtes für Gesundheit, nach Kenntnisnahme der wissenschaftlichen Fakten und nach eingehender Diskussion
fest: Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD unter
einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie (im Folgenden: «wirksame ART») ist
sexuell nicht infektiös, d. h., sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, solange folgende Bedingungen
erfüllt sind:
– die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch den HIVinfizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert;
– die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs Monaten
unter der "achweisgrenze (d.h., die Virämie ist supprimiert);
– es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern (STD).“
(Vernazza, P., Hirschel, B., Bernasconi, E., & Flepp, M.
(2008). HIV-infizierte Menschen ohne STD sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie nicht infektiös. Schweizerische Ärztezeitung, 89(5), S. 165)
[2] Ferber T. (2008). „Wir sind verpflichtet, unseren Patienten das ganze Wissen zu vermitteln.“ Ein Gespräch mit
dem Infektiologen und Aidsspezialisten Pietro Vernazza.
Ars Medici, 98(6), 230-1.
[3] Aids-Aufklärung Schweiz (2008). Kritik an den Empfehlungen der EKAF zur Prävention HIV-Infizierter unter
ART. Schweizerische Ärztezeitung, 89(30/31), S. 1300.
[4] CDC (2008). CDC Underscores Current Recommendation for Preventing HIV Transmission. Aufgerufen von
http://www.cdc.gov/hiv/resources/press/020108.htm.
[5] Vgl. bspw. Van der Snoek, E.M., De Wit, J.B.F., Mulder,
P.G.H., & Van der Meijden, W.I. (2005). Incidence of sexually transmitted diseases and HIV infection realted to
perceived HIV/AIDS threat since highly active antiretroviral therapy availability in men who have sex with men. Sexually Transmitted Diseases, 32, S. 170-175; Van der Ven,
P.G., Mao., L., Fogarty, A., Rawstorne, P., Crawford, Prestage, G.P., et al. (2005). Undetectable viral load is associated with sexual risk taking in HIV serodiscordant gay
couples in Sydney. AIDS, 19, S. 179-184.
[6] Prestage, G., Mao, L., Kippax, S., Jin, F., Hurley, M.,
Grulich, A., Imrie, J., Kaldor, J., & Zablotska, I. (2009).
Use of Viral Load to "egotiate Condom Use Among Gay
Men in Sydney, Australia. AIDS and Behavior. DOI
10.1007/s10461-009-9527-0.
Phil C. Langer
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Medizin & Forschung
Neue Booster für Protease- und
Integrasehemmer
orvir® als Tablette
Seit vielen Jahren ist Ritonavir als Booster-Substanz
anderer Proteasehemmer eine Hauptstütze der antiretroviralen Therapie. Ritonavir (Norvir®) hemmt in
sehr wirksamer Weise das Enzym Cytochrom
CYP3A4. Es kommt in der Leber vor, findet sich aber
auch in der Wand des Dünndarms. Dadurch können
die wichtigsten pharmakokinetischen Werte fast aller
Proteasehemmer verbessert werden. Auch ein weiterer Integrasehemmer, Elvitegravir, im Phase III-Entwicklungsstadium ist auf Ritonavir angewiesen, um
angemessene Konzentrationen für eine tägliche Einmalgabe zu erreichen. Das Boosten mit Ritonavir hat
jedoch auch Nachteile. Bei einigen Patienten können
durch das Boosten Nebenwirkungen verstärkt werden,
vor allem Störungen im Magen-Darm-Bereich. Aber
auch vielerlei, manchmal bedrohliche, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten können durch die
Hemmung von anderen P450-Enzymen herbeigeführt
werden. Gegenwärtig gibt es Ritonavir nur als Weichgelkapseln, die kühl gehalten werden müssen oder als
scheußlich schmeckende Flüssigkeit. Am 28. Januar
2009 hat Abbott jedoch Unterlagen zu einer hitzebeständigen Norvir-Tablettenformulierung für die Zulassung bei der US-Behörde FDA eingereicht.
Ein neuer Booster: GS9350
Die Firma Gilead Sciences hat eine enorme Motivation einen alternativen Booster zu Ritonavir zu entwickeln. Ihr Integrasehemmer Elvitegravir war wegen
der notwendigen Boosterung mit Ritonavir gegenüber
Raltegravir (Isentress®) ins Hintertreffen geraten. Auf
der 16. CROI präsentierte Gilead die ersten Daten zu
dem pharmakokinetischen Verstärker GS9350 am
Menschen. Die Wirkungsweise scheint der von Ritonavir gleichwertig zu sein, mit einer ähnlichen konstanten Hemmung des Cytochroms CYP3A4. Aber
GS9350 hat eine mäßigere Hemmungswirkung auf
andere CYP-Enzyme als Ritonavir. Zusätzlich wurde
in Laborversuchen festgestellt, dass GS9350 nicht das
PXR-Gen induziert, was den ersten Schritt für den Induktionsprozess bei Medikamenten wie Ritonavir und
März / April 2009
Rifampicin (Medikament bei Tuberkulose) darstellt.
Sehr wichtig ist aber auch, dass GS9350 selbst nicht
gegen HIV wirkt. Bei HIV-negativen Freiwilligen
zeigte die Substanz eine nicht lineare Pharmakokinetik bei einer Dosisfindungsstudie über zwei Wochen
mit 200 mg täglich. Es ergab sich eine ähnliche Pharmakokinetik wie mit 100 mg Ritonavir täglich. Die
starke Hemmung des Cytochroms CYP3A4 durch
GS9350 konnte durch eine markante Minderung der
Midazolam-Clearance (Dormicum®, z. B. in der Anästhesie), ähnlich der Wirkung, wie sie bei Ritonavir
gesehen wird, demonstriert werden. Midazolam ist die
Standardprobestubstanz zur Untersuchung der Stoffwechselvorgänge speziell durch CYP3A4. GS9350 ist
als Tablette gut wasserlöslich und wurde bereits mit
Elvitegravir, Tenofovir und Emticitabin in einer Tablette „Quad“ kombiniert. Bei HIV-negativen Probanden waren die pharmakokinetischen Ergebnisse
der „Quad-Tablette“ vergleichbar mit denen der Kombination GS9350 und 100 mg Ritonavir. Die Entwicklung wird beschleunigt und Gilead plant bereits
Studien bei therapienaiven Patienten zum Vergleich
von „Quad“ gegenüber dem Kombinationspräparat
Atripla® (Efavirenz/Tenofovir/Emtriticabin).
Und noch ein Booster: SPI452
Sequoia Pharmaceuticals präsentierte Daten zu dem
pharmakokinetischen Verstärker SPI452, ebenfalls ein
wirksamer Hemmer von CYP3A4. Erste Studien an
Menschen zeigten, dass SPI452 eine lange Halbwertszeit hat. So hatte dieses Präparat die Fähigkeit,
die Konzentration von Saquinavir (Invirase®) mit
einer einzigen Dosierung von jeder Substanz beträchtlich zu steigern. In einer weiteren Studie wurden einzelne Dosen der Proteasehemmer Darunavir
(Prezista®) oder Atazanavir (Reyataz®) oder Proteasehemmer-Placebo verabreicht, gefolgt von einer
Auswaschungszeit. Danach wurde für 15 Tage eine
der Dosierungen von SPI452 (50, 100, 200mg und
Placebo) von den Teilnehmern eingenommen. Die
Boostwirkung auf Darunavir als auch Atazanavir war
der mit 100 mg Ritonavir vergleichbar. Allerdings gab
es in dieser Studien keinen Ritonavir-Kontrollarm.
Der Boosteffekt dauerte sogar noch einen Tag nach
der letzten SPI452-Einnahme an (Tag 16). SPI452
schien gut verträglich zu sein, allerdings wurde von
Magen-Darm-Beschwerden berichtet. Das Präparat
gibt es bisher noch nicht in einer Tablettenformulierung. Mit diesen neuen Substanzen zum Boosten von
Proteasehemmern oder z.B. Elvitegravir ergeben sich
Hoffnungen auf eine oder zwei Alternativen zu Ritonavir. Allerdings ist SPI452 noch in einem sehr frühen Versuchsstadium mit nicht HIV infizierten
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März / April 2009
Projekt Information
Freiwilligen.
Quelle: Joe Eron, Antiretrovirals get a new Boost,
natap.org/2009/CROI, 02.03.09
Übersetzung: Peter Lechl
Akute HIV-Infektion, hohe Viruslast
und sexuell übertragbare Infektionen
bedeuten ein hohes Ansteckungsrisiko
bei schwulen Männern
Eine kürzlich erworbene HIV-Infektion, eine hohe
Viruslast und sexuell übertragbare Infektionen (STI)
bedeuten ein hohes Risiko für die HIV-Übertragung.
Wissenschaftler aus Brighton präsentierten die Ergebnisse ihrer Studie bei der kürzlichen 16. CROI in
Montreal.
