Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Mainz, 28.05.2015

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Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Mainz, 28.05.2015
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft,
Ernährung, Weinbau und Forsten
Mainz, 28.05.2015
Bearbeiter/-in: Herr Dr. Stefan Göbel
Referat 1055, Tel.: 06131 16-5397
Gz.: 105-63 23/2012-2#44
Infoschreiben Umsetzung von Natura 2000 Maßnahmen im Wald
1. Erstellung der Bewirtschaftungspläne (BWPL)
Nach der Erarbeitung von einzelnen BWPL hat das Land Rheinland-Pfalz zu Beginn des Jahres
2011 die Erstellung von BWPL für FFH- und Vogelschutzgebiete systematisch in Angriff genommen. Die zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd (Obere Naturschutzbehörden) haben in der Regel Planungsbüros mit der Erstellung der Planentwürfe beauftragt und
koordinieren das Verfahren.
Methode
Zur Vorbereitung der BWPL wurden zunächst die vorhandenen Daten (z.B. Biotopkartierung, Artendaten) gesichtet.
Vor Beginn der Bewirtschaftungsplanung fanden Abstimmungsgespräche mit den Büros und den
fachlich berührten Stellen statt. Neben den Grundlagenerhebungen durch die Naturschutzverwaltung wurden die vorhandenen Waldzustandsdaten aller in einem Gebiet gelegenen Betriebe durch
die Forsteinrichtungsstelle in Koblenz in aggregierter und damit anonymisierter Form aufbereitet.
Hierdurch ist es bspw. möglich, die Baumartenflächenanteile und Altersstrukturen bestimmter
Waldlebensraumtypen darzustellen und daraus eventuell notwendige Schritte zur Vermeidung einer Verschlechterung zu entwickeln. Die Planungsbüros gehen mit diesen Hinweisen weiteren naturschutzfachlichen Fragen wie z.B. zum Artenvorkommen nach. Danach entscheidet sich auch, ob
weitere gezielte Kartierungen erforderlich sind. Je nach Art handelt es sich dabei um bloße Erfassungen von Lebensraumstrukturen, Absenz/Präsenz-Erhebungen oder auch zahlenmäßige Erhebungen. Aus den gesammelten Informationen werden Leitbilder für die Gebiete entwickelt.
Struktur der Pläne
Die Pläne sind in zwei Teile aufgebaut, einen Grundlagenteil, der die Ist- Situation im Gebiet beschreibt und kartografisch abbildet und einen Maßnahmenteil, der die Maßnahmenvorschläge darstellt. Maßnahmenräume/Zielräume werden nur nach naturschutzfachlichen Kriterien abgeleitet; es
erfolgt keine parzellenscharfe Abgrenzung.
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Bearbeitungsstand
Die Erstellung der Planentwürfe ist für fast alle FFH- und Vogelschutzgebiete abgeschlossen. Derzeit befinden sich viele Pläne in einem (Landesverwaltungs-)internen Beteiligungsverfahren. Das
interne Beteiligungsfahren wurde eingeführt, um fachliche Empfehlungen und Ergänzungen der
Forstwirtschaft, der Landwirtschaft und des Naturschutzes schon vor dem offiziellen Verfahren in
die Pläne einarbeiten zu können. Im Rahmen dieses Verfahrens sind unter anderem die Forstämter
eingebunden. In den kommenden Jahren wird für alle Pläne sukzessive das Benehmen mit den
Kommunen hergestellt. Anschließend wird das Offenlageverfahren zur Beteiligung der betroffenen
Eigentümer und Bewirtschafter gemäß den Vorgaben des Landesnaturschutzgesetzes durchgeführt. Erst danach treten die Bewirtschaftungspläne in Kraft und werden im Internet bekannt gemacht.
2. Operationalisierung der BWPL durch die Forsteinrichtung (mittelfristige Forstbetriebsplanung)
Die nun erstmalig für die FFH- und Vogelschutzgebiete durch die Naturschutzverwaltung erstellten
BWPL konkretisieren die sich aus Natura 2000 ergebenden, übergeordneten Zielsetzungen für die
Gebiete oder Teile von diesen sowie die jeweils betroffenen Arten. Ggf. erforderliche Maßnahmen
zur Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Zustandes auf Gebietsebene werden beschrieben.