Phylogenetische (stammesgeschichtlich), klinische
und epidemiologische Daten dienten zur Klärung der
HIV-Übertragung. Es stellte sich heraus, dass viele
Fälle der Übertragung von Männern herrührten, die
nichts von ihrer eigenen HIV-Infektion wussten. Auch
unbehandelte Geschlechtskrankheiten gelten als Faktoren für ein erhöhtes HIV-Ansteckungsrisiko.
1.144 schwule Männer beteiligten sich zwischen 2000
und 2004 an der Studie eines Brighton-Behandlungszentrums (England). Alle drei Monate erfolgte eine
Untersuchung der Teilnehmer. Die neu aufgetretenen
HIV-Infektionen wurden als kürzlich erworbene oder
chronische HIV-Infektionen kategorisiert. Ebenfalls
wurden Daten zu Viruslast, CD4-Zellzahl, sexuell
übertragbaren Infektionen und dem Einsatz einer
HIV-Behandlung erhoben. Phylogenetische Analysen
des HI-Virus konnten bei 859 Teilnehmern durchgeführt werden.
19% (159) wiesen eine kürzlich erfolgte HIV-Infektion auf. Insgesamt 47 (29%) dieser akuten Infektionen wurden einem Übertragungs-Cluster (Gruppe)
zugeordnet. In 41 Fällen konnte ein wahrscheinlicher
einzelner HIV-Überträger identifiziert werden. 10 dieser Überträger (24%) hatten sich erst kürzlich mit HIV
infiziert.
Damit bestätigt sich, dass ein signifikanter Anteil der
neuen Infektionen von Menschen mit einer nicht diagnostizierten Infektion herstammt. Ebenso klar war
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Jahrgang 17, Nr. 2
die Verbindung zwischen einer hohen Viruslast und
dem erhöhten HIV-Übertragungsrisiko. Jeder Anstieg
der Viruslast um 1 log erhöhte das HIV-Übertragungsrisiko um 61% (p=0,007). Wurden die HI-Viruslasten der 41 bekannten Überträger detaillierter
untersucht, zeigte sich, dass 29 eine HI-Viruslast über
10.000 Kopien im wahrscheinlichen Übertragungszeitraum hatten. Allerdings hatten zwei Patienten im
Übertragungszeitraum eine nicht nachweisbare Viruslast. Aber bei einem dieser Patienten lag bei der
vorherigen Messung die Viruslast über der Nachweisgrenze. Tatsächlich könnte dann eine Übertragung stattgefunden haben.
Eine HIV-Therapie war mit einer 96%igen Minderung
des HIV-Übertragungsrisikos verbunden (p=0,0001).
Es zeigte sich auch, dass 70% der identifizierten
Überträger nie eine HIV-Behandlung erhielten. Die
Studienärzte schließen daraus, dass ein früherer Beginn der antiretroviralen Therapie als in den Behandlungsrichtlinien empfohlen, einen erheblichen
Einfluss auf die Ausbreitung von HIV in der Bevölkerung hätte.
Neun der 41 HIV-übertragenden Patienten hatten ihre
HIV-Therapie zur Zeit der HIV-Übertragung unterbrochen. Das betont die Bedeutung der ärztlichen Information bei Patienten, die eine Therapiepause
beabsichtigen.
Eine akute HIV-Infektion erhöhte das Übertragungsrisiko von HIV um 181% (p=0,0001). In England gab
es bereits eine Reihe von Strafverfolgungen und Verurteilungen wegen „rücksichtsloser“ HIV-Übertragung. Diejenigen, die ihre Partner nicht über den
eigenen HIV-Status informierten und bei ungeschütztem Sex den/die Partner ansteckten, erhielten langjährige Gefängnisstrafen. Viele dieser Verurteilungen
stützten sich auf das phylogenetische Ergebnis, d.h.
die Staatsanwaltschaft sah damit die Quelle der Infektion als erwiesen an. Es gab jedoch Gerichtsfälle,
die gezeigt haben, dass eine phylogenetische Untersuchung nicht beweisen kann, dass ein Einzelner die
Quelle der Infektion war. Auch die Studienleiter
schreiben, dass, wie andere phylogenetische Studien
zeigen, Übertragungen nicht bewiesen werden können- d.h. es ist nicht möglich zu sagen, dass Person A
Person B infizierte, oder im Gegenteil Person C infizierte beide oder jemand dazwischen.
Inzwischen empfehlen HIV-Pioniere wie William Haseltine, Robert Gallo, Max Essex und Robert Redfield
eine generelle Durchführung von HIV-Antikörpertests
zur aussichtsreichen Kontrolle der HIV-Ausbreitung.
Im vergangenen November veröffentlichte die WHO
Einzelheiten eines mathematischen Modells. Ergeb-
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
nis: könnten alle Menschen in Südafrika diagnostiziert werden und innerhalb eines Jahres eine antiretrovirale Behandlung beginnen, dann könnte die Zahl
neuer Infektionen innerhalb von 10 Jahren um 95%
vermindert werden. Als Grundlage diente die Annahme, dass eine Behandlung das Übertragungsrisiko
um 99% reduziert. Christophe Fraser, ein Epidemiologe des Imperial College London warnte jedoch bei
der 16. CROI davor, dass sich Ergebnisse mathematischer Modelle möglicherweise im „wirklichen Leben“
nicht reproduzieren lassen. Er plädiert für eine sorgfältige Überprüfung der Hypothese des WHO-Modells, bevor politische Empfehlungen erfolgen.
Quellen:
-
-
Michael Carter, Recent infection, high viral load and
STIs mean higher risk onward HIV transmission for gay
men;
Michael Carter, Pioneers in AIDS research say treatment-as-prevention
strategy
deserves
test;
aidsmap.com, 02.03.2009
Kaletra®-Monotherapie: häufiges
Therapieversagen bei Patienten
mit niedrigem CD4-Nadir
Eine Studie in der Schweiz ergab eine unerwartet
hohe Rate des Therapieversagens bei Kaletra®-Monotherapie. Die Studie wurde gestoppt, als bei sechs
von 29 (21%) Patienten die HI-Viruslast zwischen der
achten und 24. Woche über der Nachweisgrenze lag.
Sechs Patienten hatten einen CD4-Nadir (niedrigste
jemals gemessene CD4-Zellzahl) von unter 200
CD4/mm³. In der Studie wurde auch die HI-Viruslast
im Liquor (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) gemessen. Bei allen Patienten mit Therapieversagen
wurden hohe Viruslasten im Liquor gemessen. Die
sog. MOST-Studie sollte 96 Wochen dauern. Die Studienteilnehmer hatten vorher eine Kombinationstherapie für mindestens sechs Monate (Mittel nahe vier
Jahre) erhalten und waren unter der Nachweisgrenze
der Viruslast. Die Patienten wurden in zwei Gruppen
randomisiert (zufällige Verteilung): entweder Fortführung der bisherigen Kombinationstherapie oder
Wechsel zur Kaletra®-Monotherapie. Die Patienten
waren durchschnittlich 44 Jahre alt, 70% davon männlich. 75% hatten bereits eine Therapie inklusive Proteasehemmer erhalten, das übrige Viertel der
März / April 2009
Patienten eine auf NNRTI-basierende Kombinationstherapie. Die Studie sollte abgebrochen werden, wenn
bei mehr als 10% der Patienten die Viruslast wieder
nachweisbar würde. Bei keinem Patienten mit fortgeführter Kombinationstherapie war dies der Fall. Unter
den Patienten mit Kaletra®-Monotherapie ereignete
sich das Therapieversagen innerhalb der ersten 24
Wochen. Zum Studienbeginn wurde bei allen Patienten eine Lumbalpunktion durchgeführt und bei keinem war HIV im Liquor nachweisbar. 54 von 60
Patienten waren mit einer weiteren Lumbalpunktion
zum Studienende einverstanden. Bei den Patienten
mit Therapieversagen wurden Viruslasten im Liquor
zwischen 2500 und 20.000 Kopien/ml gemessen.
Weitere drei Patienten hatten Viruslasten im Liquor
zwischen 2500 und 20.000 Kopien/ml, obwohl die
HI-Viruslast im Blut nicht nachweisbar war und kein
niedriger CD4-Nadir vorlag. Zum Zeitpunkt des Therapieversagens traten bei drei Patienten neurologische
Symptome einschließlich Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme und Sehstörungen auf.
Weiterhin erfolgen noch Messungen der HI-Viruslast
in Genitalausscheidungen. Kein Patient mit Therapieversagen entwickelte Resistenzmutationen.
Fazit: Eine Proteasehemmer-Monotherapie ist bei Patienten, deren CD4-Zellzahl schon einmal unter
200/mm³ gelegen hat, nicht zu empfehlen.
Quelle: Gus Cairns, High failure rate for people with low
CD4 nadirs in Kaletra monotherapy study, aidsmap.com,
02.03.2009
Übersetzung: Peter Lechl
Hat das Hepatitis-B-Medikament
Telbivudin (Sebivo®) auch
Aktivität gegen HIV?
Eine Wirksamkeit gegen HIV und Hepatitis B ist doch
eigentlich gut. So schlägt man die sprichwörtlichen
zwei Fliegen mit einer Klappe – sollte man meinen.
Doch es gibt durchaus Fälle, in denen diese duale
Wirksamkeit unerwünscht sein kann.
Ist beispielsweise bei einem Patienten die HIV-Infektion noch nicht behandlungsbedürftig, die Hepatitis B
erfordert aber Medikamente, so ist es besser, wenn die
HepB-Medikamente nicht gegen HIV wirksam sind.
Denn zur Behandlung der HepB werden normaler11
März / April 2009
Projekt Information
weise nur ein oder zwei Medikamente eingesetzt. Dagegen würde HIV sehr schnell Resistenzen entwikkeln. Ist dann in der Zukunft eine HIV-Therapie
erforderlich, würde sich die deutlich problematischer
gestalten, da das Virus ja schon Resistenzen angesammelt hat, die die Therapie erschweren.
Von einigen Medikamenten wie Viread®, Epivir®,
Emtriva® (und natürlich auch der Kombination Truvada®) war von Anfang an bekannt, dass sie sowohl
gegen HIV als auch Hepatitis-B-Viren wirksam sind
– soweit kein Problem. Aber beim Hepatitis-BMedikament Entecavir (Baraclude®) hieß es zunächst, es sei nur gegen Hepatitis-B-Viren wirksam.
Erst nach einem Hinweis aufmerksamer Ärzte stellte
man fest, dass es eben auch eine (geringe) Wirkung
gegen HIV hat, die aber ausreicht, um die 184V-Mutation zu selektieren, die auch Epivir® und Emtriva®
unwirksam macht.
Nun könnte sich die Geschichte bei einem weiteren
Medikament gegen Hepatitis-B-Viren wiederholen:
Von Telbivudin (Sebivo®) nahm man bisher an, dass
es keine Aktivität gegen HIV hat. Nun berichten Ärzte
vom Fall eines Patienten, dessen HI-Viruslast von
8.650 Kopien/ml nach Einnahme von Sebivo® unter
die Nachweisgrenze gefallen war. Nach Absetzen
stieg sie auf 1.074 Kopien/ml an um nach erneuter
Aufnahme der Therapie wieder unter die Nachweisgrenze zu sinken. Die Autoren deuten dies als Hinweis auf eine Aktivität von Sebivo® gegen HIV. Der
Hersteller hingegen beteuert, dass in umfangreichen
Laborversuchen keine Hinweise auf eine solche Wirksamkeit gegen HIV gefunden werden konnte.
Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen, aber
vielleicht ist es doch günstiger, HIV und HepatitisB-Viren gleichzeitig mit einer ausreichenden Anzahl
von Medikamenten zu bekämpfen.
Quelle: Low E et al.: „Telbivudine has activity against HIV1“, AIDS 2009, Vol 23 "o4, p546
S. Schwarze
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Jahrgang 17, Nr. 2
Grundlegend & Wissenswert
Die große Unbekannte:
Viruslast im Sperma
Das Anfang letzten Jahres veröffentlichte EKAFStatement besagte, dass bei HIV-Infizierten unter erfolgreicher antiviraler Therapie (d.h. Viruslast im Blut
für mindestens 6 Monate unter der Nachweisgrenze)
ohne weitere sexuell übertragbare Infektionen eine
Übertragung von HIV beim ungeschützten Sex extrem unwahrscheinlich sei (Risiko kleiner als
1:100.000).
Kritiker des Statements führten oft Untersuchungen
an, in denen nachgewiesen wurde, dass bei einem relativ großen Anteil der HIV-Infizierten auch bei nicht
nachweisbarer Viruslast im Blut dennoch Virus im
Sperma festgestellt werden kann.
Doch das hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten: HIV
kann nämlich in verschiedenen „Formen“ vorkommen:
1) Als „freies“ Virus, also Viruspartikel, die in der jeweiligen Körperflüssigkeit schwimmen – hier erfolgt der Nachweis durch das Erbmaterial (RNA)
des Virus.
2) Eingebaut in das Erbmaterial der infizierten Zelle
als Provirus (oder Vorstufen davon) – dann handelt es sich um DNA, sozusagen das Erbmaterial
des Virus in einer anderen Sprache. Hier spricht
man von „zell-assoziiertem Virus“
Forscher haben nun untersucht, was denn nun eigentlich für eine Infektion die entscheidende Form ist.
Dazu untersuchten sie vier Männerpaare, bei denen
vor kurzer Zeit ein Partner den anderen angesteckt
hatte. Beim frisch infizierten Partner wurde Virus aus
dem Blut isoliert und bei seinem Partner (von dem die
Ansteckung ausging) wurde virale RNA (d.h. Erbmaterial von freien Viren) und DNA (von zell-assoziierten Viren) isoliert.
Beim Vergleich der Viren stellte sich heraus, dass in
allen Fällen die Übertragung auf freies Virus zurückzuführen war. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob
dieses freie Virus aus dem Blut stammt oder von infizierten Zellen im Sperma gebildet wurde.
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Dennoch zeigt diese Untersuchung, dass allein der
Nachweis von viralem Erbmaterial im Blut noch
nichts über die Infektiosität aussagt. Daher ist ein solcher Nachweis auch noch nicht automatisch ein Gegenargument gegen das EKAF-Statement. Hinzu
kommt, dass der Virusnachweis im Sperma methodisch schwieriger ist als im Blut und dass die herkömmlichen Tests dafür nicht validiert sind.
So verteidgte Pietro Vernazza auf der „Retrovirus
Conference“ auch das Schweizer Statement mit dem
Hinweis, dass man bisher – Virus im Sperma hin oder
her – bei Patienten mit Viruslast unter der Nachweisgrenze extrem selten eine Übertragung auf ihren Partner / ihre Partnerin beobachtet. Bis heute gibt es
weltweit gerade einen einzigen vernünftig dokumentierten Fall. Das Risiko ist also wahrscheinlich nicht
Null, aber doch sehr gering.
Quelle: Butler D et al.: „Cell-free virus in seminal plasma
is the origin of sexually transmitted HIV among men who
have sex with men“, CROI 2009, Abstract 49LB
S. Schwarze
Energiekrise in der Zelle Mitochondrien beeinflussen
den Kranheitsverlauf
Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ in unseren Körperzellen. Sie wandeln Traubenzucker und Sauerstoff
in Wasser und Kohlendioxid um – und dabei wird
Energie frei, die wieder in chemischer Form gespeichert wird. Wird die Funktion der Mitochondrien auf
irgend eine Weise beeinträchtigt, leidet unser Körper
unter Energiemangel und viele Stoffwechselprozesse
werden beeinträchtigt.
Evolutionsbiologisch gesehen waren Mitochondrien
vor vielen Millionen Jahren vermutlich eigenständige
Bakterien, die irgendwann im Laufe der Entwicklungsgeschichte mit größeren Zellen eine Symbiose
eingegangen sind: Die Mitochondrien liefertern Energie an die Zellen und bekamen dafür Schutz und regelmäßiges „Futter“. Für beide Seiten eine
vorteilhafte Situation – und in der Evolution höchst
erfolgreich. Auch wenn die wechselseitige Abhängigkeit von Zellen und Mitochondrien im Laufe der Zeit
immer größer wurde, blieben Reste der „Urmito-
März / April 2009
chondrien“ erhalten: Mitochondrien haben auch heute
noch ihr eigenes Erbmaterial, das unabhängig von den
Chromosomen der Wirtszelle vervielfältigt wird. Übrigens bekommen wir die Mitochondrien ausschließlich von der mütterlichen Eizelle – die Spermien des
Vaters liefern nur „blankes“ Erbmaterial.
Eine Forschergruppe aus den USA hat nun untersucht,
ob Variationen im Erbgut der Mitochondrien mit
einem unterschiedlichem Krankheitsverlauf bei der
HIV-Erkrankung einhergehen.
Tatsächlich fand sich ein Zusammenhang: Es gab mitochondriale Varianten, die den Verlauf der HIV-Infektion günstig beeinflussen und solche, die die
HIV-Erkrankung beschleunigen. Offenbar schützen
Mitochondrien, die besonders effektiv Energie produzieren, vor einem schnelleren Krankheitsverlauf.
Vielleicht lassen sich auf Basis dieser Erkenntisse in
der Zukunft einmal Tests entwickeln, mit denen sich
die HIV-Therapie optimieren lässt. Es ist bekannt,
dass einige HIV-Medikamente (die Nukleosidanaloga) die Mitochondrien schädigen können. Nukleosidanaloga sind „falsche“ Bausteine für die
Vervielfältigung des Erbmaterials. Bei der Bekämpfung von HIV wirken diese Medikamente dadurch,
dass sie statt der natürlichen Nukleoside in das Erbmaterial von HIV eingebaut werden. Dies führt zu
einem Abbruch des Kopiervorgangs und es werden
weniger intakte Viren gebildet. Unsere Körperzellen
werden durch Nukleosidanaloga vergleichsweise
wenig geschädigt, da die VervielfältigungsWerkzeuge (sog. DNA- und RNA-Polymerasen) eine
Korrekturlesefunktion haben, die falsche Bausteine
wieder herausschneiden kann. Die Polymerasen der
Mitochondrien haben diese Funktion allerdings nicht
und deshalb können Nukleosidanaloga langfristig die
Mitochondrien schädigen.