Es wird dabei nach Prioritäten unterschieden. Hierbei werden einerseits dringliche Vorhaben, andererseits erst mittelfristig umzusetzende Erhaltungsmaßnahmen oder Potenziale für die Verbesserung der Erhaltungszustände unterschieden und dargestellt. Der BWPL ist nicht unmittelbar auf
einzelne Betriebe oder Eigentümer ausgerichtet, sondern eine auf das Natura 2000-Gebiet bezogene öffentliche Fachplanung nach Naturschutzrecht.
Auf der anderen Seite legen die Waldbesitzenden ihre Ziele der Waldbewirtschaftung nach § 7
LWaldG in den Betriebsplänen fest. Als Instrument steht hierfür die mittelfristige Forstbetriebsplanung (Forsteinrichtung) zur Verfügung, die für alle Forstbetriebe über 50 ha Größe in einem
10jährigen Regelturnus zu erstellen ist. Diese mittelfristigen Pläne werden im jährlichen Wirtschaftsplan, der im Kommunalwald zum Bestandteil des Haushaltes wird, umgesetzt. Hierdurch
tragen die Waldbesitzenden den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Forstwirtschaft nach
LWaldG sowie den Grundpflichten der Nachhaltigkeit und Umweltvorsorge Rechnung.
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Die Forsteinrichtung bietet sich als bewährtes Instrument der forstbetrieblichen Planung an, die
jeweiligen Eigentümerzielsetzungen vor dem Hintergrund der öffentlichen Fachplanungen zu Natura 2000 zu operationalisieren. Sie dient der mittelfristigen Orientierung der praktischen Waldbewirtschaftung und bringt die Themen aus Naturschutz-, Forst-, Kommunal- und Privatrecht zusammen
und stellt den ersten Schritt für eine waldortsscharfe Planung dar. Die Forstbetriebspläne werden
je nach Wahl der Waldbesitzer vom Land oder privaten Sachkundigen aufgestellt. Die Planerstellenden machen sich hierzu mit den einschlägigen Bewirtschaftungsplänen vertraut und können
somit entsprechend beraten.
Wird bspw. der Erhalt des Anteiles von Eichen als Maßnahme zur Sicherung von MittelspechtVorkommen beschrieben, kommt dieser Aspekt nur in den Betrieben und Flächen zum Tragen, in
denen eine entsprechende Ausstattung mit Eichen gegeben ist oder wo es sich anbieten könnte,
solche Bestände zu entwickeln. Erst die Betrachtung von Teilräumen im Zuge der Bewirtschaftungsplanung lässt eine klar umrissene Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung zu. Um den
Waldbesitzenden einen möglichst großen Spielraum zu lassen, wurden die Zielräume im Wald
großräumig abgegrenzt.
Abstimmungsprozess und Verwaltungsaufwand
Die Naturschutz- und die Forstverwaltung favorisieren einen Weg, auf dem einerseits substanzielle
Zielkonflikte aufscheinend gemacht werden, andererseits aber auch durch eine frühzeitige Abstimmung der Planungsprozesse und –inhalte die Möglichkeiten eines Interessensausgleichs aufgezeigt werden sollen. Ziel ist es, die Verschlechterung der Erhaltungszustände von Lebensraumtypen und Arten auf Gebietsebene auszuschließen und einen „günstigen Zustand“ zu erhalten bzw.
wiederherzustellen.
Dazu ist der Erhalt einer erforderlichen Mindestausstattung an Lebensstätten für geschützte Arten
und Lebensraumtypen im Natura 2000 - Gebiet erforderlich. In Gebieten mit Staatswaldanteilen
wird versucht, die erforderliche Mindestausstattung im Staatswald zu erbringen.