Die Auswirkungen sind von Substanz zu Substanz unterschiedlich. Man geht davon aus, dass viele Langzeit-Nebenwirkungen der Nukleosidanaloga auf eine
Schädigung der Mitochondrien zurückzuführen sind:
Nervenschäden (Neuropathien), Entzündung der
Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), Fettverlust (Lipoatrophie), Nierenschädigung, Störung der Blutbildung (Anämie).
Wüsste man im Vorfeld, welche Patienten vermutlich
besonders empfindlich auf eine Schädigung der Mitochondrien reagieren werden, könnte man dies bei
der Auswahl der Medikamente berücksichtigen.
13
März / April 2009
Projekt Information
Damit ließe sich vielleicht die Anzahl und die
Schwere der Langzeit-Nebenwirkungen verringern.
Quelle: Hendrickson S et al.: „Mitochondrial D"A haplogroups influence AIDS progression“, AIDS 2008,22:24292439
S. Schwarze
Leben mit HIV
Zur Vorsicht wird geraten:
Gelbfieberimpfung bei Patienten,
die Maraviroc (Celsentri®) erhalten
Maraviroc (Celsentri®) blockiert den CCR5-Rezeptor und verhindert damit die Infektion von Zellen mit
Viren, die diesen Rezeptor benutzen („CCR5-trop“).
Allerdings hat der CCR5-Rezeptor natürlich eine Aufgabe im Immunsystem und seine Blockade kann unerwünschte Auswirkungen haben.
So war bereits bekannt, dass Menschen mit einem angeborenen CCR5-Rezeptor-Defekt bei einer Infektion
mit dem West-Nil-Virus schwerer erkranken. Nun gab
es auch einen Bericht über eine Komplikation einer
Gelbfieberimpfung bei einem Patienten mit angeborenem CCR5-Rezeptor-Defekt.
Es handelte sich dabei um die „Yellow fever vaccineassociated viscerotropic disease“ (YEL-AVD), die
zum Multiorganversagen und damit zum Tode führen
kann.
Zwar gab es bisher noch keine vergleichbaren Zwischenfälle bei Patienten, die Celsentri® einnahmen,
dennoch mahnen die Autoren wegen der noch geringen Erfahrung mit dieser Substanz zur Vorsicht. Sie
empfehlen, solange der Zusammenhang zwischen
CCR5-Defekt bzw. –Blockade und YEL-AVD nicht
geklärt ist, Patienten, die Celsentri® (oder einen anderen CCR5-Rezeptor-Blocker) einnehmen, nicht
gegen Gelbfieber zu impfen.
Quelle: Samson M et al.: „A note of caution on yellow fever
vaccination during maraviroc treatment: a hypothesis on a
potential dangerous interaction“, AIDS 2009, Vol 23 "o 4,
p542-3
S. Schwarze
14
Jahrgang 17, Nr. 2
Leberkrank? Da kann Zink
hilfreich sein!
Patienten mit Leberzirrhose können von einer Nahrungsergänzung mit Zink-Präparaten profitieren.
Denn Zinkmangel ist ein wesentlicher Ko-Faktor bei
der Entstehung der hepatischen Enzephalopathie
(Schädigung des Gehirns bei einer Lebererkrankung
durch nicht abgebaute Giftstoffe), der wichtigsten
Komplikation der Leberzirrhose. Bei diesen Patienten gehöre die Zinkgabe bei Zinkmangel zur Standardtherapie, so Dr. Kurt Grüngreif aus Magdeburg.
Das Spurenelement kann die Vernarbung der Leber
(Fibrose) bremsen, die Regenerationsfähigkeit des Organs verbessern und den durch Alkohol verursachten
oxidativen Stress in Leberzellen mindern.
Auch Patienten mit Zinkmangel und Leberzirrhose
ohne Enzephalopathie rät Grüngreif, Zink einzunehmen. Er gibt bei einem Zink-Serumspiegel unter
10µmol/l täglich 15mg und bei Werten unter 8µmol/l
die doppelte Menge (30mg). Auch bei Patienten mit
einer chronischen Hepatitis C hält der Internist die
Therapie mit Zink in einer Mangelsituation für sinnvoll.
Quelle: ÄrzteZeitung, 11.03.09, S.1
S. Schwarze
Ablösung der Prezista® 300 mg durch
Prezista® 600 mg Filmtablette
Tibotec, der Hersteller des Proteasehemmers Darunavir (Prezista®), teilt mit, dass die Prezista® 600 mg
Filmtablette jetzt die Prezista® 300 mg Filmtablette
ablöst.
Die 300mg-Filmtabletten werden nicht länger verfügbar sein.
Die empfohlene Dosierung von Prezista® für vorbehandelte Patienten ist zweimal täglich eine Tablette à
600 mg in Kombination mit 100 mg Ritonavir.
Quelle: Presseinformation tibotec
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Politik & Soziales
Schweizer Gericht kippt Urteil
gegen HIV-Infizierten
In einem beispiellosen Urteil hob der Genfer Gerichtshof die 18-monatige Gefängnisstrafe auf, zu der
ein 34jähriger afrikanischer Migrant im Dezember
2008 von einem anderen Gericht verurteilt worden
war. Bei der Entscheidung wurde das Expertengutachten von Professor Bernard Hirschel (Mitautor des
„EKAF-Statements“) berücksichtigt, dass das Risiko
einer sexuellen Übertragung von HIV unter bestimmten Umständen (erfolgreiche Behandlung, Viruslast
unter der Nachweisgrenze, keine weiteren sexuell
übertragbaren Infektionen) kleiner als 1 zu 100.000
sei.
Der Fall begann 2007 in Lausanne, als ein Gericht den
HIV-Positiven, der ürsprünglich aus dem Kongo
stammt, zu einer 28-monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilte, weil er ungeschützten Sex mit
der weiblichen Klägerin hatte, ohne sie auf seine HIVInfektion hinzuweisen. Obwohl die Frau nicht infiziert wurde, erlaubt das Schweizer Gesetz die
Strafverfolgung HIV-Positiver wegen ungeschütztem
Sex – unabhängig davon, ob sie ihre HIV-Infektion
zuvor mitgeteilt haben oder nicht. In der Praxis erfolgt
eine Verurteilung aber meist nur dann, wenn der Betroffene seine Infektion verschwiegen hat und die
Strafe wird meist auf Bewährung verhängt.
Wegen einer zweiten Klage stand der Mann im November 2008 erneut vor Gericht. Ein Gutachter hatte
angegeben, dass – obwohl eine erfolgreiche Behandlung das Risiko einer HIV-Übertragung deutlich verringerre – trotzdem ein „Restrisiko“ bleibe.
Obwohl der Anwalt des Angeklagten das „EKAFStatement“ anführen wollte, schloss das Gericht die
Beweisaufnahme ab und verurteilte den Angeklagten
zu 18 Monaten Gefängnis.
Im Januar 2009 schließlich überzeugte Bernard Hirschel die Richter des Schweizer Gerichtshofes, dass
dieses Restrisiko kleiner als 1:100.000 sei. Daraufhin
wurde das Urteil aufgehoben und der Beklagte nach
dreimonatiger Haftstrafe entlassen.
März / April 2009
Interessanterweise hatte der Staatsanwalt die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkt. Seiner Meinung
nach sollten Menschen nicht aufgrund „hypothetischer Risiken“ verurteilt werden, auch wenn die Diskussion, wie hoch dieses Restrisiko sei, noch nicht
endgültig abgeschlossen ist.
Professor Hirschel zeigte sich über das Urteil sehr zufrieden. Fälle wie dieser seien der Hauptgrund für die
Veröffentlichung des EKAF-Statements im Januar
2008 gewesen.
Quelle: aidsmap.com
S. Schwarze
Honorare sind Gesellschaftsgut
Die Bezahlung der Ärzte
im Rahmen der Gesundheitsversorgung
Der Streit eskaliert und wird immer grotesker. Niedergelassene Ärzte machen vor dem klar ausgesprochenen Hintergrund der kommenden Bundestagswahl
mobil gegen die neue Honorarverordnung, gegen eine
Reform also, die sie selbst mit ausgehandelt haben. In
einigen Städten und ganzen Landkreisen schließen
Ärzte ihre Praxen, aus Protest, weil ihnen die neue
Vergütung nicht ausreicht. Da unterstellt der eine
(Axel Munte, Kassenärztliche Vereinigung Bayern)
seinen eigenen Kollegen eine grenzenlose Gier „auf
Kosten der Patienten“, für die er sich schäme, während der andere (Andreas Köhler, Kassenärztliche
Bundesvereinigung) still und leise zurückrudert und
eine Überarbeitung der Honorarreform ankündigt. Da
will die eine (Ulla Schmidt, Gesundheitsministerin)
ein System transparenter gestalten, das ein anderer
(Markus Söder, Gesundheitsminister) gleich komplett
abschaffen will, um einen „grundlegenden Neuanfang“ zu wagen, von dem jedoch niemand weiß, wie
er aussehen soll. Was sich hinter alldem verbirgt,
bleibt oftmals unausgesprochen. Leider!
Die gesetzlichen Krankenversicherungen schütten alljährlich etwa 168 Milliarden Euro aus. Sie bekommen
das Geld vom Gesundheitsfonds und verteilen es an
Krankenhäuser, Ärzte und Patienten. Die Kliniken erhalten gut 56 Milliarden, die niedergelassenen Ärzte
gut 30 Milliarden, die Zahnärzte gut 11 Milliarden
Euro. Etwa 30 Milliarden Euro fließen in die Bezahlung von Medikamenten. Die restlichen 40 Milliarden
15
März / April 2009
Projekt Information
stehen sonstigen Ausgaben zur Verfügung, zum Beispiel Präventionsmaßnahmen, aber auch Löhnen und
Gehältern bei Krankenkassen und Kassenärztlichen
Vereinigungen, die zusammen über zehn Prozent des
Gesamtbudgets verschlingen.
Das Gesundheitssystem bewegt also viel Geld, genug
im internationalen Vergleich. Kaum ein Land auf der
Welt gibt laut OECD mehr Geld für die gesetzlich organisierte Gesundheitsversorgung aus als Deutschland, bei der Qualität rangiert die Bundesrepublik
dagegen nur im Mittelfeld. Dieses Missverhältnis
wirft Fragen auf. Das System an sich steht in einem
schlechten Licht, scheint nicht effektiv zu sein und
mit Geld nicht gut umgehen zu können. Darüber wird
viel zu wenig debattiert.
Auch geht verloren, warum Ärzte den Eindruck
haben, zu wenig zu verdienen. Das ausgeschüttete
Geld geht ihnen nicht direkt zu. Vielmehr werden die
30 Milliarden über die eigene Selbstverwaltung, die
Kassenärztlichen Vereinigungen, ausgeschüttet. Die
haben einerseits die Honorarreform selbst mit ausgehandelt und darüber hinaus die Schlüssel festgelegt,
nach denen ein Hausarzt zum Beispiel 32 Euro pro
Patient im Quartal bekommt, Orthopäden und Psychiater dagegen mit drastischen Rückgängen ihrer Vergütung leben müssen. Geändert wurde auch das
Zweiklassensystem zwischen Ost und West. Niedergelassene Ärzte in ostdeutschen Bundesländern wurden dem Standard ihrer westdeutschen Kollegen
angeglichen. Nun protestieren natürlich die einen
gegen die anderen innerhalb der eigenen Selbstverwaltung und alle zusammen gegen jeden und die
selbstgewählten Funktionäre.
Die bizarre Situation lässt den Druck im Kessel der
Kassenärztlichen Vereinigungen enorm ansteigen. Es
brodelt, doch schauen die Ärzte zu wenig auf sich und
verteilen das explosive Gemisch lieber weiter an die
Politik und die Patienten, die mit der verfahrenen Situation nur indirekt (Politik) oder gar nichts zu tun
haben (Patienten). Wenn nun Patienten vor verschlossenen Praxen stehen oder sogar aufgefordert
werden, einzelne Leistungen selbst zu bezahlen, trifft
der Protest einen Teil des gesamten Konglomerats, der
sich am wenigsten wehren kann: Den Beitragszahler,
der Gesundheit oder Heilung sucht und plötzlich leer
ausgeht. Da wird nicht nur die Versorgungspflicht des
Arztes ausgesetzt, was nicht hinzunehmen ist. Es verschieben sich auch die Koordinaten eines gesamtgesellschaftlichen Systems zu Gunsten der einen und zu
Lasten der anderen Seite.
16
Jahrgang 17, Nr. 2
Ein weiterer Aspekt wird nicht debattiert. Immer wieder rechnen Haus- und Fachärzte vor, wie sich ihr Einkommen zusammensetzt. Die Zahlen unterscheiden
sich von Gruppe zu Gruppe. Allgemein- und Nuklearmediziner sind beispielsweise Gewinner der Honorarreform, Haut- und Frauenärzte dagegen Verlierer
der neuen Vergütung. Immer wieder kursiert das
durchschnittliche Jahreseinkommen aller Ärzte in
Deutschland. Das betrug 2003 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 120.000 Euro. Die Zahl
ist immerhin sechs Jahre alt, seither angestiegen und
immer noch jungfräulich. Als nackte Summe gehört
das Durschnittseinkommen mit Sicherheit zu den wenigen Angaben des Statistischen Bundesamtes, die
kaum jemand reflektiert oder analysiert. Jene 120.000
Euro setzen sich zusammen aus allen Bezügen eines
niedergelassenen Arztes, die aus dem Topf der gesetzlichen Krankenversicherung geleistet werden.
Einnahmen aus der Versorgung privat versicherter Patienten kommen hinzu, ergänzt durch individuelle Angebote, die jeder selbst zu zahlen hat, egal ob privat
oder gesetzlich versichert. Entscheidend ist, dass sich
die taxierte Zahl von 120.000 Euro ausschließlich aus
jenen Leistungen zusammensetzt, die gesetzliche
Krankenkassen ausschütten nach Abzug aller praxisrelevanten Kosten wie Lohn, Miete und Verwaltung.
Es handelt sich also um ein monatliches Durchschnittseinkommen von 10.000 Euro brutto, von dem
nur Steuern und Sozailabgaben eines einzelnen Arztes
abgehen. Je nach unternehmerischem Können dürfte
der deutsche Durchschnittsarzt etwas über 6.000 Euro
netto verdienen. Nicht gerade wenig! Aber auch problematisch, denn Durchschnitt heißt immer, dass es
viele Ärzte gibt, die deutlich unter diesem Niveau liegen, andere proportional darüber. Außerdem trägt ein
Arzt das hohe Risiko der Versorgung und wurde dafür
wissenschaftlich ausgebildet, was sich in der Vergütung widerspiegeln soll. Doch liegt in dem komplizierten Zahlenwerk etwas verborgen, was die Debatte
ebenfalls vernachlässigt. Insbesondere hohe Kosten
für Miete, Lohn und Verwaltung schmälern das Einkommen der Ärzte. Abgesehen davon funktioniert
auch hier die Verteilung durch die Kassenärztlichen
Vereinigungen nicht.
Die hitzig geführte Diskussion um die Honorarreform
sollte sich also um die eigentlichen Fragen kümmern,
und nicht Missstände auf die Straße tragen, wo sie
nicht hingehören. Schon gar nicht sollten Patienten
ausbaden, was sie nicht angerichtet haben.
Stefan Boes
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Neuer StolpersteinÄnderung beim Mehrbedarf
für Ernährung
Viele Positive, die Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung beziehen, sehen sich mit einer neuen Situation konfrontiert. Ihr Mehrbedarf für Ernährung wird
seit einigen Monaten nicht mehr wie gewohnt ausgezahlt. Der Hintergrund ist komplex: Der Deutsche
Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., ein
Zusammenschluss der öffentlichen und freien Träger
in der Sozialarbeit, hat seine „Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe“
überarbeitet und verschärft. Das zieht Änderungen in
den sozialrechtlichen Bestimmungen nach sich, die
auch HIV-positive Bezieher von Arbeitslosengeld II
und Grundsicherung betreffen. Generell wird nämlich
die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung bei „verzehrenden Erkrankungen“ nur
noch im Einzelfall empfohlen: Zu diesen Krankheiten zählen auch HIV-Infektion und Aids.
In den Ausführungen des Deutschen Vereins heißt es
dazu, dass ein Mehrbedarf für Ernährung bei verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen und gestörter
Nährstoffaufnahme beziehungsweise Nährstoffverwertung mit erheblichen körperlichen Auswirkungen
wie zum Beispiel fortschreitender HIV-Erkrankung
und Aids gegegeben sein kann, wenn der so genante
Bodymassindex (BMI) unter 18,5 liegt und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist oder ein schneller krankheitsbedingter Gewichtsverlust über fünf
Prozent des Ausgangsgewichts innerhalb von drei
Monaten vorliegt.
Die Anwendung dieser neuen Bestimmungen ist unterschiedlich. Grundsätzlich wird der Mehrbedarf für
Ernährung bei HIV und Aids nicht mehr wie früher
generell anerkannt. Formulare, die Jobcenter oder Arbeitsgemeinschaften hierzu ausgeben, taugen zu
nichts, sind nur Blendwerk, weil der generelle Mehrbedarf beantragt wird, worauf die automatische Ablehnung folgt. Mehrbedarf für Ernährung geht nur
noch über den Einzelfall! Bei vielen HIV-Patienten
kann der Schwerpunktarzt den krankeitsbedingten
Gewichtsverlust oder das Untergewicht bestätigen. In
beiden Fällen ist eine Vollwertkost notwendig und der
Mehrbedarf zu bewilligen. Einem solchen Antrag
liegt ein anderes Formular zu Grunde, das die Jobcenter oder die Arbeitsgemeinschaft nur auf sehr ge-
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zielte Nachfrage ausgeben, aber auch der Arzt oder
die ortsansässige Aids-Hilfe in der Regel zur Verfügung stellen kann. Mancherorts prüft das Gesundheitsamt den Vorgang, in jedem Fall beruht der
Entscheid auf einer Einzelfallprüfung. Der Mehrbedarf für Ernährung kann also auch abgelehnt werden.