Hierauf fachlich abgestimmte Forstbetriebspläne, die aus diesem Rahmen entwickelten jährlichen
Wirtschaftspläne und konkrete Bewirtschaftungsmaßnahmen gelten als Natura-2000-verträglich.
Gesonderte Verträglichkeitsprüfungen sind insoweit nicht erforderlich.
Ablauf, Instrumente
Damit die Ausgewogenheit der Überplanung mit Natura 2000-Maßnahmen unter den Waldbesitzenden sichergestellt werden kann, soll die Forsteinrichtung zukünftig zunächst eine Gesamtbetrachtung des Natura 2000-Gebietes vornehmen. Natura 2000-Gebiete und Forstbetriebe sind in
der Regel nicht deckungsgleich; es gibt verschiedenste Formen von Überschneidungen. Die Forsteinrichtung wird dann herausarbeiten, wie sich ein Wald oder ein Waldteil entwickelt und welche
Bedeutung dieser im Natura 2000-Gebiet hat. Auf dieser Basis kann beurteilt werden, ob auch die
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Natura 2000-Ziele erreicht werden oder ob ein Ausgleich innerhalb des Betriebes oder zwischen
den Betrieben eines Gebietes erforderlich wird.
In der Forsteinrichtung gibt es einerseits die reguläre Nutzungs-, Waldentwicklungsziel- und Verjüngungsplanung als betriebliche Standardinstrumente. Es ist zu erwarten, dass angesichts der
guten Ausstattung der Wälder und der i.d.R. naturnahen Waldbewirtschaftung auch die meisten
Natura 2000-Ziele durch „normale“ Bewirtschaftung und Planung erreicht werden.
Darüber hinaus gibt es aber auch weitergehende Planungen, die ausdrücklich bestimmten Wirkungszielen, wie z.B. dem Biotop- und Artenschutz gewidmet sind.
Bislang konnte schon über das Modul „Umweltvorsorgeplanung“ dargestellt werden, wo sich zusätzliche Maßnahmen wie bspw. die Sicherung besonderer Altholzstrukturen oder die Offenhaltung
eines Bachlaufes in einem bestimmten Waldbereich anbieten. Viele Kommunen machen hiervon
intensiv Gebrauch, um Potenziale für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im eigenen GemeindeForstbetrieb zu identifizieren, u.a. auch durch Einbuchungen in das Ökokonto. Das gleiche Instrumentarium der Umweltvorsorgeplanung kann nun auch herangezogen werden, um bestimmte, sich
aus Natura 2000 ergebende Maßnahmen und Potenziale zu beschreiben.
Insbesondere die sogenannte „Eventualplanung“, die am wenigsten verbindliche Planungskategorie, kann dann zur Umsetzung von über die gesetzlichen Standards hinausgehenden Maßnahmen
genutzt werden, wenn die Möglichkeit zur Finanzierung besteht. Ob diese sich nun aus einer aktiven Vermarktung der Leistung bspw. im Rahmen von Kompensationsflächen ergibt – die Gemeinde sich die Initiative also selbst zu Eigen macht – oder ob Anreizprogramme, wie z.B. die Förderung erforderlich sind, bleibt hiervon unberührt.
Infolge dessen lässt sich dann auch der Unterschied zwischen den forstbetrieblichen Zielen einerseits und darüber hinausgehenden naturschutzfachlichen Leitbildern darstellen und quantifizieren.
Die Integration in die Forsteinrichtungsplanung wird bereits erfolgreich im Staatswald umgesetzt.
3. Förderung von naturschutzfachlich prioritären Maßnahmen in Natura 2000 –
Waldgebieten
Der Natura 2000 - BWPL stellt im Wald bezüglich der Natura 2000-Belange einen Rahmen dar.
Geplant ist keine 100% Umsetzung der Bewirtschaftungsplanung in einem Forsteinrichtungszeitraum, sondern die Konkretisierung der Natura 2000 - Ziele des jeweiligen Bewirtschaftungsplans
mittels der Umweltvorsorgeplanung auf der Fläche.