Wird er bewilligt, beträgt er zehn Prozent vom Regelsatz, derzeit gut 35 Euro. Davon unberührt bleibt
übrigens der Mehrbedarf für Hygiene, den manche
Kommunen ausschütten.
Für Menschen mit HIV und Aids ist die Änderung ein
weiterer Stolperstein im bürokratischen Dickicht.
Aber auch inhaltlich ist die neue Handhabung nicht
nachzuvollziehen. Außer Acht gelassen wird, dass
eine gesunde Ernährung teuer ist. Auch die Prävention scheint keine Rolle gespielt zu haben. Unbedacht
also die Verschärfung, unappetitlich die Auswirkung!
Stefan Boes
Nachrichten aus Sozial- und
Rechtspolitik
Einwanderung – Unterhalt – Regelsatz –
Jobcenter – Pflege – Datenbank –
Rente – Obdachlose
Thema Einwanderung: Das Land Berlin brachte im
Bundesrat eine Gesetzesinitiative ein, die darauf abzielt, die medizinische Versorgung von illegal eingewanderten
Menschen
ohne
eigenen
Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten. Die
Zahl derjenigen, die in Deutschland ohne Status leben
und keiner Krankenkasse angehören, wird auf etwa
eine Million geschätzt. Sie vermeiden in der Regel
den notwendigen Arztbesuch, da dieser automatisch
mit einer Meldung bei der Ausländerbehörde verbunden ist. Die namentliche Meldepflicht will das Land
Berlin durch eine anonymisierte ersetzen. Um die Finanzierung der medizinischen Versorgung geht es
dabei nicht. Die ist gesichert, denn einen Behandlungsanspruch hält das Soziale Gesetzbuch fest. Ihn
haben illegal Eingewanderte also jetzt schon. Das örtliche Sozialamt muss dafür aufkommen. Allerdings
wird der Gang zum Arzt aus Angst vor der Ausweisung oft hinausgezögert. In der Regel sind die Behandlungsoptionen dann schon ausgereizt, meist
fallen die Kosten der ärztlichen Versorgung höher aus
als notwendig. Die Gesetzesinitiative will dem nun
17
März / April 2009
Projekt Information
begegnen. Davon abgesehen würde eine Neuregelung
auch der Prävention dienen, denn viele der illegal eingewanderten Menschen leiden unter infektiösen Erkrankungen, können aber nicht erreicht werden, da sie
im Verborgenen leben – zum Beispiel in Zollgrenzgebieten deutscher Häfen. Sie aus der medizinischen
Unerreichbarkeit zu holen, wäre ein wichtiger Schritt
zur Verbesserung der Prävention. Ein Manko der Gesetzesinitiative ist dagegen, dass Bürger osteuropäischer EU-Länder, die sich legal in Deutschland
aufhalten und keine Krankenversicherung haben, von
der Neuregelung nicht mit eingeschlossen werden.
Um diesen Aspekt müsste das neue Gesetz ergänzt
werden – so es eine Mehrheit findet.
*****
Das Bundessozialgericht bestätigte die Praxis vieler
Arbeitsgemeinschaften und Jobcenter, den Unterhalt
für Kinder vom Regelsatz abzuziehen, sofern Arbeitslose nicht ihrerseits dafür sorgen. Geschützt ist
lediglich das Existenzminimum, so das Gericht. (Az.:
B 14 AS 34/07 R)
*****
Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte die
Höhe des Arbeitslosengeldes II und der Sozialhilfe.
Um der allgegenwärtigen Armut zu begegnen, müsse
der Regelsatz 440 Euro betragen.
*****
Eine Neuregelung der Jobcenter fand keine Mehrheit
im deutschen Bundestag. Neben Arbeitsgemeinschaften setzen Jobcenter die Zusammenführung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe und damit ein Herzstück
der Hartz-Reformen um. Das Verfassungsgericht hatte
Ende 2007 die enge Kooperation von Mitarbeitern der
Bundesagentur für Arbeit und einer Kommune in Jobcentern untersagt und verlangt, die Praxis bis spätestens 2010 abzuändern. Innerhalb der Großen
Koalition wurde das Vorgehen abgesprochen; ein von
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sowie den
Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) und Kurt
Beck (SPD) ausgearbeiteter Gesetzentwurf sah die
Änderung der Verfassung vor, unter Beibehaltung der
Zusammenarbeit im Rahmen einer eigenständigen
Behörde, dem Zentrum für Arbeit und Grundsicherung. Den Entwurf lehnte die CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag ab. Für die knapp 370 Jobcenter, die
von der Bundesagentur und einer Kommune gemeinsam geführt werden, bleibt vorerst alles wie gehabt;
auch für die etwa siebzig Kommunen, die die Betreuung von Langzeitsarbeitslosen und ihrer Familien in
Alleinregie übernommen haben. Nur in gut zwanzig
Kommunen regelt die Bundesagentur die Auszahlung
des Arbeitslosengeldes selbst, die Kommune dagegen
die der diversen Zuschüsse. Betreung erfahren derzeit
18
Jahrgang 17, Nr. 2
etwa 3,5 Millionen Haushalte mit 6,65 Millionen
Empfängern des Arbeitslosengeldes II. Davon sind
4,8 Millionen grundsätzlich erwerbsfähig, nur 2,25
Millionen standen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Ein neues Gesetz wird die zum Teil etwas unsortierte
Organisationsstruktur in eine neue Gussform überführen. Allerdings steht nun nach der Ablehung des
Kabinettentwurfes zu erwarten, dass die Neuregelung
erst nach der Bundestagswahl in Angriff genommen
wird.
*****
504.000 Menschen werden in Deutschland ambulant
gepflegt. Dies teilte das Statistische Bundesamt mit.
Knapp 55 Prozent nutzen das Angebot von gemeinnützigen Einrichtungen wie der Caritas oder der Diakonie, bei gut 45 Prozent übernehmen mittlerweile
private Anbieter die Pflege.
*****
Im Internet wurde eine Datenbank eingerichtet, die
Senioren- und Pflegeheime verzeichnet und bewertet.
Das Portal greift im Augenblick auf gut zwanzig Prozent aller Heime zurück, im Verlauf des Jahres soll
eine Quote von mehr als fünfzig Prozent erreicht werden. Das Portal geriet kurz nach seiner Installierung in
die Kritik, da es nach Schulnoten vorgeht. Gundo Zieres, Chef des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, sieht darin eine
Gleichmacherei, da es „keine mangelhaften Heime
mehr geben“ werde, weil sich diese ihre Noten zurechtbiegen könnten. Zieres verglich das Bewertungsverfahren mit einer heißen Herdplatte, auf der
eine Hand ruhe, während die andere im Eisschrank
läge, was im Mittel eine angenehme Körpertemperatur ergibt. (www.heimverzeichnis.de)
*****
Nach zuletzt maßvollen Erhöhungen steigt die Rente
Mitte des Jahres um 2,41 Prozent im Westen sowie
um 3,38 Prozent im Osten. Gleichzeitig sinkt die Belastung der Rentner, da der Krankenkassenbeitrag verstärkt bezuschusst wird. Der Regelsatz des
Arbeitslosengeldes II ist an die Entwicklung der Renten gekoppelt und steigt von 351 auf 359 Euro im
Monat.
*****
Eine Kuriosität leistete sich das Sozialamt in Göttingen. Die Behörde kürzte einem Obdachlosen, der in
der Einkaufszone bettelte, den Regelsatz um das vermutete Arbeitseinkommen von 120 Euro. Statt 351
Euro sollte der Obdachlose nun 231 Euro im Monat
erhalten. Erst der Druck der Öffentlichkeit führte zur
Rücknahme des Bescheids.
Stefan Boes
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März / April 2009
Projekt Information
Projekt Information e.V.
Termine
Tom Manns
Münchner Aids-Hilfe
Im März 2009 verstarb
Wir verabschieden uns von einem
langjährig engagierten Therapieaktivisten
und trauern um unseren Mitstreiter.
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht,blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and're, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse
Du fehlst uns!
Deutsche Aids-Hilfe e.V.
Patientenbeirat des Kompetenznetzes
HIV/AIDS
Deutsches Community Advisory Board
(DCAB) HIV
Beweg Dich!
Durch HIV, die HIV-Therapie und dem daraus resultierendem Älterwerden stehen HIV-Positive heute
auch Problemen gegenüber, die zu Anfang der Infektion noch keine Bedeutung hatten. Herzinfarktrisiko,
Probleme mit Zucker- und Fettstoffwechsel, erhöhtes
Krebsrisiko, HIV im Arbeitsleben, Vorsorge sind nur
einige Dinge, die verstärkt in den Fokus geraten sind.
Was kann ich für mich tun?
Die Münchner Aidshilfe will mit einer Kampagne Hilfestellung geben um die neuen Herausforderungen zu
meistern.
„Beweg Dich“ beginnt am 20. April 2009, 19.30 im
Cafe Regenbogen mit der Auftaktveranstaltung:
„Wer rastet, der rostet!“
Warum trifft dieser Spruch auch besonders auf HIVPositive zu? Durch HIV, HIV-Therapie und dem Älterwerden sehen wir uns neuen Herausforderungen
gegenüber gestellt. Durch Sport, Ernährung und Lebensstiländerungen kann man viel erreichen. Fallst du
bei einem Erfolgsprogramm über den Aktionszeitraum teilnehmen möchtest, bring deine Blutfett- und
Blutzuckerwerte mit. Die Referenten geben einen
Überblick.
Siegi Schwarze, Projekt Information
Engelbert Zankl, HIV-Therapie-Hotline
Körper:
Sport- um einen guten Effekt zu erzielen wird 2-3x
pro Woche, eine Stunde empfohlen. In Kooperation
mit Team München können wir euch folgende Trainingsmöglichkeiten anbieten:
Montags (bis Ende Mai): Fitness-Kurs, 19-20.30 Uhr
(Udo & Bettina)
Schulsporthalle St. Martin-geringe Gebühr
Montags: 19.00 Uhr, Laufen- Einsteigertraining (Andrea) mit ärztlicher und Fitnessbetreuung
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März / April 2009
Projekt Information
Isarauen, Wittelsbacher Brücke, Südostecke, ältester
Kiosk Münchens -geringe Gebühr
Mittwochs: 19.00 Uhr,Laufen ganzjährig (Peter)
Englischer Garten; Brücke am Wasserfall – geringe
Gebühr
Donnerstags: Positiver Sport Gruppe 1 (Anfänger,
sanfte Gymnastik) 19-20 Uhr, Gruppe 2 (Gymnastik,
Fitness, Kondition 20-21 Uhr anschließendes
Schwimmen bei 27°C möglich! (Herbert)
Max-Plank-Institut, Kraepelinstr.10 – kostenlos
Sonntags: 10:30 Laufen im Englischer Garten
Brücke am Wasserfall hinter dem Haus der Kunst –
geringe Gebühr
Ziel ist es, neben deinem persönlichen Fitnesserfolg,
eine „Beweg Dich“- Mannschaft beim „Run for-Life“
am 13. September 2009 zu bilden und dort teilzunehmen!
Ihr könnt natürlich auch Mitglied bei Team München
werden und andere Sportarten ausprobieren
www.teammuenchen.de
Vortrag 15.6., 19.30 Uhr, Cafe Regenbogen
Richtig ernähren bei HIV?
Bei HIV and Aids ist auf bedarfs- und nährstoffgerechte Ernährung zu achten. Ist gesunde Ernährung
auch kostengünstig möglich oder muss ich nur noch
im Bioladen einkaufen? Erhöhte Bluttfettwerte können durch Ernährung beeinflusst werden. Welche Lebensmittel und Zubereitungsarten sind eher schlecht?
N.N.
Workshop, Erster Abend am 22.Juni 18.30 Uhr Cafe
Regenbogen
Kochen mit Susi!
Hier wird die Theorie an 4 Abenden in die Praxis umgesetzt. Eigene Rezeptideen sind willkommen! -Anmeldung erforderlich!
Tabakentwöhnungskurs:
11., 12., 13., 19., 20. und 25 Mai 2009 plus 2 Stabilisierungstage(Daphne)
Geist:
Vortrag 20.oder 27.Juli, 19.30 Cafe Regenbogen
Was kann ich vor einer HIV-Therapie für mich tun?
Was sollte ich über HIV wissen?
Dr. Claudia Levin, HIV-Schwerpunktärztin(angefragt)
20
Jahrgang 17, Nr. 2
Workshop/Vortrag 2.7. 19-21 Uhr, MüAH
Yoga, Progressive Muskelentspannung, Autogenes
Training, …Die HIV-Infektion wird auch durch die
Psyche beeinflusst. Was ist die beste Methode für
mich?
Jutta Klein, Dipl.-Psychologin und Yogalehrerin
Engelbert Zankl
Sivananda-Yoga:
Dienstags, 19-20.30 Uhr, MüAH, Einstieg jederzeit,
Anmeldung erforderlich - kostenlos
Iyengar-Yoga:
Mittwochs, 19-20.30 Uhr, MüAH, Einstieg jederzeit,
Anmeldung erforderlich - kostenlos
Gesellschaft:
Workshop 28.5., 18-21 Uhr, MüAH
Ich und mein soziales Umfeld!
Offen oder nicht-offen Positiv in der Familie, Freundeskreis, Partner, Arbeit… Wem sage ich es wann
und wie? Und wem sage ich es überhaupt?
Christopher Knoll, Dipl.-Pyschologe
Engelbert Zankl, HIV-Therapie-Hotline
Positiver Stammtisch: Dienstags, ab 19.30 Uhr, Cafe
Regenbogen, Lindwurmstr.71
Vortrag 4. Mai 19.30 Cafe Regenbogen
Vorausschauend älter werden!
Bin ich bei meiner privaten Krankenversicherung gut
aufgehoben? Bekomme ich als Positiver eine Lebensversicherung? Soll ich eine Riesterrente abschließen? Lohnt sich für mich ein Immobilienkauf?
Sascha Klotz, Lohnsteuerhilfeverein
Antje Sanogo, Dipl.Päd., MüAH
Raymund Spiegl, Wirtschaftsberater(angefragt)
Vortrag 18. Mai 19.30 Cafe Regenbogen
HIV und Reisen -Was ist dabei zu beachten?
Welche Impfungen sind wichtig? Welche Gebiete
meide ich als Positiver besser? Impfausweise mitbringen, sie werden dann auch gleich überprüft!
Dr. Anja Meurer, HIV-Schwerpunktärztin
Forum 17.8. 19.30 Cafe Regenbogen
HIV am Arbeitsplatz - die Situation von HIV-positiven Arbeitnehmern!
Christian Kranich, MüAH - Arbeit und Beschäftigung
Sven Hanselmann, Twentyplus, Krankenpfleger
Bernhard Lehner, Rechtsanwalt
Elisabeth Lucko, Arbeitsmedizinerin
Moderation: Stefan Boes, Projekt Information
Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Beendet wird die Kampagne im September mit der
Teilnahme der „Beweg Dich“ – Mannschaft beim
„Run for life“
März / April 2009
Informationen und Anmeldung gibt es bei Engelbert
Zankl, HIV-Therapie-Hotline
089/54 333-100 oder [email protected]
www.muenchner-aidshilfe.de
Sollten Euch finanzielle Probleme an der Teilnahme
eines Kurses hindern, nehmt doch bitte mit uns Rücksprache!
Beweg Dich - mach mit als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Münchner Aidshilfe!
Übersicht:
April
Mai
Juni
Juli
August
September
20.4. Auftakt “Beweg Dich“
4.5. Vorausschauend älter werden!
18.5. HIV und Reisen
Tabakentwöhnungkurs
28.5. Ich und mein soziales Umfeld!
16.6. Richtig ernähren bei HIV?
22.6. Kochen mit Susi
2.7.Entspannungsworkshop
20. oder 27.7. Was tun vor HIV-Therapie?
17.8. HIV am Arbeitsplatz
13.9. Aktionsende mit „Run for Life“
Fortlaufend: Laufen, Sport, Yoga, Positiver Stammtisch
Heterotreff
jeden 4.Mittwoch, 19.30 Uhr im Café Regenbogen
Information: Jutta Klein Tel: 089- 54 333 -0
Infoabend für neue Ehrenamtliche,
jeden letzten Freitag im Monat (24.4., 29.5., 26.6.,
31.7.2009),
Münchner Aidshilfe, Lindwurmstrasse 71
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März / April 2009
Projekt Information
Jahrgang 17, Nr. 2
FrauenGesundheitsZentrum
München,
Projekt "Positive Frauen"
Offene Gruppentreffen für Frauen mit HIV:
Einmal/Monat montags 18.30 - 20.30 Uhr
Einmal/Monat donnerstags 10.00 - 12.00 Uhr
Genaue Termine auf Anfrage
20.04.2009, 18.30 - 21.00 Uhr
6. Gesprächsabend für Frauen mit HIV
Thema: Depressive Verstimmungen
Referentin: Ulrike Sonnenberg-Schwan
14.05.2009, 9.00 - 12.00 Uhr
"Frauen mit HIV werden älter"
Fortbildungsveranstaltung für Frauen mit HIV und
Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen
Referentin: Dr. Claudia Levin
alle Veranstaltungen im FGZ, Nymphenburger Str.
38/Rgb.