Die über die Grundpflichten hinausgehenden Maßnahmen werden im Rahmen der Umweltvorsorgeplanung als Eventualplanung dargestellt und sind somit nicht verpflichtend. Im Rahmen der Umweltvorsorgeplanung festgelegte und betriebliche Planungen sind hingegen innerhalb des Zeit-
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raums der Forsteinrichtung umzusetzen. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, welche die
Grundpflichten der Waldbesitzenden berühren oder die Verschlechterung der Erhaltungszustände
von Lebensraumtypen verhindern aber auch um solche Maßnahmen, die über die in der Gebietskulisse einzuhaltenden Mindeststandard der Waldbewirtschaftung hinausgehen aber aus anderen
Gründen (z.B. Bindung einer Kompensationsfläche in Planfeststellungsbeschluss) durchzuführen
sind oder schlicht und einfach im kommenden Forsteinrichtungszeitraum zur Umsetzung vorgesehen sind.
Nach Abschluss der Forsteinrichtungsplanung erfolgt die Abstimmung mit den Waldbesitzenden.
Diese entscheiden über das Forsteinrichtungswerk. Über die Umsetzung der oben erwähnten
Eventualmaßnahmen im Natura 2000-Gebietskontext entscheidet die Kommune zukünftig mit gesondertem Beschluss. Maßnahmen, die über das gesetzliche Verschlechterungsverbot und über
die Grundpflichten des Waldbesitzers einer ordnungsgemäßen, nachhaltigen Waldbewirtschaftung
hinausgehen, können dann grundsätzlich auf dem Wege der Förderung unterstützt werden (siehe
Schaubild).
In Rheinland-Pfalz wird eine zielgerichtete Förderung, die sich am dringlichen Bedarf der Arten und
Lebensraumtypen orientiert, eingeführt.
Eine aktuelle Auswertung der BWPL hat gezeigt, dass v.a. zwei Maßnahmen besonders wichtig
sind:
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Das Zulassen der eigendynamischen Entwicklung und die Begünstigung lichtbedürftiger Baumarten.
Der Verzicht auf aktive Maßnahmen dient folgenden Zielen:

Zulassen einer temporären eigendynamischen Entwicklung

Schaffung von Ruhezonen

Erhöhung und Erhalt des Anteils von Alt- und Totholz

Erhöhung und Erhalt von Habitatbäumen

Förderung bestimmter Arten
Die oben beschriebene zukünftige Vorgehensweise zur fördertechnischen Abwicklung wird im
Rahmen einer Förderrichtlinie geregelt. Diese soll, vorbehaltlich der Bereitstellung von Haushaltsmitteln, ab 2016 Anwendung finden. Es ist beabsichtigt, die landesweite Fördersumme in Abhängigkeit vom naturschutzfachlichen Bedarf und der Beschlussfassung über die forstlichen Betriebspläne bzw. die Umsetzung der Eventualplanung sukzessive zu erhöhen. Auch die Erhöhung steht
unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln.
Zuwendungsberechtigt sollen private und körperschaftliche Waldbesitzende sein.
Generelle Voraussetzung für die Förderung von Maßnahmen ist ein Forstbetriebsplan nach § 7
LWaldG, der auf den für die Natura 2000 Gebiete vorliegenden BWPL nach § 25 Abs. 2 LNatSchG
abgestimmt sein muss. Die Umweltvorsorgeplanung muss die förderwürdigen Maßnahmen innerhalb des Waldortes darstellen. Bei Inanspruchnahme der Förderung kann der Waldbesitzende
nach Ablauf des 10jährigen Planungszeitraums wieder über seine Waldbestände verfügen. Bei
Förderung der eigendynamischen Entwicklung (Nutzungsverzicht) wäre die Wiederaufnahme der
Bewirtschaftung, die Umwidmung als Waldrefugium aber auch die Fortsetzung des Verzichts auf
Maßnahmen für einen weiteren 10jährigen Zeitraum möglich. Aufgrund der vorhandenen Strukturen soll die Abwicklung über die Forstverwaltung erfolgen.
Autor(inn)en: Vera Schmidt, Dr. Stefan Göbel
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