Anmeldung: Ulrike Sonnenberg-Schwan,
Tel. 089-1291195, [email protected]
Wichtiger Hinweis:
Für Interessenten und Vereinsmitglieder:
Bei einem nachgewiesenen monatlichen
Netto-Einkommen bis EUR 766,94 reduziert sich der Monatsbeitrag auf EUR 3,83.
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Jahrgang 17, Nr. 2
Projekt Information
Aids-Hilfe Hamburg
6. Mai 2009, 17:00 Uhr
25 Jahre AIDS-Hilfe Hamburg "Internationales
Buffet der Regenbogenkantine"
Die Regenbogenkantine ist das Jüngste unter den offenen Angeboten der AIDS-Hilfe Hamburg. Jeweils
mittwochmittags treffen sich hier Menschen mit
HIV/AIDS und ihre FreundInnen, um gemeinsam zu
kochen und zu essen. Zum 25-jährigen Jubiläum der
AIDS-Hilfe wird die Tafelrunde erweitert:Die Regenbogenkantine lädt am Mittwoch, 6. Mai 2009, 17
Uhr, ein zum Internationalen Buffet. Nachbarn und
Freunde aus St. Georg und der ganzen Stadt sind willkommen, um mit einem kulinarischen Beitrag aus
ihrer Heimatmit uns zusammen zu essen und zu feiern.
13. Mai 2009, 19:00 Uhr
Gesundheit ist mehr ...! "Wildpflanzenküche"
Es muss nicht immer Reformhaus sein: manch gesunde Nahrungsergänzung wächst in unseren Breiten
am Wegesrand, kostet nichts und ist durchaus effektvoll. Man muss sie nur erkennen!
Im Rahmen der Reihe „Gesundheit ist mehr ...“ wird
Beate Gauder (Ernährungsberaterin) am Mittwoch,
13. Mai 2009, um 19 Uhr in der AIDS-Hilfe Hamburg
einen ganz besonderen Ernährungsworkshop anbieten. In einem Streifzug durch heimische Wildkräuter
wird sie den Nährwert der zum Teil bekannten, jedoch
in Vergessenheit geratenen Kräuter erklären und den
praktischen Einsatz erläutern. Wie bei allen Workshops in dieser Reihe wird besonderer Wert darauf gelegt werden, dass es den TeilnehmerInnen möglich
wird, das Gehörte in ihren eigenen Alltag zu integrieren, um sich trotz und mit einer HIV-Infektion gesund
zu halten.
6. Juni 2009, 20:00 Uhr
25 Jahre AIDS-Hilfe Hamburg "Sexarbeit - eine
Welt für sich. Szenische Lesung"
Ayscha arbeitet in einer türkischen Bar. Sylvia schafft
seit 30 Jahren am Hamburger Fischmarkt an. Melanie
kommt aus dem Hamburger Escortbereich. Katrin ist
nach 10 Jahren Herbertstraße ausgestiegen. Callboy
John arbeitet in Stuttgart. Die Bordellbetreiberin Felicitas managt das Berliner Café PSSST und Andreas
ist Bordellchef in Hamburg. Auch die Frankfurter Prostitutionskunden Markus und Norbert kommen zu
März / April 2009
Wort, ebenso Ronny, ein auf St. Pauli geborener ausgestiegener Zuhälter.
Zehn Milieugeschichten tragen, begleitet von einer
Toncollage, die Schauspielern Ulrike Johannson und
Thor W. Müller im Rahmen einer szenischen Lesung
zum Stadteilfest St. Georg am Samstag, 6. Juni 2009,
20 Uhr, in der St. Georgskirche vor. Über die Hintergründe von Sexarbeit informiert anschließend im
Rahmen eines Kurzvortrages Ausstellungskuratorin
Dr. Elisabeth von Dücker.
Besonders verletzliche Personen und Gruppen stehen
seit 25 Jahren im Fokus der Präventionsarbeit der
AIDS-Hilfe Hamburg. Dazu gehören bis heute männliche und weibliche Prostituierte. Wenngleich die historischen Bezüge St. Georgs eine gänzlich andere
Sprache sprechen, findet im Stadtteil ein sich in den
letzten Jahren stetig verschärfender Verdrängungskampf zu Lasten der Lebensräume von SexarbeiterInnen statt. Grund genug für die AIDSHilfe, sich im
Rahmen ihrer Aktivitäten zum 25-jährigen Jubiläum
einzumischen und gemeinsam mit Stadtteilinitiativen
und dem Einwohnerverein denen eine Stimme zu
geben, über die sonst in der Regel nur geredet wird hinter der Fassade von Glamour und Stigma.
10. Juni 2009, 14:00 Uhr
25 Jahre AIDS-Hilfe Hamburg "FrauenLeben positiv. Fachtag"
Die AIDS-Hilfe Hamburg wird 25 Jahre alt. In dieser
Zeit hat das Wissen über den Verlauf und die Behandlung der HIV-Infektion deutlich zugenommen. In
zahlreichen Studien sind Unterschiede zwischen
Frauen und Männern belegt: in Lebensbedingungen,
Infektionsverlauf, Symptomatik, Behandlung und Nebenwirkungen. Die in den letzten Jahren gesteigerte
Wirksamkeit der HIV-Therapie verlängert die Lebenszeit oft deutlich und erweitert berufliche, partnerschaftliche und familiäre Perspektiven. Das stellt
neue Herausforderungen an medizinische und psychosoziale Begleitung.
Mit einem Fachtag richtet sich die AIDS-Hilfe Hamburg am Mittwoch, 10. Juni 2009, 14 Uhr, im Großen
Saal des Gemeindehauses der Kirchengemeinde St.
Georg-Borgfelde, Stiftstraße 15, unter der Schirmherrschaft von Staatsrätin Dr. Angelika Kempfert gleichermaßen an Frauen mit HIV/AIDS wie an
ÄrztInnen, BeraterInnen und MultiplikatorInnen. Die
Veranstaltung gliedert sich in die Themenschwerpunkte
25 Jahre weiblich HIV-positiv
Marianne Rademacher, Frauenreferentin der Deutschen AIDS-Hilfe (Berlin)
Älter werden mit HIV
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März / April 2009
Projekt Information
ihnen fertig zu werden. Gerade dieses System wird
vom HI-Virus geschwächt und letztlich zerstört. Yoga
kann eine sinnvolle Unterstützung sein, um im Rahmen der HIV-Therapie das Immunsystem aktiv zu
stärken.
Im Rahmen der Workshopreihe „Gesundheit ist mehr
...!“ wird Susanne Bodewald (Yoga-Lehrerin) am
Dienstag, 16. Juni 2009, um 19 Uhr in der AIDS-Hilfe
Hamburg Anregungen geben und zahlreiche praktische Übungen vorstellen, die dem körperlichen und
seelischen Ausgleich dienen, aber vor allem das Immunsystem positiv beeinflussen. Wie bei allen Workshops in dieser Reihe wird besonderer Wert darauf
gelegt werden, dass es den TeilnehmerInnen möglich
wird, das Gehörte in den eigenen Alltag zu integrieren, um sich trotz und mit einer HIV-Infektion gesund
zu halten.
AIDS-Hilfe Hamburg e.V.
Lange Reihe 30-32
20099 Hamburg
Tel. 040-2351 990
Fax 040-2351 9999
www.aidshilfe-hamburg.de
Jahrgang 17, Nr. 2
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Wenn Sie auch Termine in Projekt Information veröffentlichen wollen, kontaktieren Sie uns doch. Am besten per E-Mail,
aber auch per Fax oder telefonisch:
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Wir behalten uns jedoch eine Veröffentlichung vor - abhängig vom verfügbaren
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Impressum
Herausgeber: Projekt Information e.V., Ickstattstraße 28, 80469 München, Telefon (089) 21 94 96 20,
Fax: (089) 21 03 12 35, email: [email protected]. Vereinsregister: AG München Nr. 12575; Gemeinnützigkeit anerkannt: FA München, St.Nr.844/29143
Vorstand: Paul Glatt, Peter Lechl, Siegfried Schwarze, Klaus Streifinger.
Redaktion: Stefan Boes, Phil C. Langer, Peter Lechl, Siegfried Schwarze, Ulrike Sonnenberg-Schwan.
Hinweis:
Projekt Information versucht durch eine breite Auswahl von Themen, dem Leser einen Überblick zu den
derzeitigen therapeutischen Möglichkeiten, Entwicklungen und dem Stand der Forschung zu geben. Zum
größten Teil verwenden wir hierbei Übersetzungen aus ähnlichen Publikationen in den USA und Großbritannien.
Sie geben nicht die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. Ob die besprochenen Medikamente, Therapien oder Verfahren tatsächlich erfolgversprechend oder erfolglos sind, entzieht sich unserer Beurteilung. Sprechen Sie immer mit dem Arzt Ihres Vertrauens. Namentlich gezeichnete Artikel
verantwortet der betreffende Autor. Soweit es um Zitate aus wissenschaftlichen Publikationen geht, werden die Leser gebeten, die angegebenen Referenztexte zu konsultieren.
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